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an der Mosel gelegene kleine lothringische Städtchen Sierck, womit der Krieg thatsächlich eingeireten war. Eine große Heldenthat war di« Besetzung dieser kleinen Grenzstadt nicht, allein sie sollte auch nur der Ansang der folgenden Helden- thaten sein. L o u i s o n. Erzählung von Bruno Köhler. (15. Fortsetzung.) »Bei unserer Zusammenkunft auf dem Bahnhof bestand ich darauf, daß wir Tag und Nach! fuhren, um desto eher nach dem Elsaß zurückzukommen. — Wir gelangten an die deutsche Grenze. Von hier au« traten Stockungen in dem richtigen Anschluß der Züge ein. Alle Bahnlinien waren überfüllt. Nur auf Umwegen gelangten wir zum Rhein hinunter. Fast drei Tage und drei Nächte waren wir ununter brochen gefahren, nur auf den Bahnhöfen, wenn wir gezwungen waren, uns einige Stunden aufzuhalten, hatte ich es gewagt, zu schlafen. Auf dem Dampfschiff angelangt, vermochte ich nicht mehr der Anstreng ung Stand zu halten. Ich blieb in jenem Städt chen am Rhein — wo Sie mich zum erstcnmale sahen." Erschöpft hielt die Gräfin inne. Rach einer Pause fragte Walther: „Jene Wunde am Handgelenk brach ten Sie sich selbst bei?" „Ja!" antwortete die Gräfin. „Mit jenem Dolch, den ich stets bei mir trug, um meinen Schwur wahr zu machen, wenn sich der Graf mir nähern würde. Meine Thal schien demselben zum erstenmal den Glauben aufzunöthigen, daß meine Worte bei seiner Werbung völlig ernst gemeint waren. Er fürchtete einen Eklat und während der Zeit, wo ich krank in jenem Hotel daniederlag, hütete er sich wohl, sich mir wieder zu nähern. „Unterdessen war der Krieg auSgebrochen und schon einige Schlachten geschlagen worden. Der Graf drängte zur Abreise — ich konnte ihm nicht länger eine Weigerung entgegensetzen, auch sehnte ich mich danach, von meiner Mutter Nachricht zu em pfangen. Wir reisten ab. Wiederum fuhren wir Tag und Nacht in die Schweiz und dann von dort nach dem südlichen Frankreich. Ich wußte, daß sich in der Provence das Stammschloß meines Gemahls befand und zitterte schon bei dem Gedanken, daß er mich dort hinbringen würde, von wo ich ihm vielleicht nie entfliehen konnte. Daß ich ein Leben an seiner Seite nicht länger ertragen konnte, stand bei mir fest. Der Graf entschied, sich indeß dafür, mit mir nach Paris zu reisen, in dessen Umgebung er ein kleines Schloß besaß, das er zu meinem ferneren Aufenthalt ausersehen, und das er auf telegraphischem Wege für uns in Stand zu setzen befohlen hatte. „Er mußte wohl meine Fluchtgetanken errathen haben, denn seitdem wir unfern Fuß auf französischen Boden gesetzt, ließ er mich nicht mehr aus den Augen. Auch hatte er jetzt sein höfliches, unterwürfiges Be nehmen beiseite gesetzt und einen strengen, befehlenden Ton angenommen. Die Komödie, die er vor mir ge spielt, war ihm lästig geworden, er ließ mich von jetzt an fühlen, daß ich zu gehorchen habe, wenn er be fehle. So nahm ich denn zur Verstellung meine Zu flucht und that, als ob sein barsches Wesen meinen Widerstand verschwinden ließ. Noch an demselben Tage, al« er seine Maske fallen ließ, langten wir auf dem Schlosse Ravais an. Es war ein seltsamer Empfang. Der Graf berief den alten Kastellan und einige Schloßbeamte zu sich, um mich ihnen als Ge bieterin vorzustellen. Mit scheinbarer Unterwürfigkeit und sichtlich geheuchelter Devotion näherten sich mir jene Leute, um einen Gruß von mir zu erlangen; aber eine seltsame Angst bemächtigte sich meiner, als ich sie Blicke unter sich wechseln sah, deren Deutung mir nicht gelang, deren Unschicklichkeit mir aber dop pelt auffiel. „Der Graf führte mich in jenes Gemach, das auch Sie betreten haben. Er verließ mich in Gegen wart der Zofe mit der kurzen Weisung, daß wir uns beim Abendessen Wiedersehen würden. Ich hörte da rauf, wie er sich in sein Zimmer, das neben dem meinigen gelegen war, zurückzog, und vernahm, wie er einem Diener die Weisung gab, sich in dem Kor ridor vor meiner Thür aufzuhalten, um jederzeit zu meinen Diensten sein zu können. Als ich dann zum Fenster hinaussah, erblickte ich den Grafen drunten im Schloßhof, er begab sich zu dem Verwalter, um den Bericht desselben über die Verwaltung des Schlos se« während seiner Abwesenheit entgegenzunehmen. Unterdessen war ein schwere« Gewitter heraufgezogen. Prasselnd fiel der Regen hernieder, und eine unge wisse Dämmerung lag über Wald und Flur. — Ich chatte bei der Ankunft die Lage und Umgebung de« Schlosses genau beobachtet. Der Augenblick zur Flucht schien gekommen zu sein. „Unter dem Vergeben, einige Stunden schlafen zu wollen, entließ ich die Zofe, die mit dem Ordnen meiner Effekten zu Ende gekommen war. Um meine Umgebung ganz sicher zu machen — ich wußte, daß die Zofe von dem Grafen angewiesen war, über mich zu wachen — hatte ich ein Negligee angelegt. Kaum, daß sich die Thür hinter dem Mädchen geschlossen, kleidete ich mich wieder an. Ich wollte dem furcht baren Wetter, das draußen wllthete, trotzen und meinen sicher gemachten Hütern entfliehen. Von meinem Zimmer au« führte, wie ich früher bemerkt hatte, eine GlaSthür auf eine Terrasse hinaus. Bis zur Unkenntlichkeit verhüllt, betrat ich sie. Aber erschreckend gewahrte ich, daß keine Treppe von derselben in den Park führte. Fast niedergeschmettert will ich wieder in mein Zimmer zurück, aber ich mußte mich wohl in der Thür geirrt haben — eS mündeten noch zwei auf die Terrasse — statt mein Gemach zu betreten — gelangte ich in das meines Gemahl«. „Schnell entschlossen eile ich auf die AuSgangS- thür — sie war verschlossen. Ich wandte mich zurück, betrete ein Nebenzimmer und entdeckte dort eine Thür, die unmittelbar auf eine Wendeltreppe mündet, die hinunter auf einen kleinen Flur führt, der an einen langen, schmalen Gang stößt, durch den ich hinaus in den Park gelangte. Ohne zu zögern, eilte ich unter den dichtstehenden Bäumen dahin, auf das am jenseitigen Ende befindliche Parkthor zu. Ich sand dasselbe verschlossen. Das Rütteln daran drohte meine Verfolger herbeizulocken. Bestürzt laufe ich an der Mauer entlang — da entdeckte ich eine nied rige Pforte, sie ist nur von innen mit schweren Riegeln verschlossen, eS gelingt mir, sie zu öffnen, und ich stehe nun auf der Landstraße, die nach St. Denis hinüberführt. Ohne mich umzublicken, eile ich weiter. Ein Bauernwagen kreuzte meinen Weg, der Führer desselben räumt mir einen Platz auf demselben unter dem Plandache ein. Für ein reichliches Geldgeschenk treibt er seine Pferde zu größerer Eile an, in kurzer Zeit bin ich in St. Denis angelangt und stehe auf dem Perron des Bahnhöfe«; ein gleich darauf ab fahrender Zug bringt mich nach Paris hinüber. Erst als ich dort in dem Menschengewühl der Boulevards verschwand, wagte ich aufzuathmen und daran zu glauben, daß ich frei war. „Jetzt wußte ich auch, wohin ich meine Schritte wenden sollte, wo ich mich sicher wähnen durfte vor den Verfolgungen des Grafen. Draußen an der Porte de Chatillon wohnte eine frühere Dienerin unseres Hauses, deren Mann eine Thorwartstelle be kleidete. Dort fand ich endlich Ruhe und verbarg mich, bi« eS mir vergönnt war, zu meiner Mutter zurückzukehren. Ich fand sie nicht mehr am Leben. „Ich erfuhr, daß die Nachricht vom Tode meines Bruders eingetroffen sei, und daß die Mutter den Tod ihres Lieblings nur um wenige Tage überlebt hatte. Bei meiner Anwesenheit auf der Mairie un seres Nachbarortes, von wo aus ich die Nachforsch ungen über die näheren Umstände des Todes meines Bruders ermitteln lassen wollte, ward mir die Mit theilung gemacht, daß eine Anfrage nach mir und meinem Aufenthaltsort angekommen sei, auf die das Bürgermeisteramt keine Auskunft hatte geben können — weil über mich jede Nachricht gefehlt habe. Ich nahm an, daß der Graf nach mir forschte und ver ließ sogleich wieder unser Schloß, um mich in einem kleinen Städtchen in Baden zu verbergen. Auch dort wurde mir noch nachgespürt, so daß ich auf'S neue meinen Aufenthaltsort wechselte und hierher reiste, wo ich mich vor jeder Verfolgung sicher glaubte." Die Gräfin schwieg und erhob sich. Indem sie sich zum Fenster begab, um ihre brennende Stirn an die kühlenden Scheiben zu pressen, sprach sie zu Wal ther: „Sie wisseS nun Alle-, was mir widerfahren ist. Ihre Mittheilungen bildeten den Abschluß zu dem abenteuerlichen Roman meines Lebens. Bis jetzt lebte ich in der beständigen Furcht, nochmals jenem Manne begegnen zu müssen, der mir die Freude am Dasein geraubt, der mein Herz Verachtung fühlen gelehrt. Er ist todt! — Nun wird auch wohl mir der Friede wiederkehren!" (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Emmerich. Einen seltenen Fund machte vor einigen Tagen ein hiesiger Knabe am Rhein. Unterhalb der Stadt bei der zweiten Kribbe fand er nämlich ein Portefeuille vom Wasser ans Ufer ge schwemmt liegen, dessen Inhalt, wie sich später ergab, au« Actien und Coupons von Werthdocumenten im Betrage von zusammen 50,000 Mk. bestand. Die Namen in den Dokumenten geben genaue Adressen in Berlin an; unsere Behörde hat den Fund dem Polizeipräsidium in Berlin angemeldet. Bis heute war ein näherer Bescheid darüber hier noch nicht ein gegangen. Anderen TageS fanden andere Knaben an derselben Stelle noch eine verschlossene Blechdose, deren Schloß Spuren eines gewaltsamen Oeffnungs- versuches zeigte; an dem einen Kopfende der Dose war ein viereckige» Stück herausgeschnitten. Am Donnerstag Abend endlich wurde wieder an derselben Stelle eine nach Maßgabe der Kleidung den besseren Ständen angehörige Leiche aufgefischt. Dieselbe trug weder Geld, noch irgend welche Werthsachen bei sich. Ob dieselbe mit dem obengemeldeten Fund in Ver bindung zu bringen ist, muß die gerichtliche Unter suchung ergeben. — Folgen der Zerstreutheit. Professor X., Lehrer in einer ländlichen süddeutschen Universitäts stadt, rennt auf der Straße gegen eine vorbeigetriebcne Kuh an, reißt den Hut herunter und sagt: „Bitte tausendmal um Entschuldigung!" Durch ras Geläch ter der in der Nähe Befindlichen wird der Professor auf seinen Jrrthum aufmerksam gemacht und ärgert sich jetzt den ganzen Weg über seine Ungeschicklichkeit. Darüber verliert er sich aber dermaßen in Gedanken, daß er in der nächsten Straße gegen die Frau Kom- merzienräthin Brummhuber anrennt. „Himmel", schreit der Professor, „ist da« Beest schon wieder da?" — Der New-Dorker Mannergesangverein „Arion" hat al« Endpunkt seine« Ruhmeszuge« durch Deutschland den sagenumwobenen Rheinstrom gewählt. Welch' tiefen Eindruck das Rheinland auf die amerikanischen Sänger gemacht hat, beweisen am besten die poetischen Worte, zu denen einer der be deutendsten amerikanischen Lyriker deutscher Zunge, Konrad Nie«, am Fuße der „Germania" auf dem Niederwald begeistert wurde. Er singt: Wir kamen vom Hudson Wohl über das Meer, Zum Rheine gefahren, dem alten. Vom Stamme Germania'S ein sangfrohes Heer, Das Deutschland die Treue gehalten. Was einst uns'rer Jugend die Heimath beschied, Als Führer in Freuden und Schmerzen: Den deutschen Frohsinn, das deutsche Lied, Noch tragen wir tief sie im Herzen! Und was auch der Hudson uns Holdes gerauscht Von mächtigem Werden und Wagen, Wir haben doch immer meerüber gelauscht Nach heimischen Sängen und Sagen. Und was auch an Ehre und Glück und Gewinn Die Welt uns gegeben, die neue, Es wob uns doch immer ein Traum durch den Sinn Von deutscher Liebe und Treue. Du Land uns'rer Jugend, du blühendes Land, Bon Eichen und Reben umwoben, Dir wollen auf's Neue mit Herz und mit Hand Wir Liebe und Treue geloben! Laßt klingen die Gläser, laßt perlen den Wein, Laßt die Lieder brausen und tönen! Hoch lebe Germania! Hoch lebe der Rhein! Und dreifaches Hoch seinen Söhnen. — Die Entführung am Hochzeitstage. Die Wiener Deutsche Zeitung berichtet folgende Ent führungsgeschichte, über die der oberste österreichische Gerichtshof demnächst entscheiden wird: Ende Mai v. IS. fand in Hall die Vermählung eines reichen Gutsbesitzers, Franz Dersak, mit einem blutarmen, aber bildhübschen Mädchen, der Beamtentochter Anna Martin, statt. Es war eine Heirath aus Liebe. Aber die Liebe war nur auf Seite des Mannes — füc das Mädchen hatte diese Eheschließung ganz anderes zu bedeuten. Noch am Tage der Hochzeit war die junge Braut verschwunden und der Bräu tigam fand nichts vor als einen Brief, in welchem Anna Martin wörtlich Folgendes schrieb: „Zur Zeit, da Du diese Zeilen zu Gesicht bekommst, bin ich und Derjenige, den ich wahrhaft liebe, schon auf der Reise nach Paris. Gieb Dir keine Mühe, uns zu suchen, es ist Alles so eingerichtet, daß Du uns nicht finden kannst. Ich glaube. Du wirst mir nicht zürnen, denn ich habe Dich nicht geliebt, und was hättest Du mit einer Frau angefangen, die Dich nicht liebt? Bis zur Hochzeit habe ich es deshalb kommen lassen, weil ich der Geschenke, die Du mir machtest, und des Geldes, das Du mir gabst, dringend bedurfte. Lebe wohl und forsche mir nicht weiter nach." Der letztere Wunsch war allzu naiv, als daß er von dem betrogenen Gatten hätte befolgt werden sollen. Er forschte sehr wohl nach und bekam nach längerer Zeit heraus, daß Anna Martin mit ihrem Geliebten, einem Herrn Emil Barnese, in einem Pariser Hotel unter falschem Namen sich aufhielt. Es waren acht Monate ver gangen, als Anna Martin von ihrem in Prag leben« den Vater einen Brief erhielt, in welchem er sie aufforderte, zu ihm zu kommen, da er sehr schwer krank sei und den dringenden Wunsch fühle, sie zu sehen. Sie habe nichts zu befürchten, denn Franz Dersak sei vor einigen Wochen gestorben. Trotz der Mahnungen ihres Geliebten faßte Anna, die ihren Vater innig liebte, den Entschluß, nach Prag zu fahren, und ihr Geliebter folgte ihr. Beide waren in eine mehr geschickt als edelmüthig gelegte Falle gegangen. Der Brief rührte nicht von ihrem Vater her, derselbe kannte ihren Aufenthalt gar nicht — er war von dem betrogenen Gatten geschrieben worden, der das flüchtige Paar auf österreichischem Boden bringen wollte, um es hier verhaften zu lassen, was ihm auch gelang. Anna Martin und Emil Barnese wurden dem zuständigen Kreisgerichte eingeliefert, von welchem Barnese wegen Verbrechens der Entführung und wegen eines vor sieben Jahren begangenen Betruges zu 2 Jahren und Anna Martin wegen Mitschuld, weil sie ihre Einwilligung zur Entführung gegeben hatte, zu 1 Jahr schweren Kerker« verurtheilt wurden. Beide haben die Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet, über welche demnächst verhandelt wird. — Kolberg. Eine sensationelle Angelegen heit beschäftigt gegenwärtig vaS hiesige Badepublikum. Zwei den besseren Ständen angehörige Damen sollen sich einer ganzen Reihe von Diebstählen schuldig ge macht Haden. ES scheint festzustehen, daß die beiden Damen, Mutter und Tochter durch einen Geheimpoli zisten am letzten Freitag auf frischer That betroffen worden sind. Am Sonnabend Vormittag soll dann Haussuchung bei ihnen abgchalten und dabei eine ganze Reihe gestohlener Gegenstände an das Tages licht gekommen sein. Die Gründe für die Handlungs weise der Damen, die am Sonntag unseren Ort ver lassen haben, sind unerfindlich, da eine Nothlage in keiner Weise vorgelegen hat.