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wie er dort im Kerzenlicht schimmerte, und wenn man die Namen der Anwesenden kennen lernte, so konnte man sicher nicht sagen, daß die .Bervehmung der Hochzeit' in der österreichisch-ungarischen Aristokratie »irgendwelchen' Eindruck gemacht hätte. Eine analoge Betrachtung könnte man über die Ovationen anstelle», die dem Fürsten Bismarck zur Zeit in Kissingen in immer zunehmender Zahl und Stärke von der Bevölkerung au» Nah und Fern, von den Badegästen, wo er sich nur zeigt, bereitet werden. Tagtäglich wird da» Erscheinet von neuen, ähnlichen Deputationen, wie die au» Jena und Württemberg, au» anderen Bundesstaaten angemeldet und daneben beweist die ungeheure Anzahl von Huldigungsbriefen, -Telegrammen und -Sendungen, die in Kissingen un ausgesetzt eintrifft und fast nicht bewältigt werden kann, daß die Begeisterung für den Fürsten Bismarck in den deutschen Ländern nach Bekannlwerden der Erlasse nicht nur nicht abgenommen, sondern unter dem Eindruck der amtlichen Absage an den Fürsten Bismarck an Umfang und Intensität erheblich zuge nommen hat. ES ist ganz ersichtlich, daß da» heim liche Gerichtsverfahren, da« von der bureaukratischen Diplomatie gegen den Fürsten Bismarck eingeleitet worden ist, in seiner Wirkung bis in die öffentliche Meinung der Bevölkerung nicht entfernt hineinlangt. Was die Wirkung der amtlichen und offiziösen Angriffe gegen den Fürsten Bismarck auf diesen selbst anlangt, so können wir nur wiederholen, daß sie ihn weder »erregt' haben, noch ihm besondere »geistige Anstrengungen" verursachen, die seiner Badekur schädlich sein könnten. Diese Hoffnung sollte man je eher je besser ausgebcn. Die Gegner überschätzen den Eindruck, den ihre Angriffe gegen den Fürsten BiSmarck auf diesen machen. Sie sollten sich nur vergegenwärtigen, daß ein Mann in den Jahren des Fürsten BiSmarck, der seit 40 Jahren an gröbere öffentliche Angriffe, Verdächtigungen und Verläum- dungen gewöhnt ist, einigermaßen abgehärtet gegen solche Dinge ist und im -Gegemheil die Muße seine» BadelebenS gern damit auSsülli^ Kenntniß von der Fortdauer des Kampfes und der KampfeSmittel, die gegen ihn augewendet werden, zu nehmen. — München, 13. Juli. Aus der Umgegend von Schliersee und Miesbach wird ein großer Wolkenbruch in Folge ve« gestrigen Gewitter» gemeldet; der Schaden für die Bewohner ist nament lich jetzt zu Beginn der Sommersaison groß. Nach den »Neuesten Nachrichten' ist der Betrieb auf der Eisen bahn Schattlach-Gmund unterbrochen; bei der Schlier see Mühle sind Leichen angeschwemmt. — München, 14. Juli. Ueber den Schaden, welchen ein vorgestern über die Voralpen niedergegangener Wolkenbruch an gerichtet hat, werden jetzt die nachfolgenden Einzel heiten bekannt: In Schliersee und Tölz wurden die Wohngebäude vielfach beschädigt; in Miesbach wurde der Marktplatz überfluthet und oie eiserne Johanni»- brücke, sowie da» Geleise einer Bergwerksbahn, eine Dampfsäge- und Badeanstalt sortgerissen; der Berg werksbetrieb ist für mehrere Tage unterbrochen, der Bahnverkehr wurde bereits wieder hergestellt. Der gesammte durch den Wolkenbruch angerichtete Schaden wird auf eine halbe Million Mark geschätzt; ob Men schen umgekommen sind, ist bisher nicht festgestellt. Wegen erneuten Steigen« de« Wassers hat der Minister der Innern gestern Abend 50 Pioniere nach MieSbach entsandt. — Au« Kissingen wird geschrieben: Die Schwaben, welche nicht gestern wieder sofort zurück fuhren, hatten dies nicht zu bereuen. Um II Uhr sammelten sie sich, noch gegen 200, an der unteren Saline. Wenige Minuten nach '^12 Uhr fuhr Fürst BiSmarck mit Prof. Schweninger vor, mit brausendem Jubel begrüßt und unter einem Regen von Blumen. 'Nachdem Ruhe eingekreten, trat l)r. Adae jun. von Eßlingen vor und bat den Fürsten, einen AbschiedS- gruß der noch zahlreich anwesenden Württemberger entgegen nehmen zu wollen. Au den prägnanten Stellen von stürmischem Beifall unterbrochen, sprach er folgendes Gedicht: Wir Schwaben grüße» Deutschland« eis'rnen Recken, Der au« viel hundertjährigem Schlaf zu wecken Da« Deutsche Reich vermocht! — E« komm', wa« mag; Doch nimmer uns'rem Bolt der Trauertag, Der je Dein Thun mit engem Maßstab mäße. Der Deiner Thaten Größe je vergäße. (Stürm. Beifall.) Noch lang sei un« vergönnt, zu Dir in Treuen Zu steh n — und Dir, Dich Deine« Werk« zu freuen! (Beifall.) Ja tret'. Du Held de« neunzehnten, bewundert Hinüber noch in'« 20te Jahrhundert! Der Deutschland« neuerstand'ne Größe schuf. Ihn grüßen wir mit treuem Abschiedruf: Unser BiSmarck lebe! Der Fürst dankte dem Sprecher in bewegten Worten für die ihm gegenwärtig doppelt wohlthuende Theil- nahme und mit wiederholtem herzlichen Händedruck. Die Abordnung, die in Kissingen war, um den Fürsten BiSmarck einzuladen, seinen Rückweg über Jena zu nehmen, bestand au» den Universität-- Professoren Ernst Häckel, Fürbringer, Geizer, Bürger meister Singer, Braumeister Köhler und Maurer meister Rösel, Nach einer Mittheilung de« Professor Schweninger ist erfreulicherweise große Hoffnung vor handen, daß der Fürst den Weg über Jena nehmen wird. Er dürfte in diesem Falle im Gasthaus zum Bären Wohnung nehmen, wo einst Luther eingekehrt ist. Einladungen an den Fürsten liegen übrigen» au- mehreren Städten vor, so au» Hannover, Lasset, Osnabrück, Göttingen rc. — Cleve, 12. Juli. Der Oberstaatsanwalt beantragte in der heutigen Sitzung de» Knaben mord-Prozesse», daß sich morgen sämmtliche Mit glieder de« Schwurgericht« nach Xanten begeben sollen, um da« Buschhoffsche Hau« und diejenige Stelle in Augenschein zu nehmen, von der Mölder» und der Knabe Heister gesehen haben wollen, daß der ermordete Knabe in da» Buschhoffsche Haus gezogen worden wäre. Auf Grund dieser Aussagen sei haupt sächlich die Anklage erhoben, durch die gestrige Ver nehmung de» LandgerichtSrathS BrixiuS und de« Referendars Farnoux sei dieselbe aber erheblich er schüttert worden. Xanten, 13. Juli. Heute fand hier die Besich tigung de» Buschhoff'schen Hause» und der Köpper- schen Scheune feiten« de» Schwurgericht» statt. Zeuge Mölder« und der Knabe Heister mußten genau an geben, an welcher Stelle sie da» Hereinziehen de» Kinde» gesehen hätten, und wie da» Hereinziehen stattgefunden habe. Experimente, die mit Kindern vorgenommen wurden, ergaben, daß da» Hereinziehen des Kindes möglich war. Die Xantener Bevölkerung verhielt sich vollkommen ruhig. Militärischer Schutz war nicht herangezogen worden. Cleve, 13. Juli. In dem heutigen längeren Plaidoher erklärte der Oberstaatsanwalt Hamm, er erachte nicht nur Buschhoff der Thal für nicht über führt, sondern dessen Unschuld für nachgewiesen und beantragte deshalb aus voller Ueberzeugung das Nicht schuldig. — Wett in an der Saale. In besonders feier licher Weise wurde am letzten Sonntag das diesmalige Knappschaftsfest begangen. ES waren dazu u. A. die Vertreter der Bergbehörde au« Halle, sowie viele ehemalige Wettiner Bergbaubeflissene, die der altbe rühmten Bergschule als Schüler oder Mitglieder an gehört hatten, erschienen. ES war da» letzteWet - tiner Knappschaftsfest. Der Steinkohlenberg bau kommt mit dem 1. Oktober zum Erlöschen. Die »schwarzen Diamanten' der hiesigen Lager sind er schöpft. Länger al» 400 Jahre ist der Bergbau hier betrieben worden, wie der Königs. Berghauptmann Freiherr v. d. Hehden-Rynsch au« Halle in seiner Ansprache betonte. Die nicht mehr große Belegschaft wird auf anderen fiskalischen Betrieben verwendet. Mehreren Beamten und Arbeitern wurden Auszeich nungen verliehen. Wettin war das älteste Kohlen bergwerk Deutschlands. — Am Sonnabend, den 9. d. ist der Dampfer »Montblanc' auf dem Genfer See von einer schweren Ex p l o s i o n betroffen worden. Am genannten Tage um 12 Uhr 10 Minuten lag der Dampfer an der Haltestelle Ouchy, am Hafen von Lausanne. Er hatte dort neun Passagiere an Bord genommen, um nach Bouveret weiterzufahren. Der Kapitän gab das Signal, den Dampfer abzulassen. In diesem Augen blick gab eS einen furchtbaren Knall und gleichzeitig ein durchdringendes Geschrei. Daß etwas Furcht bares geschehen, lag auf der Hand, aber ein weißer undurchdringlicher Dampf verhinderte im ersten Mo ment ein klare» Erfassen. Dann, kurz darauf, sah man das Schreckliche in seinem ganzen Umfang. Der Dampfkessel war geplatzt, die Wucht der Explosion hatte die inneren Schiffswände zerstört, der kochende Dampf war in die erste Kajüte eingedrungen und hatte alle», wa« darin war, grauenhaft überrascht. Vier Personen, darunter der Kommandant der Gen darmerie von Lausanne, Herr Gahnard, ein höherer Eisenbahnbeamter von Paris, Hr. Blene, und zwei Bedienstete de» Dampfer- waren sofort todt. 18 Verbrühte starben während de» Transport» nach dem Lande, etwa 40 trugen schreckliche Brandwunden da von. Von den Verwundeten liegen 25 in den Pa riser Hospitälern. ES sind meistens Franzosen, einige Engländer und Holländer. Heizer und Maschinen meister stellen in Abrede, daß der Kessel de» Dampfer überheizt worden sei. Nach der Uhr de» Dampf kessels war der Druck 5'/^ Atmosphären. In Genf werden anscheinend gut unterrichtete Stimmen laut, welche eine furchtbare Anklage gegen die Gesellschaft, aber auch gegen die enthalten, welchen die Kesselin spektion oblag, der Kessel soll bereit» seit einiger Zeit Risse gezeigt haben, so daß seine demnächstige Repa ratur beschlossene Sache war. — Rußland. Nach au» Saratow angelang ten Nachrichten hat daselbst am 10. d. M. der Pöbel, gereizt durch das unsinnige Gerücht, daß die Aerzte die Cholera-Kranken lebendig begraben ließen, große Ausschreitungen begangen. Ein Polizei bureau, die Wohnung de- Polizrimeister» und einiger Aerzte, sowie da» Choleraspital wurden geplündert, 17 Kranke wurden davongeschleppt. Die Beamten de» Krankenhause», wie auch Privatpersonen, die man für SanitätSbeamte hielt, wurden thätlich angegriffen, wobei zwei Personen um » Leben kamen. Nachdem die Civilbehörden sich vergeblich bemüht hatten, die Ruhe wieder herzustellen, wurden Truppen au» dem Lager requirirt, welche von der Feuerwaffe Gebrauch machten und 3 Personen tödteten, 4 andere verwun deten. Nach Wiederherstellung der Ruhe sind die Rädelsführer zur gerichtlichen Verantwortung ge zogen worden. Locale u«d sächsische Rachrichte«. — Eibenstock. Morgen Sonntag, den 17. Juli wird von Leipzig au« ein Sonderzug, welcher auf den Stationen Altenburg, Gößnitz, Crimmitschau, Werdau, Zwickau und Wilkau Personen aufnimmt, nach dem Erzgebirge abgelassen und in Eibenstock 10,Barm., in Schönheiverhammer 10^» eintreffen. In Aue theilt sich, wie gewöhnlich, der Zug und er folgt die Ankunft in Schwarzenberg 10,i« und in Johanngeorgenstadt I l,-s. — Dresden. Dieser Tage erfolgte hier die Einweisung de» Polizeihauptmann» v. WolfferSdorff in sein Amt, wobei Präsident Schwauß eine die weitesten Kreise interessirenve Ansprache hielt, in welcher er die maßgebenden Gesichtspunkte für die Exekutive entwickelte. Er führte dabei Folgende» au»: »Sie werden, Herr Hauptmaun, zunächst auf die militärische Haltung, auf den militärischen Anstand Ihr Augenmerk zu richten haben und dafür sorgen, daß dieser stets aufrecht erhalten werde, doch bemerke ich hierbei, daß da» Militärische in der Gendarmerie nicht so weit ausgedehnt werden darf, daß der übrige hauptsächliche Dienst darunter leidet. Der unbe dingt nothwendige militärische Anstand, die militäri sche Haltung bilden gewissermaßen die Form, unter welcher die Thätigkeit der Gendarmen stattzufinden hat. Wa« nun diese Letztere anlangt, so lege ich ganz be sonderen Wertb darauf, daß seitens aller Polizeibc- amten, insbesondere der Gendarmerie, welche unaus gesetzt mit dem Publikum in Berührung steht, die Rücksichten der Humanität, welche die neuere Zeit mit vollem Rechte fordert, stets im Auge behalten werden, die Gendarmerie im Verkehr mit den Ein wohnern sich höflich und gefällig, ohne dabei be- dientenhaft zu werden, sich benehmen, nicht jede kleine Zuwiderhandlung gegen polizeiliche Anordnungeu als grobe« Vergehen ansehen, überhaupt immer präventiv, d. h. verwarnend, vorbeugend, vermittelnd vorgehen, und wenn eS nöthig, ernstlich einzuschreiten, dies mit Festigkeit und Ruhe thun, ohne viele Worte zu macken und bei der Ausführung der härtesten Maß regeln, wie bei Arreturen und Haussuchungen, immer die mildeste Form wählen; im Uebrigen aber recht viel hören, recht viel sehen und wenig sprechen. Sie werden, Herr Hauptmann, darüber wachen, daß die Polizei in dem von mir angedeuteten Sinne von den Gendarmen auSgeübt, unter diesen kameradschaftlicher Sinn gepflegt und gefördert und zwischen der Exeku tive und den Bureaux ein gute- Einvernehmen er halten werde." — Leipzig, 14. Juli. Etwa 200 Mitglieder de« New-Iorker Gesangvereins Arion trafen gestern Abend gegen 10 Uhr, von Berlin kommend, mittelst SonderzugeS auf dem Bayerischen Bahnhofe ein. Vor dem Bahnhofe, woselbst viele Hundert Leipziger Sänger mit Lampions Aufstellung genommen hatten, begrüßte im Namen der Leipziger Sängerschaft Herr Hauptmann die Gäste aus der neuen Welt in den herzlichsten Worten, worauf der Sprecher der Amerikaner in ebenso sympathischen und kernigen Worten dankte. Die Leipziger Sänger stimmten bei der Ankunft unter der Leitung de« Herrn Greiff ein „Lied hoch" und »Wem Gott will rechte Gunst er weisen" an, worauf die Amerikaner mit einem kurzen SangeSgruß harmonisch dankten. Im Zuge, der durch die Hunderte von Lampions sich malerisch vom dunklen Himmel abhob, begaben sich die Gäste so dann nach ihren Wohnungen im »Preußischen Hofe," »Kaiserhof" und Stadt »Rom". — Zwickau, 14. Juli. Mitten im Dienste wurde Polizeiwachtmeister Grahl hier vom Tode ereilt. Derselbe hatte Abends 9 Uhr die Aussicht über den Sperrdienst am Postplatze vor dem Absteige quartier Sr. Maj. des König«, al» er, vom Schlage getroffen, plötzlich zusammenbrach. Er wurde nach der nahen Polizeihauptwache gebracht, woselbst er als bald verschied. Grahl war schon einige Zeit leidend. — Döbeln. Am Sonntag Vormittag wurde die durch den städtischen Verein al« Aktienunternehmen begründete, zunächst vom Bahnhof bi« zum Ober markt fertiggestellte Pferdebahn eröffnet. DaS Direktorium hatte zur Einweihung die städtischen Collegien, wie die Spitzen der kaiserlichen uud könig lichen Behörden eingeladen, die auch dieser Einladung Folge geleistet hatten und durch die reich mit Flaggen geschmückte Stadt, die gleichzeitig auch dem ebenfalls begonnenen Schützenfest ein besonder» festliche- Ge präge verliehen, nach dem Bahnhof fuhren. — Wegen Münzverbrechen- wurde am Diens tag der bereit» wiederholt, und zwar wegen Beleidig ung, Sachbeschädigung, versuchter vorsätzlicher Brand stiftung, Hehlerei in fünf Fällen und wegen Unzucht mit einer Person unter 14 Jahren in drei Fällen inSgesammt mit 8 Jahren Zuchthaus, 4 Monaten Gefängniß und 15 Mark Geldstrafe vorbestrafte Bäcker geselle Franz Bernhard Bauer au» Falken st ein vom kgl. Landgericht in Plauen unter Annahme mil dernder Umstände zu 6 Monaten Gefängniß und zwei Jahren Ehrenrecht-verlust verurtheilt. B. halte sich in einer Reichenbacher Steindruckerei Etiketten an fertigen lassen, die Hundertmarkscheinen ähnlich waren