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Sächsische Volkszeitung : 13.08.1940
- Erscheinungsdatum
- 1940-08-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-194008138
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19400813
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19400813
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1940
-
Monat
1940-08
- Tag 1940-08-13
-
Monat
1940-08
-
Jahr
1940
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 13.08.1940
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gefeiert Namen ganz der Erziehung und dem Unterricht der Kinder. Sein Haus wurde eins der berühmtesten in ganz Deutschland, wo säst stün- big die Besucher, darunter die besten Köpfe der Zeit, ein- und ausstrvmten, ohne daß sich dabei an dem kindlich heiteren Fa- milienleben etwas änderte. In den sparsamen Betrachtungen und Gedichten, die Claudius in seinen späteren Jahren noch schrieb, bekannte er sich Immer rückhaltloser zum christlichen Glauben und zur christlichen M»stik, unter völliger Absage an die Aufklärung und an die mancherlei revolutionären Strömun gen seiner Zeit. Mancher Jugendfreund zog sich deswegen von Ihm zurück, manche der Großen, so auch Goethe. lächelten über seine Einfalt, aber weithin wurde leine Stimme gehört, und Liebe und Verehrung wurde ihm in reichem Mähe zuteil. Ver ehrende Freundschaft half auch auf diskrete Weise die Lasten des Haushaltes zu «ragen, bis der Kronprinz von Dänemark «Ine materiell sichere Grundlage schaffte Sein Werk Hot Claudis dem stummen Freund gewidmet, der ihn durchs Leben begleitet, dem Sensenmann mit der Hippe, seinem „Schutzheiligen und Hansgott", „Freund Hein", wie er ihn mit einem geheimnisvollen Wort genannt, das uns seitdem geläufig geworden ist, meist ohne datz wir seinen Ursprung ken nen. Wir dürfen es als ein Zeichen der Inneren Gesundheit unseres Volkes betrachten, datz nach Jahrzehnten der Nicht- beachtung in unseren Tagen die unsterbliche Gestalt des „Wands becker Boten" unserem Bewußtsein wieder lebendig ist. Hrrn-rtage Am 24. Juli tritt di« Sonn« in das Zeichen des Löwen, und damit beginnen die Hundslage. Für uns erweckt dieser Nam« di« Vorstellung der hochsommerlichen Hitze. Ernt« und -roße Ferien, chne daß wir uns im allgemeinen über den Ur sprung dieser merkwürdigen Bezeichnung „Hunds"tage den Napf zerbrechen. Die Hundstage sind ein vieltausendsähriges Vermächtnis, da« die altägyptische Astronomie der Menschheit bis auf unsere Tag« vererdt hat. Sie hängen zusammen mit dem Sirius, dem hellsten Stern des Fixsternhimmels, der im Sternbild des Gro ßen Hundes steht und von den Aegyptern Sothis genannt wurde. Dieser Sothis galt den Aegyptern neben Sonne und Mond als da« wichtigste Gestirn, und er wurde gleich jenen zwei grohen L«uchten des Tages und der Nacht als Hauptgottheit verehrt «nd alljährlich mit außercrdentlichen Festen gefeiert. Die Tem- velpriester und Astronomen hatten schon in urältesten Tagen derausgefunden, daß zur Zeit, wo der das Land befruchtend« Nilstrom zu schwellen beginnt, der Sirius oder Sothis zugleich mit der Sonne aufgeht Wenn nun in ihren dunklen Nächten der besonders hell strahlende Stern nach seiner Unsichtbarkeit zum ersten Male wieder im Osten vor der Sonne austaucht« und chnen die befruchtenden NUwasser gewissermaßen ankündigte. so war es nicht weit zu der Vorstellung, in dem Stern selbst den Bringer der segensreichen Fluten zu sehen. Der Beginn des Jahres, der schon Immer mit dem Beginn der Nilüberschwem mung gleichgesetzt worden war, wurde nun gesetzlich auf den „heliakilcheu Aufgang" des Sothis seftgeleqt. Zunächst rechne- 1«n die Aegypter ein Sonnenjahr mit 360 Tagen, aber bald ent deckten sie, daß bei dieser Annahme schon nach wenigen Jahren der Beginn der Nilitberschwemmung und der von ihnen errech net« hellakische Siriusaufgang sich beträchtlich gegeneinander verschodeü. Der ägyptische Mythos erzählt, daß der Sonnengott Thot der Mcndgöttin Isis im Brettspiel fünf Tage abgewonnen habe, die er den Menschen zu ihren bisherigen MO Tagen des Jahres al» Zugabe hinzuschenkt«, so daß sie nun 868 Tag« im Jahre besaßen. Aber auch dies« Taaeszohl im Jahr bewirkte, wenn auch nicht so rasch, so doch allmählich «In« Verschiebung de« wirklichen heliaktschen Sirlusaufgange« gegen den Jahre«- anifang. All« vier Jahre betrug di« Verschiebung «inen Tag. Di« Priester und Astronomen rechneten darum nach einem Jahr walde an dem uralten „Wendenstcigc" — in den lateinischen Urkunden „antiqua semila" genannt — eine Einsiedlcrklause sich erhob. Es war das am Fuße des Spitzberges, ans dem Boden der heutigen Ortschaft Obereinsiedei, die von diesem Klausner ihren Namen empfangen hat und zum Andenken an ihren Gründer heute noch einen Eremiten im Gcmeindesiegel zeigt. In der Oberlausitzer Grenzurkunde, -cm frühesten schrift- iichen Dokumente dieser Landschast heißt cs: „Locus ubi anti- guitus mansit heremita." ..Der Ort, wo vor altcrs der Ein siedler hauste." Dies schreibt diese lateinische Urkunde im Jahr« 1223, woraus zu schließen ist, datz die Existenz der dortigen Einsicdlerklausc auf ein weit höheres Alter znriickgeht. Diese Einsiedlerklause mag einen Einsiedler beherbergt haben, der einem Eremitenorden angehört hat, dessen Ausgabe es geivesen ist, fremde Wandersleute durch die zu damaliger Zeit so un wirtlichen Wälder zu geleiten und ihnen den Reisesegen zu spenden. Aehnlich mag es sich auch in Wölmsdori verhalten haben. Denn seit den frühesten Zeiten dieser Gegend, seit der Besiedlungszeit im Mittelalter, führte von hier eine seitliche Verbindungsstraßc, noch heute im Volksmunde „Dicbsstrahe" geheißen — diese Bezeichnung rührt aber nicht von Dieb her, sondern von dem in unseren Heimatdialekt hineinvcrsprcngtei» gotischen Worte „thiubjo" — heimlich, abgelegen, seitlich — vom Obereinsiedler herrschaftlichen Vorwerke über die zu diesem gräflichen Besitze auf Wölmsdorfcr Grunde gelegenen „Schaf- wiese" — untechalb des Heilbrunnens, jenseits der Wölmsbach dann auf der sog. Schafbrücke den Dorsbach iiberguerend. hinter der heutigen Ortschaft Nixdors nach Hintcrdittersbach, dem weitest vorgeschobenen Vorposten der Landschaft des Nieder landes in frühester Zeit. Wie natürlich, datz sich an einer so wichtigen Verbindungsstraßc in alter Zeit gleichfalls ein Ein siedler nicderlich. um fremden Wanderern den rechten Weg zu zeigen. So scheint die Sage, der ja gewöhnlich ein histo rischer Kern zugrunde liegt, uns älteste Verhältnisse überliefert zu haben. Und übereinstimmend damit sagt der erste geschicht liche Forscher in der Gemeinde Wölmsdors, der Schullehrer Franz Wenzel Schür, der in bewundernswerter Weise im Jahre 1825 sämtliche damals erreichbaren Geschichtsquellen zu einer einheitlichen Darstellung verarbeitet hat. über den Ursprung des Ortes folgendes: „Die ersten Einwohner wurden durch -en Einsiedler gelehrt und zur Arbeit und zum Gebete ungehalten." Also dieser Einsiedler war die älteste weltliche und auch geist liche Autorität des Ortes durch viele Jahrzehnte, da ja das kleine Oertchen in jenen frühesten Zeiten noch keinen Seel sorger besaß und der Kirchweg nach Sebn»tz. wohin e« eingepfarrt war, weit und insbesondere zur Winterszeit sehr beschwerlich war. Den Einsiedlern gebührt also das Verdlenst, jahrhundertelang weltlichen Unterricht und geistliche Belehrung den Ortsbewohnern gegeben zu haben und so Haden sie sich um die Entwicklung des werdenden Dörfchens „Wilmsdorf" die größten Verdienst erworben. Bis weit herauf in die Neuzeit blieb die so segensreiche Entwicklung der Einsiedlcrklause bestehen. Wir entnehmen den alten schriftlichen Quellen der Gemeinde, daß noch im Jahre 174V, als der letzte Einsiedler starb, sich ein Mann aus Wittichenau in Preußen um diese sreigewordene Einsiedlerklause beworben hat. Bald nachher dürste, dann die uralte Einsiedlerklause ausgehört haben zu bestehen. So weit also hat sie durch volle vier Jahrhunderte hindurch bis in die neueste Zeit heraus sich zu erhalten gewußt. Die alte Einsiedlcrklause stand dort, wo sich heute neben der Gnadenkapellc der alte, lindcnumläumte Dorsfriedhof erheb«. Lehrer Franz Wenzel Schür, der schon genannte verdienstvolle, erste Chronist der Gemeinde Wölmsdors, schreibt in seiner Ge schichtsdarstellung darüber folgendes: „Auf dem Platze, wo die alte Einsiedlerklause gestanden, da erbauete sich der Gras — gemeint ist der Altgras Leopold Salm-Reisserscheidt. der Grün der der Kapelle — ein Spcisezelt, allwo er mit seinem Gefolge am Kirchenfeste wohnete und speisctc." Dieses Zelt soll das berühmte TUrkenzelt geivesen sein, das sein Vorfahr. Graf Salm, der Verteidiger Wiens bei der ersten Türkenbelagerung im Jahre 1529. erbeutet hat und welches später Im tzainlpacher Schlosse aufbewahrt worden war. Das jahrhundertelange Bestehen der uralten Einsied ler Klause in Wölmsdors ist also als erster Ansatzpunkt, gewissermaßen als Kristallisationskern für dos später allmählich sich entwickelnde Gesamtheiligtum zu betrachten. Die Stätte, wo vor alters schon der Einsiedler hauste, war also prädestlnlert für eine spätere große Weihestätte, sie war also schon lange vorgeweihter Boden, ehe sich Heilbrunnen und Gnadcnkirchlein an die alte Einsiedlerklaus» organisch anglirderten. (Fortsetzung folgt.) Spanien erhöht seine Kunstseiden-Sr-eugung Auch Spanien will nun seine Kunstseiden-Erzeugung stei gern Bisher kennte sich die Produktion nur auf eine Fabrik in Barcelona stützen, die ihren Betrieb 1939 wieder ausnahm. Nun hat, wie die „Umschau" berichtet, die spanische Textil industrie die Genehmigung zur Errichtung einer weiteren Fa brik brantraot, die in die Provinz Iatn kommen und einhei mische Faserpslanzen verarbeiten soss. Da« größer« Opfer .Hänschen, gibst du mir einen Kuß. wenn ich dir dafür 5 Pfennig« schenke?" fragt -le Tante ihren niedlichen kleinen Neffen. ..Was, sür süns PfennigeI" lautet die entrüstet« Ant- wort. „Ich habe ja schon sür Lebertran nehmen zehn Pfennige bekommens" Nachwirkung Die junge Frau näht ihrem Mann «inen Knopf an seinen Rock. „Es ist -och schrecklich, wie schlecht die Schneider die Knöpf« annäheni" sagt sie dabei In voramrssvollem Ton, „nun habe ich dir diesen Knopf schon zum drittenmal annähen müssen? Aber wie es nicht anders sein konnte, der wirtschaftliche Erfolg des Blättchens stand zu seiner geistigen Bedeutung in gar Keinem Verhältnis, und nach vier Jahren mußte es sein Erscheinen «Instessen. Asmus schien wieder brotlos. Freunde ermöglichten es ihm, seine Beiträge aus den vier Jahren ge sondert in zwei Bänden herauszugeben unter dem Titel „Asmus omnia sua seeum portans oder Sämtliche Werke des Wands- kecker Bothen". Diesen beiden Bänden folgten noch sechs weitere, und sie enthalten alles, was in 45 Jahren von Claudius in seinem Wandsbecker Hause und Garten geschlissen wurde. Ein kurzes Zwischenspiel in Darmstadt in der Stellung eines „Oberlandkommissars", die Freund Herder mit viel Mühe be sorgt hott«, gestaltete sich zur peinlichen Enttäuschung für alle Beteiligten. Schon nach einem Jahr war Claudius mit Frau und zwei kleinen Töchtern wieder im heimatlichen Wandsbeck. Es war freilich ein karges Brot, das ihm und seiner Familie, die sich alljährlich um «in Köpfchen vermehrte, dort erwuchs. Die innige Liebe zwischen Matthias und Rebekka, die zehn wohlgeratenen Kinder, sechs Töchter, vier Söhne, waren der Reichtum des Hauses. Claudius widmete sich allmählich fast von 305'4 Tagen, während das Volk hartnäckig an dem Jahr zu 365 Tagen ohne Schaltung festhielt. So wanderte der Iah- resanfang wie alle übrigen Tage nach je vier Tagen einen Tag weiter, so daß er nach und nach alle Jahreszeiten durchlief und erst nach 1460 Jahren wieder aus den europäifchen Zeitpunkt fiel. Dadurch entstand das große Siriusjahr, di« Sothis- und Hundssternperlode, deren Beginn bescnders glänzend gefeiert wurde. Solche langen Perioden begannen im Jahre 140 n. Chr., 1321 und 278« v. Chr., noch früher wird man ihren Anfang kaum gekannt haben. Von den Aegyptern übernahmen die Griechen Len Soihis für den Stern. Daneben aber gebrauchten sie auch schon die Bezeichnung Kyon (Hund) und Seirios. eine Entlehnung aus dem Arabischen. Bei den Arabern nämlich hieß der Hunds stern el-Schlra, was so viel bedeutet wie .der Strahlende"; el- Schirajahn. die Strahlenden, nannten sie die beiden Hauptstern« des Großen und Kleinen Hundes, Sirius und Prokyon Auf die Frage, warum diese Sternbilder den Namen .Hund" sichren, gibt uns ebenfalls die älteste Astronomie und Mythologie eine Antwort. Den beiden Sternbildern nämlich schreitet westlich unmittelbar das ausfallende Sternbild des Orion voraus. Orion aber ivar identisch mit dem babylonischen Urköniq NImrud, dem biblischen Nimrod, der „ein großer Jäger vor dem Herrn" war. und ihm folgten auf seinen Iagdzügen die beiden Hunde Auch die Römer nannten den Sirius Canis, Hund, bzw. Tani- cula, Hündchen, das ganze um ihn gruppierte Sternbild Canis major. Großer Hund, im Gegensatz zu dem benachbarten Canis minor, dem Kleinen Hund. Der hellakische Aufgang des Sinus wurde auch bei den Römern, obwohl er bei ihnen nicht mehr di« Bedeutung hatte wie einst in Aegypten, unter dem Namen .dies eanieulans" noch gefeiert. Von da ging der Ausdruck in di« deutsche Sprache über, und wir begegnen im Mittelhochdeutschen den Bezeichnun gen „hundstac" oder „huntlicher tae". Es gab also ursprünglich nur einen Hundstag, und erst allmählich wurde der Begriff auf die ganzen nachfolgenden Tage ausgedehnt. Man bezeichnete nun einen ganzen Iahresabschnitt al» Huniwtage und brachte diesen mit einem bestimmten „Haus" des Tierkreises in Ver bindung. mit dem des Löwen. So rechnen wir heut« die Hunds tage vom Eintritt der Sonne in da» Zeichen des Löwen an bi» zu ihrem Uebergang in das Zeichen der Jungfrau am 28. August. Wolnrsdorf und seine Heiligtümer Von Vo. xhll. Johann HM«, tvölin -ovf Wenn der fremde Wanderer zur sciwnen Sommerzeit auf der Straße von Wölmsdors nach den früheren Grcnzorten Nie- dereinsiedel und Sebnitz pilgert, bietet sich seinen Blicken links unten auf einer Anhöhe des Wölmsbachtales ein Bild von seltener landsci-astlicher Schönheit dar. Wie es in -em herrlichen UHIandschen Volksliede so schön heißt: „Droben stehet die Ka pelle, sä)auet still ins Tal hinab", so krönt einen Hügel ober halb des Wölmsbaches, der der Elbe entgegcnrauscht, ein kirch liches Heiligtum, eine Kapelle von hoher künstlerischer Schön heit, links unterhalb des Gotteshauses reiht sich ein anderes Heiligtlnn, der weitbekannte Hcilbrunncn an. Umpflanzt von Bäumen und rechts von der Kapelle schließen sich terrassen förmig erhöht Rasenstufen an, weiter der alte idyllische Orts- srledhof, das Ganze umrahmt von alten Linden. Es ist ein harmonisch abgetöntes Ganzes, das an eindrucksvoller Schön heit weit und breit in der Landschaft seinesgleichen sucht. Hat der Wanderer noch dazu das Glück und kommt auf seiner Pil gerschaft gerade in den Tagen derFestoktavvom 14. bis 2 2. August an diesen geweihten Stätten vorbei, so sieht er das sonst so stille Tal belebt von Tausenden von Menschen, und lenkt er seine Schritte zu den kirchlichen Heiligtümern hinab, so bieten sich ihm an den Haupttesttagen viele Bilder von Feierlichkeit und religiösem Stimmungsgehalte dar. Wenn er dann bas kaleidoskopartig belebte bunte Bild hinter sich läßt, so mag er sich in der Stille gewiß die Jraae vorlegen, wie denn diese Weihestätten, die heute ein so einheitlich ge schlossenes Ganzes darstellen, einst in grauer Vorzeit entstanden sein, wie sie sich nach und nach entwickelt und wie die Glieder einer Kette harmonisch anclnandergefiigt haben mögen. Diese Frage auf Grund jahrzehntelanger Quellenforschung zu beant worten, sei der Inhalt der folgenden Kapitel. Vi« alt« Linfiedleirttaus« Die kirchliche Bedentuna dieser Stätten reicht bis In die Mründungszcit des Dorfes Wölmsdors nm Ende des 13. oder Anfang -es 14. Jahrhunderts zurück. Die Gründungssage des Ortes berichtet, daß ein Ritter namens Wilm, der letzte Be sitzer der Burg des „Raupenbergcs" bei Lobendau, früher „Raubeberg" geheißen, also einer Raubritterburg, als diese ungefähr 1339 erstürmt und vernichtet wurde, die Sünden sei nes wilden Raubrittcrlcbcns gebüßt habe, indem er eine Wall fahrt nach dem Hl. Lande unternahm und nach seiner Rückkehr aus dem Morgenlands sich als Einsiedler auf der Anhöhe ober halb des Wölmsbaches niederließ und ein frommes, gottgeweihtes Leben bis zu seinem Tode geführt haben soss. Aehnlich habe sein früherer Raubgescllc Jochem sich gleichfalls in die Einsamkeit der dichten Grcuzwälder zurückgezogen und eine Einsiedelei ans dem heutigen Ioachimsberge bei Lobendau errichtet, der von ihm seinen Namen empfangen hat. Daß hohe Herren nach einem wildbewegten, bunten, welt liche» Gcnutzlebcn sich später zur Abbüßung ihrer Sünden in die Einsamkeit zurückzogen, um ein verdienstvolles geistliches Leben dann zu führen, war ja im Mittelalter durchaus keine Seltenheit. So finden wir Im nördlichen Böhmen allerwärts solche Einsiedeleien. Erinnert sei beispielsweise an den EIn- jiedlerstein bei Biirgstein, vor allem aber an jenen wichtigen Punkt in jenen fernen, frühen Zeiten, wo im dichten Grenz- Matthias Claudius / L 2« „Die Pferd«, die den Wagen mit Gütern hinter sich haben, gehen langsamen Schritts", so schrieb Matthias Claudius in die ^Lebensregeln" für leinen Sohn Johannes. Kein treffenderes Bild könnte man für das eigene Leben des „Wandsbecker Bo len" finden als dieses. Langsam und stetig, beschwert von köst licher Fracht und doch des eigenen Reichtums unbewußt, ent wickelte sich dieses Leben. Hier war nicht eine Spur von Sorge MN das „Vorwärtskommen", nicht der Schatten eines Ehrgeizes, nicht einmal das natürliche Streben des Mannes nach Sicherung de» äußeren Daseins. Matthias Claudius schien in seiner Ju gend, wir können es kaum anders nennen, hoffnungslos lebens untüchtig. Freilich war auch nichts von „Boheme" in ihm, vom genialen Taugenichts oder einer Landstretchernatur. Im Gegen teil, eher eine gewisse.Zaghaftigkeit und Schüchternheit, die sich vom Leben zurückzog. Als Sproß eines Pfarrergeschlechts, das seit 200 Jahren - im Holsteinischen Seelsorge trieb, war auch der junge Matthias zum Pfarrer bestimmt. Seine Frömmigkeit ließ ihn dazu be sonders berufen erscheinen. Aber gerade diese Frömmigkeit war von einer Art, die sich nicht ohne weiteres praktisch ver werten ließ. Es war die Zeit, da sich auf den Lehrstühlen der «rötest. Theologie Aufklärung und Orthodoxie zankten. Er fand in keiner von ihnen den Glauben, den er selbst lebendig in sich fühlt«, und jeden Kompromisses unfähig wandte er sich von der Theologie ganz ab und der Rechtswissenschaft zu. Nach drei Jahren kehrte er aus Jena, ohne ein Examen gemacht zu haben, ins Elternhaus zurück. Wohl winkte ihm schon die Dichtung als ferner Stern. Aber seine ersten Versuche, die „Tändeleien und Erzählungen", waren eine so dürftig« Nachahmung über kommener Vorbilder, daß selbst die wohlwossendsten Freund« mit Recht den Kopf schüttelten. Ein Freund verschafste ihm einen kleinen Sekretärposten in Kopenhagen, wo sich damals unter Führung Klopstocks reges deutsches Geistesleben entfaltete. Ein eigener Ton klingt aus dem Gedicht, das er von dort an die deutsche Heimat richtete: „v du Land des Wesens und der Wahrheit / Unvergänglich für und für, Mich verlangt nach dir und deiner Klarheit / Mich verlang« nach dir." Nach einem Jahr kehrte er heim: aus der verwirrenden Fülle der Großstadt in die Klarheit des Heimatdorfes. Drei Jahre brauchte er hier, um sich selbst wiedcrzufinden. Drei Jahre ohne Beruf und ohne Entschluß zu einem solchen. Endlich, mit 28 Jahren, ging er nach Hamburg, wo er sich erst durch Ueber- fehungen, dann durch einen untergeordneten Redakteurposten recht kümmerlich ernährte. Ende 1770 vertraute I. I. Bode ihm die Redaktion einer von ihm herausgegebenen Dorszeitung an, „Der Wandsbecker Bote". Claudius siedelte nach dem eine Wegstunde von Hamburg entfernten Dorf Wandsbeck über und begann am 1. Januar 1771 seine Tätigkeit. Bald darauf hei ratete er Rebekka Behn, die Tochter eines Wandsbecker Tischler meisters. Hatte der Sonderling endlich ein Unterkommen gesunden, das ihm eine selbständige Existenz und die Erhaltung einer Fa milie ermöglichte? O, er hatte mehr gefundenl Eine Platt form, die es ihm erlaubte, ein einzigartiges Lebenswerk zu ent falten. Nur wenige Jahre hat die unscheinbare Dorszeitung bestanden, aber in diesen Jahren erwarb sie sich die begeisterte Leserschaft der Besten in ganz Deutschland. Durch Claudius Beziehungen zu Klopstock, Lessing, Herder, Voß und anderen finden wir die ersten Namen des damaligen geistigen Deutsch land auf den Seiten des „Boten", aber es «varen nicht diese berühmten Namen, die dem Blatt ein einzigartiges Gesicht ga ben und es unsterblich gemacht haben, sondern das waren die Beiträge von Claudius selbst. Dabei blieb das Blatt tatsächlich eine dörfliche Chronik, die die Leiden und Freuden, die über Mühen und Fest« des ländlichen Iahreslaufs ebenso aetreulich berichtete wie über die Ereignisse der großen Welt. Aber wie berichtetet Die kleinen Dinge, wie die Heimkehr der Schwal ben im Frühling, bekamen die Größe der Natur, die großen Dinge wurden durch nachdenkliche Glossen in die Nähe des menschUchen Herzens gerückt. Und unmerkltch wurde der schlichte Chronist zum unbestechlichen Richter seiner Zeit. Als vertrauter Nachbar redete Asmus, wie Claudius sich im „Boten" nannte, seine Leser an und brauchte dabei nicht, wie Luther es empfahl, „dem Volke aufs Maul zu sehen"; er redete von selbst die Sprache des Volkes, er hatte nie eine andere reden können, darum hatte er ja in Gesellschaft der Allzuklugen stets ver stummen müssen, aber diese Sprache war zugleich die eines begnadeten Dichters, kindlich schlicht, humorvoll und weise, bild haft und fromm. Und hier «nd da verdichtete diese meisterliche Prosa sich zum Vers. Die Gedichte, die Claudius «ns hinter lassen hat, sind nicht zahlreich, aber Lieder wie das Wiegenlied „So schlafe nun, du Kleine" oder das Abendlied „Der Mond ist aufgegangen" haben in der deutschen Literatur nicht ihres gleichen. Jedem deutschen Kind vertraut sind Perlen wie die Ballade von „Goliath und David", sein „Der Winter ist ein »echter Mann" oder „Ich danke Gott mit Saitenspiel".
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