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Morgen-Ausgabe t»r L.tpjl, »ad <v»r»kt» rigttch b<« VtKUgSP»k»S. L«1»«brach^S»»»«,,««I«M» a,n »«oad4 »oaaU. AOv.—. »I«r1«l>ddrl. M.S0^-: fdr Adh»l«e »»»att. M. SSO. M»ka»».«a«,»S» all«»» M. 7^0 maaetllch, Ad.nd-Aul^d« all«», M L— »oaalllch. v»rch »»fdr» °«»1rU,»» glNal«, «ad Pa»« dr»chl »oaatlich M. 10,—, »I»U»l «brltch M. SV.—; durch dl« p»ft «a»»«d»ld D«»t>chl»nd« S»Iamt-A»taad» moaakllch M. 7.S0, »l«rt«>!Idk- Uch M. 22.80 <a»1lch!l«bllch p,stb«ft»llg<dddr). A»el<iab«»«il»»dr »»»«tllch M. 1L— »ad Dr»<»lach«n-'pdrl». Ma,»la«m»«rn: M»r,«a- U«<«ad« » Pf, «d»n»Sl»«»>d» 70 Pf. S»»»t»^.«»«aad» « Pf. Handels-Fettung Dar Letpztyrr lagrülatt enthält d»e aintltchen velaonimachuu,cn d«i> Ratet» und de- Polizetamtr» der Stadl Leip.tg, der -tmtLaerich:» Lrt»,Ig und der »SÄftschen StaatSmintftrrleii »rc-Zdr« sowie verschiedener anderer Behörde». 114. Jahrgang Anzeigenpreis: M. 2L: A»t«la«a »»« S»dlrd«» lm „lilch«, L»U dl, Ä»»p«rell>«j,ll« M.LS0, ».»»«»,M.L-: »l»la« A«i«t,«a dl, Aoaparelll^ell« Pk »ea anlwLrt« Mk. 1ch0,Äeschäfl«ani«lg,n mlk PlatzverschrMe» l» Prell» »rdddt. Platz »ad Vat«»oorichrtsi »ha, Pirdladllchlielt. Betlaooprils» ftzr dl» Tilamtaiflag. Md. 1L— «»tt», ftzr r»lla»slaa« Mtr iL— »»«» »r»Mill», Pöstatzflaa« Postgedtzhr »str». g«as»r«ch-A»lchl»tzU»1-«>L 14«», t4t»4. - Post,ch«<dd»«k»7»'>,. echrlf,,»»»»- »ad S«Ich4stt»»lt«: retpjsg, Zoh»«U«gaß» .«e. V«rla, De,4t«l»d»ld » L», L«tp»t» 1920 Donnerstag, den 16. September R» 4SS — "1 —»<e Ser Plnislhe AnWiz ms SierWHen Enthüllungen über die polnischen Putfchplüne Eine Role der deutschen Regierung. (Draht bericht unserer Berliner Schriftleitung.) Berlin, IS. September. Die deutsche Regierung hat durch den deutschen Bevollmäch tigten für -en Abstimmungsbezirk Oberschlesten beim Präsidenten der interalliierten Kommission in Oppeln, General Lerond, gestern eine Note übergeben, die sich mit den polnischen Putschplänen befaßt, über die wir im gestrigen Abendblatt berichtet haben: .Die deutsch« Regierung ist im Besitze von polnischen Opera- tionSpläaen und orgaaisatorischeu Anordnungen, von Meldungen und Befehlea, die in ihrer Gesamtheit «inen neuen Beweit für die Absicht einer gewaltsamen BesehungOber- schlesien« und für das Bestehen einer hierza geschaffenen geheimen polnischen Kampforganisation erbringen. ES wird anheimgesteüt, die Originaldokumente im Auswärtigen Amt durch einen Bevoll mächtigten eiafehen zu lasten. AuS dem Material ergeben sich folgende Einzelheiten, die zum Teil awch den Schlüssel zu den Vorgängen der letzten Wochen liefern: Das gesamt« AbstimrmntBv^kkü ist von der geheimen Organisation t m S Bezirke gegliedert, die Unterabteilungen nach den landrällichen streife» und 74 RayonS umfassen. Innerhalb der RayonS find Zehner- ' schäften organisiert, die die kleinste Kampfeinheit darstellen. Jeder Rayon muh mlndestcuS verfügen über eine Sturm- und eine Maschinen- gewehr-Zehnerschaft, um die sich Jafaaterie-Zehner- schäften gruppieren. Die Zehnerschaften bestehen a»S besonders ver- psiichteten OrtSeingeseffenen. Nach dem Stande vom 1. Juli 1920 zählte diese Organisation 11736Köps«. Daneben bestehl die in dl« RayonS eingegliederte Hilfsorganisation des polnischen Selbstschutzes der Hütten-, Gruben- und Lisen- s bahn-, Sport- und Gesangvereine (die sogenannten Sokols). Ao ihr ' gehört auch der Verband der Haller-Truppen, der Anfang Juli bereits 7000 Mann umfahle, und dessen Mitglieder durch Vermittelung des pol nischen Roken Kreuze» in Beuthen ihren militärischen Sold weiler- erhiellea. Aufgabe der HllfSorganlsalion ist die überraschende Wegnahme der industrielle» Anlagen und Eisenbahnen sowie die Verhinderung unerwünschter Truppentransport«. Die Leitung ^er Gesamtorganisakion ruht bei dem Obersten Kommando, das auf polnischem Boden in SoSnowice seinen Sitz hat, und dem di« .» Bezirk« rm nüttelbar unterstellt sind. Dem Obersten Kommando liegt Li« Verständigung mit den polnischen höheren Behörden ob. Aufgabe der Organisation ist, sich der sogenannten Operationsbasis zu bemächtigen. Diese umfaht die Kreise Tarnowitz, Beuthen, Hindenburg, Kattvwih und Pleß, also de» Hauptindustriebezirk. Zur Durchführung dieser Aufgabe sollen auS einem Teil der Einheiten dieser Kreise 3 Bataillone Infanterie, eme Stoßtrupp- und Maschinengewehrkompanie überraschend zusammen gezogen werden, nm die Ostgreaze der Basis, etwa di« Linie Teschentin- SoSniha-Dembtna, zu besetzen. Die übrigen Einheiten, formiert zu einem Bataillon Infanterie, 3 Stoßtrupp- und 3 Maschinengewehrkompanien, ^o,2en, unterstützt vom Selbstschutz, die in der Basis gelegenen Städte nebmen und etwaigen deutschen Widerstand brechen. Insgesamt wurde Mitte Juli fsierfür mit rund 10 000 Mann gerechnet, darunter die oben- crwähnten 2000 Mann vom Verband der Hallerirappen. Ja enger Verbindung hiermit steht ein Aufmarschplaa, nach welchem auf polnischem Boden bereilgestellte Streitkräfte sich zu ge gebener Zeit des gesamte« Abstimmungsgebietes bemäch tigen sollen. Diese Streitkräfte versammeln sich bei Czenstochau, Bend- zsv, SoSnowice, Jaworzno, Jelen und OSwiecim. D«r Plan sieht vor Bahntransport bis in die Linie Lablinitz-LoSlau im Kreis« Nybalk, von dort entweder weiterer Bahntransport oder Fußmarsch auf besonder« zu gewiesenen Marschslraßen dis zur Westgrenze d«S Abstimmungsgebietes mit anschließender Besetzung der Grenze. In einem Operationsbefehl nom 11. Juli 1920 mit der Unterschrift «Jooscy alias LaSkerosky, Ehef deS Stabes', wird im Intereste der Geheimhaltung befohlen. «S soll« deu eigenen Leuten vorgespiegelt werden, daß der Zweck der Organisation die Abwehr einer deutschen Ueberrnmpelong sei. Die deutsche Regierung beehrt sich» der interalliierten Kommission von vorstehendem Kenntnis zu geben. Sie glaubt, gerade im gegenwär tigen Augenblick ihre früheren Warnungen eindringlich wiederholen zu sollen, weil sie zuverlässige Nachrichten von einer in Vorbereitung be findlichen polnischen Aktion hat. Ein schwere« Verhängnis, für da« die interalliierte Kommission die Verantwortung tragen würde, ist von dem Abstimmungsgebiet nicht mehr abzuwenden, wenn nicht schleunigst die durch den August-Aufstand geschaffenen Zustände beseitigt und die pol- nischeu Vorbereitungen für neue AufskandSbewegngeu unterdrückt werden. Bei der polnischen Regierung, der Friedenskonferenz, dem Heiligen Stuhl, den Kabinetten in London» Paris und Rom find die erforderlichen Schritte unternommen worden." Die polnischen Friedensbedingungen Die uneinige» Polen. (Eigener Drahtbericht.) Warschau, IS. September. Der Rat der nationalen Verteidigung besprach abermals di» Frie- densbedingungen Polens. LS ist kennzeichnend für die Ungeschicktheit der Organisation, daß drei Wochen nach Beginn der FrisdenSverhand- lungen mit den Russen die Friedensbedingungen noch immer nicht fest stehen. lieber die Bedingungen selbst haben sich zuerst die Partei«» ge- zankt, dann sind auch im Kabinett divergieken-de Ansichten hervorgetreten. Auch die polnischen Kreise, die einen Friedensschluh wollen, sind ver schißener Ansicht über die Bedingungen selbst. In erster Linie ist e« di« litauischeFrage, welche di« Parteien in zwei Lager spaltet. Pil- sudski sßbst verfolgt von seher di« Politik, ein mögli ch st groß«« Litauenzuschafsen.daS sogenannte historische' Litauen, dar einen Pufferstaat zwischen Polen und Rußland bilden sollte. Pilsudski ist der Ansicht, daß man sogar von Polen bewohntes Gebiet opfern sollte, um dieses Ziel zu verwirklichen. Dagegen fordern die nationalistischen Elemente, daß man dieses Gebiet Polen einverleiben und das polnische Gebiet vollständig, insbesondere Wilna selbst, annektieren sollt«. Welche von den beiden Parteien den Sieg davontragen wird» ist um so schwerer vorherzusagen» als die Litauer selber für ein kleineres Litauen sind» aber mit Wilna. Auf alle Fälle will man die litauische Frage unter keinen Umständen in Riga zur Sprache bringen, sondern man will versuchen, direkte Verhandlungen mit Litauen in Mariampol zu führen. ES ist aber anzunehmen, daß' die Russen, die mit Litauen einen Frieden abgeschlossen haben, in Riga fordern werden, daß dieser FriedenSschluß von den Polen anerkannt werden soll. Die ukrainische Frage ist auch ein Punkt, der dem polnischen Kabinett große Schwierigkeiten masst. Die Nationalisten bestehen darauf, daß die Vertreter der Ukraine in Riga erscheinen und an den Verhand lungen teilnehmen sollen, da die Ukraine eine verbündete Macht sei, die mit Polen zusammen gekämpft habe, also auch zusammen verhandeln müsse. Dagegen möchte Fürst Sapieha, der wohl weiß, daß daran die ge samten Verhandlungen scheitern könnten, mit dieser Frage die Friedens verhandlungen nicht belasten. Fürst Sapieha zeigt sich in dieser Frage seit der Ankunft deS Vertreter« von Petlsura sehr energisch. Er weigert« sich. Herrn EykoffSky offiziell zu empfangen und empfing ihn nur in seiner Privatwohnung bei einem Abendessen. Natürlich sind die Natio nalisten darüber empört und verlangen seht um so kräftiger, daß die Ukraine zusammen mit Polen verhandeln soll. UebrigenS ist gestern die »elamte ukrainische Delegation abgereist. Dagegen hat sich der General Mschroff ein eigene« Bureau in Warschau ein gerichtet. Die Polen möchten, wie wir zuverlässig erfahren, die Grenze fordern, di« die deutschen Schützengräben nach Osten bilden, also «in« eigentlich viel ausgedehntere Grenze, alt die sogenannte Curzon-Lini«. Vorläufig steht nur das fest, alles andere ist noch Gegenstand der Verhandlunaen. Man nimmt allgemein an, daß dieRussendtelSPunktefallen lassen und viel günstigere Forderungen stellen werden. Der Märtyrer von Cork Der To- des hungernden Bürgermeistert dat Zeichen zum Aufstand? (Drahtber icht.) Poris, 14. September. .Journal' meldet auS London: Ls scheint, daß man, falls der Lordmayor von Tork stirbt, mit ernsten Unruhe« in Irtan rechnen mutz. Die Frauen der englischen Offizier«, die in Irland dienen, wurden «rfgefordert, nach England abzoreisen. Ein« gleich« Maßregel wurde kürzlich in Mesopotamien ergriffen. Sie deutel darauf hin, daß man vor einer offenen Rebellion steht Der Lordmonor von Cork hat eine 'chlechte Nascht verbracht. Gestern haben die Restaurants, Hotels und Kaffees in Dublin wahrend zweier Stunden ihren Betrieb vollkommen eingestellt, da sich dat Personal nochmals in die Kirche begab, um do«t e ner Meße für den Lordmayor von Tork beizuwohnen London, IS. September. Der .TimeS'-Korrespondent meldet aus Dublin, daß di« Ver- mdlungrn über die Lösung der irischen Frage scheitern werden, wenn cn den Bürgermeister von Cork im Gefängnis sterben laste, d'r .Times' fordern in ihrem LettartikÄ auf Grund dieser Tatschb« di« ^tig« Frritastang deS OberbürgerumstterS. Pröfidentenwechsel in Frankreich? Miller and lehnt eine Kandidatur ab. (EigenerDrahtbericht.) Paris, 1b. September. Vie gestrigen Meldungen über die Verschlechterung deS Zustandes des Präsidenten bestätigen sich. Dl« heutigen Morgen blätter bringen übereinstimmend «tue Meldung, «ch der sich der Ministerpräsident morgen «ch Paris begeben wird. Am Freitag wird «in KadinettSrat statt finden, in besten Verlauf die Prästdentenfrage aufgeworfen werden wird. CS scheint demnach, daß «ine schnelle Zusammenrufung der Kammer zu einer autzerordrntlichen Sitzung erfolgen werd«, am eine Mitteilung der Regierung entgegenzunehmen. Diese Mitteilung wirb in der Vorlag« deS RücktrittSgesuchS P<ml DeschanelS and der Berufung der Kam mer bestätigt, einen neuen Präsidenten zu wählen. Man nimmt an, datz diese Ereignisse sich im Lauf« der nächsten Woche abfptelen werden. Nach dem Millerand und Bourgeois erklärt haben, kein« Kandidatur der Prä sidentschaft annehmen zu wollen, werden alle möglichen Namen genannt: Ri bot, Ionnard und Cams, Glengne, Ommergne, Raul, Perl und Eastelnau Man hofft, daß sich die meisten Politiker wieder auf eine bestimmte Persönlichkeit einigen werden, damit durch di« einstimmige Mahl -t« lückenlos Einheit d«kunduk wirb Genf «nd Brüssel Die Absage Frankreichs an Genf ist nicht sowohl ein über legener Schachzug der Diplomatie AllllerandS, als vielmehr das Eingeständnis der Furcht und der Schwäche, der Wirklichkeit der Dinge gegenüberzustehen. Frankreich will nicht nach Genf, weil eS nach seiner Auffassung sonst von Trugbildern und Selbsttäu schungen lo-kommen mutz, von denen eS politisch und wirtschaftlich lebt. Es will die Vorstellung nicht preiSgeben, daß der Vertrag von Versailles Schlcksalswerk sei, das nicht nur im Wesen, sondern auch dem Buchstaben nach keine Aenderung vertrage. Es will nicht hören und erfahren, datz die Wiedergutmachung sich nur auf Tatsachen gründen kann, daß insbesondere die Leistungspflicht in ein Verhältnis zur Leistungsfähigkeit gesetzt werden mutz. Die deutschen Vertreter Haden das Kohlenabkommen von Spa in der Voraussetzung unterzeichnet, datz die Regelung des Schadenersatzes auf die wirtschaftliche und finanzielle Lage Deutschlands Rücksicht nehmen würde. Aus diese Lage kommt es schließlich an, nicht auf die Methoden, die der Versailler Vertrag paragraphterte. Zu gegeben, datz Frankreichs Finanzen zerrüttet sind. Dem Haus- haltsausschuh des französischen Senats hat Paul Doumer eine Aufstellung der französischen Staatsschuld vorgelegt, die nur den einen Fehler hak, datz sie nicht vollständig ist. Um die Belastung des französischen Volksvermögens zu ermessen, ist nicht nur wichtig, den Grad seiner Verschuldung zu kennen, sondern auch den seiner Verluste. Die Staatsschuld beträgt 233 Milliarden Frank, die rein zahlenmäßig die Kosten der französischen Politik seit fünfzig Jahren darstellen. Aber es ist noch eine Verschiebung eingetreten, die Doumer nicht berücksichtigt. Frankreich hat den größten Teil seiner Kapitalanlagen lm Auslande entweder, wie die zaristischen Milliarden, eingebützt, oder aber mobilisiert und ver pfändet, so daß sie für das Volksoermögen selbst als Verlust oder als unsichere Posten einzusetzen sind. Wie groß Frankreichs finanzielle Schwierigkeiten sind, dafür zeugt beispielsweise die bei Morgan untergebrachte Anleihe von hundert Mlllonen Dollar. Sie ist nicht neues Geld, sondern nur dazu bestimmt, einen Teil der Fünfhundert-Milllonen-Dollar-Anleihe von 1915 abzulösen, zu welchem Zwecke Frankreich also Kredit in Anspruch nehmen mußte. Und diesen Kredit ließ sich Morgan mit 10 Prozent be zahlen. Auf der andern Seite kommt hinzu, daß die Spannung zwischen Einnahmen und Ausgaben im französischen Staatshaus halt immer größer wird. Anleihen und Ausdehnung der Noten ausgabegrenze der Bank von Frankreich reichen zur Deckung nicht aus. An ein Steuersystem, daS alle Quellen ersaßt, wagt sich der französische Finanzminisker noch immer nicht heran. Wozu auch? Seit Jahr und Tag ist dem französischen Volke versprochen wor den, Deutschland werde und müsse alles bezahlen. Diesem Ge löbnis wurde durch den Vertrag von Versailles greifbarer Aus druck gegeben, ohne zu prüfen, ob Deutschlands finanzielle und wirtschaftlich« Energien dazu ausrelchten. ClemenceauS Politik Uetz sich nur von einer Triebkraft lei- ten: Deutschland muh zerstört werden. Folgerichtig suchte er die Kraftquellen Deutschlands abzudrosseln, indem er uns im Westen die Eisenerze wegnahm und im Osten die Kohlen, d. h. das ober schlesische Gebiet wegzunehmen suchte. Auch darin war diese Politik folgerichtig, daß sie Deutschland eine finanziell« Leistungs pflicht auserlegke, deren Erfüllung selbst vor dem Kriege unsere Kräfte überstiegen haben würde. DaS war nicht Zufall oder Mangel an Sachkenntnis, sondern Absicht. Der Vertrag fleht für die Nichterfüllung Strafen vor, deren Vollzug Deutschland wirtschaftlich und staatlich zusammenbrechen lassen müßte. Aber gerade das will die französische Politik, die das germanische Ge spenst so sehr fürchtet, datz sie über den Tag nicht mehr hinaus zusehen vermag. Und gerade das ist das Wesen der StaalSkunsk, di« mögliche oder wahrscheinliche Entwicklung vorauszusehen, das Unabänderliche hinzunehmen oder so zu gestalten, datz die Vor- teile die Nachteile aufwiegen. Millerand hat das Vermächtnis Clemenceaus übernommen. Dies Vermächtnis besteht aus einem Sah: Der Vertrag von Versailles mutz ausaeführt werden. Der Franzos« hat ein anders geartetes Rechtsempfinden, als es sonst bei europäischen Völkern üblich ist und die feinste Blüte ihrer geistigen und seelischen Entwicklung darstellt. Für das Rechtsempfinden des Franzosen spielt es keine Rolle, daß die Unterschrift Deutschlands erzwungen, -atz sie nicht freiwillig ge leistet wurde. Immer wieder müssen wir hören, -atz Deutschland verpflichtet sei, das zu leisten, waZ es im Vertrage unterzeichnet habe. Grundsätzlich haben wir unsere Leistungspfllcht anerkannt. Der verloren« Krieg ist «in« geschichtlich« Tatsache, die nicht ohne Wirkungen für das europäisch« machtpollttsche System sein und bleiben kann. Aber der Krieg hat nicht nur voltktsche, vielmehr auch wirtschaftliche und ftnanAelle Folgen gehabt, die sich ohn- gegenseitige Hilfe nicht beseitigen lassen. Wenn der Wiederaufbau Europas nicht zu einer Redensart werden soll, so muh an irgendeiner Stell« etwas getan werden, um diesen Aufbau vorzobereiten. Frankreich vermag das Der- ständnis für dl« Notwendigkeit der aegenfettlgen Hilfe nicht aufzobrtngen. Da- ist eine Wirkung seiner wirtschaftlichen und handelspolitischen Abgeschlossenheit, in der es seit Jahrzehnten verharrte. Es verstand und versteht nur mit dem durch die eigenen Kolonien erweiterten Markt zu rechnen. Daß Europas Wirt schaft engmaschig zosammenhängt, daS leuchtet nicht einmal den französischen Volkswirten ein. Allein war Frankreich schon vor dem Kriege nicht da- selbstgenügsame Wirtschaftsgebiet,^so ist es gerade durch den Versailler Frieden in die europäische Wirtschaft völlig hineingezogen worden. Di« Wegnahme Elsaß-LokhrlngenS hat seine industrielle Grundlage in einem Matze ausgedehnt, daß es mit der Vorstellung des geschlossenen und zolloolitisch geschütz ten Wirtschaftsgebietes anfränmen mutz. DaS mag für Frank reich schwer sein, zumal da es auf der anderen Seite die sich schnei denden Interessen drr gegen Deutschland gerichteten Politik zu wahren sucht. Und dies« Interessen lagt er wteder «inseitig und