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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.03.1921
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1921-03-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19210304018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1921030401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1921030401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-03
- Tag 1921-03-04
-
Monat
1921-03
-
Jahr
1921
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Morgen - Ausgabe türeelpzl, and Vorort« zweimal ««glich 1,^ tzau» gebracht, Soanlag« a>»-^orgenauixob« moaatt. vii.I".—. viertel öhri. --«>.30.— sür Äddvler mvnali. M. Morgen-AuSgobe allein M. 7LV monatlich. Ädend-ÄuLgabe allein M 3.— monatlich. Durch unser« vulwüriigen -.lllialen >n» 4,au« g«. bracht monatlich M. lU.—, vi-rte!j«drl»ch -i. SU.—: durch die ^ost innerkald Deulschland«, frei in« Hau« geliefert, Geiamt-ala«gab, monallich M. 9.—, »ierleisübrlich 9tl. L7.—. Anllandsvrrsand: monatlich M. tv.— ans Dknchlachen-'porlo. Tloie'nnmmrrn Moraen- Aatgad« SU Pf, Adenü-'Aalgade «0 P«. SennlagS-Ausgad« -tv Pf. han-els-IeLlnns ras LeiVLlgek Tt-ebkait enthsit dir amtliche» »cf.,iiattnachunsra drS Rates »nd de» PolUriantteS der Stadt LctpOq, te« «mttgericht» Lei»,»,, lolvie vrrschtcveiie« onverrr BrbSrdeo, IIS. Jahrgang Anzeigenpreis: ^np^W. M^i.?'''°°n'°u°^^ m. 2.2n; Anzeigen van -veddrden >m amillchea leit di« Nonparelliezeii, .M.Schv, o.au«u>. M.L.—; kiein« Lnzelgen ol, NonparelUezeile AI I.4V. von au«w«rt« MI». l.l>l>, Delchaitjanzelgen mit Piailvollchriflrn lm t reil« erhöht. Platt und Daienoarichrilt odn« P«rl»indlicht»«!k. Pellogenpreis« für Sie Desomtanfloge All». 12.— netto, für rellanflag« Mi, 1b.— nett, ?ro Mille, Poftausiag, Poslgebllhr eztra. »ernlvrerv-nnschianAr.lluur. 14 > »i, >4^.14. — Poftlchechit»nio72U . «echriftleituna und Drlch«ft»llelie: tteipzig, ^ohaani«ga«lr Nr. tt. Verlag Dr. Reinhild LT»' vripz:^ 11,21 Nr. 1!» Freitag, den 4. März Frist bis zum Montag mittag Der Beschluß der Alliierten London, 3. Mürz. Nach einer Havasmeldunq Hai Lloyd George heute auf der Konferenz eine Erklärung ab gegeben, in der es heißt, die deutschen Gegenvorschläge verdienten keine nähere Prüfung. Er erinnerte an die Nichterfüllung von Verträgen in Betreff der Kohlen lieferung, der Entlvoffnnngsbedingungen, der Zahlung von zwanzig Milliarden und der Bestrafung der Kriegsschuldigen. Wenn die Deutschen bisMontagmittag nicht die Grund lagen des Pariser Abkommens annehmrn, würden sofort folgende Zwangsmassnahmen angewendet: Besetzung von Duisburg, Rukrort und Düsseldorf; Erhebung- von Abgaben auf den Verkaufspreis der deut schen Waren in den alliierten Ländern; Errichtung einer Zollgrenze am Rhein. Hinzugefügt wird, daß et waige Abänderungen der Pariser Bedingungen nur die Art der Zahlungen betreffen dürfen, wie etwa die Herabsetzung der Iahreszcchlungen von 42 auf 30. W. T. B. Die Vollmachten für die NeparationskommWon London, 3. Mürz. Eine Havaänske besagt: Gestern abcnö soll ein neues Abkommen unterzeichnet worben sein, welches die neuen Zuständigkeiten der ReparatienSkommission bestimmt. Die beiden Arien von Strafmaßnahmen, militärische und wirtschaftliche, von denen die ersteren sofort und öle zwe len in der Folge angewendet werden würden, werden begründet mit Verstößen Deutschlands gegen die Verpflichtungen des Versailler Vertrages, welche bis heute festgeftelit find, besonders in der Frage der Entwaffnung und der Kohleniieferung. Eine L sie dieser angebl chen Verstöße ist beigefügt. Die HaoaSnote geht sodann in der gleichen Weise auf die deutschen Gegenvorschläge ein, wie die bereits veröffcntl.chte Aeutermeldung. Vatiser wünsche und Stimmungen Paris, 3. März. Der Londoner Mitarbeiter des .Paris Journal' hält es für nicht ausgeschlossen, daß Dr. Simons durch einen anderen VcUreter ersetzt wird unter dem Vorwand, der Aeichsminister de» Aeuhern habe bei der kn London erfolgten endgültigen Formulierung der Gegenvorschläge Fehler begangen, durch die die von Deutschland an gebotene Gesamtsumme weniger hoch erscheint, als sie in Wirklichkeit ist. Sauerwein im .Matin" hält es dagegen für wahrscheinlich, daß die Deul- jcken auch durch ein Ultimatum der Verbündeten nicht zu einem end gültigen Nachgeben gebracht werden, und die in Aussicht genommenen Sanktionen deshalb in Kraft treten müssen. Der Berliner Korrespondent des «Petit Parisien" berichtet, daß Simons nach Ansicht gewisser neu traler Kreise iit Berlin ganz unter dem Enfluß der von Stinnes ge führten Extremisten stehe, und daß diese Extremisten einen Bruch mit der Entente erstreben. Die «Demokratie nouoelle' führt unter dem Tnel .Das glückliche Ereignis' aus, Frankreich habe allen Grund, sich über di ablehnende Haltung Deutschlands zu freuen, da die Pariser Beschlüße der französischen Interessen nicht entsprochen hätten. «Homme librc" schildert die Aufregung, die gestern in den Wandelgängen des Senats und de. Kammer herrschte. Im Palais Bourbon machten die Abgeordneten Lefdvre und Hennessy besonders lebhaft für ihre ganz entgegen gesetzten Auffassungen Propaganda. Lesdvre versuchte zu beweisen, dm die Verbündeten sofort das Ruhrgebiet besehen müßten, da Deutschland nur für einen Monat mit Kohlen versorgt sei, und deshalb durch die Be setzung der Ruhrgruben schnell eine Entscheidung herbeigeführt würde. Hennessy erklärte dagegen, statt 300000 französische Soldaten nach Deutschland zu schicken, solle Frankreich lieber 200 000 deutsche Arbeiter für den Wiederaufbau kommen lassen. * * * Berlin, 3. März. (Drahtbe richt unserer Berliner S ch ri f t l e i t u n g.) Gegenüber der Londoner Meldung über Gerückte von einem bevorst »henden Rücktritt D r. Simons kann versichert werden, daß scmhe Gerüchte jeder Grundlage ent behren. Man erwartet einen neuen deutschen Vorschlag London, 3. März. (Eigener Drahtdericht.) Die «Times" rechnet mit einem zweiten deutschen Vorschlag, .Daily Ekrontcle' erwartet gleichfalls ein neues deutsches Angebot. «Daily News" meint, inncrpolitische Rücksichten hätten Simons abgehalten, ein weitergehendes Angebot zu machen. Das Matt glaubt, daß die Dinge jetzt auf die Spitze getrieben würden; denn Harding komme morgen ins Amt, und Amerika halte die Pariser Zahlen für zu hoch und sei ein Feind militärischer Zwangsmaßnahmen. Man brauche die Vereinigten Staaten für eine internationale Anleihe. Eine Stimme in der wüste London, 3. März. Als einziges Blakt bringt der .Manchester Guardian" einen Leitartikel, worin die deutschen Vorschläge nicht rundweg abgelchnt werden, wie von den anderen Blättern. Augen blicklich hänge das, was Deutschland bereit sei anzubieten, und das, waS di« Alliierten forderten, weniger von der wirklichen Fähigkeit Deutsch lands, zu zahlen, als von der politischen Lage in Frankreich und Deutsch land ab. Die deutsche Regierung fei nicht in der Laa«, mehr zuzugc- slehea, als die ösjentUch« Aieinuug in Deutschland ertragen »olle. Es stünden zwei Weg» offen, der »ine s»i der Weg der Gewalt, der andere Weg sei, zu sehen, ob nickt eine Mdglichkeir vorhanden ist, die augenblicklichen Schwierigkellen zu überbrücken, in der Hoffnung, daß eine Abkühlung der politischen Stimmung in einigen Jahren ein dauerndes Urdcreinkommen möglich mache. „Manchester Guardian' fährt fort, das Pariser Abkommen sei in mehr als einer Hin sicht eins Abweich ungvomFriedensvertrag, und wenn man es mit Gewalt durchsetze, so sei diese Gewalt ein Bruch des Vertrages. Außerdem erwähne der Fricdensverkrag ausdrücklich den 1. M a i als den Zeitpunkt, noch welchem Deutschland Strafen auserlegt werten können, wenn es seinen Vervfiichtungen nicht nachkomme. Dos Blatt schließt mit der Frage: Welche Hoffnung besteht, aus Deutschland mehr hrvauszudokommen, wenn man es zerstört? Stark und ruhig bleiben! Das Ultimatum der Ententeverkreter an die deutsche Re-' gierung ist da: es fordert bis Montag mittag die Anerkennung der Pariser Beschlüsse als Grundlage und steht für den Fan oec Weigerung schwere Zwangsmaßnahmen vor. Diese Maßnahmen beiocgen sich in Her Richtung derjenigen, die der Vertreter von Havas Donnerstag schon mitteilte. Was zu der nun einigermaßen klar zu überblickenden Situa tion zu sagen ist, wurde seit Bekanntwerden der Pariser Be schlüsse wiederholt gesagt. Alle Parteien des Reichtstaaes haben es gesagt und die Regierung selbst hat es durch den Mund des Außenministers wiederholt erklären lassen: die Pariser Beschlüsse sind für uns unannehmbar! Sie sind cs, weil wir sie doch nicht erfüllen könnten. So hätten wir denn die Zwangsmaßnahmen der Entente .zu errr»arten. Auch angesichts des jetzt auf den Tag aus.zurechne»den Beginns dieser Aktion möchten wir noch einmal vor allzu eil fertigen Schlüssen warnen. Die Meldungen, wie sie vorliegen, bieten trotz aller konkreten Angaben kein genaues Bild der Vorgänge in London. Es wird da in unklarer Weise über den Begriff «Pariser Vorschläge" herumgeredet. Die Alliierten reden von der .Grundlage des Pariser Abkommens", die wir anerkennen sollen; Dr. Simons hat sich schon in seiner letzten Rede bcreiterklärt, die Pariser Beschlüsse als .Grund lage zu Erörterungen" anzuerkennen. Das ist zweierlei. Die große Frage ist, was von jeder Seite als Grundlage der Parker Beschlüsse angesehen wird. Faßt sie die Entente so auf, daß die Zahlung der 220 Milliarden, die 12prozentige Abgabe und die Nichtverrechnung der bisher geleisteten 20 Milliarden als Grundlage anzverkennen sei, dann dürfte eine Verständigung un möglich sein. Für diesen Fall hat die Regierung vom deutschen Volke den Auftrag Nein zu sagen. Faßt sie dagegen, wie die Deutschen, als Grundlage das System der in Paris ausgebuchten Wiedergutmachung auf und läßt die Errechnung der zu leistenden Summe nach Abänderung der Frist und Raten zu, dann kann es sehr wohl noch bis Montag zu einer Verständigung kommen. Hüten allerdings muß sich die deutsche Vertretung, das Entente diktat auf dem Wege einer Verschleierung durch Zahlcnkunststtlcke doch anzunehmen. Das deutsche Volk ist nicht gewillt, in dieser Weise mit sich verfahren zu lassen und die Regierung könnte nach Beendigung der Konferenz abtreten. Aber diese Möglichsten liegt wohl auch nur bei deulschnationalen Hetzern vor. Es braucht, wie gesagl, am Montag nicht unbedingt mar schiert zu werden. Wir verkennen die Schwierigkeit unserer Ätuation durchaus nicht, wie Lloyd George das zu sagen beliebte. Glauben aber auch, daß er und Briano die Schwierigkeit der eigenen Lage ebenfalls nicht verkennen werden. Wenn deshalb heute aus den deutschen Zeitungen der Rus erschallen wird: Bleibt stark! so ist er ebenso notwendig an das deutsche Volk zu richten, lind es ist.ihm ein Bleibt ruhig! hin,zuzufügen. Die Negierung darf das deutsche Volk nicht in die Sklaverei schicken, sie darf aber ebensowenig Len Weg der Verhandlungen verlassen, so längs noch eine letzte Möglichkeit der Verständigung bleibt. Erst wenn dieser Fall Klivp und klar zu erkennen ist, kann sie ihr Nein sprechen und darf dann sicher sein, baß das deutsche Volk wenigstens ziemlich einmütig die Folgen der Ent- sch-eidung auf sich nehmen wird. are. Acht oder zwanzig? Paris, 3. März. Die Wiebrrherstsklungskommission überreichte der deutschen Regierung eine Note, in der auSaefühct wird, daß Deutsch land bisher keinesfalls 20 Milliarden Mark bezahlt habe. Selbst wenn man die deutsche Handelsflotte mit 2 Milliarden pnsehe, kämen doch nur 8 Milliarden Mark heraus. Der drohende Rückschlag auf die Neutralen Berlin, 3. März. Wie dem «B. T." zufolge di« aus dem Ausland« eingehenden Nachrichten ergeben, verfolgen die neutralen Staaten die Entwicklung der Verhandlungen in London mit der größten Besorgnis. Insbesondere liegen aus einer Reihe neutraler Staaten, so aus der Schweiz, Holland und Schweden, Nachrichten vor, n-'ch welchen die W i r t s cha f t S la g e dort einen unmittelbar bedroh lichen Charakter angenommen hat und man mit einer Reihe von Fallissements rechnet. Man befürchtet, daß der Eintritt einer wirtschaftlichen Krise in Deutschland, wie sie unter dem auS der In kraftsetzung der sogenannten Sanktionen entstehenden Eindruck erfolgen könnte, alsbald zu einer Katastrophe in einer Reihe der früher ncurralen Länder führen müßte. Vielfach besteht die Empfindung, daß die Arbeitslosigkeit und Produktionsstockung, die in Sie,en Ländern schon jetzt eingesetzt Haden, alsLann lawinenartig anw.rchsen würden. Die unmittelbare Interessiertheit dieser an den Verhandlungen in London anscheinend unbelecktsten Länder kommt dadurch immer deui- licher zum Ausdruck, und es wird immer klarer, daß in London nicht über Deutschland, sondern über Europa verhandelt wird. Rheinlarrdkommisfion und Rheinlandintereffen Koblenz, 3. März. Wie in der Presse gemeldet wurde, hat sich die interalliierte R Heini andko in Mission entschlossen, ver- sckiedene Persönlichkeiten zu bestimmen, die als besonder» geeignet er achtet wurden, die moralischen, geistigen, politischen und wirtschaftlichen It.keresfen der besetzten Gebiete zu vertreten. Zweck der Besprechungen sollte sein, der Rheinlanöhommiision Wünsche und praktische Vorschläge zu unterbreiten. Die erste Zusammenkunft hat am 1. und 2. März in Koblenz jtattgefunden. Die Rheinland- kommtssion hörte die Vertret« r der Universitäten des linken Rheinufers, des katholischen und protestantischen Be kenntnisses und der Press« des besetzten Gebietes. Die inter alliierte Rhe.nlandkcinmlssion beabsichtigt, gegen Mitte deS MonatL Vertreter der w l r t s cha s t t i ch e n und sozialen Interessen LeS be- setzten Gebiets anzohören. * Der neuernannte tschecho-slowakisch« Gesandte Talar ist am Mitt woch vom Reichspräsidenten -zur Enigegennayme seines Be- glaubigungsschlcibenL empfangen worden. Die Freiheit der Meere Nn Beitrag za den englisch-japanisch-amerikanischen Beziehungen. Der amerikanische Senat Hal, wie wir in der gestrigen Abendausgabe meldeten, den Präsidenten - r,ucht, eine Konferenz zur Prüfung der Frage her Abrüstung zur See cinzuberufen. Wenn inan nach Lektüre einer Festlandstzeilur.g, etwa eines der großen Pariser Tagesdlcitter, zu einem englischen Blatte greift oder die auch auf dem Festlands erscheinende Pariser Aus gabe des «New «Zvrk Herold" aufschlägt, ist es einem, als ob man aus der etwas dumpfen und stickigen Luft einer stillen und ruhigen. Kleinstadt mit ihrem engen Horizont und ihrem kleinen Gesichtskreis in eine große Mecrsiadt voll brausenden Lebens kommt. Hier weht frischere Luft; die Wände des Horizontes rücken ins Weite; was dort Sensation war, wird hier Bagatelle; Konflikte, die dort weltbewegend erscheinen, schrumpfen hier im Vergleich zu anderen, noch größeren und noch ungeheuereren zu winzigen Dimensionen zusammen; vielem, was dort unver'^änd- ich erschien, erstehen hier plötzlich -ort vergeblich gesuchte Kr achen und Gründe. Wir haben uns auf dem europäischen Fest- ande vielleicht immer nocy zu wenig daran gewöhnt, daß Europa nicht mehr die Rolle spielt wie 1914, daß Europa nicht mehr die Welt, und daß die Zeit wohl für immer vorbei ist, da ein Balkan- konslikt oder ein ermordeter österreichischer Erzherzog die Welt in Flammen setzen konnte, -aß unsere europäischen Konflikte nicht mehr jene welkentscheiden.de Wirkung wie vor 1914 besitzen und daß andererseits auch unsere europäijcl-en Sorgen und Nöte nicht mehr Weltsorgen und Weltnöte von gleicher Wichtigkeit un gleicher Bedeutung sind.- Auf dem Völkerbundskongreß in Genf trat diese Wendung der.Dinge-in den Reden der einzelnen Abgeordneten und .in der Stellungnahme von Staaten wie Australien und Kanada zu den wirtschaftlichen Fragen sehr stark in Erscheinung. Wir vergessen deswegen bei unseren Erörterungen der wirtschaftlichen Krise, für die man jetzt in London eine Lösung finden will, daß die letzte und endgültige Entscheidung dort ganz sicherlich noch nicht a-ci werden wird, und daß diese Entscheidung nicht mehr in Paris und nicht mehr in Berlin, und überhaupt nirgendwo auf dem europäischen Festlande fallen wird, sondern weit draußen auf den Wassern zwischen Falmouth und New ^ork, zwischen San Fran zisko, Sydney und T^Kohama. Ans in Paris, Berlin und Rom ist jetzt die Entschädigungs- und Abrüstungsfrage erste, einzige und wichtigste Lebensfrage. Sie allein beherrscht das politis., e Denken, die politische Diskussion. Aber schon ln England drängen sich andere Sorgen den Staatsmännern auf und die Sorge um -le deutsche Entschädigung ist nicht mehr die eine und einzige, sondern eine neben vielen anderen. England, das bis 1914 unverwandt nach Wilhelmshaven und auf die deutschen Küsten hinausstarrte, wo eine neue Flotte emporwuchs, hat jetzt bereits eine Halbschwenkung vorgenommen. Nur mit einem Auge sieht es noch auf den europäischen Kon tinent, das andere schaut nach Westen — und dort erblickt es immer zahlreicher in die Höhe wachsende Schisfsmasten, dort glaubt cs zu sehen, wie sich die Flotte ansängt klar zu machen, deren Ausfahrt dereinst das Ende der gänzlich unumschränkten Seemacht eines Volkes sein könnte. Amerika beginnt trotz Blutsverwandtschaft und trotz Sprachengemeinschaft unheimli , zu weiden — fast so unheimlich, wie ihm Deutschland vor 1914 geworden war. Auch trotz aller Waffenbrüderschaft im großen Kriege. Warum tratAmerika in den Krieg? Nach BernstorsfS Darlegungen, in denen der Schmerz über das vergebliche Opfer dreijähriger rastloser Bemühungen nachzittert, weil politisch engstirnige, aber willenskräftiae Generale einer ziellosen deut schen Regierung trotz ihres Widerstrebens den A-Bootkrieg und damit auch Wiison den Krieg aufzwangen. Der empfindliche Stolz und der in Deutschland allzu häufig übersehene Idealismus des jungen, rasch gewachsenen Volkes konnte sieb die Versperrung der freien Mceresstraßen in so brutaler Form nicht bieten lass n. And doch war es trotz aller Kriegsbcgeisierung, in die sich die politisch sehr wenig geschulten und wenig weitsehcnden Massen Amerikas hincinkreiben ließen, eine merkwürdige Bun de s g e n o s s e n s ch a f t, in die Wilson sein Volk führte. Sicher lich war der Il-Aootkrieg ein Schlag gegen die Freiheit dec Meere — aber Deutschland versperrte dock nur aus Zwang und nur vorübergehend diese Freiheit, es hob sie auf, um sie dadurch eigentlich, wie es sein Ziel war, bei Friedensschluß erst wirklich herzustellen. Denn zu Deutschlands Kricgszielen gehörte es ja, die Alleinherrschaft Großbritanniens über die Meeres straßen zu brechen. Der italienische Historiker Giuglielmo Ferrero machte kürzlich in einem seiner tiefschürsenden Aussätze im «Secolo" darauf aufmerksam, daß Amerika eigentlich als Feind seiner Alliierten und als Alliierter seiner Feinde in den Krieg getreten sei. Amerikanische Truvpen und amerikanisches Geld halsen Englands Alleinherr schaft zur See in höherem Grade denn je festigen und 1918 schon war Wilsons Politik zerbrochen, der Völkerbund, wie er-Ibn stb, lm Keime schon zermürbt, als England jede Diskussion der Meeres frage in Versailles ausschloß. Wiisans Triumphzug durch Londons jubelnde Straßen war nur ein dürftig deckender Mantel der alles vernichtenden Niederlage in den Zimmern von Dow- ning-Slreet. Hier liegen die tiefsten Gründe für die Weigerung des ameri kanischen Volkes, die Abkommen Wilsovs In Paris zu ratifizieren und in den zu Versailles geschaffenen Völkerbund einzutreten, der seiner heutigen Organisation nach das Resultat des Welt krieges verewigen will. And dieses Resultat heißt: die Betäti gung und Befestigung von Englands Herrschaft zur See. Stärker sedroht als 1917 durch den unumschränkten U-Vootkrieg ist heute Amerikas Handel und Schiffahrt, und heftiger und un- oeschnrinkter als je wird deswegen auch stärkste und schnelle Fortsetzung der 1916 beschlossenen Rüstungen als einziges Frieden
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