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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.10.1920
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1920-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19201007011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1920100701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1920100701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-10
- Tag 1920-10-07
-
Monat
1920-10
-
Jahr
1920
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Morgen-Ausgabe t»re«Ip,l, «„»v-r-rl« jwelmal «glich In« -a,1-«bracht,S»»ntog« aitMoraenolllgad« m^nall. Bi. 10.—, vierlelj«drl. M M.—. für Abholer »»»all. M. »SV. Moraaa-Aalgah« allel» M. mvnattich, Adend-Avlgad« allein M 1.— monailich. Dorch an>«r» mswürilgea Filialen in» Hau« ««. brache monaiiich M. lO.—, »ieriallühritch M. M.—; durch die 'Holl tnnarhald veuilchland« Gelamt-Aulgob, monatlich M. 7.SV, vierlellüdr- lich Ai. !Ü.SV <aaslchll«bllch Poitdesteligedühr). Anülondtoelland: monatlich M. llt.— «ad Dracksachrn-Port». Lin,ein»»ni«,a' Morgen. «a«,aba » Pf, Adand-Aut^id« it0 Pf. Sonnt«,« An«,ada «0 Pf. htM-els-IeUung DaS Leipziger Tageblatt euthült die amtlichen vrkvantnt.trbuirgen des Rate» und des PolizeiamtcS der Diadt Lrip.tg, der AmisgertchiS Leipzig und der Sächsischen SlaatSminisiericn Dresden soivte verlchtedener anderer Behörden. 114. Jahrgang Anzeigenpreis: M. rLr Anzalga» »,» Aahürde» i» «»tiiche, r»a dl« Äonpareillezatl« M.LM. ».««».M L-, diel», Anzaiga» »t« ««pareillezatie M Hi »« au«w«r«« Md. LSV, «afchüftlanzat^n »ll Ptatzoorichrlften i» Prell« «rdddt. Platz »nd Datenvarlchrlft «tza« Verdtndllchdalt. Bai t« dl« S«lamta,Na,« Md. Ill - nelt«, für Leilanfl«« ML »«» ML«, Pistamla«« Postgedühr eztr». F«e»i»»«ch-a»l i«ü»t.l«ü»4. —P»st,chmdd«t»7rv». 8chNfll.it»», «i r«>»i,. A«. L Peet« »» *«uch»l» Nr. 468 Donnerstag, den 7. Oktober 1S20 Eyrano-Rapoleon-Tartarin Don Ehm Welk - Leipzig. Die Not unseres armen Vaterlandes hat einen Grad erreicht, der die Existenz der Volksgemeinschaft ernsthaft bedroht. Liegen die Wurzeln Lieser Not auch allgemein in dem verlorenen Krieg, so liegt ihre Verewigung doch in dem Pakt von Versailles; und die Steigerung bis zur Unerträglichkeit, bis zum Zusammen bruch, ist die Frucht des eisernen Millens Frankreichs, die Er füllung des Vertrages bis zum letzten Punkt zu erzwingen. San Nemo, Spa, Nix les Bains, Brüssel: die Bedenken der Entente genossen, die Hinweise auf die Gefahr für Europa verstummten immer wieder vor der Unerbittlichkeit Frankreichs. So ist es selbstverständlich, daß mit jedem Tage mehr die fran zösische Politik zur Betrachtung herausfordert. Neben der Frage nach den U rs a ch e n ist es eine wichtigere, die sich uns aufdrängt: Nus welchen Quellen schöpft eine immerhin kleine und außer dem durch den langen Krieg geschwächte Nation diese — geben wir cs zu — imponierende Kraft? Die Nationalisten und ihre Blätter haben es leicht: für sie liegen die Motive der französischen Politik nn unverminderten Haß gegen Deutschland, im Siegerwahnsinn und Rachedurst. Da gerade Frankreich es ist, das sich gegen jede Erleichterung unserer Lage sperrt, da wir an allen französischen Handlungen ein großes Beiwerk von Hohn und Schikanen bemerken, hat die Darstellung der deutschen Vergeltungsprediger für die größere Maste des deutschen Bürgertums schlagende Beweiskraft. Aber auch von den ruhigeren Betrachtern und selbst von den Rufern nach Aus söhnung sind viele irre geworden in ihrem Glauben, daß es nicht in der Hauptsache Vernichtungswille ist, was die Franzosen zu ihrer Knechtungspolitik treibt. Angesichts so vieler unsinniger Maßnahmen, im Hinblick auf die Halsstarrigkeit, mit der die Pariser Regierung dem Wiederaufbau Europas enkgegentritt, ist 'olche Unsicherheit bei der Beurteilung der Pariser Politik erklär lich. Sind doch selbst jene übel daran, die von dem französischen 5 ol k, von den Nachkommen der Männer, die die große und viele kleinen Revolutionen gemacht haben, Einspruch gegen eine Gewaltpolitik erwarteten. Freiheit ist Freiheit, meinten einmal die blassen deutschen Träumer, der Begriff bleibt der gleiche, ob es sich um die Freiheit des eigenen, oder eines fremden Volkes handelt. Solche Anschauungen sind deutsch und ehrenhaft, aber weltfremd, zum mindesten franzvsenfremd. Wie schon die frei- beitberauschtcn Kämpfer der großen Revolution die eigene Frei heit der Gloire de la Patrie unterwarfen, so auch jetzt die Masse der Enkel. Auch in Frankreich kritisiert und verurteilt man eS heute, wenn irgendwo ein Völkchen in Ketten schmachtet; aber nur, falls diese Ketten nicht aus der französischen Schmiede stammen. Dieses gewaltige N a t i o n a l g e f ü h l, daS bewußt oder unbewußt in jedem Franzosen liegt, ist die Kraftquelle der sranzösilchen Politik. Nicht in dem Sinne, und nicht zu dem Zwecke, den die deutschen Revancheredner so billig nennen: Aus laden von Eicgcrwahn, Kanailleninslinklen und Brutalitäten, — »nicht als Selbstzweck, nein, nur als Kraft, die das von klugen Politikern gemachte, von ersten Staatsmännern gelenkte In strument vorwürtsstößt. Ob Demokrat, Sozialist, Kommunist: das bestimmt wohl den Grad der Aeußerung, nicht aber das Vor handensein des Nalionalstolzes. Ein kleines Beispiel: Ich war 1918 viel mit Franzosen zusammen, monatelang besonders mit einem zivilgefangenen, aber beurlaubten Juristen. Der Mann war wilder Kommunist und nur drei deutsche Sozialisten erkannte er an: Liebknecht, Eisner, die Luxemburg. Sein Haß auf den Krieg war groß, sein Evangelium die Aussöhnung Deutschlands mit Rußland, Frankreichs mit Deutschland. Höchst selbst wollte er für dieses Ziel drei Männer töten, die für ihn Verbrecher waren: Wilhelm ll (!), Lloyd George und Clemenceau Der Prozeß des Reichspräsidenten Der Reichspräsident als Kläger Freksa nimmt seine Vorwürfe zurück — Einstellung des Ver fahrens. (Eigener Drah < berich t.) Mün6>en, 6. Okivder. Dor den Münchener Geschworenen kam heul« die Beleidi- ollngsklage des Reichspräsidenten Ebert zur Verhandlung. Ans Antrag des Reichspräsidenten hat die StaÄs-a «walt schäft gegen den Schriftsteller Friedrich Freksa öffentliche Anklage erhoben an der Reichspräsident bat sich als Nebenkläger der Kage angeschlosjen. Er wird durch den frriberen Staatssekretär und jetzigen demokratischen Abgeordneten Rechtsanwalt Konra- Haußmann vertreten. Gegenstand der Klage bildet die Nummer des Witzblattes .Phos phor', das der Angeklagte Friedrich Freksa verantwortlich zeichnete. Das Witzblatt brachte eine Sondernummer >>erauS, die sich ausschließlich mit -em Reichspräsidenten un- insbesondere seinem Privat leben beschäftigte. Der Reichspräsident ist m dieser Nummer als Trunkenbold an- Besucher von Nachtlokalen daroestellt. In der Dor untersuchung hatte der Angeklagte Freksa den WÄrrheitsbeweis dafür anzutreten versucht, daß der Reichspräsident zu den ständigen, mindestens aber zu den Besuchern gebärt, die häufiger die .Lolibridar' in der Motz- strahe in Berlin ausfuchgn. Der Geschäftsführer der Bar sowie die Kellner haben aber in der Dornntersuch-mrg bereits das Gegenteil ausgesagt. Auch Frau Ebert wind in einem Bilde .Frau Ebert lernt retten' verhöhnt. Freksa, dessen bürgerlicher Name Kurt Friedrich ist, betonte, daß er verzichten müsse, die Namen seiner Gewährsmänner zu nennen, da sich viele in amtlicher Stellung befänden und Gefahr liefen, sie zu verlieren. Die Anklage sei ein republikanischer Majestäts- beleidtgungsprozeß. Als erster Zeuge wurde Ministerialdirektor Dr. Meißner, der Chef des Bureaus des ReichSpresseamies, vernommen. Er erklärte, er lei seit Jahren aus dem Auswärtigen Amt dem Reichspresscamt bei gegeben worden und seitdem stehe er mit dem Reichspräsidenten in engster Fühlung. Das ganze Leden des Reichspräsidenten spiele sich vor den Augen des Bureaus ad. Der Zeuge fei über leden Ausgang des Präsidenten unterrichtet. Es gebe beim Reichspräsidenten alles sehr einfach her. Wenn keine Gäste im Hanse sin^ wird nur Mineralwasser getrunken. Sin- Diplomaten anwesend, so kommen nur zwei Sorten Wetn auf den Tisch. Auch dann ist das Essen überaus einfach. Der Reichspräsident hat, so lange er der Regierung angehört, kein öffent liches Lokal besucht. Der Reichspräsident geht lediglich manchmal ln das Haus der deutschen Gesellschaft von 19i4 und trifft sich dort mit Politikern. Auf die Frage des Rechtsanwalts Konrad Haußmann bestätigt der Zeuge, daß er schon der alten Negierung anaehört Hobe, nicht Sozialdemokrat sei und auch der Sozialdemokratischen Partei nicht nah est ehe. Der nächste Zeuge ist der Hausinspektoor des Reichspräsidenten, Tappe, ein alter Beamter, der schon unter Fürst Bülow und unter Bethmann Hollwcg in der Reichskanzlei tätig gewesen ist. Der Zeuge erklärt, daß er beim Reichspräsidenten Keller und Küche verwalket. Jede Flasche Wein gebe durch seine Hände. Der Haushalt sei ein ganz einfach bürgerlicher. Der Zeuge erklärt, daß er stets zugegen sei, bis der letzte Gast das AauS verlassen habe, und er könne bejchwören, daß Herr Ebert nie angetrunken oder auch nur angeheitert gewesen sei. Ebenso erklärt der Zeuge, daß es ausgeschlossen sei, dah der Reichspräsident ein öffent liches Lokal ausgesucht hätde. Ein Kriminalbeamter hole den Reichs präsidenten zu und von jedem AuSgange ab. Der nächste Zeuge war der Geschäftsführer der Colibribar, Kolz. Er weih nur, daß eines Tages ein Herr erschien, der sich erkundigte, ob Herr Ebert »n der Bar gewesen sei. Da habe ihm das Personal er zählt, daß im August 1919 der Herr Reichspräsident mit 5—6 Herren, darunter Reichskanzler Bauer, dort gewesen wäre un- gezecht hätte. Außerdem wurde gesagt, daß Herr Ebert vcn den Gästen am Nebentisch als Ebert angesprochen worden sei. Die Verteidigung glaubt beantragen zu müssen, dah die Gewährsmänner dieses Zeugen geladen werden. Der Vorsitzende ist der Meinung, daß selbst ein einmaliger Besuch noch nicht -en Vorwurf des Zechens begründe, auch wenn der Reichspräsident wirk lich einmal in der Lolidn-Bar gewesen wäre und ein oder zwei Flaschen Seckt getrunken hätte. Im übrigen glaubt der Vorsitzende, daß auch der Vorwurf der Trunksucht vollständig widerlegt sei und regt den üblichen Vergleich an. Rechtsanwalt Kmnad Haußmann erklärt irgendeine« Vergleich für ausgeschlossen, so lange der Angeklagte überhaupt be hauptet, daß Herr Ebert in der Colibri-Bar gewesen und betrunken ge wesen sei. Staatsanwalt Jahn rät dem Angeklagten nunmehr, durcv eins unumwundene Erklärung auf Grund der heutigen voll wirksamen Beweisaufnahme seine Vorwürfe mit dem Ausdruck des Bedauerns zurückzunchmen und die Kosten z« übernehmen. Der Vertreter des Nebenklägers, Rechtsanwalt Haußmann, erklärt dazu: Wir können uns nur auf etne volle Erledigung einlassen, die vollständig die Unrichtigkeit der Behauptungen einräumt. Den guten Glauben wollen wir dem Herrn Angeklagten gern lassen. Der Angeklagte gibt dann noch eierer Be sprechung folgende Erklärung ab: 1. Av^ Grund -er heutigen Beweis aufnahme bad« ich mich davon überzengt, -aß die in -er Nummer 2 des .Phosphor' vom 12. Januar 1920 gegen -en Harrn Reichspräsidenten erhobenen Borwürs. der Trunksucht und des Besuches unwürdiger Lokale objektiv unwahr sind. 2. Den Vorwurf einer Bestechung durch dos Ausland oder einer Bestechlichkeit habe ich dem Herrn Reichs präsidenten nicht macheil wollen. 3. Ich nehme diese Vorwürfe gegen Herrn Ebert, deren Uebermittelung ich Glauben geschenkt habe, mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück. 4. Ich verpflichte mich, die Kosten des Verfahrens einschließlich der gesetzlichen Kosten des Nebenklägers zu übernehmen. Rechtsanwalt Konrad Haußmann sagte: Diese Erklärung un- die Aeußerung des Herrn Angeklagten, es handle sich um einen republika nischen MajestätSbeleidtgungsprozeß, gebe» mir Anlaß, auäzusprechen. daß der Herr Reichspräsident nur seine bürgerliche Ehre schützen wollte und im öffentlichen Interesse schützen mußte. Nachdem dieser Zweck durch die Beweisaufnahme und die Erklärung des Herrn Angeklagten erfüllt ist, kann der Herr Reichspräsident den Grundsatz .Gazetten dürfen nicht geniert werden' gelten losten. Er nimmt di« Anklage zurück und schenkt dem Angeklagten die Strafe. Das Gericht beschließt hieraus die Einstellung des Verfahrens. Ende des Berliner Heizerstreiks Berlin. L OKKober. Der Streik der Kvhlenheizer im Werk Moabit der städtischen Elektrizitätswerke, der im Anschluß an den Streik im Zeitungsgewertn: ausgebrochen war, ist beendet, die Arbeit ist bereits wieder ausgenommen. Die Abgabe von Strom cmS dem Moabiter Werk erfolgt noch im Laufe des heutigen Abends Die Arbeitszeit des im Kesselhaus l tu dttoabtt beschäftigten Personals, soweit eS unter d«n llebelständen der Ver feuerung von Braunkohlenbriketts zu leiden hat (nach Angabe der Arbeiter verursacht die Bnkettseuerung eine solch« Staubentwicklung, daß es dem Hetzpersonal phnstsch unmöglich ist, in dem Kohlenstaub länger als 6 Stunden zu arbeiten), z. B. Heizer, bchlackenzicher und Kohlenbahnwärter, wird auf b Stunden täglich herabgesetzt, solange di« durch die Brikettverfeuerung verursachten Uebelständ« nicht behoben sind. Mit dem Einbau von Entstaubungsanlagen im Kesselhaus l des Werkes Moabit wird unverzüglich begonnen. Der Magistrat hat die hiersür erforderlichen Mittel bereits bewilligt. Einstellung der Berliner Zeitungen lD r a h k b e r l ch k.) Berno, S. vdtoober. In einer Mitteilung des Vereins großstädtischer ZeUongSoerleger heißt es am Schluffe: , .Da daS technische Personal an feiner Arbeitsverweigerung fest hielt, sahen sich die Berliner ZeitnagSverleger zur Entlassung chreS ge werblichen Pcrzouals gezwungen und die Zeitung«» KSa»e» daher dit auf weiteres uicht erscheinen. zwingen will, wie seine Vorgänger an der militärischen Gewalt der anderen Völker gescheitert sind. Sei es, wie es lei: Frankreichs Politik im eigenen Lande, in Ungarn, Polen und dem Balkan hat bei mancher Schlappe doch genug Erfolge ge habt, hat genug die Trikolore bekränzt, daß auch die Gegner jeder imperialistischen Politik noch immer rechtzeitig geschwiegen haben, oder doch einflußlos geblieben sind. Kurz läßt sich diese Politik folgendermaßen skizzieren: Clemcnceaus Abhängigkeit von England mußte beseitigt werden, sonst wäre Frankreich Staat zweiten Ranges geblieben; auch wollte Frankreich nicht in den Plan Englands willigen, Amerika zu isolieren. So wurde der Tiger nicht Präsident. Frankreich braucht bei seinem Bestreben, von England unab hängig zu werden, durchaus nicht in Gegensatz zu den Briten zu geraten: Englands Sorgen liegen wo aftders und außerdem ist Frankreich der Kämpfer gegen den Bolschewismus. Diesem Zwecke gilt die Stärkung Polens und Ungarns; in. ihm ist der Grund enthalten für die Kritik an Giolittis Arbetterfreundlich- keit. Deutschland ist für Millerand nnd die Franzosen zwar niedergebrochen, jedoch nicht dauernd gelähmt; man will uns nicht vernichten, jedoch so schwächen, daß wir für lange Jahre saft- nnd kraftlos bleiben. Deshalb die Unerbittlichkeit in Fragen des Vertrages und die Verweigerung der Festsetzung bestimmter Ent schädigungsansprüche. Deutschland soll arbeiten und leiden, da mit es nicht wieder erstarkt; seine Arbeit soll Frankreich zugute kommen. Nebenbei füttert man noch den Heldenafsen, rasselt mit dem Säbel und besetzt deutsches Gebiet. DaS ist Musik für die französisch« Volksseele. Und weil man doch nie wissen kann, was wird, sucht man Bundesgenossen, Gegner Deutschland-; da belgische Bündnis, die Stärkung Polens, die Arbeit in Ungarn, die bayerischen und rheinischen Pläne dienen alle diesem Zwecke: dauernde Lahmlegung Deutschlands, Vorherrschaft Frankreich- in ganz Europa So muß Frankreich schon gezwungenermaßen den Anschluß Oesterreichs an Deutschland verhindern, selbst an Süddeutschland, denn die Loslösung des Südens ist eine zu un- geroisse Spekulation. Ais er nun wieder einmal die drei gemordet halte, zog ich das Pariser .Journal' aus der Tasche und erwähnte ganz neben sächlich, daß es eine Rede Clemenceaus enthalte. Der Ge fangene hatte seit zwei Jahren keine französische Zeitung er blickt; jetzt röteten sich seine Mangen und als er die Nede las, jenen wundervollen Appell an die Söhne des Vaterlandes (März 1918, die Deutschen schossen bi- Paris), voller Phrasen wohl, aber voller Phrasen von edlem Schwung und glühendster Vaterlandsliebe, Erinnerungen an die ruhmreiche Geschichte, das Wort von Freiheit -er Grande Nation oder Untergang —, da leuchteten die Augen meines Franzosen: es hatte ibn! Dec Versuch bestätigte metnö Ansicht, und als ich ihm später daS Experiment etngestand, war er zwar betroffen, aber ehrlich ge nug, zu sagen: .Clemenceau ist zu hassen, aber nicht, wenn er Frankreich lobt, denn -le Nation ist gut!' Der Mann wurde neulich ln Lyon w--gen kommunistischer ttnttr-icbe ins Gefängnis gesteckt: findet mm in Deutschland Männer, die ihre fozia- istischen und kommunistischen Ideen, die selbst ein internationales Bekenntnis so nalionalbewußt durchglühen? In Deutschland reicht es höchstens so weit, daß in Nachrufen für sozialistisch« Alänner gelegentlich mal erwähnt wird, der Verstorbene ent stamme einer Familie, die eit ein-, zwei- oder dreihundert Jahren hier oder dort ansässig ei. Ist das im Grunde auch das Gletche, so ist der Ausdruck des Stolze-, einem besonderen Volke anzugehören st» gnsnci« dlstion), doch ein gewaltiges Gut für di« Staatsmänner des betreffenden Lande-. Frankreich nun hat Männer, die dieses Gut geschickt für ihre Politik anwenden. Mir beneideten im Kriege England um Lloyd George, — er hak in M i l l e r a n d seinen Meister gefun- -en. Mit einer Gradlinigkeit, die etwas Faszinierendes an sich bat, steuert dieser Mann seinen Kur-, der das Ziel hat des großen. Europa beherrschenden Frankreichs, eines Frankreichs der Mackt, des Glanzes und des Ncichtumes. Freilich, es ist eins imperialistische Politik vergangener Größen und Jahrhunderte, und es ist sehr dis Frage, ob Millerand nicht an den Kräften aus der riefe der VjälXssr HcheDorn «Krk Es läge nun nahe, anzunehmen, daß England die Führung der europäischen Politik nicht dauernd Frankreich überlassen wird, besonders nicht, wenn seine irischen und indischen Schmerzen einmal behoben sind. Das ist richtig, aber Frankreich kennt die weltwirtschaftlichen Gegensätze zwischen England und Amerika. Den Zug Englands mit der Erneuerung d«s japanischen Bündnisses beantwortete Amerika mit großen Rüstungen und mit einer Rückenstärkung Frankreichs. Millerand kann somit auf trumpfen un- Frankreich sieht seinen großen Tag bestimmt dann, wenn die Gegensätze zwischen Amerika und England einmal aus- getragen werden. (Das bei solchen Weltoerhältnissen d«t> Völ kerbund eine Farce ist, sei nur nebenbei erwähnt.) Unser Los ist tragisch: näh«rn wir uns England, tritt Frank reich noch tyrannischer auf, denn es überwacht mißtrauisch jede kleine Handlung. Versuchen wir, mit Frankreich überein zu kommen, geht das nur durch dauernde Unterordnung. Nur so sind die Worte des Ministerpräsidenten Leygues an unlKen Bot schafter Mayer z» verstehen, aus denen dle ewigen deutschen Optimisten schon wieder Besserung der Beziehungen herausphan tasierten. Ls bleibt uns nichts anderes übrig, atS den Derosllch- tungen nach Möglichkeit nachzukommen, eine friedlich« Politik beizubehalten und der Gewißheit zu leben, daß die unerhörten Machtpläne der Franzosen, so konsequent und klag st« auch ge sponnen sind, wenn nicht an imperialistischen Konflikten, so dock an der Ucbcrlebthett der imperialistlscl-en Weltanschauung vor ihrer Erfüllung zerbrechen werden. Daran aber, dah der Anstoß dazu vom französischen Volke ausgehen könne, glaube keiner. Millerand empfängt jetzt oll- wöci>entllch die Auslandtredaktcure der großen Zeitungen und albt ihnen Richtlinien, nach denen sie iyre bombastischen un klingenden Tiraden dichten sollen. Die Staatsmänner aus Napoleons Schule, die überempfindlichen Militaristen und ettlcn Offiziere vom Schlage Cnranos und die Tarkarins der Presse: sie wirken zusammen, und willenlos folgt ihnen das Volk, ge schmeichelt, empfindlich, machtgierig, kübn und ruhmredig: die Verkörperung d«r drei Gestatten aus Geschichte und Dichtung.
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