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Sächsische Volkszeitung
- Erscheinungsdatum
- 1940-07-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-194007242
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19400724
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19400724
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1940
-
Monat
1940-07
- Tag 1940-07-24
-
Monat
1940-07
-
Jahr
1940
- Titel
- Sächsische Volkszeitung
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benutzt. Die Klub- den Schalen einer und der britischen des Lord Leverhulme verfiiat. telephonisch seine Kollegen im Ministerium, um ilmen heimliche Audienzen zu neben, das heisst Direktiven zu erteilen, die dann für ihren Trust sehr nühlich sein werden während er. um die Pille der verhüllten Auslage zu versüssen. Ratschläge, anscheinend umsonst, über die Mög lichkeiten ertragreiöier Spekulationen an der Börse gibt, und diese werden darauf den Herren Ministern privat dienen... Eiir anderes hervorragendes Mitglied des Klubs ist der dicke Lord Mclohett of Langford, der. ehe er diesen hochtönen den Namen hatte, der Jude Moritz Mond ivar der sein unge heures Vermögen durch Herstellung giftiger blase im Weltkrieg aufhäufte und der im Jahre 1928 durch ein Millionentrinkgeld sich mit Hilfe der konservativen Partei das Wappen Knuste... Es ist allgemein bekannt, dak heute der St Steifens Elub der einfluhreichste Kreis des britisciien Reichs ist Er ist der wahre Sitz der plutokratischen Regierung an der Themse. Es ist daher nicht überraschend, dah cs keinen Engländer gibt, der eine glänzende Laufbahn, sei cs auf polstilänm oder finan ziellem Gebiete, machen will, der irgendein Ovfcr scheute, um auf seine Visitenkarte die bedeutsame Anschrift setzen zu kön nen: „St. Stephens". Diese Anschrift ist gleichsam das ..Sesam öffne dich!" Aber es ist eine Genugtuung, die aukerordentlich kostspielig Ist. Der Jahresbeitrag für die Mitgliedschaft im St. Stephens Elub beläuft sich auf über 6000 Mark! fünfmal mehr als ein englischer Bergarbeiter mit sechs Kindern verdient? Und auch an die Persönlichkeit des Kandidaten werden An forderungen gestellt, denen nicht allo genügen können. Zunächst ist cs notwendig, dah jeder Anwärter eine der berühmten Schu len wie Etan. Rubln), Harrow besucht Kat. die Ihren gesell schaftlichen Mert haben, nreil nur eine beschränkte Anzahl aus genommen wird. Durch diese Forderuna wird das nemeine Volk van vornherein von der Zugehörigkeit zum Klub aus geschlossen. Ausnahmen sind nur durch den Steuersatz oder für die neuen Adligen möglich. Wenn ein Mann aus dem Volke Minister wird, so wählt man ibn zum Klubmitalied. ohne dah er Beitrag zahlt. Aber seine Wahl geschieht nicht unter seinem Namen, sondern bezeichnet leinen Grad. Während Lord Mel- chett. Chamberlain, Eden, alle tgpische Vertreter der Pluto- kratio, namentliche Mitalledcr, das heih» ersten Ranges sind, ersclreint zum Beispiel das Haupt der Arbeitervartei Green« woad. früherer Lokomotinsührer, zusammen mit Atstee auf der Mitgliederliste nur als „Führer der Onvosition". Wenn eine« Tages seine Partei ihn foriscklcken sollte so würden auch di« Vforten van St. Stephens siir Ihn geschlossen sein und der Tempel des Geldes ihn nicht mehr aufnchmen. Bernard Shaw hat einmal gesagt: „Mir machen unsere Käufer, und dann machen unsere Häuser uns". Es genügt, dah man aus einer vornehmen Schule kommt und reich Ist. Deshalb gibt es In London und in England so viele Arme, deren Armut so schrecklich ist. mell eine Brüderschaft von Grellen mit eiskalten Herzen und geschickten Händen an den trügerischen Gott glaubt und für ihn leb«, der „Gold" heisst.... Die Herren vsm „St. Stez>hens-Llub Der wahre Sitz -er plntokvatischen Negierung an der Themse Ein sehr anschauliches Bild von dem elnfluhreichsten Klub des britischen Weltreichs, der alle typischen Ver treter der englisä-en Plutokratie in sich vereinigt und von dem die verhängnisvollsten Beschlüsse ausgehen, wird im „Messaggero" entworfen. für den gesteigerten geistigen Bedars. Der durch die gewaltigen Geschehnisse geweckte Sinn für die Gegenivart brachte Anfang 1703 erstmalig eine nach westeuropäischem Muster eingerichtete Zeitung hervor, die „Ruhkie Vedomostt" („Russische Berichte" gleich „Russische Zeitung"). Wohl waren schon längst, auch unter Mitwirken der zuständigen Prikase, handschriftliche Nach richten aus dem Zn- und Ausland verbreitet morden, doch jetzt organisierte der Zar einen regelrechten Zcitungsdienst. Dieser Verweltlichung des Wissens und des Geisteslebens entsprach es auch, wenn Peter die Schriftsprache von dein nun schon recht veraltet klingenden kirchlichen Idiom in die Bahn volkstüm licherer Ausdrucksweise lenken wollte. Noch mehr erweiterte er die Kluft zwischen geistlichem und weltlick-em Schrifttum da durch, dah er das schwierige und verschnörkelte Alphabet dem kirchlichen Gebrauch überlieh, für das weltliche Schrifttum da gegen auf der Grundlage des alten Alphabets eine neue, nach dem Duktus der lateinischen stilisierte und darum leicht lesbare Schrift schuf s1708). Dieses für den zivile» Staatsbürger sgrazdanin) bestimmte Alphabet, die „grazdanskaja azbuka", hat sich im wesentlichen bis heute erhalten. Die grohe Zeit brachte aber keine grossen; ihr gewachsenen Schriftsteller hervor, trotz aller Anregungen Peters, (gefördert wurde von ihm auch das Theater, nachdem es bereits unter Alexej Michajlowitsch s1672) hoffähig geworden war. Freilich wandte sich Peter auch hier mehr dem Lehrhaften und Be lustigenden zu. Ein russisches Staatstheatsr für Tragödien und Komödien richtete erst Elisabeth ein (1736). Das alte moskauischr Ruhland setzte sich also nur in der Kirche, in der Denkweise und dem Kuliurstil der missenssrem- den Massen und der kleinbürgerlichen Schicht fort und hielt hier auch an den überkommenen literarischen Formen fest. Die oberen Kreise dagegen muhten sich, in überstürztem Tempo, die zunächst doch nur äuherliche Europäisierung des Lebensstils ge fallen lassen, die es dahin brachte, dah man in westeuropäischen Assembleen auch die russische Frau aus dem Innern des Hauses an die Oesfentlichkeit gesellschaftlichen Lebens zerrte und sie dem neuen Geistesleben zusührcn wollte. Uebersetzungen von Büchern über die feinen Sitten und den guten Ton. wie sie das westliche Schrifttum zur Genüge kannte, sollten theoretische Un terweisung geben. Die kulturelle Einheitlichkeit des Balkes bekam jetzt einen Rih. Das schlichte Volk wahrte die alther gebrachte Dichtung in allen ihren Formen und entwickelte sie weiter, wobei gewisse, auch die Massen berührende Aenderungcn der Lebensführung umgestalteud oder Neues schassend (Sol- dateniied, Matrosenlied) einwirkten. Es war die Zeit, in der das alte Heldenepos gepflegt und weiteraebildet wurde und das historische Lied durch Mieters Taten und Werk reiche Anreaung empfing. Manches drang auch aus der Literatur der Ober schicht in die kleinbürgerlichen und breiten Bolkskreise ein. Doch im Zuge der Europäisierung Ruklnnds muhte auch der Anschluss der russischen Literatur der geistigeren Kreise an die Klassik sich vollziehen. Wie aber dem Kleinbürger noch die alten Volksbücher und Schwänke Unterhaltung waren, so ging auch die Belletristik der sozial höberen Klassen noch lange im herkömmlichen Gleise. Besonders Abenteuer- und Liebesromane waren vom Westen her eingcwandert, dazu Ritterromane, wenn gleich Ruhland keinen Ritterstand gekannt batte. Die Phan tasie der Leser wurde angeregt, aber auch Gefühl und Verstand kamen zu ihrem Recht, da sich hier durch die fernen Schau plätze der Handlung genua Belehrung bot. So emanzipierte sich die weltlich gerichtete Literatur von der geistlichen immer schärfer, obwohl ihr zunächst iikerrggende Talente mangelten und Uebersetzungen diesen Mangel ergänzen mukten. Als Ue- bersetzer dienten gewöhnlich noch Kleriker Der Höhepunkt der Bedeutung des geistlichen Standes in der Entwicklung der rus sischen Literatur ist mit Jaworskis und Drokopowitsch erreicht. Von da ab tritt der Geistliche zu Gunsten des Laien in der Beherrschung der Literatur rasch zurück. Trotz allem aber be hielt die Geistlichkeit auch ferner eine ausschlaggebende Rolle Im Leben des Volkes und des Staates. sAus: Geschichte Ruhlands von Dr. Erdmann Hanisch, Herder lFreiburg i. Br.). 250 Seiten, geheftet !>,— RM., Halb» > leinen 0,— RM ). -Wenn mit der Regierungszett Peters des Grohen her- i kömmlich eine neue Periode in der Geschichte Ruhlands be- > gönnen wird, so ist das nur bedingt richtig. Wir wissen ja, l dah bereits in der vorhergehenden Periode rege Beziehe» n- gen Ruhlands zum Westen bestanden, zunächst freilich mehr In technischer Hinsicht. Die innere, geistige Fühlungnahme fehlte zwar nicht gänzlich, doch wamste nur immer einen, sehr begrenzten Kreise erlesener Köpfe möglich gewesen. Peter, in seiner Lebensführung selbst noch völlig ein altrussischer Barbar, hat nicht nur die technische Europäisierung gefördert, sondern vor allem das kulturelle Leben des Westens dem Rujsentum aufgezwungen. Allerdings waren es mehr die ins Auge fal lenden Aeuherlichkeiten, die er mit rücksichtsloser Härte seinen Russen vorschrieb. Aber wir sahen auch, wie diese Aeuherlich keiten der Ausdruck eines ganz anders gerichteten geistig-re ligiösen Gehaltes des Altrussentums waren und der nicht nur feindlichen, sondern auch hochmütigen Ablehnung des Westens entsprachen. Indem Peter also die Aeuherlichkeiten be kämpfte, traf er zugleich den Geist. Und damit ist er der Wegbereiter der westlichen Kulturanschauun gen, wenn auch nicht europäischer Zivilisation, geworden; denn die Roheit der gesellschaftlichen Lebensform blieb, und nicht zuletzt gerade am Zarenhofe. In den alten Bahnen wandelnd, hat Peter doch neue erschlossen. So bildet seine Zeit, ausbauend auf den in der vorhergehenden Epoche bereits vor handenen neuen Elementen, nicht so sehr eine scharfe Scheide, als viel eher den Uebergang zweier Zeitalter. Jede Zeit ist wohl die Ueberleitung zur nächstfolgenden, ober der petrinischen Epoche haftet dieser Charakter insonderheit an. Wie der Zar aus dem Gebiet sozialer Schichtung in der Rangtabelle einen neuen Adel schuf, so brach er durch Besei tigung des Patriarchats, durch Errichtung des Synods und des Amtes des Obcrprokurors die Macht der Kirche und machte sie zur Dienerin des Staates. Die Kirche ver fiel damit einer Bürokratisierung und wurde in ihrer Ab hängigkeit von den jeweiligen von ihr zu vertretenden Staats interessen zunehmend ein Instrument staatlicher Innenpolitik, zum Schaden einer wirklich religiösen Verankerung im Volke. Der Raskol war am Ende des 17. Jahrhunderts entstanden, weil, äuherlich betrachtet, rein formale, ja geradezu rein buch- stabenmählge Aenderungcn, die den dogmatischen Glaubenskern nickt berührten, vorgcnommen worden waren. Da sich das religiöse Empfinden des Russen gegen eine ihm nicht einleuch tende neue Normierung und gegen den Cäsaropapismus sträubte, verlieh er die offizielle Kirche und blieb bei dem Althergebrach ten. So muhte die Neuerung Peters das Sektenwesen fördern. Der dem Russen eigene Radikalismus drückte sich weiterhin bei den Sektierern nicht bloh in der Abkehr von der offiziellen Kirche aus. sondern in der festen Ueberzeugung vom Verrat dieser Kirche an der reinen Lehre. Für den gemähigten Ras kol, der die Beibehaltung eines legitimierten Priestertums ver trat, also die „Popowschtschina". stellte sich dabei die Schwie rigkeit ein. wie eine legitime Hierarchie zu schassen mar. Es traten wohl Popen zum Raskol über, doch fehlte der Episkopat, der allein die rechtmässigen priesterlichen Weihen erteilen konnte Den Glauben zu bewahren, auch bis zu den letzten Folgerungen, war dem Russen durch die Jahrhunderte im Kampf mit dem Lateinertum anerzogen worden, abgesehen davon, dah die Verfechtung des Grundsätzlichen der Theorie in der Praxis seinem Wesen liegt. So war es in der Zeit, da Byzanz sich Rom gegenüber unionsfreundlich stellen muhte, für das Rus- sentum eine aufrichtige Gewissensfraqe, ob die Weihen durch einen, dem Lateinertum geneigten byzantinischen Patriarchen überhaupt zulässig und Rechtens seien. Ein Feingefühl und ein im Westen in dieser Ausprägung unbekanntes Interesse an kirchlichen Fragen und theologischen Spitzfindigkeiten hatte sich dabei bis in die weitesten Schichten des Volkes verbreitet. Es ist daher ein Zeichen der gefestigten Macht des Kaisers, wenn seine die russische Kirche treffenden Eingriffe und Re formen nicht durch offenen Aufruhr, sondern durch stilles Mur ren guittiert wurden. Freilich war die Einsetzung des Ober- prokurors nicht so ganz unvorbereitet erfolgt. Als der greise Patriarch Adrian Mitte Oktober 1700 gestorben war, ernannte Peter von sich aus den ihm genehmen Stefan Jaworskis, also ohne das Vorschlagsrecht der Synode abzuwarten, zum Nach folger. Zu dieser Eigenmächtigkeit trat eine zweite, noch be deutsamere: Iaworskij wurde nicht Patriarch, sondern General vikar der russischen Kirche für alle rein geistlichen und religiö sen Angelegenheiten, während die das Gebiet des Staatlichen berührenden Fragen staatlichen Organen zugewiesen wurden. Damit hörte im Dezember 1700 das russische Patriarchat zu be stehen auf. Vorüber waren die Tage eines Ftlaret oder Nikon — bei der ganz andern Struktur und Stellung des russischen Patriarchen als etwa des römischen Papstes an sich nur Epi soden, gebunden an einmalige Zeitumstände und einmalige Persönlichkeiten. Bezeichnend für das Machtverhältnis von Staat und Kirche in Peters Zeit ist es, dah der Patriarchats verweser, in sein Amt gerade erst hineingewachsen, wohl die Macktaspiratlonen des alten Patriarchats wieder aufnahm, mit den Zarengegnern, auch dem Zarewitsch, in Beziehung trat und durch Sabotageakte die Reformen Peters zu beeinträchtigen suchte, aber dah er es nicht wagen könnte. Peter offene Fehde anzusagen, obwohl die Hierarchie und allerweitestc Kreise des Laientums den Mahnahmen des Herrschers aufs feindseligste entgegenstanden. In der Geistlichkeit gab es nur wenige, die bei der Umgestaltung der Kirchenverfassung auf seiten des Zaren waren. Hierher gehört natürlich der Vater des syno dalen Gedankens, Theophan Prokowitsch, der auch sonst in seinen theologischen Lehrmeinungen eine protestantlsicrende Auf fassung vertrat. Er war, besonders seit Peters Rückkehr von seiner Auslandsreise s1718), sein vertrauter Berater in kirch lichen Reformangelegenhelten. Im übrigen war der Zar klug genug, den widerstrebenden Patriarckatsverwesrr Iaworskij nicht zum Märtyrer zu machen; vielmehr lieh er ihn still ge währen, zog ihn sogar ab und zu heran, wenn er es für opportun erachtete, behielt ihn aber scharf im Auae. Die gei stigen Auseinandersetzungen fanden in der theologischen Litera tur der Petrinischen Zeit selbstverständlich ihren Niederschlag. Als Mittler zwischen dem Osten und dem Westen waren beson ders Kiew und die Ukraine, die Heimat Iaworskijs wie Proko- powitschs, von regem geistigen Leben erfüllt, so dah es nicht verwunderlich ist wenn diese beiden Wortführer zweier ent gegengesetzter Auffassungen kirchlichen Lebens gerade Ukrainer waren. Unter dem grohen Zaren begann auch in Sprache und Literatur eine neu» Epoche. Die bisherige Schriftsprache war infolge der missionierenden Tätigkeit der schon vor der end gültigen Stabilisierung der griechischen Hierarchie im Kiewer Staate in Russland wirkenden südslawischen Priester und Mönche seit Wladimirs Zeiten das nur wenig russiftzierte Kir chenslawische. Diese sprachlich« Starrheit stimmte mit der kirchlichen, geistigen, kulturelleen überein, von der ässe Schich ten ergriffen waren und die sich in ihrer «uropafernen Denk weise, besonder» auch in der orientalischen Abgesperrtheit der Krau und ihrer ganzen Stellung, bis hinauf zur Zarin, wider spiegelten. Die Beziehungen Moskaus zu Europa waren bisher, ab gesehen von wenigen Intellektuellen, nur materieller und trch- In nächster Nähe des englischen Unterhauses blickt ein fünfstöckiges Gebäude, dessen Fenster fast immer von Vorhän gen verdunkelt sind, mit seiner Fassade aus Granit gleichgültig auf das Auf- und Abwogen der Menge, die wie ein reissender Strom zu seinen Füssen dahinfliesst. Dieses Gebäude scheint nach aussen hin wie jeblos, ein kalter Hauch von Exklusivität geht von seinen Mauern aus. Nichts verrät, wozu dieser schwei gende Herrensitz im Herzen Londons dient, hinter dessen ver dunkelten Fenstern man auch bei vollem Sonnenlicht die Lichter kostbarer Kerzen schimmern sieht. So bietet sich dem Auge des Vorübergclpmden der konservative „St. Stephens Club" dar, die Zuflucht und der Fels einer Gesellsclsaft von Personen, die auch letzt unabsetzbar geblieben ist. die nichts wissen will von der Dielt, die arbeitet, von dem ..Mann auf der Strasse", und die, gleichsam eingeschlossen zwischen Teufelsmuschel, die Perle des Reichtums Aristokratie absondert. Das Hauptportal wird fast niemals Mitglieder ziel)«» es vor, durch eine Art Nebentür einzutreteu. Im Hof stehen nie mehr als fünf oder sechs ..Rolls-Royce", ob wohl man nach den zahlreichen Schatten, die sich hinter den Vorhängen bewegen, erkennen kann, dass sich Hunderte van Personen in do» Räumen des Klubs aushalten müssen. Nur wenige Londoner wissen, wie das kommt. Vom Unterhaus führt zum St. Stepheus Club ein Gang, der nur den Einge weihten bekannt ist, zu dem Allerl)«iligsten, durch den die ver- chicdenen Mr. Churchill, Chamberlain und Eden von den Un- erhaussitzungen entweichen und zum Klub laufen können, wo le, stets bereit zur Beratung, die Männer ihrer Partei er warten, deren Marionetten sie sind. Es sind heute nicht mehr als etwa dreisslg, aber auf sie stützt sich das Reich oder viel mehr auf ihren fabelhaften Reichtum und ihre verschlagenen Umtriebe. Da Ist der Herzog von Portland, ein mumienkaster Greis von 82 Jahren, dem fast die Hälft« des ganzen Bodens von London gehört. Er stellt stattliche Schecks für die Herren seiner Partei aus. die dann im Parlament die Mehrheit bei der Ab stimmung über die Erhöhung der Grundrenten bilden werden. Nebeneinanderhockend wie Eulen, alt, kalt, apathisch, murmeln fünf oder sechs Grosskapitaltsten, die ein Privatvermögen von 100 Milliarden Mark vertreten und im Kreis« auf ihren Leder sesseln sitzen, untereinander, weil di« Regierung sie offiziös be rufen hat, ihren Rat über die Regelung der „autzerordentlichen Kriegsausgaben" zu erteilen. In demselben Saal ruft der Information-Minister Duff Looper, der allein über di« 8,8 Milliarden de» chemischen Trust» Das geistige Leben Rußlands unter Keter dein Großen nilcher Art gewesen; erst das Petrinische Zeitalter legte die geistige Fundamentierung. Mit offenen Augen hatte der lern begierige Peter Europa bereist, ganz anders, als die Gesandten Moskaus bis dahin gereist waren, die teils In hochmütiger Ab lehnung des Westens, teils in ängstlicher Furcht, durch engere Berührung ihre Seele zu gefährden, nur ihren jeweiligen Auf trag, aber in tunlichster Zurückgezogenheit, erledigt hatten. Die Meeresnähe Petersburgs, der neuen Hauptstadt, brachte frische Luft an Stelle der Verdumpfung Moskaus. Den Primat des Staates stabilisierte Peter durch die Aushebung des Patri archats und entkirchlichte und verweltlichte so das starrgläubige Russland. Zugleich schuf er damit die Grundlagen für eine Entkirchlichung der Sprache und für eine immer stärker der reichen Problematik des Diesseits sich zuwcndenden weltlichen Literatur. Und wie er selbst Europa kennengelcrnt hatte, so sollten auch seine Russen eine lebendige Kenntnis des Westens erlangen. Daher schickte er Russen dorthin und berief ander seits Ausländer, namentlich Deutsche, als Lehrer der Russen und Bannerträger einer neuen Zeit. Sein stürmisches Wesen konnte sich dabei nicht mit langsamem Reifen absindcn; es drängte zu überstürzten Massnahmen, die oft nur geringen oder keinen Erfolg brachten. Ebensowenig war sein rein praktisch gerichteter Sinn natürlich ästhetischen Werten zugänglich, so dass auch die literarische Produktion, im Anfang vorzugsweise noch Ucbersetzungsliteratur, unmittellmr von der Praxis aus ging und hauptsächlich Technik, Wirtschafts- und Staatswtssen- schaft betraf. Auch das Projekt der Akademie der Wissenschaf ten (1724), das erst Katharina 1. (1726) verwirklichte, sah kei neswegs eine Stätte reiner Wissenschaft, sondern der prak tischen Lehre vor. Da Lehrbücher sowohl für die neuen Wis sensgebiete wie überhaupt für die Bedürfnisse des modernisier ten Unterrichts fehlten, wurde auf Uebersetzungen aus der rvest- europäischen Fachliteratur Bedacht genommen, insbesondere für das Schiffahrtsmescn und den Fcstungsbau. Das ganze Bildungswescn bekam durch Peter somit einen gänzlich anderen Charakter: bisher rein kirchlich gerichtet —, sollte es nun den rein praktischen Interessen des Staates, des Diesseits dienen. Das bedeutete an sich eine geistige Revolu tionierung, die wohl nur deshalb die Gemüter des Volkes nicht stark erregte, weil die Hauptmasse dieses Volkes gänzlich an alphabetische, in Hörigkeit lebende, um eine notdürftige Existenz ringende und daher allem Geistigen verständnislos gegenüber stehende Bauern waren. Dem Moskauer Staate war auf diesem Gebiet der rus sische Südwesten durch seine engeren Beziehungen zu Polen bei weitem vorausgegangen. Schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entwickelte sich dort nach dem Vorbilde Polens ein Bildnngswesen, das in der von dem Metropoliten Peter Mohila (1631) in Kiew errichteten Akademie aipfelte. Die danach in Moskau erössnete Slawonisch Griechisch-Lateinische Akademie (1687) entwickelte sich in kirchlichem Sinne zur „Geistlichen Akademie"; ihr gegenüber entstand als Höhepunkt der weltlichen Schulen das vom Zar entw irfcne Projekt der Petersburger Akademie der Wissenschaften, mit Universität und Gymnasium. Nach ihrer Eröffnung wurde im Lause des Jahr hunderts das Netz weltlicher Bildunasanstalten erweitert; 1753 erfolgte die Gründung einer Universität in Moskau. Mit dem Aufschwung des VIldunaswcseus und der Buch produktion wurde der bisher nur kirchlichen Zwecken dienende Buchdruck auch In den Dienst der weltlichen Bedürfnisse nestelst, die bis dahin freilich nur spärlich vorhanden waren. Mochte der Kreis der Gebildeten noch Immerhin klein sein, so Ist die Tatsache der wachsenden Zahl der Druckereien ein Massstab
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