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Sächsische Volkszeitung : 29.04.1940
- Erscheinungsdatum
- 1940-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-194004293
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19400429
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19400429
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1940
-
Monat
1940-04
- Tag 1940-04-29
-
Monat
1940-04
-
Jahr
1940
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 29.04.1940
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Die Erklärung des Mchsaußenmimsters In sriner Erklärung vor den Diplomaten und den Ver tretern der Weltpresse stellte der Relchoaußenmintster eingangs fest, daß es das Streben der Weltmächte, denen ein direkter Angriff auf den Westwall aussichtslos erschien, von Beginn des Konfliktes war, neue Möglichkeiten zu suchen, Deutschland beizukommen: „So wurde von der politischen und mllitilrischen Leitung der WestmScht« die Ausweitung des Krieges zum tragenden Gedanken ihrer Krlegspolitlk er hoben." „Zur propagandistischen Untermauerung dieser Politik der Krlcgsausweltung begannen die englischen und französischen Staatsmiinner eine systematische Kampagne gegen das Neutralitätsprinzip an sich und gegen jedes Bestreben eines neutralen Staates, diese seine Neutralität zu bewahren u. sich aus dem Kriege herauszuhalten." Der Reichsaußenminister zitierte in diesem Zusammenhang die einschlägigen Acußerungen maßgeblicher Engländer sChur- chill, Halifax, Lord de Warre, Stanley, Duff Looper) sowie der Franzosen Reynaud und Daladier, die sämtlich Aufforderungen und Drohungen an die Adresse der Neutralen darstellten. Be sonders bezeichnend ist die brulale Osfenheit Duss Loopers, der am 12. April erklärte: „Nachdem wir den Neutralen Klargemach« haben, daß ihr« eigen« Freiheit und Unabhängigkeit auf dem Spiel« steht, müssen wir ihnen offen sagen, was wir fordern und welche Roll« jeder von ihnen in dem Bündnis zu spielen ha«, das der Ver nichtung Deutschlands diente. Wenn einer oder der andere dieser Staaten Zeichen des Zögerns zeigt, müssen wir so vor gehen, datz «in derartiges Zögern sofort überwunden wird." In welcher Weise die Westmächte den russisch-fin nischen Konflikt für ihre Interventionsabsichten Im Nor den benutzen wollten, hat der Reichsautzenminister noch einmal vor aller Welt sestgestellt: „Für Ihr Ziel einer Ausweitung des Krieges sahen Eng- land und Frankreich im finnisch-russischen Konflikt die erste willkommene Gelegenheit. Am 12. März hat Herr Dala dier und am 1k». März Herr Lhamberlain öffentlich ver sichert, datz sie entschlossen gewesen seien, mit militärischen Kräf ten in den Konflikt einzugreifen unter Benutzung des ltzebletes der nordischen Staaten als Operationsbasis, datz sie aber ihre Aktion abhängig machen würden von der Zustimmung der skandinavischen Staaten zum Durchmarsch ihrer Truppen. Diese öffentliche Erklärung der beiden Regierungschefs von England und Frankreich war eine glatte Unwol'cheit. Die Meichsregierung kennt den Bericht des finnischen Gesandten in Paris vom 12. März an seine Regierung. In diesem Bericht meldet der Gesandte, Herr Daladier und Herr Churchill hätten ihm die bestimmte Versickerung ab gegeben, datz aus einen sofortigen finnischen Appell die bereit gestellten' englischen und französischen Truppen aus ihren Häfen absahren würden, um in Norwegen zu landen. An Norwegen und Schweden würde lediglich in einer Note der Durchmarsch notifiziert werden, ohne datz die Regierungen der beiden Länder hierzu um Erlaubnis gefragt würden. Die diploma tischen Beziehungen Englands und Frankreichs zur Sowjetunion würden sofort abgebrochen werden. <>err Churchill war. wie sich aus dem Bericht ergib», am 11. März al-ends im Flugzeug eiaens nach Paris gekommen, um zu versinken, auf diese Weife ukh im letzten Augenblick, den r u s s i s ch - s i n n t s ch e n Friedensschlutz zu verhindern." Anschließend kam der Relchsgutzenmlnister aus die Do kumente zu sprechen, die den deutschen Truppen in Nor wegen in die Hände gefallen sind und die die englisch-franzö sischen Angrisfsabsichten gegenüber Skandinavien enthüllen. Sie lassen gleichzeitig auch das Bild eines weitgespannten, enaen Spionagenetzes erkennen, das unter Einsatz früherer britischer Seeoffiziere Im Nachrichtendienst „nd unter Filbluna mit den englischen und französischen Marineattachös in Oslo über ganz Norwegen gespannt worden ,var. Zn dem nunmehr der Oessentlichkei» übero-'benen doku mentarischen Material gab Ribbentrop die folgende Erklärung ab: „1. Aua ollen der deutschen *>-'-Ksr«gleruna zur Kenntnis gekommenen Mitteilungen und Akten geht eindeutig hervor, daß die schwedisch« Negierung ihre Neutralitäts erklärung >m tiefsten Ernst aussaßt und in keinem Rugenblich etwas la« oder geschehen ließ, was dem wider, sprachen hätte. 2. Die deutsch« Neichsreglerung muß feststellen und st« wird es nunmehr durch dl« Veröffentlichung der Akten bewel- fen. daß d>« früher« norwegisch« Regierung bereit «ar, nicht nur «ine solch« Aktion der Krlegsausweitung zu dulden, sondern, wenn notwendig, an ihr aktiv teilzu- nehmen, bzw. fle zu unterstützen. Aus allen besonders von unseren Truppen nunmehr in Norwegen gefundenen Pa pieren geh« einwandfrei hervor, datz di« britisch« Spionage- läligkeit in Norwegen nicht nur mit weitester Duldung der lo kalen und zentralen Behörden vor sich ging, sondern datz darü ber hinaus viele norwegische Stellen und insbesondere di« norwegische Marine in weitgehendem Umsange dieser britischen Tätigkeit Vorschub leistete. Ein Beweis dafür, datz sich dl« norwegisch« Regierung schon früher mit dem Gedanken trug, auf der Seite Englands und Frankreichs, wenn notwendig, in den Krieg «inzu» treten, liegt auch in fener Niederschrift, in der über «ine Regkerun^skonferenz vom damaligen norwegischen Ministerprä sidenten Nygaardswold am 2. März berichtet wird. In wahrhaft zynischer Weise hat dort der Minister Kohl erklärt, datz, wenn England das Ansinnen auf eine Beihilfe Norwegen» gegen Rußland, da» heißt aber ln Wirklichkeit zur Kriegsau». Weitung, stellen würde, dann müsse Norwegen so Nein sagen, datz es in der Lag« wäre, da» Nein ohne weiteres ln «ln Ja zu verwandeln. Herr Kokt gibt dafür dann die charakteristische Begründung, daß. wenn Norwegen es nicht vermeiden könne, in den Konflikt hineingezoaen zu werden, di« norwegische Ne- gierunq sich dann non vornherein sedenfasis so einstellen müsse, daß Norwegen nicht aus der falschen Sell« in d«n Krieg ein trete. Nachdem den W--stmöckten durch den Friedensschlutz in Finnland die erwünschte Gelegenheit für eine Einmischung im Narben zunächst genommen war, haben sie sofort versucht, neue Mittel und Weae zu finden, ihre Ziele der Krieasausnreitunq zu erreichen. Die fortlaufenden Bemühunaen Englands und Frankreichs den S tt d o st e n Europas in Aufruhr zu bringen, bauernde Anstrenaunaen der Sabotage des englischen Secret S-rvicc in den verschiedenen Gebieten des Balkans, die Mobi lisierung der Armee Wenaands. liegen auf dieser Linie. Um ihre eigenen Absichten moralisch zu motivieren, ver suchten die Mrchthaber Englands und Frankreichs nach dem ihnen so ungelegen gekommenen russisch-finnischen Friedens schluß immer deutlicher. Deutschland der angeblichen Verletzung uorivegischer Hoheitsgemässer zu bezichtiaen. Unter den zahl losen hierfür bestellten Presseartikeln ist charakteristisch die Meldung des „Temps" vom 27. März, also einer Zett, da sich die Vsrbereitunaen der Weltmächte zur Besetzung Norwegens vor dem Abschluß befanden. In der dieser von einer angeblichen systematischen Verletzung der Hoheitsgewässer durch Deutschland spricht und nun behauptet, datz sich die Alliierten deshalb als bere-KUgt betrachten dürften, auch Ihrerseits die Neutralität die ser Gewässer nicht mehr zu respektieren. In der gleichen Richtung liegt auch eine Meldung von .Havas vom selben Tage, in der davon gesprock-en wird, daß die Passivität den eigentlichen Sinn der Neutralität fälsch« und daß die Aktion der Alliierten sich darauf beschränke, das Gleich gewicht wiederherzustellen. Wie diese Aktionen der Herstellung des Gleichgewichts aber verstanden sein wollten, darüber erhielt die Reichsregierung Kenntnis durch ein Gespräch, das der Mi nisterpräsident Reynaud wenige Tage später am 30. März mit einem ausländischen Diplomaten in Paris hatte. Der Inhalt dieser vom französischen Ministerpräsidenten abgegebenen unvorsichtigen Erklärung war die Versicherung, daß die Gefahrenmomente für den Westen, besonders aber für den Süden, nicht mehr beständen, da In den nächsten Tagen entschei dende und wichtige Ereignisse im Norden Europas von den Alliierten getätigt würden. Diese Erklärungen ließen es der deutschen Reichsregierung ratsam erscheinen, nunmehr unverzüglich ihre bereits eingelei teten Maßnahmen abzuschlteßen und für alle Fälle eine erhöhte Bereitschaft so sicherzustellen, daß in jedem Augenblick einge- griffen «verdc» konnte. Die Einsicht in die unmittelbar drohende Gefahr wurde verstärkt, als die Reichsregierung einige Tage vor dem 8 April Kenntnis erhielt von der Absicht der englischen und französischen Regierung, a» diesem Tage die Hoheit der skandinavischen Gewässer als nicht mehr bestehend zu erklären und anschließend sofort mit bestimmten Aktionen zu beginnen. Der Führer gab daraufhin den Befehl zum Aus laufen der deutschen Flotte, um im Falle der Ver wirklichung dieser der Reichsregierung mitgeteilten Absichten sofort elngreifen zu können. Die nun für den 8. April tatsäch lich angekttndigte britische Minenlegung in den nor wegischen Hoheitsgewässcrn wurde von der englischen Regierung tags vorher begründet mit der Absicht des Sperrens der norwe gischen Hoheitsgewässer für die norwegische Handelsschiffahrt. In Wahrheit aber sollten die Minen, die vor den nor wegischen Häsen gelegt waren, der Sicherheit des englischen Ex peditionskorps dienen, das um diese Zeit bereits in der Nord see schwamm. Denn am 8. April waren die britischen Truppen, die zur Besetzung von Stavanger, Bergen, Dront- heim und Narvik angesetzt werden sollten, bereits eingela den und au» den Häfen ausgelaufen. In diesem Augenblick erhielt im Laufe des 8 April die britische Admiralität Kenntnis von dem Austreten der deut schen Seestreitkräfte in der Nordsee. Sie bezog dieses Auf treten auf ihre beabsichtigte Landung, schickte daraushin sofort die Transportschiffe zurück, bzw. versuchte, sie zuriickzudirt- gieren, und bemühte sich augenblicklich, in Gefechtssühlung mit der deutschen Flotte zu kommen. Trotzdem gelang cs nicht mehr, alle Transporte wieder in die Häfen zurückzubckommen. Eine Anzahl dieser Schiffe wurde von deutschen Bombenflug zeugen noch gefaßt und vernichtet. Die deutsche Gegenaktion, die am 0. April mor gens zur Durchführung kam. ist deshalb gerade noch im rich tigen Augenblick gekommen, um das englisch-französische Lan- dungsmanüver an der norwegischen Küste zu verhindern, bzw. zum Scheitern zu bringen. Als nun die verantwortlichen Staats männer Englands und Frankreichs erkannten, daß jene Pläne der Besetzung der skandinavischen Gebiete gescheitert waren, stellten sich die Herren Lhamberlain. Churchill, Halifax «nd Reynaud mit ihrem bekannten Pathos vor die Oeffentlichkcit und erhoben schwerste Anklagen gegen das deutsche Vorgehen mit der kategorischen Versicherung, daß si-r selbst niemals die Absicht gehabt hätten, außer Mincnlegung irgend etwas auf skandinavischem Hoheitsgebiete zu unternehmen. Wörtlich er klärte zu dem Zivcck der englische Premierminister im Unter haus: „Die deutsche Regierung versichert, daß der Einmarsch in Norwegen «ine Gegenmaßnahme gegen die Aktion der Alliier ten in den norwegischen Gewässern sei. Diese Erklärung wird natürlich niemanden täuschen. In keinem Augenblick haben die Alliierten ein« Besetzung skandinavischen Hoheitsgebietes ins Auge gefaßt, solange es nicht durch Deutschland angegriffen würde. Gegenteilige Behauptungen Deutschlands sind reine Er findungen und haben keine tatsächliche Begründung." Im Nctmen der deutschen Reichsregierung, vor allem aber im Namen von Wahrheit und Recht, will ich Ihnen nunmehr, meine Herren, jene Dokumente unterbreiten, aus denen hervorgcht, daß es sich bei diesen Versicherungen der englisch-französischen Machthaber nur um Lügen und Fälschun gen handelt. Während Ihnen, meine Herren, in den letzten Tagen durch die Kriegsberichte unserer Gegner von den großen „siegreichen" Kämpfen der Alliierten und Verbündeten im Raume von Hamar und Elvcrum berichtet wurde, haben sich tatsächlich in diesem Gebiete heftige Kämpfe abgespielt. Auch Engländer nahmen an ihnen teil. In biescn Kämpfen haben nun die deutschen Truppen alle feindlichen Stellungen durchbrochen, die ihnen gegenttberstehenden englischen und nor wegischen Verbände zurückgeworfen und endlich in wilde Flucht getrieben. Im Zusammenstotz mit den englischen Verbanden haben die deutschen Truppen im Gebiet von Lillehammer den dort kommandierenden britischen Brigadestab sowie Teil« des 8. Ba taillons de» Sherwood Foresters von der 148. englischen Hnf.» Brlgad« gefangengenommen. Bei dem Brigadestab und bei den Gefangenen, die in den erfolgreichen Kämpfen nördlich von Dronthelm «ingebracht worden waren, fand sich unter einer Fülle anderer Dokumente auch der gesamte Operations plan für di« «nglifche Besetzung Norwegen». „... üas soll üer Mensch nicht trennen!" Roman von I. Schn «i der - Foerstl. Verlag Oskar Meister, Werdau >. Sa. — Nachdruck verboten. 8V. Fortsetzung. Sie richtete sich hoch und lächelte Hilgenbrock besricdigt zu. „Der Himmel meint es wirklich gut mit uns, Herr Professor, — nun brauchen wir uns nicht einmal auszuschaufeln. Jetzt kom men wir ganz von selber wieder zurecht. Wollen wirs gleich anpacken, ehe cs uns wieder einschneit?" „Fühlen Sie sich denn dazu kräftig genug?" fragte er. „Macht Ihnen die Schulter nicht zuviel Schwierigkeiten? Ich bezivelfle sehr, ob Eie sich aus den Skiern halten können. Aber ich kann Sie ja allenfalls tragen, Richards. Ich bin selbst da für, daß wir uns aus dem Staube machen. Eine zweite La wine verfährt vielleicht nicht mehr so gnädig mit uns." Er unterbrach sich und lauschte. „Haben Sie gehört — schrie da nicht jemand?" Sie horchte nun ebenfalls und vernahm nach wenigen Sekunden wieder dieses Helle, langgezogene Rufen, wie es Menschen ausstoßen, die in Bergnot sind. ..Ich glaube das Rusen gilt uns," sagte Rick-arda, höhlte die Finger vor dem Mund und schickte eine» langgezogenen Schrei hinaus. Sogleich aber tippte sie sich an die Stirn und meinte, es wäre doch richtiger, erst über die Hühnerleiter hinaufzukrabbeln und sich von dort aus bemerkbar zu machen. Der erste, der. ganz in wolkiges Weiß gehüllt, herange braust kam, war Witte. Er vermochte kein Wort zu sagen und streckte Richards nur stumm die Rechte entgegen. Endlich fand er die Sprache wieder und sagte anerkennend: „Ich wußte ja, daß Sie sich durchbcißen würden. Fräulein Broock ist ein tap ferer Kamerad, nicht wahr, Herr Professor?" „In jeder Hinsicht," erwiderte Hilgenbrock. „Sind Sie eigens ausgerückt, uns zu suchen, Herr Major?" „Iai — Wir wollten schon gestern abend herauf, aber es ließ sich bet diesem Wetter und dieser Dunkelheit nichts unter nehmen." Richards wurde rot unter seinem Blick und schaute, wo Hilgenbrock blieb, der noch einmal die Leiter hinuntergeklettert war. um die Schneeschuhe zu holen. Der Blick von oben in die offene Stube hinunter war zu komisch. Die Schütte Heu auf dem Boden zeigte noch den Eindruck ihres Körpers und aus dem Herd lag ein mächtiger Brocken Schnee. Als Hilgcn- brock wieder auftauchte und Witte ihm die Schneeschuhe ab nahm, äußerte dieser das gleiche, was der Professor und Rickards schon erwogen hatten: man mußte sehen, datz man so rasch als möglich von hier weg kam. Es war gar nicht aus geschlossen, datz sich eine zweite Lawine löslöste und sie sortritz. Vorsichtig spurte Witte voraus, sah sich UM, ob die beiden folgten und setzte erst weiter unten zur Schußfahrt an. Schneit» kam ihnen talauf entgegen und stieß einen Hellen Schrei aus, als er ihrer ansicktig wurde. Dann schwang er die Bretter herum und folgte ihnen. Ein um das andere Mal dachte Richards, seht geht es nicht mehr, meine Schulter reißt aus dem Gelenk. Aber es mußte sein. Die Wolken zogen immer tiefer, und wenn sie sich anschicktcn, ihre Schneelast sbzuwerfcn, konnte es noch einmal schief gehen. An ihrem gestrßzen Mißgeschick war auch nur das Schneetreiben schuld gewesen, das ihnen jede Orien tierung genommen hatte. Aber sie war nicht mehr unglücklich darüber. Vielleicht hätte sie sonst nie Hilgenbrocks Märchen zu hören bekommen. Es wunderte sie, daß sie überhaupt hatte einschlafen können. Aber das war wohl die Müdigkeit geivesen und das Abflauen des Schmerzes, der sic zuerst so unerträglich gedünkt hatte. Sic fühlte Sehnsucht nach einem Bet», nach Wärme und Stille, aber vorläufig gehörte jeder Gedanke nur dem rasche» Vorwärtskommen. Erst später, daheim auf ihrem Zimmer, würde sie sich so recht mit aller Muße in Hilgenbro <s Märchen hincinlebcn können. Eie hatte jedes Wort im Gedächtnis be halten. Wenn sie sonst eine Abfahrt gemacht hatte, war sie immer betrübt gewesen, daß man so schnell talab kam. Heute dünkte es sie eine Ewigkeit. Die Schncewoike. die da vorn rasend aufstob, mar Witte. Dann folgte Hilgenbrock, Schneitt bildete den Schluß. Ihr rechter Stock hinterließ eine tiefe Bremsspur. „Hallo!" schrie Schneitt, der knapp an ihr vorüberschoß. Du darfst nicht schlapp machen! ermahnte sie sich. Du darfst niemand gefährden, mußt noch aushglten, bis wir unten sind! Aber konnte eine Strecke so endlos sein? Schnee siel und löste ein leichtes Grauen bei ihr aus. Alles war anders, rvenn man sich körperlich nicht auf der Höhe fühlte. Sie wußte selbst nicht, wie der Schmerz ihr Gesicht veränderte. Aber Witte, der das letzte Stück mit ihr zusammenfuhr, erschrak über ihr Aussehen. „Sind Sie so sekr übermüdet. Richards." fragte er be sorgt, „oder schmerz« Sie die Achsel? — In einem Viertclstünd- chen sind wir zu Hause." Sie zählte die Sekunden, dann jeden Meter «nd zuletzt sede Stufe, die sie sich zum Hotel hinaufmühc» mußte. Als die Tür zuklappte, taumelte sie und wurde non Hilgenbrock rasch gestützt, der sie gemeinsam mit Witte auf ihr Zimmer brachte. Etwa» später saß der Arzt bereits an ihrem Bett und stellte eine schwere Prellung mit Bluterguß fest. „Mit dem Sklfahren wird es vorläufig nichts mehr sein, Fräulein Broock." sagte er bedauernd. „Die Achsel muß Ruhe haben." Ihr of fensichtlicher Schrecken schien ihm Spaß zu machen. „Es Ist schon so." meinte er. „Sie nehmen jetzt den Arm hübsch in die Schlinge, damit das Gelenk außer Bewegung bleibt, dann ist in drei bis vier Wochen alle» wieder in schönster Ordnung. Einverstanden?" „Gar nicht," erwiderte sie aufgeregt. „Drei Wochen! Drei volle Wochen, Herr Doktor." „Sind Sie nicht selbst Orthopädin?" „Ja," gestand sie kleinlaut. „Na, dani> werden Eie ja einsehen, daß ich recht habe," sagte er ernst. „Ich habe bereits alles Nötige milgebracht, weil ich mir schon ungefähr denken konnte, wo cs fehlt.' Herr Pro fessor Hilgenbrock hat die Sachlage geradezu plastisch dar gelegt." Sie machte keinen Einwand mehr, blickte, wahrend der Arzt ihr die Binde anlegte, durch das Fenster und überschlug schnell, wie groß der Ausfall sein würde, der ihr aus diesem Mißgeschick erwuchs. Vier Wochen Nichtstun bedeutete vier Wochen ohne Einnahme. Wenn der Direktor nett war. bestellte er sich für diese Zeit einen Ersatz und übertrug ihr hernach wieder ihre Obliegenheiten. Aber wenn er nicht nett war —— „Mit Ausnahme des Schneeschuhlaufens können Sie sich nach Herzenslust vergnügen," sagte der Doktor in ihre Erwä gungen hinein. „Es ist doch auch ohne diese Brcttelhupserei schön in den Bergen. — Sind Sie in einer Kasse, Fräulein Broock? — Es handelt sich nur wegen der Anmeldung des Falles." „Belm Sanitätsvcrband," gab sie Auskunft. „Es ist das erstemal, daß ich ihn in Anspruch nehme." „Dann haben Sie allerhand nachzuholen," meinte er grin send. wusch sich die Hände im Becken und streckte ihr die Rechte entgegen. „Bis morgen. — Soll ich zu Ihnen kommen oder bemühen Sie sich zu mir?" „Ich werde mich bei Ihnen einsindcn," sagte sie und kam zu spät, um rechtzeitig die Tür zu öffnen. Hilgenbrock und Witte standen wartend auf dem Gang. Ihre Gesichter wurden hell, als sie den Arzt so zuversichtlich sal-en. Nur Richard« hatte einen bekümmerten Zug um den Mund und hob die gesunde Achsel, als wollte sie sagen: Ist das nicht traurig? Und man kann gar nichts dagegen tun — Hilgenbrock ging mit dem Doktor zur Treppe und sprach halblaut: „Die Rechnungen gehen alle an mich. Herr Doktor." „Fräulein Broock ist in einer Kasse," machte der Arzt aufmerksam. „Ich habe ihr gar nicht zu sagen getraut, daß es wahrscheinlich bei den drei oder vier Wochen Zwangsurlaub nicht bleiben wird. Mäglichoriveise ist der ganze Winter verloren. Vielleicht bringen Sic ihr das schonend bei, Herr Professor." „Ich fahr mit ihr nach dem Silben." „Ausgezeichnet." stimmte der Arzt begeistert zu, „das ist das Richtige. Vielleicht wird ihr dann der Winter noch zu kurz. — Ich «npfehle mich Ihnen." „Wir fahren nach dem Süden," wandte sich Hilgenbrock an Micharda, die neben Witte stand und in das Schneetreiben blickte, das draußen eingesetzt hatte. „Einverstanden, kleines Mädchen?" sFortsetzung folgt.)
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