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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.03.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-03-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192103204
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19210320
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19210320
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-03
- Tag 1921-03-20
-
Monat
1921-03
-
Jahr
1921
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Sonntags-Ausgabe llrk.lpjig »nd"0-r«N« «ä-li» In« Hau« g-drachl, Lonnlsg« »IiMoig«nou«Lad» inonall. Ä<. !0.—, vt«rl«l «drl. <N).—. für Äbholrr wo««!!. M. ! ü) M-rg«»-BnLgad« Äi. 7.5» monllltich, ^dend-AntLud« oll« » vi Z.— «onallich. Durch onl«i« auüworligrn ^iltalin in» yaiiv ^c- drachi monatlich M. Ui^—, »leilrljädrlich Li. ZU.—: durch die 1>ost >n»»rd»ld Drollchlaad«, frei In« Haut ««ltisrrl, Vesau.l-Autzade monatlich M. S.—, »tertellädrlich itti. N.—. Äutlandtoerlano: monatlich M. 1v.— und Druchiochen-Dorto» «in,»'nummern Mor»rn. Autgad« ZU p>^ Lbend.Autgode 0 P<- Sonntag«. Lusgad« tu Pf. Hmrdeis-ZeLkmg LaS Leipziger Lizebkatt enthiilt di- amillchrn Bct.>«ntmick>ungeii des Rate» und des Police«,mt-s der Stadt Lctp««',, des Amtsgericht» Leipzig, lowic verlAteoelier anderer Behörden. 118. Jahrgang Anzeigenpreis: !LL«W.V°N..^ .m. 2.2 ,: Anzeigen «on Behtrden im aintilcheu Teil die AonpareUirzeil« Ai. ii^v, v.auow. M. n.—: klein« Änzelgen al-<rionpalelllezeil«'chl I.U>. oon autwllrll Mk. l.üti,D«ichlllt«anz-igen mii pla^vorichrtllen nr. Prell, erhiht. Plag und Datenoorichrift odne PerdindUchKeii. Ätilogenpreije fsr die Delanitaullage Md. 12.— netto, für Teilauflag« Md U>.— »eil» pro M>ll«, Postauliag- Postgedühr ezlra. .j«rn,pr«<y-Anlchius, Ar. leultL tlüüi, — PoitichecNdonio72ii>E. Lchrlltleiinna und >?eschüfit!l«l!r: Leipzig, Zohannitgag« Nr. ri. Perlag Dr. Äelndold L üo r r-ipzig. Nr. 137 192^ Sonrrlaft, den 20. März Deutschlands Schicksalstag Auf der Abstimmungsfahrt nach Oberschlefien Von HanS Walther Verlach. Rosenberg (O.-S.h den 18. März 1921. Zunächst zur Orientierung: Es gibt tn Obcrschlesien nicht Deutsche und Polen, sondern nur: «Heimattreue" und „Zeszcze"- Leute. Die Deutschen Kämpfen um ihre Heimat, und der Kampf ruf der polnischen Wähler: «Roch ist Polen nicht verloren' s.IeüLcre l'olkka nie -ginela') zeigt, daß ihnen Oberschlesien nur ein Rcltungsmitkel für das ruinierte Großpslen ist. Man ist er staunt zu sehen, wie klar sich die Dinge hier nach diesen Gesichts punkten scheiden, mrd es ist deshalb kein Zufall, hast auch unter den Einheimischen in den leisten Wochen die Deutsche Partei stark gewachsen ist. Ueberwälkigend ist übrigens -er Eindruck, den der Riesen zustrom der Abstimmungsberechtigten aus dem Reiche hier macht. Es ist eine Riesenleisiung, die das wirNchastiich wiedcrcrstarkende Deutschland da geschaffen hat. Alles wickelt sich reibungslos ob. Richt nur auf den großen Strecken der Sonderzuglinie klappt olles, auch die kleinste Seitenlinie und der Abbringeverkehr auf die Dörfer mit Auto und Wagen ist bis ins kleinste durch organisiert. So bleibt die Stimmung stets auf der Höhe. Am Mittwoch abend ging der dritte Sonderzug der Abstimmungsberechtigten von Leipzig ab. Mit ihm fuhr der 92 Jahre alte Reichsgerickksrat Baer, unser Leipziger Abstimumngsvcteran. In Wurzen be grüßten uns Tausende von Schulkindern. Selbst die Dächer in der Rachbarsänlst des Bahnhofs waren von jubelnd Grüßenden besetzt. Zn Oschatz und Riesa fließen neue Scharen Abstimmungs berechtigter zu uns und der Zug wuchs ins Riesenhafte. Etwas verspätet trafen wir in Dresden ein. Zn den Würtesälen war für uns gedeckt, und in wenigen Minuten waren, dank einer vorzüg lichen Organisation, die Scharen verpflegt, und gut verpflegt. Tausende standen dichtgedrängt in der Bahnhofshalle und be grüßten uns, und lange noch tönten an der Bahnstrecke entlang die Glück- und Abschiedsrufe, als der Zug wieder ins Dunkel der Nacht hinausglitt. Bautzen, Görlitz kamen, überall Menschen mengen mitten in der Nacht, Verpflegung und Sängerchöre, Zubel und Begeisterung. Zch hatte noch nicht gewußt, daß das «Deutsch land, Deutschland über alles" mächtig und heilig wie ein Choral klingen kann, wenn es mitten in der Nacht von Menschen ge sungen wird, die ihren Brüdern in Deutschlands tiefster 2tot Wünsche mikgeben, die uns allen am Herzen liegen. Die ganze Stimmung im Lande ist so ursprünglich, so überzeugt, so aus dem Innern heraus, daß auf den ganzen Zug die Begeisterung über fließt. Und alle die anderen, die wir unterwegs treffen, von Hamburg, Stettin, von Essen, sie alle bringen die gleiche Stimmung mit. Es ist eine große Heerfahrt des deutschen Gedankens, die wir da erleben, und je mehr wir Freunde aus allen Ecken des Reiches treffen, desto mehr wächst die Gewißheit: Endlich ist ein mal ein Gedanke da, in dem wir einig sind und wir uns nun als eins fühlen: als Deutsche. Hirschberg kam, das Riesengebirge blieb im Dunkel, im ersten Morgendämmer glitten die Schatten des Waldenburger Berglands vorbei und die aufgltihcnde Morgensonne zeigte uns in den Glatzer Bergen die Pracht schlesischen Landes. Und dann glitten wir hinein über die weilen Felder, mit den Kuppenreihen am Horizont, nach Neisse hin, und in lachender Sonne lag vor uns die schlesische Heimat. Zn Lamenz lvatte man unseren Zug des Schmuckes beraubt, aber jeder Bauer auf dem Felde, jedes Kind auf der Straße grüßte ihn jubelnd mit Winken und Zuruf. Und die Dörfer glitten vorüber und die Kirchen, und dann kam der ewiaqrüne oberschlesische Wald. Eilend glitt der Zug durch ihn hin. Piötzlich ein Ruck, ein Halten, eine französische Wache am Weg: Comprachlschütz. Wir waren im Abstimmungsgebiet. Frauen weinten, und als wir sie beruhigten, sagten sie, sie hatten steine Angst, sie weinten nur weil sie in der Heimat seien, um die sie sich so sehr gesorgt. Die Kontrolle des Gepäcks und der Pässe ging schnell vor sich. Den Franzosen schien die ganze Sache peinlich genug zu sein und sie gaben sich alle Mühe, sie schnell und glatt zu erledigen. Don unseren Leuten sprach niemand ein Wort. Dann glitten wir wieder hinein ins sonnige Land und aus mancher Dachluke wurde schnell mit einer deutschen Fahne uns ein Gruß gewinkt. Oppeln! Eine Völkerwanderung. Die Straßen gefüllt mit Fremden, wie Leipzig zur Messe- Hier treffen die Züge aus allen Gegenden des Reiches aufeinander. Verwandte und Bekannte, die sich Jahrzehnte nicht gesehen haben, finden sich. Aus aller Herren Länder sind sie gekommen. Norweger, Brasilianer, Mexi kaner, Ungarn haben sich ihrer oberschlesischen Geburt erinnert u.'.d sind alle da. Die Schlesier haben nicht umsonst den Ruhm, ter Volksstamm zu sein, der am stärksten an seiner Heimat hängt. Von Oppeln aus verteilt sich der Strom. Anschluß ist überall da. Cztrozüge werden eingeschoben, durch telegraphische Benach richtigung Anschlußzüge zum Warten veranlaßt. Nirgends eine -eibung, kein Zrrtum, kein Schimpfen trotz des Drängens. Und die Massen verteilen sich übers Land, die Städte füllen sich und dis Dörfer. Alle Hauser sind belegt bis unters Dach und immer neue Züge gleiten heran. Die Wallfahrt dcw Söhne Oberschlestens zur Heimat ist eine Kundgebung deutschen Fühlens, wie sie größer und gewaltiger nicht gedacht werden kann. „Gberschlefien ist erwacht!" BreSlan, 19. Nkärz. Der Leiter drs ShirsUchen Ausschusses, Dr. Luzaschek, erläßt in der .Schlesischen Volkszeitung' folgenden Aufruf: ' Oberschlcsicn ist erwacht! Cs gehl durch daS Land, seit die Kinder des Landes in die alte Heimat zurückkehren, wie ein Strom die Heimat- Lnd Vaterlandsliebe. Cs gibt kein Halten mehr. Das Eis ist gebrochen, es wird Frühling. Di« Schranke fällt, die uns der Frtedens- oertrag errichten wollte. Das deutsch« Vaterland kann nrbig dem 20. März entgegensehen. Gefährdung der Abstimmung Berlin, 19. März. (Dcahkbe richt unserer Berliner S ch r i f t l e i t u n g.) Die Lage in Oderschlesien zeigt teilweise ein äußerst kritisches Gesicht. Die Kreise östlich der Oder sowie die nördlichen und mittleren Kreise sind im allgemeinen ruhig: dagegen lassen die Ver hältnisse in den Kreisen Rybnik , Pleß, Bcuthen und Tarno - wih viel zu wünschen übrig. Da die interalliierten Truppen in den Städten zusammengezogen sind, ist das flache Land schutzlos dem Terror der Polen preisgegeben, der sich in erster Linie gegen die deutschen Heimattreuen wendet, aber auch gegen die deutschen Einwohner und vor allem gegen die in der deutschen Ab- siimmungsbcwegung hervorgetrekencn Führer vorgchl. Von deutscher Seite wird alles getan, was möglich ist. Fürst Hatzfeld hat fortlaufend Besprechungen mit den alliierten Vertretern und hat in der letzten Zeit fast täglich mit Dokumenten belegte Denk schriften eingereicht. Von unseren Auslandsvertretungen ist man ln London, Paris und Rom vorstellig geworden und hat daraus hingewicsen. daß eine Verstärkung und A u s e i n a n d e r z r e h u n g der interalliierten Truppen dringend notwendig ist. Alle diese Vorstellungen waren bisher vergeblich, und es läßt sich nicht mehr ver kennen, daß eine Absicht der Alliierten vorlicgen muß. Der deutsche A b st i m m u n g s k o m in i s s a r bat die zugereisten Abstimmungsberech tigten der gefährdeten Gebiete in den Städten, die über eine Truppen- besahung verfügen, konzentriert und wird sie am Abstimmungstagc in Gruppen nach ihren He. imaksorten entsenden. Gestern und heute sind von deutscher Seite wiederum dringende Vor stellungen erhoben und eine weirergcbende Verteilung der Tpuppcn auf das Land gefordert worden, da unter diesen Umstanden die unbeeinflußte Abstimmung nicht gewährleistet erscheint. Man hak nicht viel Hoffnung, daß diese Vorstellungen bei der bekannten Stellungnahme des Generals Lerond Erfolg Haden werden, und mau ist auf gewisse Ueber- räschungen besonders in den Kreisen Rvbnik, Pleh und Kattowitz gefaßt, die lediglich auf die Einwirkung des polnischen Terrors zurückzu führen sind. Bei diesen Vorstellungen hat man der ."interalliierten Kommission eine namentliche Liste der Ortschaften überreich!, für dle zur Sicherung der Wahl Lruppenbelegung verlangt wird. Angesichts der durch den polnischen Terror beeinflußten Abstammung scheint man in deutschen Regierungskreisen den Gedanken zu erwägen, cb man nicht die V e r j ch l e b u n g der Wahl beantragen soll. Beschimpfung eines deutschen Journalisten Kattowitz, 19. März. Die hier anwesenden Vertreter -er deutschen Presse haben an - die Interalliierte Kommission in Oppeln folgendes Telegramm gerichtet: Dr. Manfred Georg, Vertreter der .Vossischen Zeitung" in Berlin, wurde am 18. Mürz um 8'L Uhr vorm. von einem fran zösischen und einem oberschlesischen Kriminalbeamten auS seinem Bett im Hotel Monopol tn Kattowitz geholt und trotz seines Einspruchs dem Kreiskontrolleur von Kattowitz- Land, Kommandant de Vic, vorgeführt. Der Kommandant machte Dr. Georg Vorwürfe wegen eines Berichtes über eine Versammlung in Michalkowitz. Als Dr. Georg gegen seine Vor führung protestierte und versuchte, den Tatbestand klar zulegen, schlug de Vic ohne weiteres unter schweren Ä e s ch i m p f u n ge n auf Georg ein. Seine Verletzungen wurden von einem Arzt in Kattowitz, Dr. Knosola, später schrift lich bestätigt. Dle aus Anlaß der Abstimmung in Kattowitz versammelten Vertreter der deutschen Presse erblicken in der Verhaftung und Behandlung ihres Berufskollegen Dr. Georg eine brutale Verletzung der Ehre, Freiheit und Rechte der Presse. Sie machen den Mitgliedern der Interalliierten Kommission als der vorgesetzten Behörde de Vics Mitteilung von diesem, jedem internationalen Kulturbegriff widersprechenden Vorfall in der bestimmten Erwartung, baß die Znteralliierte Kommission unverzüglich Sühne für die Beleidigung Dr- Georgs und ausreichende Genugtuung für die der ge samten Presse gezeigte Mißachtung herbciführt. Von diesem Telegramm ist gleichzeitig der deutschen Regierung zn Händen des Reichskanzlers Fehrenbach und der gesamten deutschen und internationalen Presse Mitteilung gemacht worden. polnische Gewaltakte Kattowitz, 19. März. Unerhörte polnische Terrorakte sich besonders in den östlichen Grenzgebieten des oberschlesischrn Abstim mungsgebietes vorockommsn. 3n Pleh sind vier Bureau- und Wohn- barocken für Abft mmungsberechti'gte durch Brandstiftung oder durch Bomben zerstört worden. 3m Kreise Pleh wurde gestern cin deutsches Auto überfallen, wobei eine Person getötet und fünf verwundet wurden. 3m Kreise Koset wurde gestern ein deu tscker Lehrer ermordet. 3m Kreise Rybnik wurde ein Wachtmeister der Abstimmungspolizei aus dem Hinterha't er schossen. An der C senbahnftrecke Nikolai wurden versch obene Personen von bewaffneten Banditen erschaffen. 3m Landkreis« Kattowitz wurde eine gesellige Vera s'olknng der Heimaltreuen von polnischen Banditen überfallen. Beim Eingreifen der Abst mmungSpvllzei wurden mehrer« Beamt« getötet. Außerdem wurde im Kreise Rybnik von den Polen ein Gasthaus in Brand gesteckt, weil dort Aostimmungsberechk'gte untergebracht waren. Auf Abstimwungszüge ist verschiedentlich geschossen worden. Die Note des Vot^chafterrats zur Abstimmung Paris, 19. März. <E i g. Drahtbericht.) Der Botschafter- rat Hal heute vormittag in Bca rtwortung einer Protestnote der -'-eutschen Neg erung wegen der Haltung tn Oberschlesien der deutschen Botschaft ln Paris eine Note überreicht, die sich darauf beruft, daß nur die 3nteralliicrke Kommission damit beauftragt sei, in Oberschlesien während des Plebiszits für Ordnung zu sorgen, und daß für jedes Dazwischentreten deutscher Truppen die Berliner Negierung verantwortlich sein werde. Eine gleiche Mitteilung ist auch dein Pariser Verirrter der pol nischen Negierung gemacht worden. Bei-de Noten sind von Briand unterzeichnet Politische Wochenschau Von Reichsmiiftster a. D. Schiffer. Das Austreten Lloyd Gorgcs in der Londoner Konferenz war, wie die Teilnehmer an dieser Zusammenkunft berichten, sehr ausfällig und ganz anders wie in Spa. Während cr sich hier mit jener Lebhaftigkeit gegeben hatte, die ihm als eine Mischung von advokatorischcr Beweglichkeit und sprühendem Temperament eigen ist, machte er in London den Eindruck eines müden Mcrnnes, der nach Worten suchte, schleppend und stockend redete und sein Mißbehagen kaum verhehlte. Ob dies nur auf eine körperliche Indisposition zurückzufükren war? Schwerlich. Vielmehr spricht alles dafür, daß der englische Premier in seinem Verhalten nur die Stimmung oder besser die Mißstimmung erkennen ließ, wie sie ihn bei der Entwicklung, die die Dinge nahmen, erfüllte und erfüllen mußte. Er ist viel zu klug, als daß er nicht erkannt haben sollte, daß diese Entwicklung nicht zum gewollten Ziele sichren kann und nicht nur keinen Nutzen bringen, sondern denen, die sie oorwärtstreiben, je nach ihrer Stellung in der Weltwirt schaft mehr oder minder erheblichen Schaden bereiten wird- Sollte er daran noch irgendeinen Zweifel gehabt haben, jo ist er in zwischen sicherlich durch die immer zahlreicher werdenden Stimmen aller Sachkundigen, die in der neutralen, italienischen und auch englischen Presse laut werden, genügend aufgeklärt und belehrt worden. DaS hat ihn freilich nicht gehindert, seine Rcparatious - bill über Erhebung der Ausfuhrabgaben im Unkerhause ein- zudringcn; und das Parlament Hal sie trotz aller zutage liegenden und zum Teil auch offen geäußerten Bedenken prompt an genommen. Auch die Arbeikcrvertreter unter Führung von Thomas stimmten für sic. Das ist bezeichnend für den englischen Volkscharakter, der daS Partciwesen in Fragen der äußeren Politik ganz zurücktreten läßt und an gefaßten Entschlüssen zu nächst einmal zäh scsthälr. So wird denn auch der mit Len Sanktionen beschrittene Weg fortgesetzt werden, wenigstens von England und Frankreich, wäh rend die Haltung der anderen Alliierten, insbesondere von Japan uuD Italien, noch nicht geklärt ist. In Frankreich ist man natürlich sehr zufrieden und kein Mißton stört die allgemeine Freude. Erklärte doch auch der Sozialist Auriol die französischen Wicdergutmachungsansprüche für «durchaus gerecht und maßvoll". Mit der Auswirkung der internationalen Arbeitergemeinschaft hat es also noch gute Wege. Sie hat vor dem Kriege, im Kriege und nach dem Kriege versagt, und wird noch auf lange Zeit hinaus sich nicht im Interesse der Friedens- und Völkerverständigung durchzusehcn vermögen. Briand erntete in der Deputiert.n- kammer allgemeinen Beifall, als er behauptete, daß die Geste am Tage, nach dein man die Zwangsmaßnahmen angekündigt hatte, ihren moralischen Eindruck nicht nur auf die Verbündeten, sondern auch in der ganzen Welt gemacht habe. Ob dieser Eindruck wirk lich der einer moralischen Tat gewesen ist, dürfte billig bezweifelt werden. Nicht nur in Deutschland hat man diesen Gewaltakt als einen flagranten und brutalen Rcchtsbruch empfunden. Auch die weiteren Folgen der angewandten und noch anzuwendenden Ge malt werden alles andere eher als moralisch sein. Eine neue Periode des Schmuggels, der Bestechung, der Korruption, -eS Schleichhandels, des Schiebertums wird anbrechen; und das ganze Gesindel der Spekulanten aller Länder reibt sich bereits vergnügt die Hände im Hinblick auf die guten Geschäfte, die ihm durch die «moralische Entente" in sichere Aussicht gestellt werden. Anstatt endlich einmal auf internationalem Wege gegen diese inter nationale Sippe, die ihr unsauberes Handwerk mit intensivster Steuerdrückebergerei und Steuerflucht zu paaren pflegt, kon zentriert vorzugehen, begünstigt man sie durch Maßnahmen, die letzten Endes nur ihr zugute kommen werden- Ihren Zweck haben diese Maßnahmen schon jetzt insofern verfehlt, als sie nicht imstande gewesen sind, den Willen des deutschen Volkes zum Widerstand zu brechen, ihn auch nur zu erschüttern- Hierauf hatte man drüben mit Sicherheit gerechnet. Die erste Enttäuschung ist also eingekreten. Anders werden folgen. Denn wir sind nicht gesonnen, es nur bei Willens kundgebungen bewenden zu lassen und unsren Widerspruch in tö nenden Worten zu erschöpfen. Wir wollen ihn organisieren, in die Tat umsehen, in wirtschaftlichem Gegenstoß lebendig machen. Alle Kräfte des Wirtscl-aftslevens sind denn auch am Werke. Der Reichswirtschastsrat ist sich sofort der großen Aufgabe bewußt geworden, die ihm hier gestellt ist; eine Ausgabe, deren wirkliche Lösung ihm in unserem öffentlichen Leben den Platz ver schaffen kann, den er sich bisher noch nicht zu erringen gewußt hak. Mit der ruhigen Energie, die aus tiefster Sachkunde stammt, be reitet man überall die Maßnahmen vor, die zur Ein- und Ilm stellung der Erzeugung und des Vertriebes, der Verfrachtung und Verteilung unserer Güter erforderlich sind. Das sind die nächsten und dlngendsten Aufgaben. Aber mit Recht blicut man bereits über sie hinaus. Gewiß werden wir uns zu neuen Verhandlungen nicht drängen und sie von uns aus nicht in Vorschlag bringen. Doch kommen werden sie, wenn auch wohl nicht so schnell, wie es gewisse ausländische Blätter an kündigen, die bereits von neuen Konferenzen als nahe bevor stehend sprechen. Auch hierauf muß man gerüstet sein, die Lehren beherzigen, die der bisherige Verlauf der Dinge uns gegeben hat, und neue Wege ins Auge fasten, die nicht ins wirtschaftliche Chaos, sondern zum erstrebten Ziele führen. Diese neuen Wege können im einzelnen sehr verschieden sein. Schließlich werden sie doch aus irgendeine Form des wirtschaftlichen ZusammenarbeitenS herauskommen. Nur ?.ese Methode wird das Problem der Wiederherstellung der zerstörten Gebiete, der Geldversorgung Frankreichs und der Beschaffung weiterer Entschädigungen praktisch bewältigen können- Freilich kann man auch noch nicht annähernd sagen, wann dieser Gedanke in französischen Hirnen in seiner Unabweislichkeit erkannt und sich bis zu dem Entschluß durchringen wird, unter Verzicht auf andere, den ungezügelten Trieben der gallischen Volksseele sympathischeren Vorstellungen sich der Mitwirkung nicht zu entziehen. Bis dachin wird Frankreich auch
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