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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.10.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192010029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19201002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19201002
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-10
- Tag 1920-10-02
-
Monat
1920-10
-
Jahr
1920
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Morgen - Ausgabe Bezugspreis: NLLLL! monall. M.lU.-, viertel jtdrl. M.L0^-: f«r Abholer meeatl. M. SSO. «TUoraea-Astgad« allein M. 7.L0 mo«atUch, Adenb-Antgad« allel« Ai L— monaliich. Darch -nl«r« -o«w2rt«,e, AMalen in« La»« bracht monatlich 2N. 10.—, viert,»ahrltch ?N- S0.—: »arch bi, Pap innerhalb Deutlchlandb Gesamt-Anlaab« monatlich M. 7.bt>, »lertelltihr. lich Al. rr.SO^ (ao«Ichll«b>lch Postdestellgedllhr). A»«lanb«ver!,nb, monatlich M. 10 — anb Dr-chl-chen-Pori«. «i>n,,ln»»mer«: Morgen- Aufgabe SU Ps, Abend-Au«,ad« A) P>. Sonnt»,«-Au«,ab« «0 Pf. Handels-ZeUung Das Leipziger Tageblatt euthült die amtlichen «etanatmachlingeu de« Rate» und des Poltzctamics der »ladt Leipzig, des Amtsgerichts Leipzig und der «iichstschen rtaaismintslerie« »resdr« iolvte verschiedener anderer Behörde». 114. Jahrgang Anzeigenpreis: 7^2: Anzeigen von Behörde» lm amtllche» Teil bl« Äouparelllezell« M. »da v.a»«w, M. ö.—: klein« Anzeigen die Nonparetilezell« M o«a aalwllrt« Mk. 1LV, DeschLstbanzelgen »lt Platzvorlchrlften lm Prell, «rddbt. Pia» und Dotenvorichris« »dn« Berdindllchkelt. Bella,enprell« s«r dl« Deiamtanllag, Mk. lL- netto, sllr Tellausla,« Mk 1L.— nett, »ro Mllle-Popanslag, Postgebühr ezlrn. ,seniI»rech-Ä»schl»tz'kr.«->s«. t«»«, l««p«. — P»stich,chko»lo7Ä^. Echriltlettang oud T»Ichäst«lt»lle: Lotpitg. 2pham>i«,als, Ar. lt. Verla, Dr. Aelnhold ck L». Leipzig 1SLO Sonnabend, den 2. Oktober Nr. 460 OffpreutzischeWirtschastspolttik Die Königsberger Ostmesse. Während wir im allgemeinen, in der Messezersplitterung eine Krästsvergeudung und eine Schwächung der wirtschaftlich«» Energien sehen, und deshalb gegen eigenbrödlerische Sonder bestrebungen auf diesem Gebiet immer eindeutig Stellung ge nommen haben, müssen wir die Königsberger Ostmesse doch von einem anderen Gesichtswinkel aus betrachten. Bei ihr kann es sich nicht um einen Versuch handeln, die große Sammel- und Einkaufszentrale in Leipzig, das Ergebnis jahrzehntelangen Wirkens und oe.^ Stolz der deutschen Wirtschaft, durch einen irgendwo aufgemachten lokalpatriotischen Wettbewerb zu schwächen. Wir müssen nach eigener Anschauung den Ostoreuhen zugestehen, daß ihnen ein solcher Partikularismus gar nicht liegt, und daß ihnen die preußische Ueberlieferung, die mit dem Mark grafen Albrecht von Brandenburg in das trotzige Königsberger Schloß cinzog, einen Zug ins Große und ein starkes Empfinden zumindest für den von den Hohenzoller» geschaffenen großen Preußenstaat eingab. Nein, Eigenbrödelei ist nicht die Wurzel dieser neuen östlichen Messegründung. Vielmehr ist sie aus der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage Ostpreußens — beinahe mit Natu ni ol wendigkeit — herausgewachsen. Wie hatte sich denn die Lage Ostpreußens im letzten Jahre gestaltet? Die Abschnürung vom Netche durch den polnischen Korridor hatte sein Wirtschaftsleben stark erschüttert. Der Wirt schaftsverkehr mit dem Äkuterlande war immer schwieriger ge worden, da Gütersendungen im Korridor nicht nur tage-, sondern wochenlang liegenblieben und in ganz bestimmten Zeiten eine Beförderung dank der polnischen Machenschaften überhaupt in Frage gestellt war. In einem ersten Artikel hatten wir ja schon dargelegt, welch große Bedeutung in diesem Zusammenhang der Anfang des Jahres neu eingerichtete- öeedienft Swinemünde— Pillau gewonnen hat. Stetigkeit und Sicherheit konnte jedoch auch mit ihm nicht in den Wirtsti-aftsoerkehr kommen, da die Vertrüge mit dem Seedienst Kurzfristig künooar sind und die all seitig vom Reiche geforderte Maßnahme, den Seedienst als Dauercinrichtung zu gewährleisten, noch aussteht. (Nach dem Besuche des Reichspräsidenten ist zu erwarten, daß dieser sehn liche Wunsch der Ostpreußen erfüllt wird.) Ostpreußen ist also von einem feindlichen Korridor und unsicheren, noch ungefestigten Randstaaten umgeben, ohne völlig gesicherten Verkehr mit dem Reiche. Daraus ergibt sich ohne weiteres, daß es ein wirtschaft liches Eigengebilde werden mußte. Das aber ist gerade vielfach von den regierenden Stellen übersehen worden. Und gewichtige ostpreußische Klagen beanstanden, daß ihr Land mit den anderen deutschen Grenzgebieten in eine Reihe gestellt werde und die gleiche Behandlung erfahre. Vielfach sind ostpreußische Wünsche von der Negierung mit dec Begründung abgewiesen worden, daß eine Sonderbehandlung Ostpreußens gegenüber anderen - Grenzgebieten nicht angängig wäre. Dabei wird eben übersehen, daß Ostpreußen als einzigem deutschen Teilgebiet der direkte Zu sammenhang mit dem Reiche fehlt. In Industrieerzeugnissen, vor allein in Textilien, und in Rohstoffen wie Kohlen, ist die Ost provinz von dem Mutterlande abhängig. Gerade diese Produkte uommen aber viel spärlicher und teurer in ihre Hand, als in die jenige der übrigen Grenzgebiete. Der ungesicherte Wirtschafts verkehr hat beispielsweise die Frachtenraten für Kohlen derart in die Höhe geschraubt, daß unter solchen Voraussetzungen eine ostpreußische Industrie kaum noch lohnen konnte. Es ist kein Zufall, daß der Oberpräsident bei der Begrüßung der Reichs minister zuerst die Forderung nach Staffeltarifen und nach einem Ausgleich in den Kohlenfrachken vorgebracht hak. Und selbst die Eigenschaft Ostpreußens als landwirtschaftliches Ueberschußgebiet hat sich durch die Abschnürung in einen Nachteil verwandelt. Denn die Negierung gestattete bisher der deutschen Landinsel keine andere Preisregulierung für Brot und Mehl, als sie im Reiche üblich ist — trotzdem Ostpreußen an diesen Erzeugnissen Aebe.fluß hat und durch seine insulare Lage nicht in dem Maße an das Reich abgeben kann, wie es sonst imstande gewesen wäre. Diese unglücklichen Verhältnisse brachten den Ostpreußen , bald die Erkenntnis bei, daß sie wirtschaftlich auf sich selbst gestellt sind, daß sie von der Reichs- und Staatsregierung eine Sonder behandlung erwirken müsse», und daß sie mit Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Sonderstellung aus eigenem Antrieb und nut eigener Kraft vorzugehen haben. Für seine Hauptindustrie zweige der Holz-, Zellstoff-, Hanf- und Flachsbearbeitung bedarf das Land der Rohstoffe aus den östlichen Randstaaten. Dafür hatte es selbst, vornehmlich Königsberg, ehedem als Haupt- umschlageplatz landwirtschaftliche Maschinen und andere Fertig waren für den Osten bereit gehalten. Auf diesen Wirtschafts verkehr mit dem Osten wird nun Ostpreußen durch die Ab schnürung vom Reiche mit doppelter Kraft hingewiesen. Es muß versuchen, seine Wirtschaft in engerer Anlehnung an den Osten wiederaufzubauen. Um aber genügend Austauschobjekte zu bekommen, die den Interessenten einen gegenseitigen Verkehr verlockend machen, gilt es, ein Sammelbecken für die wirtschaft liche Kraft Ostpreußens zu schaffen und in einer Köniasoerger Ostmesse eine Musterschau deutscher Erzeugnisse einzurichten. Ostpreußen erkannte den Zwang zur Tat, und es hat recht zeitig gehandelt. Galt es zuerst natürlich das Land wirtschaft lich zu kräfkigen und für den fehlenden Zusammenhang mit dem Reiche eine Verbindung mit dem Osten zu erlangen, so kommt für Königsberg insbesondere noch seine ehemals führende Rolle als Ostseehafen und Umschlagsplatz in Frage. In Danzig haben sich die Engländer und Amerikaner festgesetzt, von Memel aus treiben die Franzosen ihre wirtschaftlichen Expeditionen ins Innere, und wiederum trachten die Engländer, von dem rigaischen Bollwerk aus die wirtschaftliche Ausbreitung über die Rand staaten zu erreichen. Sogar schon uqch Ostpreußen streckten die gegnerischen Wirtschaftspioniere ihre Fühler aus. U» nur an einem Beispiel das Vorgehen der Westmächte zu kenn zeichnen: als mit Rücksicht auf den langwöchigen Transport- und Hafenarbeiterstreik die Königsberger Ostmesse verlegt werden mußte, verschoben die Engländer ihre Rigaer Messe auf denselben Tag, und nicht zufrieden damit, druckten sie die Königsberger Messeanzeigen genau im Wortlaut nach, so daß sich nur der Titel .Königsberger' und .Rigaer' Messe unterschied. Der Zweck war selbstverständlich die Irreführung der Öffentlichkeit. Die britische Unbekümmertheit geht so weit, daß sie ihre Wirt schaftsspione in Gestalt von auswärtigen englischen Konsuln sogar an die Festtafel zur Eröffnung der Königsberger Oftmesse setzte. In der Hinsicht hat also diese deutsche Ostmesse sogar eine große Mission für das Reich zu erfüllen, indem sie den wirtschaftlichen Wettbewerb der deutschen Industrie mit den westeuropäischen Eindringlingen an der Ostsee aufnlmmk. Drei Aufgaben hat also die Königsberger Meße: Sie soll die Blicke der Regierung auf die besondere insulare Wirtschafts lage Ostpreußens lenken und einer Sonderbehandlung der Ostprovinz durch Reich und Staat die Wege ebnen. Sie soll ferner den wirtschaftlichen Wieder aufbau in Anlehnung an den Osten einlelten. Und schließlich möchte sie als vorgeschobener Posten der gesamt ¬ deutschen Wirtschaft dem fremden Wettbewerb im O sten, vor allem in den Ostseestaalen, entgegenwtrkett. Genug der Gründe dafür, daß die Einrichtung der Ostmesse eine Notwendigkeit war. Sie wird erhärtet durch die reiche Beschickung der Warenschau und durch den Eifer der Industriellen und Kaufleute, den wir allenthalben, auf der Fahrt nach Ost preußen, im Stadtbild Königsbergs wie auf dem Messegelände, beobachten konnten. Ostpreußische Firmen sind in Menge ver treten, daneben Berliner, Hamburger, mitteldeutsche (darunter auch sächsische) und sogar süd- und westdeutsche. Die Nachfrage schien uns, nach dem persönlichen Eindruck der ersten beiden Tage, sehr stark zu sein. Ein reges, dem Leipziger nur allzu gewohntes Bild, das selbst die Farben- und Kostümfreude des Reklameumzuges enthielt, entfaltete sich unter den Strahlen einer warmen ostpreußische» Herbstsonne. Von der ostpreußischen Schwere war kaum etwas zu spüren. Eine frische Lebendigkeit durchpulste die Meße, und auf den breiten Wegen des Tier gartens, der die Musterschau barg, sah man Reichtum, auch an schönen Frauen. Die nordische Gotik des Domes, an dem die Gebeine Kants ruhen, das efeuumrankte Schloß mit seiner Fülle an Historie und der masten- und wimpelreiche Pregel — sie alle schienen von einer starken Hoffnung auf die Zukunft verklärst. vr. ^s. Nur noch 13V VOO Mann Reichswehr Der erste Termin der Heerssverminde» rung vertragsgemäß eingehakten (D r a h t b e r i ch t.) Berlin, 1. Oktober. Wie wir von zuständiger Stelle erfahren, ist die sogenannte neu trale Zone im Westen von Reichswehrtruppen voll ständig geräumt worden. Zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im geräumten Gebiet ist die dorthin verlegte Sicherheitspolizei in erheblichem Maße verstärkt worden. Die äuf Grund des Abkommens von Spa bis zum 1. Oktober durchzuführende HeereSvermin- derung auf 150 000 Mann istbeendet worden. Zur Entlassung gelangten 50 000 Soldaten, die den bei den einzelnen Wehrkreis kommandos errichteten Fürsorgestcllen für entlassene Reichswehrsoldaten übergeben wurden. Die Fürsorgestellen sind bekanntlich geschaffen wor den, um die Entlassenen entweder in einen Beruf überzuführen oder sie den deutschen Siedüungszwecken dienstbar zu machen. Mit dem heutigen Tage sind auch sämtliche Truppenabwick- lungsstellen aufgelöst und den Abwicklungsämtcrn und Ad- wicklungsintendanturen der früheren Generalkommandos einverleibt worden. Seit heute bestehen in Deutschland 24 Abwicklungsämter und 25 Abwicklungsintendanturen, die zumeist ihren Sitz an dem Orte der früheren Generalkommandos haben. Die Tätigkeit der Heeres- abwickelungsämker liegt ganz auf wirtschaftlichem Gebiet, während die Abwicklungsinlendanturen die Abwicklung des Rechnungs-, Kassen- und Besoldungswesens durchführen. Die Auflösung der verschiedenen Truppenabwicklungsämter bringt für das Reich eine starke finanzielle Entlastung. Am 1. Oktober 1016 waren ln den einzelnen Abwicklungsämtern noch 100 000 Beamte und Angestellte tätig. Diese Zahl ist dann bis zum 1. April au^ etwas über 60 000 vermindert worden. Heute werden in den Abwicklungs ämtern insgesamt nur noch etwa 12 000 ' Beamte und Angestellte be schäftigt. Mit einem weiteren Abbau des Personalbestandes ist in folge des täglich sich verkleinernden Arbeitsfeldes zu rechnen. Ferner ist die von der Admiralität schon längst beabsichtigte Ver legung eines Teiles der deutschen Seestrelkkräfte von Kiel nach Swinemünde nunmehr durchgefllhrt worden. Da die Befestigungsanlagen von Kiel auf Grund des Versailler Friedensverkrags geschleift werden mußten, war Kiel als Kriegshasen entwertet, und die Admiralität beschloß, die noch verbleibenden beiden Kriegshäfen Pillau und Swinemünde zu Stützpunkten der deutschen Kriegsmarine aus- zugestalben. Zu diesem Zwecke ist ein Teil der in Kiel stationierten See streitkräfte nach Swinemünde verlegt worden, wo sich auch der Sih des Admirals der deutschen Ostseestreitkräfte befinden wird. Gegenwärtig befinden sich von der deutschen Flotte in Dienst 2 Kleine Kreuzer und mehrere Mnenswchflo-lkillen. Es ist beabsichtigt, in der nächsten Zeit noch einen Kreuzer und das Minenschiff .Hannover' ia Dienst zu stellen. Im ganzen darf Deutschland nach dem Friedens vertrag eine Flotte besitzen, die aus 6 Linienschiffen, 6 Kreuzern, 12 Tor pedobootzerstörern und 12 Torpetobooten besteht. Die von der Entente zugestandenen 15 000 Mann Monnetruppen reichen für eine solche Flotte aus. Ein« raschere Indienststellung -er Deutschland gebliebenen Kriegs schiffe ist aber vorläufig nicht möglich, da der größte Teil -er Marine für Mmensuchzwecke verwendet wird. Eingestelltes tzochoerratsverfahren Kiel, 1. Oktober. Das Verfahren wegen Hochverrats vor dem Reichsgericht gegen den Konteradmiral a. D. v. Levetzow, den früheren Leiter der Kieler Sicherheitspolizei Major a. D. v. Winterfeld, Bürgermeister a. D. L i n d e m a n n - Kiel, Landrat a. D. Freiherrn v Loew, von und zu Steinfurth- Hadersleden und den früheren Regierungspräsidenten v. Pauli-Schleswig ist eingestellt worden. Die angeordnete Ver- mögensbefchlagnahme wurde aufgehoben. Rach den angestellten Er mittelungen sind die Beschuldigten weder Urheber noch Führer eines Hochverratsunternehmens. Die Brüsseler Konferenz Vizepräsident Gellier üb« den internationalen Kredit. (Eigener Drahtbericht.) Brüssel, 1. Oktober. Die Finanzkonferenz begann heute mit der Erörterung der Fragen des internationalen Kredits. Der französische Vizepräsident Gellier gab eine zusammenfassende sachliche Darstellung der Fragen, mit denen die Konferenz sich belchä.-ilgen müsse, und behandelte nach einander den Umfang des Kre-itbedürfnisses, die Schwierigkeiten der Kredioperationen und die Heilmittel für diese Krisis. Dann ging er auf die verschiedenen Vorschläge zur Behebung der Krisis durch In anspruchnahme der Solidarität der Völker ein und lenkte die Aufmerk samkeit der Konferenz auf eine Reihe von Vorschlägen, die ihm geeignet erschienen, die Finanzoperation zu erleichtern. Schließlich erklärte er, der Völkerbund scheine ihm geeignet, die Bestrebungen zu über wachen, die mehr Durchsichtigkeit und mehr Anstand in die internatio- nalen Finanzoperationen zu bringen suchten. In der Diskussion, die sich an den Vortrag des französischen Vize präsidenten Cellier anschloß, sprach der belgische Ministerpräsident Delacroix über seine Vorschläge, eine internationale Bank zu gründen, die durch die ADgabcn von Obligationen die Mittel für den Wiederaufbau schassen sollte. In der Nacbmittogssitzunq sprachen .zunächst die Vertreter Rumä niens und dann der von Brasilien. Während das ersbere Land ein un- gü" tiges Bild bietet, zeigt Brasilien alle Anzeichen eines wirtschaftlich , Geigten Staates. Für die französische Delegation sprach L b e y s s o n. Sein Bericht ist insoweit bemerkenswert, als er die großen Anstrengungen Frankreichs heroorhebt, die für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete getan wurden. Es seien hierzu rund 21 Milliarden Franks ausgeworfen. Dabei wird aber nicht sonderlich betont, daß auch Deutschland für die iWederaufbauarbeiten sein Budget mit zahlreichen Milliarden belastet und daß Deutschland nach dem Friedensvcrtrag alle Kosten dieser Ausbauarbeiten zu tragen hak. Auch an sich bietet die französische Finanzlage im Vergleich zu eutschland ein gün - stigeres Bild insoweit, als im laufenden Jahre sich die Ausgaben in bedeutend engeren Grenzen halten und Frankreich sogar einen Teil seines Auslandsschulden decken konnte. Für die italienische Dele gation sprach Senator Ferrari. Hier ist die Finanz- und wirtschafts politische Lage als ernst zu bezeichnen, namentlich wegen der wirtschaft lichen und sozialen Kämpfe. Brüssel, 1. Oktober. Der französische Bericht betont, daß die Staatsausgaben vom 1. August 1914 bis zum 11. November 1918 200 Milli arden Franken betragen haben. Davon wurden 32 Milliarden Franken durch Steuern gedeckt, 54 Milliarden Franken durch konsolidierte innere Anleihen, 32 Milliarden durch ausländische Anleihen und 50 Milliarden durch Anleihen auf kurzfristige Vorschüsse der Banque de Franc« und von Algier. Alles mögliche wurde getan, um das Budget abzuschließen. Das glückte jedoch erst im Juli 1920. Da betrugen die normalen Ausgaben 22 Milliarden, wovon 12 Milliarden für Zinsenzahlungen auf Schulden anzusehen waren. Das Gleichgewicht wurde durch neue Steuern erzielt, die 8 Milliarden aufbringen sollten. Das sind 754 Franken für den Kopf der Bevölkerung gegenüber 129 Franken im Jahre 1913. Die Steuern auf die großen Vermögen stiegen auf 370 Prozent. Für di« verwüsteten Gebiete sind 20 Milliarden auS- gegeben, davon 19 Milliarden seit dem 1. Januar d. I. Wichtige Er- gebniss« wurden erzielt. 77 Prozent der vernichteten Industrien sind wiederhergestellt oder teilweise dem Betrieb zurückgegeben. 42 Prozent der Arbeiter von vor dem Kriege sind wieder tätig. Die gegenwärtig« Kohlenproduktion beziffert sich in -en ersten 6 Monaten des Jahres 1920 auf 6 Prozent der gleichen Produktion des letzten Friedens jahres. Es bleibt nojch viel Arbeit zu tun, besonders mit Rücksicht auf die Kohlennot, die in den verwüsteten Gebieten sehr ernst ist. Es sind dort 590 000 Häuser zerstört und davon 200 000 glatt verschwunden. Die Staatsschuld betrage 236 Milliarden, davon 124 in konsolidierten, 23 Milliarden ln kurzfristigen Anleihen, 21 Milliarden in schwebender Schuld und 26 Milliarden in Vorschüssen an die Zentralbank. Nur von Zeit zu Zeit kann di« Konsolidierung dieser Schuld stattsinden. Es lind Verhandlungen mit der Bangue de France in der Schwebe, um die Vor schüsse des Staates abmlösen. Man hofft, mit der jetzt zu erwartenden neuen Anleihe damit beginnen zu können. D e ausländisch« Schuld ist wesentlich verringert worden, der englische und der amerikanische Staat Haden jedoch noch immer große Forderungen. Der Bericht schließt mit einem Appell an die Konferenz, Frankreich durch Erfüllung des Friedensvertrages in seinem Bestreben nach Wiederaufbau zu stützen. Der Oberst« Rat habe durch seinen Entschluß vom 8. März d. I. diese Frag« als dringend und nicht nur im alleinigen Interesse Frankreichs, sondern von ganz Lurqpa liegend erklärt.
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