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letzteren sah ich Licht. Ich klopfte leise und Ihr Better öffnete, er war allein. „Ich bat ihn um Unterkunft für den Verwundeten. Damals so wenig wie heute würde er um der bloßen Barmherzigkeit Willen sich dazu verstanden haben. Aber in seinem ServiliSmus hegte er einen großen Respekt vor unserer Familie, dazu kam die Unbehilflich keit, die er mir und meiner Schwester gegenüber stets gezeigt hatte. Ich benutzte diese Schwache und ließ seine schüchternen Einwände nicht zur Geltung kommen. „Ich erklärte, die volle Verantwortlichkeit für alle Folgen tragen zu wollen, welche die Aufnahme des Verwundeten nach sich ziehen könne, und er ließ sich endlich überzeugen, daß ein Schritt, den die Tochter eines gut königlich gesinnten Beamten für unverfänglich halte, auch für ihn kein Wagniß sei. So trugen wir den Verwundeten ins Haus, wo ich, so weit meine geringen medizinischen Kenntnisse reichten, das Nöthigste zu seiner Verpflegung anordnete. „Hoffnung für sein Aufkommen war nicht vor handen, denn er hatte eine Kugel in der Brust; es konnte sich nur darum handeln, daß er, von Durst und Fieber gepeinigt, wenigstens nicht sein Leben hilflos auf dem Straßenpflastcr aushauche." Wolfgang ergriff die Hand des Mädchens, dessen thatkräftige Menschenfreundlichkeit sich hier abermals bewährte, und drückte sie fest mit stummem Danke. „Ich hielt mich während der ersten Morgenstunden des nächsten Tages im Garten auf; Rabeling kam mehrmals an das Gitter, um mir über den Zustand des schwer Kranken zu berichten, mit dem es offen bar zu Ende ging. „Eben wollte ich wieder mein Zimmer verlassen, um nach ihm zu fragen, als mir in der Thür Ihr Vetter selbst enlgegentrat. Auf meine Erkundigung nach dem Verwundeten thcilte er mir mit, daß der selbe soeben gestorben sei. „Aber das konnte der Grund der Aufregung nicht sein, in der er sich offenbar befand. Es handelte sich »och um anderes. Bleich und zitternd erzählte er, daß Sie sich in sein Haus geflüchtet hätten und im Keller verborgen seien. Soeben aber wäre eine Patrouille erschienen, die nach Ihnen suche und ob wohl vorderhand am unrechten Orte, doch sicher Ihr Versteck noch ausfindig machen werde. „An Ihr Entkommen sei nicht zu denken. Bon der Auflösung Ihres Verlöbnisses schien er noch nichts zu wissen, denn er rechnete aus die Fürsprache meines Vaters. Zugleich fürchtete er die Auffindung des Tobten unv berief sich auf die von mir übernommene Verantwortlichkeit. Ich sollte nun rathen, was zu thun sei, sollte helfen. „Da kam mir ein glücklicher aber kühner Gedanke: ich wußte Albertinen im Wiederbesitze der Briefe, welche sie Ihnen geschrieben, und kannte den Ort, wo sie dieselben in der Brieftasche, die sie Ihnen einst zum Geschenk machte, aufbewahrt hatte. „Ich durfte des Einverständnisses meiner Schwester gewiß sein; da ich sie aber nicht auf ihrem Zimmer fand und keine Zeit zu verlieren war, so handelte ich ohne ihr Mitwissen, nahm die Brieftasche mit den Briefen an mich und übergab sie Ihrem Vetter. „Wenn er noch zu dem Todtcn gelangen könne, instruirte ich ihn, ehe derselbe von der mit Durch suchung des Lagerhauses beschäftigten Patrouille ent deckt sei, so solle er ihm eilig alle Taschen ausleeren und ihm die Brieftasche mit den Briefen beisteckcn. „Die letzteren trugen ihre Adresse, und wenn Sie nicht gerade Jemand von der Patrouille persönlich bekannt seien, so werde man ihm gern glauben, daß der tobte Inhaber der Briefe der Gesuchte sei und von einer weiteren Untersuchung des Hauses abstehen. „Rabeling solle vorgeben, er habe sich geweigert, seinen Vetter, als einen Aufrührer, vor der Patrouille zu verhehlen, und dieser sich um der Gefangennahme zu entgehen, durch einen Schuß selbst getödtet. „Rabeling billigte meinen Plan und eilte in sein HauS zurück, nachdem wir verabredet hatten, daß er mir später am Gartengitter über den weiteren Ver lauf berichten solle. „Erst nach einer bangen, endlos scheinenden Stunde fand er sich ein. Seine betrübte Miene verkündete mir nichts Gutes. Verzeihung, sagte er, daß ich Sie so lange habe warten lassen. Aber was sollten mir die beiden Leichen im Hause? Daher trug ich zunächst Sorge, daß sie fortgeschafst würden. — Die beiden Leichen? fragte ich. — Ich dachte. Sie wüßten es bereits, eröffnete er mir, daß mein armer Vetter den Selbstmord, den wir ihm andichten wollten, zur Wahr heit gemacht und sich, als man ihn gefangennchmen wollte, erschossen hat. „Bei meiner Nachhausekunft hatte man ihn bereits im Keller entdeckt, noch ehe ich diese Gegenstände zur Ausführung Ihrer gut ersonnenen List verwenden konnte. Bei diesen Worten gab er mir die Brief tasche mit den Briefen wieder zurück." So sehr sich Friederike zusammen zu nehmen schien, so zitterte doch die Erinnerung an jene Augen blicke, wo sie aus Rabeling« Munde die Todesnach richt vernahm, in dem Tone ihrer Stimme nach, und mehrmals hatte sie innehaltcn müssen, um ihre innere Bewegung zu unterdrücken. „Ich kann, ich darf nicht sprechen!" sagte Frie derike, die Hände krampfhaft auf die schlagende Brust pressend. Alle Uebcrrcdungsversuche Wolfgangs blieben er folglos. „Ich danke Ihnen, Friederike," sagte Wolfgang ergriffen. „Was ich für das einzige Verdienst meines Vetters hielt, ist also das Ihrige. Meine Freiheit ist Ihr Geschenk, denn der Plan, den Sie mit bewunderungswürdiger Geistesgegenwart entwarfen, wurde wirklich das Mittel zu meiner Rettung. Wurde auch Ihr edles Werk gefälscht und durch niedrige Habgier zu meinem Rachtheile ausgebeutet, so sehen Sic es doch in dem freien Manne, der lebend vor Ihnen steht, wieder aufgerichtet, und für verlorene Jahre entschädigt mich diese einzige Stunde." „Wenn nur Ihrer Freiheit nicht neue Gefahr droht!" entgegnete Friederike besorgt. „Diese Stadt ist ein gefährlicher Boden für Sie. Haben Sie sich, außer mir, schon Anderen zu erkennen gegeben?" Wolfgang erzählte seinen Besuch bei seinem Vetter, die wiederholte Begegnung mit dem gcheimnißvollcn Fremden, der ihm düs' ganze Jntrigucngewebe Rabe- lings enthüllt und ihm auch zu einer Zusammenkunft mit Albertine» verhelfen habe. Was er mit der Letzeren gesprochen, verschwieg er vorläufig. Er hätte sonst die unaufrichtige Frau in den Augen ihrer Schwester beschäme» und überdies die auf dem Friedhöfe gemachte Entdeckung zur Sprache bringe» müssen, wozu ihm der rechte Augen blick noch nicht gekommen schien. Während Friederike stillschweigend zuhörte, war in ihrem Wesen eine überhand nehmende Unruhe zu bemerken. „Meine arme, bedauernswerthc Schwester und der Nichtswürdige, den sie leider ihren Gatten nennt, sind auf Ihre Großmuih angewiesen," ergriff Friederike das Wort, „von ihnen haben Sie nichts zu fürchten. Aber jener Ihnen »»bekannte Reisegefährte in dem weißen Hute, jener Mann, der sich mit allen Ver hältnissen Rabelings so vertraut erwies. Sic in das Glashaus führte. Ihnen dort die todtgeglaubte Mutter zeigte und jene Unterredung mit meiner Schwester herbeizuführcn wußte, — dieser Mann, dem Sie sich für seine Aufklärungen verpflichtet fühlen, ist Ihr schlimmster Feind. Unschwer habe ich ihn aus Ihrer Schilderung erkannt. Es ist Niemand anders, als Trimborn, Rabelings Gehilfe." „Trimborn?" rief Wolfgang in hohem Grade überrascht. „Seine Persönlichkeit machte allerdings auf mich den Eindruck des Bekannten, aber ich leitete dies eher von einer allgemeinen Ähnlichkeit ab, die er mit Anderen gemein hatte. Wie hätte ich in dem bärtigen Mann mit dem überaus sicheren, ja kecken Auftreten jenen jungen unbedeutenden Menschen wieder erkennen sollen, der mir immer scheu aus dem Wege ging? Ich habe ihn nie beachtet und weiß, daß er deshalb einen Haß gegen mich faßte." Er war's, der Ihre Thcilnahme am Aufstande meinem Vater verrieth," sagte Friederike, „und ich habe ihn im Verdacht, daß er auch die Patrouille geschickt hat, die nach Ihnen suchte. Wenn Sie aber glauben, seine Erbitterung stütze sich nur auf die Geringschätzung, die Sie ihm zeigten, so sind Sie in einem verhängnißvollen Jrrthum." „Ich kenne die Ursache und die ganze Tiefe seines Hasses gegen Sie, — aber fragen Sie mich nicht, denn ich würde Ihnen darauf nicht antworten. Ich kenne seinen gefährlichen Charakter und kann Sie nicht genug vor ihm warnen. Sie haben keinen schlimmeren Feind als ihn, und sind keine Minute sicher." (Fortsetzung folgt.) Die Dressur der Kriegshunde wird in der deutschen Armee schon seit einigen Jahren mit regem Eifer und großem Vcrständniß gepflegt. Gleich das erste, was dem eben in die Armee einge tretenen vierfüßigen Rekruten cingedrillt wird, ist eine recht schwierige Aufgabe für den Lehrer wie für den Schüler: man verlangt von dem Kriegshunde nichts mehr und nichts weniger, als daß er schweigen lernt. Er muß dahin gebracht werden, seinen natürlichsten Antrieb, den zum lauten Bellen, unter allen Umstän den zu unterdrücken und nur durch ein dumpfes Knurren anzuzcigen, wenn er den Feind wittert. Die intelligentesten Hunde gelangen sogar dahin, auch bei den aufregendsten Anlässen das tiefste Schweigen zu bewahren. Sie theilen ihre Wahrnehmungen ledig lich durch Bewegungen mit. Ueberhaupt hat der Hund viel Begabung für mimische Darstellung: besonders durch die Haltung seines Schwanzes vermag er die verschiedensten Empfindungen und Gefühle auszudrücken. Aber der schwierigste Theil der Dressur besteht doch darin, dem Hunde begreiflich zu machen, daß, während ein Hund — sei er nun braun, weiß, gelb, grau oder schwarz, klein oder groß — immer nur ein Hund bleibt, der Mensch dagegen ein Freund oder Feind ist je nach der Farbe seiner Beinkleider. Diese feinen Unterschiede verwirren natürlich zuerst die Hundeköpfe vollständig. Um sie ihnen fest und deutlich einzu prägen, bedien« man sich des folgenden Mittels: einige von den deutschen Soldaten mußten eine Zeit lang russische und französische Uniformen anlegen und in dieser Kleidung die Hunde auf jede denkbare Weise ungerecht behandeln und sie in russischer und fran zösischer Sprache schimpfen. Das prägte sich den Thieren gut ein, und da der Hund rachsüchtig ist, so spart er nun den Biß seiner scharfen Zähne für die feindlichen Uniformen auf. Ohne Zweifel wird der deutsche Hund diese am Tage nicht verkennen. Wie aber wird eS damit in dunkler Nacht, wenn es nicht möglich ist, Farben zu unterscheiden, und der Hund sich nur noch durch seinen Geruchsinn leiten läßt? Das ist ein Punkt, der den Dressirmcistern noch Stoff genug zum Nachdenken geben könnte. Wenn aber auch in diesem Punkte kein positiver Erfolg erzielt werden sollte, so sind die Dienste, die der KriegShnnd auch bei Nacht leisten kann, doch von hervorragender Bedeutung. Er merkt mit seinem feine» Spürsinn irgend eine verdächtige Annäherung viel früher als der Wachtposten, dem er beigegeben ist, und kann diesen darauf aufmerksam machen. Die Entscheidung, ob Freund oder Feind, muß er dann allerdings seinem Führer überlassen. Während cS darnach verhältniß- mäßig leicht ist, den Hund zu einem brauchbaren Wachtposten abzurichten, ist es viel schwieriger, ihn zu lehren, Depeschen richtig zu überbringen. Der Hund ist ein geborener Müssiggänger; er liebt eS, die Schule zu schwänzen, und es gehört viel Zeit, Geduld und Strenge dazu, um ihm den Grad von moralischer Kraft beizubringen, der für ihn nöthig ist, um den Zerstreuungen und Ablenkungen, die ihm etwa auf dem Wege begegnen, widerstehen zu können. Wenn der Hund erst gelernt hat, sich in der Nacht zwischen zwei angegebenen Zielen sicher hin nnd her zu bewegen, ist es jedenfalls rathsamer, ihn in der Nacht zn Botendiensten zu verwenden als bei Tage, da die Versuchungen, die an ihn herantreten, im Hellen Tageslicht weit größer sind. Es hat sich üb rigens als praktisch erwiesen, nur weibliche Hunde zur Dienstpflicht in der Armee zuzulassen. Die Kriegs hunde bilden also gewissermaßen ein Amazonenkorps. Das erste, was ein vierfüßiger Depeschenträger lerne» muß, ist, sich vor den Augen des Feindes zu ver bergen. Und was den Hund besonders geeignet für diese gefährliche Mission macht, ist seine instinktive Abneigung gegen jeden Fremden. Wenn sie Träger einer Depesche sind, verbergen sie sich in einem Graben oder hinter einer Hecke, sobald sie von Weitem einen Fremden sehen; erst wenn der Verdächtige vorbei ist, stürmen sie in verdoppeltem Galopp ihrem Ziel ent gegen, nm die verloren gegangene Zeit wieder einzu bringen. Der deutsche Soldatenhunv trägt ein leich tes eisernes Halsband, und wenn ihm eine Depesche übergeben wird, steckt man diese in ein ledernes Säck chen, das man an dem HalSbandc befestigt; Munition oder Proviant nimmt er auf die gleiche Weise in einem Korbe mit. Die größte Schwierigkeit findet der Lehrmeister der Hunde aber darin, ihre Angst vor dem Geräusch der Schußwaffen zu überwinden, die z. B. bei dem Abfeuern einer Kanone ganz furchtbar wird. Der muthigste Hund wird bei der ersten Deto nation versuchen, ReißauS zu nehmen, und erst lange Gewohnheit kann ihn mit dem Lärm der Kriegs maschinen vertraut machen. Ist seine Angst aber ein mal überwunden, so wird er der tapferste und gehor samste Soldat. Die Spitze sind die Art, welche man in der deutschen Armee mit Vorliebe ausbildet wegen ihrer großen Muskelkraft und ihrer hervorragenden Intelligenz. Und unter ihnen giebt man wieder den grauen den Vorzug, weil sic nicht so weit hin leuch ten wie die weißen. Der Thicrmaler Jean Bungartz, der sich mit der Abrichtung von Kriegshnnden sehr eingehend beschäftigt hat, hält jedoch in einer vor Kurzem herausgegebenen Schrift den schottischen Schäferhund, in seiner Heimath Collie genannt, für das bei Weitem geeignetste Material zur Kriegsaus bildung. Namentlich rühmt er diesen Thieren einen erstaunlichen Orientirungssinn uud treue Anhänglich keit nach. Auch in dem SanitätSwescn ist der Hund heute ein wichtiges Glied, und im nächsten Kriege wird er sicherlich eine bedeutende Rolle im Dienste des Rothen Kreuzes spielen. Die Hunde suchen niit großem Geschick die Verwundeten auch an den ver borgensten und unzugänglichsten Stellen auf, bringen ihnen Wasser, Branntwein und andere Stärkungen, rufen die Krankenpfleger herbei und ziehen die Ver wundeten auf kleinen Wagen zum Hospital. Bei alledem entwickeln sie einen Eifer, der geradezu rührend ist. Die Abrichtung der KriegShunde können wir ge trost unserer Heeresverwaltung überlassen, aber die Ausbildung der Sanitätshunde ist eine Aufgabe, an der sich auch außerhalb der Armee Stehende nut Er folg betheiligen können. In erster Reihe gilt das für Samaritervereinc und ähnliche Genossenschaften, denen sich hier ein weites Feld fruchtbringender Thätigkeit eröffnet. Druck und Verlag von E. Hannedotzn tu Eidenstock.