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Sächsische Volkszeitung : 08.04.1940
- Erscheinungsdatum
- 1940-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-194004081
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19400408
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19400408
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1940
-
Monat
1940-04
- Tag 1940-04-08
-
Monat
1940-04
-
Jahr
1940
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 08.04.1940
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Montag. 8. April 184« Sächsische Volkszeitung Nummer 82, Seite S 20. gescheitert waren. Wieder hals ihm, dem noch immer unent schlossenen, aber innerlich wahrhaftigen Sucher ein „Zufall" weiter. Ein begüterter Student bat ihn um Privalstunden in der Kantischen Philosophie. Senecas Wort .Hoeento diseimus", durch Lehren lernen wir, bewahrheitete sich vortrefflich. Fichte, der sich bislang noch nicht mit Kant auseinandergesetzt halte, mar nun gezwungen, sich mit dem Königsberger Philosophen eingehend zu besä;äs»igen. Dieses Studium war für ihn wie eine neue Offenbarung. Es war die erste groste schöpferische geistige Begegnung seines Lebens. „Ich lebe in einer neuen Welt, seitdem ich die Kritik der praktischen Verminst gelesen habe", schrieb er an seine Braut. „Sähe, von denen ich glaubte, sie seien unumstöhlich, sind mir umgestoste»; Dinge, von denen ich glaubte, sie könnten mir nie bewiesen werden, z. B. der Begriff einer absoluten Freiheit, der Pflicht usiv., sind mir bewiesen, und ich fühle mich darüber nur um so froher. Es ist unbegreiflich, welche Achtung für die Menschheit, welche Kraft uns dieses System gibt." Der bis dahin unbestimmte Tätig keitsdrang Fichtes erhielt jetzt klare Inhalte. Vor allem erfuhr der junge Denker, dast ein Mensch nur die Welt- ansckMiung wie überhaupt diejenigen Werte ganz sein eigen nennen kann, die er sich selbstständig innerlich errungen und zu eigen gemacht l>at. Der Denker muh Selbstdenker — Fichte sagt in seiner Sprache „Freigeist" — sein. Aber auch der tüchtigste Freigeist und Selbstdenker muh oft etwas fürwahr- halten, dessen Wahrheit er aus inneren Gründen nicht einsieht, sondern auf die Autorität eines andern hin annimmi. Die Autorität des andern besteht dann in dessen Wissen und Wahr haftigkeit. Das Vertrauen auf das Wissen und die Wahrhaftig keit darf natürlich kein blindes sein. Autoritätsglauben in unter dem Torfmeister Leopold Aille nach Bessarabien aufgebro« chen, mit denen Lindl befreundet war und di« eine Ausreise erlaubnis von ihrer wüctlembergischen Regierung eher erreicht halten. Im Sommer und Herbst 1821 — am 30. und 31 Juli und am 5. September — folgten ihnen in drei Kolonnen, ange führt von Michael Wagner, Joses Schivarziuaun und dem Buci>- binder Maier, mit ihren Wagen und Kirchensahnen die baye rischen Schwaben. Zwei Abteilungen zogen durch die ungarischen Puhlcn und rumänischen Donauniederuugeu. Die dritte Abtei lung kam über Petersburg. In Odessa angelangt wurde» die Schwaben zunächst in den umliegenden deutschen Kolonien jener Badener und Württemberger unlergebracht, die sich schon um 1800 im Süden Ruhlands festgesetzt hatten. Nach Hause drangen damals einander völlig widerspre chende Nachrichten. Die einen Briese waren voll Lob und Glück. Von diesen lieh ein Kaufmann Werner ans Giengen Abschriften anfertigen und sie als Werbemittel für weitere Ansivauderung unters Volk bringen. Die anderen Briefe aber waren voll Miss mut. So Halle sich der Anführer der dritten Kolonne, der Buch binder Jakob Maier mit zwei Gefährten, dem Bauern Georg Nadler und dem Salzfuhrmann Joseph Huber von Lindl ge trennt und im Dezember 1821 dem Bürgermeister von Gundel fingen aus Odessa geschrieben: „. . . weil wir so grohe Not habe» müssen. Lieber Herr Bürgermeister nnd der ganze Magi strat wir bitten Sic, Sie möchten uns doch schreiben, ob wir »och einmal in unser liebes Vaterland kommen dürieu oder nicht. Wir wissen wohl, dah wir gefehlt haben, da uns die geist- Iici)c und weltliche Obrigkeit die Wahrheit gesagt hat." Am 14. Februar 1822 trasen diese drei wieder in ihrer schwäbischen Va terstadt ein. Aus anderen bayerisch schwäbisciien Orten waren hingegen mit Württembergern zusammen nochmals zehn Fami lien angelangt. Mitte März 1822 brach Lindl mit 80 Wagen und 60 Fami lien — 32 bayerische» und 31 ivürtlembergischeu — in das l»es- sarabische Siedlungsgebiet „das Land der bayerischen und wärt« tembergiscl-en Kolonisten" Kolonie U I fim Gegensatz zu dem Siedlungsgebiet der Warschauer Kolonisten mit deutschen Kolo niens auf. Ungefähr 120 Kilometer von Odessa nach Westen, 120 Werst von Kischinem, wo damals der russische Distriktsbcamie General Inhof sah, befand sich dos „Salztal". Es war ein 30 Stunden langes, aber kaum Stunden breites Tal das der Fluh Sarata mit seinem salz- nnd sal»ielerhalligen Wasser durchzog. Einen Userstrich von 4 Stunden Länge sollten die Siedler ihr eigen nennen. Die schwarze, zwar nur einen Fuh tiefe Dämmende des Tales, erwies sich als ausnehmend fruchtbar. Der Brief eines Kolonisten Kaspar Gaehler an einen Ver wandten in Böchingen sBrenz), datiert vom 27. Mai 1822. gibt über die Ankunft der Siedler und die ersten Ausbauarbeiten im Saratal anschaullä-en Ausschluss: „Anfang März s1822> war die Zeit, wo cs der Herr für gut sand uns ein Oertlcin anzuweisen Es kam nämlich von der tftetersburger Regierung an den Gene ral Inhof in Kischinew. welcher zugleich Oberbefehlshaber und Statthalter über ganz Bessarabien oder die sogenannte Moldau ist uud daun auch über alle Kolonisten zu gebieten hat. der Be fehl, dah ec dem Herrn Propst Lindl berichten möchte, dah er sich in Bessarabien ein Stück Landes — soviel er brauche — ans suchen möge. Diesem Rus zu Folge machte sich der Propst Lindl gleich auf den Weg zum General und sand zu seiner Freude, dah der General sein Freund und Gönner und auch ein wahrer Christ sei, wclcl-es er auch täglich in seine» Anordnungen zu er kennen gibt. Die Abreise svon Odessas erfolgte am 13. März und am 1. April kanten ivir an dem Ort unserer Bestimmung an. wo sodann die etwa 80 Wagen in einem Kreis gestellt wur den. Als das (gebet vorbei war, hielt Vater Lindl eine durch dringende Rede, dah alle in Tränen zerflossen, worin er denn auch vor den alles sehenden Auge» Gottes feierlich erklärte, dah er in seiner Gemeinde nur wahre Christen ausnchmen und be halten wollte. Morgens und abends wird vom Vater Lindl eine herzliche Rede über die Losungsworte gehalten, die allemal mit einem gesalbten Gebet geschlossen werden. Unser Dors, das wir aulcgen, liegt beinahe eine lsalbe Stunde von unseren Hütten, in denen wir recht froh und vergnügt leben. Am Himmelsahrts- tag wurde der Grundstein zu unserem Bet- und Pfarrhaus ge legt. Als alles ruhig und still war. legte sich Vater Lindl auf sein (gesicht auf die Erde und betete den Herrn in der Stille an nnd so auch alle, die dabei waren. Dann richtete sich Lindl auf die Knie und in dieser Stellung betete er aus dem Herzen und mit Tränen . . . Was unsere auherordentliche Lage lietrifft, 'o kann ich euch nicht anders' schreiben, als dah wir. dem Herrn sei Dank, alle frisch und gesund und vergnügt sind . . " Ein anderer Kolonist, der Schneider Johann Walther von Peterswörth, der nach Schivaben zurückkehrte, berichtet am 10. 10. 1823 ausführlich vor dem Landgericht Lauingen Uber die schwere und cntbehrungsreicl)« Anfangszeit der Gründung: „Sie sdic Kolonisten) bauten sich Hüllen, sclzafsten sich auch Vieh an; allein ivegen Mangel an Futter und Holz konnten sie dasselbe nicht ernähren und scl>on um Martini 1822 fiel ihnen alles Vieh. Sie haben nur eine Art Kucliett aus Grih von der Hcidcrkorn und sogenannte „Mameluken", «ine Art Brot, das aber wie der diesem Sinne fordert jeder Tag. der Arzt beispielsweise er- wartet ihn vom Patienten Wollten wir alles selbstüenkend »achprüsen, so käme die Menschheit — selbst ivenn es uns überhaupt möglich wäre — im Denke» niemals wirklich weiter; es gäbe dann kein genetisches, wetterbauendes Denken, jeder mühte ganz von vorn anfangen. — Doch trotz solchen berechtig te» Einwänden dürfen mir das richtige und wichtige Anliegen Fichtes nicht beiscitesehen. Fichte geht es um das selbstän dige innere Ringen nm die Wahrheit, das keinem wirklichen Denker erspart bleiben kann. Selbst das aus Auto- torität hin Uebernommene oder wenigstens das Vertraue» aus die Autorität sollen wir erwerben, „um es zu besitzen". Das persönliche Wahrheitssuci)en und Wahrheitsriuge» bleibt keinem echten Weisen erspart. Schöpferisches Denken setzt immer Selbst denken voraus. Noch einiger Jahre bedurfte es. ehe Fichte seine Aufgabe in dieser Welt klar erkannte. Durch Kant hatte er wieder „Achtung für die Menschheit", also die soziale Verpflich tung, gewinnen, die ihm in seinem bisherigen geistigen In selleben 'ast vcrlorengegangen war. Einige Klippen waren noch zu umsegeln. 1701 trat er eine Hauslehrerstelle in Warschau an, die er jedoch sofort wieder ausgab, weil ihm die Verhältnisse in keiner Weise zusagten. Aon dort begab er sich nach Königs berg. Die äuhcre Not brannte ihm auf den Fingernägeln, vielleicht würde Kant ihm helfen. Kant half in gröhcrem Mähe als sich Fichte halte träumen lassen; er verhall ihm zur Drucklegung einer Abhandlung „Versuch einer Kritik aller Offenbarung". Di« Arbeit erschien ohne Verfassernamen; das grohe Rätselraten Uber den Verfasser begann. — die Fach gelehrten vermuteten Kant selbst hinter dem Anonymus, bis schliehlich der iveltberühmtc Weise von Königsberg einer stau nenden Mitwelt Fichte lobend als Verfasser nannte und seinen Geistesschülcr dadurch mit einem Schlage zu einem Manne machte, dessen Gedanken man ernst nahm und mit dem man sich auseinandersetztc. Kurze Zeit war Fichte Hosmeister und Hauslehrer beim Grasen von Krakow in der Nähe Dan zigs, dann reiste er nach Zürich, wo er 1703 heiratete. (Fortsetzung folgt.) Schätze, die inan nicht wollte Wenn uns ein gütiges Geschick die Gelegenheit bieten würde, «inen grohen Schatz zu gewinnen, würden wic da nicht mit beiden Händen zugreifen? Die Frage wird wohl jeder be- ahen, aber nicht jeder wird im entscheidenden Augenblick, wenn hm das Glück die Hand bietet, den Scl-atz erkennen. So sind chon viele an Reichtümern achtlos vorübergeganqen und wollten ie nicht l)aben. An der Goldküste entdeckte ein Goldsucher das >röhte Manganerzlager der Welt, aber er ging achtlos wieder ort, weil er nicht dachte, dah das, was er gesunden, irgend welchen Wert habe. Später sand man bei wissenscl-astlichcn Nachforschungen das Loch, das er an dem Tlbhang eines Ber,zes gebohrt hatte, und sah die von ihm ausgcgrabencn Manganerze zerstreut hcrumliegrn. Auf der Suche nach Gold und Reiclp tümern hatte er den grohen Schatz, der sich ihm darbot, verachtet und, vom Glanz des Goldes geblendet, den Reichtum in un scheinbarer Gestalt nicht erkannt. So sind die Menschen an grohen Werten lange Zeit acht los oorübergegangen. Die Geschichte des Petroleums ist beson ders reich an solchen verpahten Geleqenl)«iten und an nicht er kannten Möglichkeiten. Es gab ein« Menge Grundbesitzer in den Vereinigten Staaten, die über das „schlechte Wasser" klagten, das sie gar nicht trinken konnten. Das Wasser war mit Erdöl gemischt und kündete das Vorhandensein von Schätzen an, dis später grohe Reichtümer brachten. Aber durch viele Jahre hin durch hielten die Amerikaner dieses Oel in» allgemeinen für etwas Schlechtes, das Ihren Grund und Boden entwertete. Wenn man nur den Geruch des vels mit der Nase verspürte, dann ging man um dieses Land In grohem Bogen herum, und die Osagc- Indianer erhielten das Schutzgebiet in Oklahoma, in dem so grohe Pctroleummengen gesunden wurden, nur deshalb, weil niemand anders es wollte. Später wurden die überlebenden Mitglieder des Stammes Millionäre, und sie verdanken dies nur dem Oel, das in ihrem Boden»zesunden wurde. Mit Riesensum men hat man ihnen das Land abgctianst, das ein paar Jahr zehnte vorher niemand haben wollte. Aber auch als man bereits den Wert des Petroleums zu ahnen begann, wurde es zunächst nur als Lampeuöl verwendet, und die Nebenprodukte, die bei dem Reinigung-verfahren übrig blieben, wurden nicht beachtet, während sie heute den eigentlichen Wert des Oeles darstellen. Ganz ähnlich wie mit dem Erdöl ging es mit dem Gnmint. An den Tagen des Columbus kam die erste Kunde von diesem Stofs nach Europa. Einer seiner Begleiter sah. wie die Eingebo renen von Haiti mit Kugeln spielten, „die aus dem Harz eines Baumes gemacht waren", und er verzeichnete diese wunderbare Tatsache in seinem Bericht. Später benutzten die Spanier in Mexiko den Gnmmi, um ihre Mäntel wasserdicht zu machen, aber niemand dachte daran, diesen neuen Stoss in Europa ein zuführen, und mehrere hundert Jahre vergingen, bevor man den ungeheuren wirtscliaftlicl)«» Wert des Gummis richtig zu wür digen wuhte. Unter den Erfindern fehlt es auch nicht an solcl)«n. die den grohen Gedanken, den sic in die Tat umgesetzt hatten, wirt- scl-astlich nicht auszunutzcn vermochten. Viele von denen, die den Schlüssel zu grohen Reichtümern in der Hand hielten, sind arm gestorben, so z. B der Erfinder der Spinnmaschine Samuel Lrumpton, der seine Erfindung, durch die eiue grohe Industrie Ins Leben geruscn wurde, für 1400 Mark verkaufte. Ebenso verzichtete der Ersindcr der Mähmaschine, der scholtiscl-c Geist liche Dr. Patrick Bell, auf die Ausnutzung seiner Idee indem er kein Patent nahm, und überliest cs anderen, die Millionen zu verdienen, die mit der Erfindung zu gewinnen waren. Schöpferische Menschen Voraussetzungen, Aräfte und Beweggründe ihre» Schaffen» / Von Prof. Otto Urbach 18. Fortsetzung. Johann GottUeb Fichte Die bösen und die guten Tage von Schulpsorta gingen vorüber. 1780 begann Fichte sein Universitätsstudium der Theo logie in Jena, ein Jahr später in Leipzig. Vorerst mangelte seinem Leben ein klares Ziel, noch fehlte ihn» ein klares Ver hältnis zur menschlichen Umwelt. Das manchem seiner Mit studierenden als verlockend erscheinende Idyll eines bürgerlich geruhigen evangelischen Pfarrhauses erschien ihn» wenig begeh renswert. Nicht dah er unfromm war, ganz im Gegenteil! Aber er sah immer mehr, dah den meisten evangelischen Theo logen seiner Zeit das Ideal der Psarrstelle näher am Herzen lag als jedes andere Kcal; sie suchten bürgerliche Geborgen heit und ein aufs Mindestmah reduziertes, folglich unheroisch gewordenes Christentum miteinander zu verbinden. Sie woll ten Hüter einer statischen, In sich selbst volles Genügen finden den Welt sein und huldigten dem Grundsatz: Quieta non mo vere; was ruhig liegt, darf unter keinen Umständen bewegt und verändert werden, selbst wenn es noch so besserungs bedürftig ist. Die stahlharten Forderungen des Christentums wurden in dieser Umwelt durch mancherlei Zugeständnisse dem Bestehenden angepastt und siir ein gemütliches, idyllisches BUr- gerleben erträglich gemacht. Diesen Weg konnte und wollte Fichte nicht gehen. Er wollte ohne Rücksicht auf sein Wohl und auf das Urteil der Mitmenschen nur lehren und leben, wie es seiner kompromihfeindlichen Ueberzeugung ent sprach. Welfremd, von den Menscl-cn zurückgezogen, lebte Fichte wie auf einer Insel. Privatstunden, die er gab, hielten ihn über Wasser. Natürlich gab es keinen eigentlichen „Berus", in» Sinne einer Lebensstellung, in welchem Fichtes radikale For derung des Alles oder Nichts zu verwirklichen gewesen iväre. Die sreigebige Familie von Miltitz war über das Nichtmeiter- kommen des — einst zu so grohen Hoffnungen berechtigenden — Studenten ebenso bitter enttäuscht ivte Fichtes Eltern, die ihren Sohn gern als wohlbestallten Pfarrhcrrn gesehen hätte». Bis zum hohen Konsistorium drangen Klagen über die kritische, allzu kritische Einstellung des pingen Studenten gegenüber dem Althergebrachten. Die Zuschüsse und Stipendien hörten unter diesen Umständen ans, und Fichte muhte Zusehen, wie er sich als Hauslehrer durchschlug. Zeitweilig kam er in solche wirtsä-astliche Notlage, dast er mit Selbstmordgedanken um ging. Vielleicht war weniger die drückende Notlage an dieser Verzweiflung schuld als der Gedanke, dast er die Bestim mung seines Lebens noch nicht begriffen hatte. Eine Hauslehrerstelle, die er 1788 in Zürich erhielt, ver besserte seine äuhcre Lage ein wenig. Zivar vermochte er auch in Zürich als Hauslehrer keine rechte Befriedigung zu sinden; seine Schroffheiten und seine oft als unangebracht empfundene, allzu aufrichtige Kritik wirkte auf die Nerven der feinen Herr schaften, die ihn als pädagogischen Hausangestellten b trach- teten, verletzend. Fichte wollte Erzieher, nicht aber Haus angestellter und Kenntnisvermittler sein. Was er sein wollte, war er ganz. Kein Wunder, dast er bald aneckte. War dem zufolge der innere Ertrag seiner Tätigkeit als Hauslehrer nur gering, so wurde Zürich -och in anderer Hinsicht siir ihn bedeu tungsvoll. Er lernte dort Johanna Rahn, die Tochter einer Schwester Klopstocks, kennen. Dieses Mädchen, das er zur Lebensgefährtin erkor, war keine ausgesprochen geistreiche Dame, die salonfähig zu plaudern oder gar Novellen zu schrei ben verstand, sie besäst dafür eine tiefe Herzensbildung und hielt in glücklichen und unglücklichen Tagen treu an der Seite Fichtes aus. In ihr fand er die beste und tapferste Kameradin. Cs war nicht immer ganz leicht, den Lebensweg gemeinsam mit einem so kämpferischen Menschen, der seiner selbst nicht schonte, zu gehen. Ein eigentliches gemütliches Privatleben kannte Fichte nicht und eine Fra»» vcrmihte ivohl bei ihm auch das seelische Moment, insbesondere die Liebe, In den Briefen Fichtes an seine Braut lesen wir wenig von Herzens ergüssen, dagegen viele Wendungen dieser Art: „Der Haupt endzweck meines Lebens ist der, mir jede Art von Charakter bildung zu gebe», die mir das Schicksal nur irgend erlaubt." „Glück ist nur jenseits des Grabes. Alles auf der Erde ist unbeschreiblich klein, das weist ich; aber Glück ist's auch nicht, was ich suche; Ich weist, Ich ivcrdc cs nie finden. Ich habe nur eine Leidenschaft, nur ein Bedürfnis, nur ein volles Gefühl meiner selbst, — das: auster mir zu wirk ». Ie mehr ich handle, desto glücklicher sclnine Ich mir." Wo schrieb ein Bräutigam ähnlich an seine Braut? Jedoch es ivar noch gar nicht abzu sehen, was für eine Lebensstellung Fickte endgültig erwählen würde. Er suchte noch immer seinen Beruf, im Sinne von Berufung, Bestimmung. Sendung. Fichte besah ein besonderes Talent — wenn man das auch Talent nennen mag — sich mit vielen Mitmenschen zu überwerfen. Das hing damit zusammen, dast er jede graste Meinungsverschiedenheit unpersönlich führte und Im Gegner gleichsam den Vertreter eines ganzen Systems vor sich sah. das er bekämpfte Die Mutter seiner Züricher Zöglinge. — eine putzsüchtige, gesallsüchtige, auch wohl doppelzüngige und manchmal unaufrichtige Dame. — erschien ihm als Repräsen tantin einer Gesellschaft, die er in ihrer Hohlheit -urchscimute. Der Zusammenstost erfolgte bald. Ohne «ine andere, geschweige bessere Stelle In Aussicht zu haben, überreichte Fichte eines n Tages seine Kündigung. 1700 treffen wir ihn wieder in Leipzig, nachdem Versuche, in Weimar als Hauslehrer unterzukommen, Deutschtum am Schwarzen Meer Line deutsche Auswanderung nach Bessarabien linier den bai)erischcn Donauschwaben entstand um die Jahre des letzten Jahrhunderts eine Bewegung, deren Ziel eine mystisch-pietistische Verinnerlichung des religiösen Lebens mar. Anfangs sclzauicn die geistlich» wie weltlichen Behörden den Stimmungei» nnd Bestrebungen der Bevölkerung ziemlich tatenlos zu. Als sich aber in der Gegend von Günzburg, Lauin gen, Gundelfingen und Burgau die Neigung bemerkbar machte, aus „innerem Triebe", nach dem „Willen des Herrn", dem Vater land den Rücken zu kehren, traten Staat und Kirche dem Umsich greifen dieser Schwärmereien mit allen 'Mitteln entgegen. Um sonst. Die Lust zur Auswanderung in ein „gelobtes Land", wo ohne Hohn der Unuvelt der inneren Seligkeit nach eigener Weise gedient werden könnte, wuchs und wuchs. Das Andeukcu an Pfarrer Ignaz Lindl, der gegen Ende Oktober 1810 von Gundremmingen, bei Gundelfingen gelegen, zu dem Zaren Alexander 1. an den russischen Kaiserhos gegangen war um sei nen „Erweckten" in Nustland eine religiöse Freistatt zu vcrsclxis- fen, wirkte mächtiger als alle Vorstellungen der Behörden über Gefahren und Nöte der Fremde. Ignaz Lindl war an» 8. 7. 1774 zu Baindlkirch bei Mering geboren. Naclidem er das Dillinger Pricsterseminar durchlauscn hatte, amtierte er bis 1817 als Geistlicher in seinen» Geburtsort, Durch Freunde mar er langsam in eine verstiegene, alle kirch liche »vie vaterländisci-e Form auslösende Mystik hineingeralcn. Im Mai 1818 war Lindl Pfarrer des kleinen, kaum hundert Haushaltungen zählende»' Gundremmingen geworden. „Mit stei gender gröstcrer Begeisterung zündet Lindl alle Herzen immer mehr an. Alle Welt ihn» nach, wenn sie ibn nicht bald hängen!" belobigt damals ein Freund die Tätigkeit Lindls sür die Mis sion seines Lebens. Im Oktober 1819 reiste Lindl, durch eine Empfehlung an den russisclwn Hos gerufen, nach Petersburg. Im Mai 1820 wird er vom Kaiser als Propst der im Süden von Russland angesiedclien deutschen Katholiken nach Odessa be ordert. Und von hier aus schreibt und rüst er zurück zu seinen Anhängern in« Schwabenland. Sie sollen ihm alle hierher fol gen. „Der Kaiser lästt mir sogar ein Seminar bauen in unlcrer neuen Kolonie, worin fromme christliche Jünglinge sür die Per- digt des Evangeliums unter meiner Aussicht gebildet werden. Seht welch herrliche Aussichten auf das Reich Gattes!" Die Hauptsache ist die dast wir als Brüder und Schwestern in Christo beisammen bleiben und hier ihm allein mit Ruhe und Freude ungestört dienen können." Im Frühjahr 1821 erhalten das ganze Dors Gundremmin gen mit 180 Personen Einwohner von Lauingen, Glött, Aislin gen Burgau, Haunsheim, Gundelfingen — insgesamt an die 400 Personen — von der bayriscl-en Regierung schweren Herzens die Genehmigung zur Auswanderung nach Bessarabien, der da maligen südwestlichen Provinz von Russland. In dem Gesuch der Gundrcminingcr, die ihre kommende Siedlung als den Sanim- lungsort für die »nähre geistige Kirche ansehen, heistt es, dast sie in der Heimat alles — und dies ost um ein Spottgeld — ver kauft und verlasse» haben, „da wir arme Christenleclcn unseren Verfolgern und Feinden ein beständiger Dori» iin Auge, ein An stoss und ein Aeracrnis sind nnd dieses bleiben iverden, solange »vir unter ihnen nock ferner leben." Im Sommer 1820 waren schon Württemberger Pietisten
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