Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.09.1920
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1920-09-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19200928011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1920092801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1920092801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-09
- Tag 1920-09-28
-
Monat
1920-09
-
Jahr
1920
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Seite L Rr. 4SL. Morgen-Ausgabe Leipziger Tageblatt Dienstag, W. September MV Amtlicher Auszug aus der Denkschrift für Brüssel Berlin, 27. September. Die aus der Brüsseler Internationalen Finanzkonferenz von Deutschland überreichte Denkschrift legt u. a. dar: Der deutsches Bevöl kerung war ein so enges Zusammenrvoynen in einem von Natur nicht mit betonterem Reichtum ausgestatteten Lande nur dadurch möglich, daß sie, gestützt aus den verbältniSmäßlgen Reichtum an Kokle, Arbeit exportierte, die sie vornehmlich an inländischem Eisen und an den verschiedensten aus ländischen Rohstossen betätigte. Demgegenüber trat die Bedeutung des reinen Durchfuhrhandels sowie des Eeesrachlgeschäftes auf fremde Rech nung in den Hintergrund. Vielmehr waren Handel und Schiffahrt Deutsch lands in erster Linie Hilfsmittel der deutschen Eigenwirtschaft. In dem letzten Jahre vor dem Kriege wies der deutsche Außenhandel mit etwa 1l Milliarden Goldmark aus der Einfuhrseite und etwa 10 Mil liarden auf der Ausfukrseite eine mäßig passive Handelsbilanz aus. Die Mehreinsuhr wurde mit Erträgen aus AuslandSkapltal und mit Gewinn aus der Seeschiffahrt und anderen internationalen Dlenst- l<istungen mit Leichtigkeit bezahlt. Die natürlichen Grund ¬ lagen der deutschen Wirtschaft haben sich durch das Er gebnis des Krieges außerordentlich verschlechtert. Selbst wenn man von den allgemeinen Folgen des Krieges und der politischen Wirren vollständig absieht: die deutsche Wirtschaft erlitt eine empfindliche Einbus«, beson ders in bezug auf ihre Kohlen- und Eisendasis. Zudem ist sie in hohem Maße durch den Krieg verschuldet und hat durch den Frieden von Versailles unermeßliche Verpflichtungen ausgebürdet bekommen. Die Erhaltung einer der bisherigen Volkszahl entsprechenden Bevölkerung auf deutschem Boden ist nur möglich, wenn es gelingt, einerseits den Eigenbedarf dieser Bevölkerung in den denkbar engsten Grenzen zu halten und ihn so wohlfeil wie möglich zu decken und andererseits dieser Bevölkerung Gelegenheit zu geben, durch Arbeit so viel Werte zu schaffen, daß sie in der Lage ist, diesen Eigen-Mmdestbedarf zu bestreiten und darüber hinaus allmählich die Verschuldung an das Ausland abzutraqen. Deutschland ist, wenn es über haupt je wieder zur Gesundung kommen soll, in noch viel stärkerem Maße als in der Vorkriegszeit darauf angewiesen, Rohstoffe einzuföhren und Ferllgfabrikale auszuführen. Dabei muß es unbedingt im Gegensatz zu der passiven Handelsbilanz der Vorkriegszeit zu einer stark aktiven Handelsbilanz kommen, weil nur dadurch > ack dem Fortfall von Erträgen aus Auslandskapital und Schiff fahrt eme Zahlung a f die Auslandsschulden überhaupt ermöglicht wird. Deu'scbland kann die ihm auferlrgten Geldschulden, wenn überhaupt, so nur mit Waren bezahlen. Deutschlands Vorräte an Bedarfsmitteln waren bei Beendigung des Krieges vollständig erschöpft. Der Außen- lmndel Deutschlands nach Aufhebung der Blockade stand unter dem Zeichen eines außerordentlich starken und dauer: 'en Cinsuhrbedarfes an Lebensmitteln und industriellen Robstossen. Andererseits konnte die Aus fuhr sich infolge der starken Unterernährung der Bevölkerung sowie der allgemeinen wirl'ckasllichen Schw erigkcilen erst allmählich wieder in Gang gebracht werden. Der Einfuhrüberschuß im «ganzen Jahre 1919 kam auf die erschreckende Höhe von 22 319 Millionen Mark: dabei ist n jcht berücksichtigt, daß erhebliche Teile der Ausfuhr für d e Wiedergutmachung der deutschen Wirtschaft nicht zugute kommen. Für Januar bis Ma! 1920 kommt hierzu ein Einfuhrüberschuß von -1800 M l- lionen Mark. Die Handclrbilunz.weist eine Passivität van einer Höhe auf, die aus die Dauer zur völl gen Aushöhlung und Erschöpfung der deutsch«« Wirtschaft stlkren muß. Sekr zum Schaden der deutschen Wirtschaft sind bis zum Frühf hrc 1920 über große Mengen an nicht le-bsnSnotwew'igen Be- darfsmitieln und ausgesprochene Luxuswaren über die auf Anordnung der Besatzungsmächte tatsächlich dem freien Handel geöffnet gewesenen Zollgrenzen des besetzten Gebietes in das deutsche Wtirtsjchast-gebiet gelangt. De Ausfuhr nahm im Herbst infolge des jähen Sturzes der Markwabr-ung eine ungesunde und für die heimische Bedarfsdeckung gefährliche Entwicklung. Der starke Valutaanreiz dauerte bis zum Frühjahr 1920 an. Dann wirkte auf die deutsche Ausfuhr die >n allen Ländern einkretende Absatzstockung ein, die insoge des starken Ansteigens des Preisniveaus aus der einen Seite und des schnellen Sturzes der Devisenkurse aus der anderen Seite in Deutschland bald den Charakter einer ernstlichen Wirtschaftskrise annahm. Die Tatsache, daß die akute Lebensgefahr fär Deutschland noch nicht überwunden Ist, zwingt das Reick nach wie vor zu sehr einschneidenden staatlichen Ein wirkungen aus die W.rtjä-astssührung, insbesondere auch auf dem Gebiete des Außenhandels. Die anormale Entwertung der Markvaluta brachte die Erscheinung, daß die privatwirlschaftlichcn, in Mark kalku.rerten deutschen Preise bei der Ausfuhr zu einer schweren volkswirtschaftlichen Gefahr wurden, die unter dem Schlagwort des deutschen Ausver kaufs gekennzeichnet zu werden pflegte. Cs war daher ein notwendiger Akt der Selosthilfe. zu Valutazuschlägen zu greifen, solange In- und Auslandspreise infolge des schnellen Sinkens der Valuta eine übergroße Spannung auswiesen. Aus der Einsuhrseite zielte staatliche Einwirkung aus möglichst auskömmliche und wohlfeile Deckung des auf Einfuhren angewiesenen Kriegsbedarfs und lebensnotwendigen Bedarfs und aus Fernhallung nicht unbedingt notwendiger Einfuhren. Zurzeit ist die Ein fuhr wichtiger industrieller Rohstoffe, insbesondere die vornehmUchsten Faserstoffe, von jeder staatlichen Einwirkung frei. Auch für die Eintuhr von Ledens- und Futtermitteln sind wesentliche Erleichterungen geschaffen. Hinsichtlich der Ausfuhrpolitik haben sich die Verhältnisse gegenüber der Krirgszeik wenig verändert. Ein staatlich organisierter Warenverkauf nach dem Auslände hat auch während des Krieges so gut wie nie bestanden. Die Preiskontrolle, d. h. die Verhin derung von unwirtschaftlich«! Warenverschleuderung, ist gleichfalls in Zeiten sinkenden Markkurses besonders bedeutsam. Bei dem außer ordentlich starken Unterschied, den die Bewertung der verschieden«» nationalen Währungen ergibt, und bei den starken Veränderungen, denen die valutarischen Verhältnisse nach den Erfahrungen der ver gangenen Zeit ausgesetzt sind, ist Deutschland vorerst nicht in der Lage, bei der Prersbemessung auf die Berück sichtigung des Valuta st anües des Bestimmungs landes vollständig zu verzichten. Im Jahre 1920 ergab sich ein Ueberschuh der Einfuhr über die Ausfuhr im Januar um 3341 Millionen, im Februar um 1670 Millionen, im März um 1467 Millio nen, dagegen im April ein Ueberschuß der Ausfuhr über die Einfuhr um 576 Millionen und im Mai ein solcher um 1110 Millionen. Die Frage der Staatsfinanzem auf der Brüsseler Konferenz Anregungen des englischen Delegierte« Brand. (Eigener Drahtbericht.) . Brüssel, 27. September. Die internationale Finonzkonferenz nahm am Alontog ihre Arbeiten unter dem Vorsitz AdorS wieder auif. Di« Aussprache über die öffentlichen Finanzen wurde von dem Vizepräsidenten der Konferenz, Mitglied der englischen Abordnung Brand, eröffnet. Brand führte aus, der Stand der öffentlichen Finanzen habe keinen Wert, wenn die Lag« jedes Einzelnen zu wünschen übrig lasse. Der Krieg hab« einen Umsturz in der Lage jedes Einzelnen und eine Um wälzung aller Kapitalien bewirkt. Vor allem fei es ulso wichtig, di« Lage wiek-ercherzustellen. Au den von Brand angezeigten Mitteln gehört zunächst die Hemmung der skandalösen Vermehrung der Möglichkeit, Geld auszukausen, ferner dos Aufhören der Praxis, unproduktive Aus gaben in die Budgets aufzunehmen. Natürlich werde man auch die produktiven Ausgaben so weit wie möglich zu beschränken haben. Es gäbe jcdcch gewisse Ausgaben, die eine Einschränkung nicht vertrügen, wie- die nationalen Schulden und die Pensionen. Aber man könne bei den Rüstungen Ersparnisse bewirken. Bedingung ein«r jeden Riislungsernschränkung sei, Saß sie im Einvernehmen aller Regierungen zustande komme. Brand rät den Regierungen, sich allen sozialen Nläß- nuhmen zu widersetzen, die, wie z. B. di« Sozialisierung, die Lage nur verschlimmern könnten. Der Redner wünscht im Interesse der europäischen Finanzen auch die nröalschst rusch erfolgende Auf hebung aller Beschränkungen der Handelsbeziehun gen zwischen den Nationen. Brand ist überzeugt, daß das Haupthindernis für die Wiederausnahme normaler Beziehungen zwischen den Nationen in der politischen Unbeständigkeit in Europa zu finden sei. Europa müsse das Risiko auf sich nehmen, d.s mit dem gegen, seitigen Vertrauen zwischen den Regierungen und Nationen verbunden sei. V elleicht wende es mißlingen, immerhin würde die Mög lichkeit gegeben sein, ans Ziel zu gelangen. Im Lause seiner Rede gab Brand die bemerkenswerte Erklärung ab, daß die Wiedergutmachungen einen integrierenden Bestandteil der äußeren Schuld Deutschlands und Oesterreichs d ldeten. Delacroix (Belgien) erklärte, er wolle davon absehen, auf den politischen Teil der Rede Brands ejnzugehcn. Er »rächte der Konferenz Vor. schlüge, dl« sich auf das von Brand angeschnittene Steuerprobkem bezogen, insbesondere auf die K a p i ta l st e u e r. Delacroix stellte fest, daß kein Land die Kapitalsteuer durchgeführt habe, obwohl die Frage überall aufgeworfen worden sei. Er wünschte, die Konferenz möge die Kapitalsteuer gründlich prüfen. Lord Chalmere besprach die Darlegungen Brands und betonte, das wichtigste Heilmittel für die gegenwärtige Lage sei die Verringerung der Ausgaben, insbesondere für die Rüstungen. In der Nachmitlagssitznnq setzte Rizzi (Italien) auseinander, was sein Land getan hab«, um die eigenen Schwierigkeiten zu lösen. Aveno 1 «Frankreich) umgrenzte die Stellung Frankreichs gegenüber »er Finanz frage und gab seiner Genugtuung darüber Ausdruck, daß gemeinsame Hilfsmittel gegen die traurig« Lage der Welt gesucht werden sollen. Paris, 27. September. Der Berichterstatter des .Petit Journal* meldet, daß in Brüssel fünf Kommissionen gebildet werden sollen, die sich beschäftigen werden: mit der Vergleichung der Finanzbilanz der verschiedenen Staaten, mit der Münzfrcrge, mit den Mitteln zur Verminderung der Ausgaben, mit den internationalen Anleihen und Krediten und mit den Mitteln zur Erleichterung des internationalen HandeL. Tagung der demokratischen Reichstagsfraktion Reichs»«nister Koch über die Regierungsbildung und da» Verhältnis Mische» R<lch nnd Ländern. Ulm, 27. September. Im Anschluß an den Bericht des Parteivorsthenden Dr. Petersen über die politischen Parteien nahm Reichsminister K o ch zu längeren Dar egungen das Wort. Er begann mit der Feststellung, daß er grundsätzlich ür eine Beteiligung der Sozialdemokratie an der Regierung eingetreten sei. Es sei im höchsten Grade bedenklich, wenn in Deutschland ein Zweiparteiensystem in dem Sinne bestehe, daß bald di« Arbeiterschaft mit sozialen Experimenten, bald das Bürgertum mit mehr oder minder manch«sterlicher Anschauung den Staat leite. Wahrscheinlich werde sich der deutsche Parlamentarismus wie in Frank reich entwickeln, weil die Regierung bald mehr rechts, bald mehr links zusammengesetzt, niemals aber nur aus einem der Extreme gebildet fei: aber jetzt sei die Frage der Beteiligung der Sozialdemokratie an der Re gierung in einer Weise erledigt, daß von der Regierung oder der Partei n'cht darauf zurückqekommen werden könne. Die neue Regierung habe sich noch nicht bewähren können. Sie sei aber in sich gefestigt und arbeite gut zusammen. Der Minister erklärte unter Zustimmung der Fraktion, daß er wisse, die Fraktion werde im Interesse der Gesundung unserer Verhältnisse auch solche Wege mit der Regierung gehen, die anfangs nicht populär seien. Es sei nicht Aufgabe der Regierung, sich unter allen Umständen zu halten, sondern dasjenige zu tun, was sie für richtig halte. Ueber das Verhältnis des Reiches zu den Ländern sagte der Mi nister: Eine Rückkehr zur Hegemonie Preußens werd« heuke von den Süddeutschen nicht mehr geduldet werden. Die Lösung bestehe nur in einer starken Dezentralisation Preußens, bei der jede preußische Provinz mit ihren Stimmen im Reichsrate zur Geltung gelange. Im Verhältnis zu den süddeutschen Staaten sei die Frage .Unitarisnvus oder Föderalis mus?' ein Schlagwort, unter dem sich jeder etwas anderes denke Es müsse auf allen Seiten der gute Wille bestehen, die Lasten der nationalen Einheit ebenso willig zu tragen, wie ihre Vorteile. Nur auf der gegen seitigen Anschauung^ -aß man aufeinander angewiesen sei, könne sich eine friedliche Zusammenarbeit entwickeln. An dieses Referat schloß sich eine eingehende Aussprache, an der sich besonders di« Mitglieder der süddeutschen Landtage beteiligten. Es herrschte Einigkeit über das Erfordernis einer einheitlichen und festen Führung durch das Reich, zugleich aber einer Dezentralisation auf allen Gebieten, wo ein« einheitlich« Regelung nicht erforderllch sei. Schiffer über die Zukunft der Sozialdemokratie Reichsminister a. D. Schiffer nimmt in seiner politischen Wochenübersicht in der .Magdeb. Ztg.' die Selbstzerfleischung der Un abhängigen zum Anlaß, die Zukunft der Sozialdemokratie einer Be trachtung zu unterziehen. Er schreibt: .Große Teile der Unabhängigen gehen unter das Joch von Moskau und werden fortan der Fahne folgen, die Herr Levy und Frau Zetkin vorantragen. Die anderen aber bleiben nicht bei Herrn Ledebour und Herrn Henke, bei Frau Zietz und Fräulein Sender. In großen Scharen strömen sie zur allen Sozial- demckratie zurück. Nlag auch der parlamentarische Restbestand der Unabhängigen noch über eine gewisse ^hl von Abgeordneten verfügen — im Lande werden sie nicht mehr so viel hinter sich haben, daß sie eine wirkliche Bedeutung oesitzen und etwa bei Neuwahlen eine große Rolle spielen könnten. 8ic traasit Gloria munclr. Was sie selbst ernst der Mehrheitssozialdemokratie zugesügt haben, wird ihnen jetzt zuteil: und sie, die glaubten und glauben kannten, daß sie die Zukunft der prole tarischen Bewegung Deutschlands darstellten und in sich verkörperlcn, müssen mit Schrecken auf einmal sehen, wie diese Bewegung über sie hinweggeht. Freilich wird auch die jetzt emporschießende Kommunist.sche Partei sich ihres blühenden Aussehens nicht ewig erfreuen und an der neuen Wendung der Mnge kein dauerndes ungetvübles Vergnügen empfinden. Sie wird aus sich heraus immer weiter sich überslürze.idc Bewegungen erzeugen, die mit Naturnotwendigkeit schließlich im Chaos endigen. Aber im Augenblick kann jedenfalls damit gerechnet werten, daß sie und di« Mehrheitssozicudemokratie den Mitgliederbestand der Unabhängigen zum erheblichen Umfang« unter sich vsrke.lsn <N.-b r üb«r diesen Gang der Dinge nicht eben unglücklich ist, läßt sich begreifen. Ihre MibgliederLsten schwellen wieder an, ihre Kasten füllen sich. D e Partei als solche erholt sich nicht bloß von dem Schlage, den ihr die letzten Wahldn zugefügt haben, sondern geht mächtig in die Höhe. Und diesen Gesundungsprozeß — denn als solchen »ruß sie von ihrem Partei standpunkt aus die Entwicklung betrachten — sollt» sie unterbreche»? Sollte dadurch, daß sie in die Regierung eintritt, die zu ihr zurück kehrenden Massen vor den Kopf stoßen und ihren Gegnern das billige Schlagwort liefern, daß sie die Rückwanderer aus dem Lager der Un abhängigen nur aufnehme, um sie an die Bürgerlichen zu verraten? Das wäre zuviel verlangt, zuviel verlangt wenigstens von einer Partei, die noch immer am Klassenkompf als ihrem Weg und an der Durchjcs)U:g des Erfurter Programms als ihrem Ziel sesthält.' * Der Plan des Kanalkunnels cmfgegeben? AuS London wird ge meldet: Der Plan einer Verbindung Englands und Frankreichs durch ein« Untertmrnel'un-g des Kanals kann infolge Auflösung der zur Aus- erbe trrng der Pläne gebildeten englischen Mili-tävkomuMrvn vorläufig als gescheitert betrachtet werden. Der Schlaf und seine krankhafte« Störungen Von Dr. med. Löhmann. Wenn wir fest und traumlos schlafen, ruht die Tätigkeit der Nerven zellen in der Großhirnrinde. Wir bejrnden uns dann, physiologisch aus- gedrückt, in der gleichen Lage, wie ein Mensch, dem beide Großhirn- l^lbkugcln entfernt sind: die seelische Tätigkeit ruht vollständig. Die tieferen Vorgänge rm Ze'Uralncrvensystem, die zum Schlaf führen, sind noch nicht vollständig aufgeklärt, doch wissen wir, daß es sich um einen Erschöpfungszustand der Großhirnrindenzelleir, die ihre Spannkraft und Leistungsfähigkeit eingebüßt haben, handelt. Das Organ bedarf der Rude, um die verbraucht« Substanz zu ersetzen und die sich in seinen Zellen ablagernden .Ermüdungsstofs«', di« sog. Stosswechselendproduirte» wieder beseitigen zu können. Gleichzeitig mit diesem Zustand der Er schöpfung findet sich im Schlaf oder richtiger bei eintretendem Schlaf bedürfnis eine gewisse Blutleere der Hirngesüße. Wie hier bereits bemerkt sein mag, ist diese relaiive Blutleere dcS Gehirns die eigentliche Ursache des MüdigkeitSgcfühls, und wo diese Blutleere nicht Eintritt, fehlt auch säst immer das erwünschte und zum normalen Schlaf führende Gefühl von Müdigkeit. — Im tiesen Schlaf sind die Pupillen inaximal verengt und reagieren nicht mehr aus Lichleinfall, ist die Atmung ver langsamt und der gesamte Stoffwechsel verzögert und eingeschränkt. Bekannt ist die eigenartige Erscheinung, daß selbst stärkste Geräusche len Schlaf nicht stören, wenn der Schläfer sie gewohnt ist, daß dagegen das plötzliche Aufhören derselben zum Erwachen führt (der Müller wird wach, wenn die Mühl« stillsteht!). — Die Tiefe des normalen Schlafes schwankt innerhalb der Nacht: nach dem Einschlafen folgt meistens ein 1—Inständiger tiefer Schlaf, der sich dann langsam etwas verflacht und schließlich mehrere Stunden vor dem Aufwachen in fast gleicher, geringer Tiefe verharrt. Aeußere oder innere Reize vermögen die Ties« plötzlich zu verringern, doch folgen dann wieder neue Ver tiefungen. I« tiefer der Schlaf ist, um so länger dauert er. — Das Schlafbedürfnis des Menschen ist individuell ganz verschieden und richtet sich noch dem Grad« der Ermüdung, d. h. dem Ruhebedürfnis, das wiederum nach der Dauer der vorangehenden Wachzeit und den ge leisteten Arbeiten und Anstrengungen sich bestimmt. Man bezeichnet acht Stunden Schlaf alt ausreichend für den gesunden Erwachsenen und z«kn Stunden für das Kind. — Ein« desonder«, jedem bekannte Begleit erscheinung bet Schlafet ist häufig der Traum. Meist stellen sich Träume gegen Morgen, gegen die Zett det Erwachens eln, entsprechend der abnehm«nden Tiefe det Schlafet, dte zum Zustandekommen der Träume erforderllch ist. Träume sind nichts änderet, als ein« d«t nicht mehr ganz tiefem Schlaf sich wieder einstellende psychisch« Tätigkeit, di« pch aber noch tn «tner von den normalen psychischen Prozessen obweichen de-n Form abspi«st. Sie umfassen entweder Empfindungen, denen die objektive Ursache fehlt (Halluzinationen) oder meist nicht zur Aus führung kommende Willensäußerungen oder Gedankenbildungen, denen zumeist die gesunde Logik des Denkprozesses im wachen Zustande abgeht. Diese Definitton der Träume kommt zweifellos den wirklichen physio logischen Verhältnissen am nächsten. Träume sind also weder besondere .Eingebungen' noch kommen sie «aus dem Magen'. Von den hauptsächlichsten Störungen und Abweichungen, die dis vorstehend gegebene Bild d«s Schlafes verändern, kommen hier nur die beiden, Gegensätze darstellenden Zustände des gesteigerten Schlafet, die sog. Schlafsucht, und det ungewollt verminderten Schlafes, die Schlaflosigkeit, in Betracht. Die erstgenannte Abweichung, mit der man nicht das gesteigerte Schlafbedürfnis nach entsprechend ge steigertem Kräftevcrbrauch verwechseln darf, kommt vor bei gewißen Krankheitszuständen, z. B. bei dec sog. Addisonschen Krankheit, bei Nerven- u.rd Gehicnleiden (nach Gehirnerschütterung) und nach der innerlichen Einnahme bestimmter, als Schlafmittel benutzter Narkotika. Erwähnt werden muß ferner die in Westasrika epidemisch auftretende Schlafkrankheit der Neger, di« sehr lange Schlafzustände mit sich bringt und als schweres Gehirnleiden meist binnen Jahresfrist zum Tode führt. Gelegentlich belanniwerdende Zustände von tage- und wochenlangem Dauerschlaf, di« stets zu einer künstlichen Ernährung nötigen, seien in diesem Zusammenhang gleichfalls angeführt. Viäl häufiger und praktisch bedeutsamer ist der gegenteilig« Zu stand, die Schlaflosigkeit. Zunächst ist auch dieser Zustand eine Folge und Begleiterscheinung mancher Krankheiten, z. B. mancher 2Nagen-, Darm- und L«berleidcn, ferner gewißer Gehirnerkrankungen, wie der Gehirnhautentzündung und der prpgrcssiven Paralyse (Gehlrnerweichung), ganz besonders aber der Neurasthenie. Natürlich halten stärkeres Fleber und dauernde heftige Schmerzen gleichfalls den Schlaf fern und bedingen eine ost quallioile und gefährliche Schlaflosigkeit. Wir wollen uns hier gleich der praktisch wichtigsten und häufigsten Art zuwenden, der sog. nervösen Schlaflosigkeit. Man bezeichnet mit diesem etwas unbestimmten und schwankenden Ausdruck oll« lene außerordentlich häufigen und zahlreichen Fälle vollständiger oder teilweiser Schlaflosig keit bei nervösen Reiz- und Erregungszuständen, bei Ueberarbeitung be sonders auf geistigem Gebiet« usw. Wie qualvoll und schließlich auch gefährlich (Erschöpfung) dieses Leid«« srin kann, muß mancher an sich erfahren. Die Behandlung der Schlaflosigkeit Hot natürlich in erster Linie nach der Ursache zu forschen. Ist die Schlaflosigkeit eine Folge von körperlichen Leiden, von Fieber und Schmerzen, muß selbstverständlich s«d< Behandlung sich zunächst gegen das Grundübel richten. In solchen Fällen wird man vielfach vhn« künstlich« Mittel nicht ouskommen. Die Schmerzen wird man mit Morphium oder Opium oder Aspirin, dos Fieber Mit den üblichen Fiebermitteln bekämpfen dürfen und ost müßen, um durch dauernd« Schlaflosigkeit bedingter Erschöpfung zu begegnen. Hier sind dann auch, aber immer nur auSnahmswets« und so kurzdauernd wie möglich, die eigentlichen Schlafmittel, das Veronal, Chloralhydrat u.a., am Platze. — Anders bei der vorstehend schon gekennzeichneten .ner vösen' Schlaflosigkeit. Die Bekämpfung dieses Uebels muß unbedingt mit natürlichen Mitteln — je natürlicher, desto besser — be gonnen werden. Was dem einzelnen am besten nützt, »ruß aosprobiert werden. Manchmal besonders für geistig angestrengt arbeitende Menschen, die nicht genügend körperliche Bewegung und Ausarbeitung haben, genügt schon weiteres Spazierengehen, Gymnastik (aber nicht kurz vorn» Schlafengehen!)), etwas Sport, wobei daS in jeder Großstadt leicht zu erreichende tägliche Schwimmbad an erster Stelle steht, um selbst länger bestandene, aber nicht richtig behandelte Schlaflosigkeit zu be seitigen. Was sonst noch alles zu tun und zu laßen ist, sei kurz angeführt: Man versuch« auch lauwarme Bäder, Packungen, feuchte Einwicklungen des Körpers, Massage und eventuell auch elektrische Maßnahmen (Gal vanisation des Kopfes), ferner denke man an die Lust im Schlafzimmer, lasse auch nachts womöglich em Schiasttubenfenster auf. Man unterlaße schweres Essen, Kaffee-, Tee- und Alkoholgenuß vonn Schlafengehen, obgleich nicht bestritten werden darf, daß besonders letzteres tn Gestalt deS beliebten .Schlummerpunsches' gelegentlich gute Dienste leistet. Doch damit verlaßen wir schon das Gebiet der natürlichen Hilfsmittel und wenden unS d«n narkotisierenden Mittel» zu, unter denen der Alkohol bekanntlich obenan steht. Die natürlichen Mittel sind aber noch nicht annähernd erschöpft. Die einfachsten und dabei ost über raschend wirksamen sind noch nicht erwähnt: Wenn wir alt Kinder mal nicht einschlafen konnten, vermutlich infolge von Schulsorgen oder zu lange in den Abend ausgedehntem Aufsitzen bei den Klaffenarbeiten, dann sagte unsere Mutter, wir müßten etwas Ruhiges, Friedliches oder an etwas sanft und gleichmäßig Bewegtes denken, z. B. an ein vom Winde sanft bewegtes, wogendes Aehrenfeld. Und es nützte! Als Erwachsener wend« ich noch immer dieses .Schlafmittel' zuerst an. Also die Gedanken möglichst dauernd auf etwas Freundliches, Angenehmes oder wenigstens auf etwas durch eine gewiss« Gleichförmigkeit beruhigend, einschläfernd Wirkendes hinwenden, dos ist auch ein, und kein schlechtes, Schlafmittel. Aehnltch wirkt nicht selten leichte, vielleicht sogar etwas iangweilige Lektüre: Professor R. tu M. empfahl zu diesem Zwecke stets die nächt liche Lektüre eines kleinen, durch seinen wenig aufregenden Inhalt be. kannten Kreiüblättchens. Oder man versuche «S mit gelegentlicher nächt licher Nahrungsaufnahme. Wie eingangs erwähnt, ist «ine gewiff« be stehende Blutfülle ln den Gehirngefäßen dte Ursache der ausbleibenden Müdigkeit. Essen, d. h. Beschäftigung von Magen und Darm, leitet das Blut dorthin und entlastet die Kopfblotadern. Man habe also stets etwas Schokolade oder Kakes oder anderes bei der Hand und fang« bei hartnäckiger Schlaflosigkeit im Bett« an z» .knabbern'. Es hilft getogenllich überraschend. Auf dem gleichen Prinzip, der Blutabziehung vom Kopf«, beruht das häufig vorm Schlafengeh«, angewandt« heiße Fußbad. Man sieht, es führen viele Wege nach dem Rom der Träume, di« alle erst begangen werden sollten, ehe man schwerstes Geschütz (narkotische Schlafmittel) ausfähH.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)