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zugreifen sein. Sollten auch diese Mittel nicht zu beschaffen sein, so wird im Nothsall Karbolsäure mit geringerem Gehalt an wirksamen Stoffen, welche demgemäß in größerer Menge zu verwenden ist, oder ein andere- wiffenschaftlich al- gleich- werthig anerkannte« Mittel zu verwenden sein. II. Anwendung der De-infectivn-mittel. 1. Die slüssigenAbgänge der Cholerakranken (Erbrochenes, Stuhlgang) werden möglichst in Gesäßen aus gefangen und mit ungefähr gleichen Thellen Kalkmilch (I, Nr. I) gemischt. Diese Mischung muß mindesten- eine Stunde stehen bleiben, ehe sie al- unschädlich beseitigt werden darf. Zur Desinsection der flüssigen Abgänge kann auch Chlor kalk (l, Nr. 2) benutzt werden. Von demselben sind minde sten- zwei gehäufte Eßlöffel voll in Pulverform auf l der Abgänge hinzuzusetzen und gut damit zu mischen. Die so be handelte Flüssigkeit kann bereit- nach 13 Minuten beseitigt werden. Schmutzwässer sind in ähnlicher Weise zu de-inficiren, jedoch genügen geringere Mengen von Kalkmilch oder Chlorkalk. 2. Hände und sonstige Körpertheile müssen jedesmal, wenn sie durch die Berührung mit inficirten Dingen (Aus leerungen de- Kranken, beschmutzter Wäsche u s. w.) in Be rührung gekommen sind, durch gründliche- Waschen mit Chlor kalklösung (I, Nr. 2) oder mit Karbolsäurelösung (I, Nr. 4) desinficirt werden. S.Bett- und Leibwäsche, sowie andere Kleidungs stücke, welche gewaschen werden können, sind sofort, nachdem sie beschmutzt sind, in ein Gesäß mit Desinsections- flüssigkeit zu stecken. Die Desinsectionsfiüssigkeit besteht aus einer Lösung von Kaliseise (l, Nr. 3.) oder Karbolsäure (I, Nr. 4). In dieser Flüssigkeit bleiben die Gegenstände, und zwar in der ersteren mindestens 24 Stunden, in der letzteren minde stens 12 Stunden, ehe sie mit Wasser gespült und weiter ge reinigt werden. Wäsche u. s. w. kann auch in Dampfapparaten, sowie durch AuSkochen deSinficirt werden. Aber auch in diesem Falle muß sie zunächst mit einer der genannten Desinfcction«- flüssigkeiten (I, Nr. 3 oder 4) stark angeseuchtet und in gut schließenden Gesäßen oder Beuteln verwahrt, oder in Tücher, welche ebenfalls mit Desinsectionsfiüssigkeit angeseuchtet sind, eingeschlagen werden, damit die mit dem Hantiren der Gegenstände vor der eigentlichen Desinsection verbundene Ge fahr verringert wird. Aus jeden Fall muß derjenige, welcher solche Wäsche u. s. w. berührt hat, seine Hände in der unter II, Nr 2 angegebenen Weise de-inficiren. 4. Kleidungsstücke, welche nicht gewaschen werden können, sind in Dampfapparaten (l, 5) zu des- inficiren. Gegenstände aus Leder sind mit Karbolsäurelösung (1,4) oder Chlorkalklösung (I, 2) abzureiben. 5. Holz- und Metalltheile der Möbel sowie ähn liche Gegenstände werden mit Lappen sorgfältig und wieder holt abgerieden, die mit Karbolsäure oder Kaliseisenlösung (l, 4 oder 3) befeuchtet sind. Ebenso wird mit dem Fuß boden von Krankenräumen Verfahren. Die gebrauchten Lap pen sind zu verbrennen. Der Fußboden kann auch durch Bestreichen mit Kalkmilch (l, I) desinficirt werden, welche frühestens nach 2 Stunden durch Abwaschen wieder entfernt wird. 8. Die Wände der Krankenräume sowie Lolztheile, welche diese Behandlung vertragen, werden init Kalkmilch (l, I) getüncht. Nach geschehener Desinsection sind die Krankcnräume, wenn irgend möglich, 24 Stunden lang unbenutzt zu lassen und reichlich zu lüften. 7. Durch Cholera-Ausleerungen beschmutzter Erdboden Pflaster, sowie Rinnsteine, in welche verdächtige Ab-, gängc gelangen, werden am einfachsten durch reichliches Ueber- gießen mit Kalkmilch (I, 1) desinficirt. 8. Soweit Abtritte im Hinblick auf den öffentlichen Verkehr (L Nr. 14 der „Maßnahmen") zu desinficiren sind, empfiehlt es sich, täglich in jede Sitzöffnung I l Kalkmilch (l, I) oder ein anderes glcichwerthiges Mittel in entsprechen der Menge zu gießen. Tonnen, Kübel u. dergl., welche zum Auffangen des Koths in den Abtritten dienen, sind nach dem Entleeren reichlich mit Kalkmilch (1, 1) oder einem anderen gleichwerthigen Mittel außen und innen zu bestreichen. Die Sitzbretter werden durch Abwasch, n mit Kaliseifen lösung (I, 3) gereinigt. 9. Wo eine genügende Desinsection in der bisher ange gebenen Weise nicht ausführbar ist, (z. B. bei Polster- möb eln, Federbetten, in Ermangelung eines Dampf apparates, auch bei anderen Gegenständen, wenn ein Mangel an Desinsectionsmitteln eintreten sollte) sind die zu desinfi- cirenden Gegenstände mindestens 6 Tage lang außer Gebrauch zu setzen und an einem warmen, trockenen, vor Regen gc- schützten, aber womöglich dem Sonnenlicht ausgesetzten Orte gründlich zu lüften. 10. Gegenstände von geringem Werthe, namentlich Bett stroh, sind zu verbrennen. Die Desinsection ist dort, wo sie geboten erscheint, ins besondere wenn Orte, die dem öffentlichen Verkehr zugänglich sind, gefährdet erscheinen oder wo sonst eine Insertion zu besorgen ist oder stattgesunden hat, mit der größten Strenge durchzusühren. Im Uebrigen ist aber vor einer Vergeudung von Desinsectionsmitteln eindringlich zu warnen; unnöthige und unwirksame Desinseclione» bedingen unnützen Kostenauf wand und vertheuern die Preise der Desinsectionsmittel, ver leiten aber auch das Publikum zur Sorglosigkeit in dem Ge fühle einer trügerischen Sicherheit. Reinlichkeit ist besser als eine schlechte Des infektion. Anlage V. Lelehrung üdrr das Wesen der Lholera u. das währen der LholeraM;u beobachtende Verhalten. 1. Der Ansteckungsstosf der Cholera befindet sich in den Ausleerungen der Kranken, kann mit diesen aus und in andere Personen und die mannigfachsten Gegenstände ge- rathen und mit denselben verschleppt werden. Solche Gegenstände sind beispielsweise Wäsche, Kleider, Speisen, Wasser, Milch und andere Getränke; mit ihnen allen kann auch, wenn an oder in ihnen nur die geringsten für die natürlichen Sinne nicht wahrnehmbare» Spuren der Aus leerungen vorhanden sind, die Seuche weiter verbreitet werden. 2. DieAusbreitung nach anheren Orten geschieht daher leicht zunächst dadurch, daß Cholerakranke oder kürzlich von der Cholera genesene Personen den bisherigen Aufent haltsort verlassen, uni vermeintlich der an ihm herrschenden Gefahr zu entgehen. Hiervor ist um so mehr zu warnen, als man bei den. Verlassen bereits angesteckt sein kann und man andrerseits durch eine geeignete Lebensweise und Befolgung der nachstehenden Vorsichtsmaßregeln besser in der gewohnten Häuslichkeit, als in der Fremde und zumal auf der Reise, sich zu schützen vermag. 3. Jeder, der sich nicht der Gefahr aussetzen will, daß die Krankheit in sein Hans eingeschlevpt wird, hüte sich, Men schen die aus Choleraorten kommen, bei sich aufzu nehmen. Schon nach dem Auftreten der ersten Cholerasälle in einem Ort sind die von daher kommenden Personen als solche anzusehen, welche möglicherweise den Krankheitskeim mit sich führen. 4. In Cholerazeiten soll man eine möglichst geregelte Lebensweise sühren. Die Erfahrung hat gelehrt, daß alle Störungen der Verdauung die Erkrankung an Cholera vor zugsweise begünstigen. Man hüte sich deswegen vor allem, was Verdauungsstörungen Hervorrufen kann, wie Uebermaß von Esten und Trinken, Genuß von schwer verdaulichen Speisen. Ganz besonders ist Alles zu meiden, was Durchfall ver ursacht oder den «lagen verdirbt. Tritt dennoch Durchfall ein, dann ist so früh wie möglich ärztlicher Rath einzuholen. 5. Man genieße kein Nahrungsmittel, welche aus einem Hause stammen, in welchem Cholera herrscht. Solche Nahrungsmittel, durch welche die Krankheit leicht übertragen werden kann, z. B. Obst. Gemüse, Milch, Butter, frischer Käse, sind zu vermeiden, oder nur in gekochtem Zu stande zu genießen. Insbesondere wird vor dem Gebrauch ungekochter Milch gewarnt. 6. Alles Wasser, welches durch Koth, Urin, Küchen abgänge oder sonstige Schmutzstoffe verunreinigt sein könnte, ist strengstens zu vermeiden. Verdächtig ist Wasser, wel ches mittels gewöhnlicher Brunnen (Pumpen) aus dem Untergründe bewohnter Orte entnommen wird, ferner aus Sümpfen, Teichen, Wasserläusen, Flüssen, sosern das Wasser nicht einer wirksamen Filtration unterworfen worden ist. Als besonders gesährlich gilt Wasser, das durch Auswurs- stoffe von Cholerairanken in irgend einer Weise verunrei nigt ist. In Bezug hierauf ist die Aufmerksamkeit vorzugsweise dahin zu richten, daß die vom Reinigender Gefäße und beschmutzter Wäsche herrühenden Spülwässer nicht in die Brunnen und Gewässer, auch nicht einmal in deren Nähe gelangen. Den -- besten Schlitz gegen Verunreinigung des Brunnenwaffers ge währen eiserne Röhrenbrunnen, welche direkt in den Erdboden und in nicht zu geringer Tiefe desselben getrieben sind (abessi nische Brunnen). 7) Ist es nicht möglich, sich ein unverdächtiges Wasser im Sinne der Nr. 8 zu beschaffen, dann ist es erforderlich, das Wasser zu kochen und nur gekochte« Wasser zu genießen. 8. Wa« hier voin Wasser gesagt ist, gilt aber nicht allein vom Trinkwasser, sondern auch oon allem zum HauSbrauch dienenden Wasser, weil im Wasser dcfindliche Krankheit«stoffe auch durch das zum Spülen der Küchengeräthe, zum Reinigen und Kochen der Speisen, znm Waschen, Baden u. s. w. dienende Wasser dem menschlichen Körper zugesllhrt werden können. Ueberhaupt ist dringend vor dem Glauben zu warnen, daß das Trinkwasscr allein als der Träger des Krankheits stoffes anzusehen sei und daß man schon vollkommen geschützt sei, wenn man nur Untadelhaftes oder nur gekochtes Wasser trinkt. 9. Jeder Cholerakranke kann der Ausgangspunkt für die weitere Ausbreitung der Krankheit werden, und es ist deswegen rathsam. die Kranken soweit es irgend angängig ist, nicht im Hause zu pflegen, sondern einem Krankenhause zu übergeben. Ist dies nicht ausführbar, dann halte inan wenigstens jeden unnöthigen Verkehr von dem Kranken fern. 10. Es besuche Niemand, den nicht seine Pflicht dahin führt, ein Cholerahaus. Ebenso besuche man zur Cholerazeit keine Orte, wo größere Anhäufungen von Menschen slattfinden (Jahrmärkte, größere Lustbarkeiten u. s. w.). 11. In Räumlichkeiten, in welchen sich Cholera kranke befinden, soll man keine Speisen oder Getränke zu sich nehmen, auch im eigenen Interesse nicht rauchen. 12. Da die Ausleerungen der Cholerakranken besonders gesährlich sind, so sind die damit beschmutzten Kleider und die Wäsche entweder sofort zu verbrennen oder in der Weist, wie es in der gleichzeitig veröffentlichten Desinsectionsanweis- ung (ll, 3 und 4) angegeben ist, zu desinficiren. 13. Man wache auch aus das Sorgfältigste darüber, daß Choleraausleerungen nicht in die Nähe der Brunnen oder der zur Wasserentnahme dienenden Flußläufe u. s. w. ge langen. 14. Alle mit dem Kranken in Berührung gekommenen Gegenstände, welche nicht vernichtet oder desinficirt werden können, müssen in besonderen DeSinfectionSanftalten vermittels heißer Dämpfe unschädlich gemacht oder mindestens 8 Tage lang außer Gebrauch gesetzt und an einem trockenen, möglichst sonnigen lustigen Ort aufbewahrt werden. 1k>. Diejenigen, welche mit dem Cbolerakranken oder dessen Bett und Bekleidung in Berührung gekommen sind, sollen die Hände alsbald desinficiren. (II, 2 der Desinfeclionsanweisung.) Ganz besonders ist dies erforderlich, wenn eine Verunreinigung mit den Ausleerungen des Kranken stattgesunden hat. Aus drücklich wird noch gewarnt, mit ungereinigten Län den Speisen zu berühren oder Gegenstände in den Mund zu bringen, welche im Krank en raum verunreinigt sein können, z. B. Eß- und Trinkgeschirr, Cigarren. 18. Wenn ein Todesfall einlritt, ist die Leiche sobald als irgend möglich aus der Behausung zu entfernen und in ein Leichenhaus zu bringen. Kann das Waschen der Leiche nicht im Leichenhause vorgenommen werden, dann soll es über haupt unterbleiben. Das Leichenbegängniß ist so einfach als möglich einzu richten. Das Gesolge betrete das SterbehauS nicht und man betheilige sich nicht an Leichensestlichkeiten. 17. Kleidungsstücke, Wäsche und sonstige Gebrauchsgcgen- stände von Cholerakranken oder Leichen dürfen unter keine» Umständen in Benutzung genomnien oder an andere abgegeben werden, ehe sie desinficirt sind. Namentlich dürfen sie nicht undeSinficirt nach anderen Orten verschickt werden. Den Empfängern von Sendungen, welche derartige Gegenstände aus Choleraorten enthalten, wird dringend ge- rathen, dieselben sofort womöglich einer Desinfcctionsanstalt zu übergeben oder unter den nöthigen Vorsichtsmaßregeln selbst zu desinficiren. Cholerawäsche soll nur dann zur Reinigung angenommen werden, wenn dieselbe zuvor desinficirt ist. 18. Andere Schutzmittel gegen Cholera, als die hier genannten, kennt man nicht und cs wird vom Gebrauch der in Cholerazeiten regelmäßig angepriesenen medikamentösen Schutzmittel (Choleraschnaps u. s. w.) abgerathen. I Druck und Verlag von E. Hannebohn in Eibenstock.