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Morgen-Ausgabe t»r Leipzig «a» Verort» zweimal «iglich tn« VknU«ö^)»k»». -a»t »«bracht, Saanta,«,I«M»ra«aa»tgad» monatl. Ai.1L-, »I«ri«l!»drl. Ai.SÜ^ sSr Ädholer »oaati. M. vt^i. M,r»«a-A»«ga»e »llria M. 7/V »onatiich, Adend-Ä-Igab« allein M L— »»»alltch. Darch »nser» »alwärlige» gtitaie» ia» Ha»« ««- »rächt nroaaMch M. 10.—, vierteliadrlich Ai. SO.—: dar» di» Poft tanerhald weotlchiandt D,iamt-A»laad» moaatlich M. 7LO. vlerteliSbr- Uch AI. Lüft) <«»tIchUey!lch PostbrlteagebLbri. 4la«iond«verlandr moaaMch M. 1L— and Drachiachea-Porl». «inzelnaw-nern: Aiorpen- «,»,ad« » V», Li»a>d.A°t,ab» U> Ps. Se»»!-s«-2!utgad, « Pf. yandels-^eUung Amtsblatt des Rates und des PollzelarnLe« der Stadt Leipzig 114. Jahrgang Anzeigenpreis: m. 2.2 >: Anzeigen von Aitzirdea im amillchea l»a di, ÄoiparelllezOl« M.3L0, ».»»«». M.L-; i>l»ine Änziigea «t» Aonparelllezeil« Al 1.«L »on -u«wllrt« Mir. 1-S<>,S>«schüi!zani»Ig«n mit Platzvorichristen !m Preis» er-Shk. Platz »nd Dalenosrichrlsl ebne Verdindlichtzett. Bellagenpreis« stzr die Sesamlaaflag« Aitz. 12.— netto, stzr letiaaslag« Mtz 1k.— »ett» pro Mill«, Postanslag, Postgrdabr «ztr». i,«r„ipr»>l-- Anschiak Ar. 14 1«d»it, l4l. i. — Poltichra-ilonto 72» >. Schrtstleil»»» »ad velchästliletz«: rkzipzig, .iobaaaltGals» Ar. L Derla, Vr. Steinheid » Sa« Letpzt» Rk. 428 Dienstag, den 14. September 1920 MW Seefahrt unter dem Sternenbanner Amerikanisches Schiffsabkommen mit dem Norddeutschen Lloyd ' (Drahtberlcht.) Breme«, 13. September. Die zwischen dem Norddeutschen Lloyd und der United Staket Matl Sleamship Co. in New York gepflogenen Ver- handlangen über ein Zusammenarbeilea dieser Gesellschaften im deatsch- amerikauischea Schiffsverkehr find aanmehr zum Abschluß gelangt. Während nach den amerikanischen Gesehen die United SkaleS Mail Steamship Co. die Führung ihrer Geschäfte iu Amerika selbst in die Hand rvohmeu maß, Hal der Norddeutsch« Lloyd die Generalvertretung für die Unlieb States Mall Sleamship Co. in Zentraleuropa übernommen. Die United States Mail Steamship Co., eine vor kurzem in New York ge gründete Gesellschaft, hinter der einflußreiche amerikanische Znterestenlen stehen, hat von der amerikanischen Shipping Board den größten Teil der in Amerika befindlichen früheren deutschen Passagier- dampfor übernommen, o. a. die früheren Rorddeutschea-Lloyd- Dampfer George Washington, Kaiser Wilhelm II, Kronprinzessin Cäcilie, Großer Kurfürst, Kola, Neckar, Rhein, Prinzeß Irra«, Prinzeß Alice soaüe den früheren Hamburger Dampfer Amerika, Präsident Grant a. a. Diese Schiffe werden jetzt seilens der amerikanischen Gesellschaft von den Shipping Board übernommen und wieder in ihren frühere« Zustand versetzt. Zum TeU ist die Uebergabe bereits erfolgt. So befindet sich der frühere Norddeutsche Lloyddampfer Rhein, jetzt SuS- quehauua, zurzeit mit über 2000 Passagieren, voller Ladung und Post aus der Heimreise nach New Jork. Am 22. September wird der Dampfer seine zweit« Reise von New Jork nach Bremen und Danzig anlreten. Die übrige« Dampfer werden nach Beendigung ihrer Reparatur in Dienst gestellt werden. Die United States MaU Steamship Co. hofft daß bereits im Oktober weitere drei Dampfer dea Berkehr zwischen den Bereinigten Staaten und der Weser ausnehmen können. Der Nord deutsche Lloyd wird der United States Mall Steamship Co. zur Unter haltung der früher vom Norddeutschen Lloyd betriebenen Linien zwischen Bremen and Nordamerika sein« Anlagen in Bremen und Bremerhaven sowie seine wohlbekannte Organisation und seine lm Laufe von Jahr zehnten gesammelten Erfahrungen zur Verfügung stellen, um auf diese Weise gemeinschaftlich das früher vom Norddeutschen Lloyd betriebene, so blühende Passagier- und Frachtgeschäft von neuem za beleben. CS ist beabsichtigt, in erster Linie einen Dienst New Jork—Bremen über Balti more und daneben einen regelmäßigen Dienst von Boston nach Bremen und von New Jork »ach Danzig einzurichtea. Der Norddeutsch« Lloyd ist aus Grund des BerlrageS berechtigt, in diese Linie eigene Dampfer nach Maßgabe seines WlcderausbaueS einzustellen. Der Vertrag läuft fünf Jahre und kann von da ab durch gegenseitiges Uebereinkommen jährlich verlängert werden. Wenn auch künftig div auf der Weser erscheinenden früheren deutschen Schiffe unter fremder Flagge fahren und zum Teil ihren Namen gewechselt haben, fo werd«« sie doch als alt« Bekannte la dea deutschen Häfen wieder gern gesehen „ad begrüßt worden; find pe doch berufen, die von alter Zeit her gerade zwischen dea Bereinigten Staaten und Bremen bestehenden Verkehrs beziehungen wieder aufzunehmea und mitzuarbeitea an der Wiederher, srellung der kommerziellen Brücke, die die Vereinigte« Staate« l d Deutschland einst vorband. Wenn das Abkommen, wie zu hoffe« ist, in diesem Sina« auSgeführt wird, und die, trotz allem, so eng aufeinander Weitere Verschärfung der Arbeitskrifis in London Sympathiestreik der amerikanischen Bergarbeiter? (Draht de richt.) London, 13. Sepieniber. Reuter meldet: Die Krise, die der englischen Industrie droht, wird immer ernster. Neben dem dauernden Bergarbeiter st reik und der Ausficht auf einen Solidaritätsstreik der Eisenbah ner und Transportarbeiter droht eine Krise in der Baumwolltndustrie in- solge von Lohndifserenzen. Ls wird von einem Generalstreik gesprochen, der bereits Ende dieser Woche auSbreclzen soll. Außerdem steht ein Streik der Elektrizitätsardetter Londons bevor, die sich mit ihren Kameraden in Nordengland, die gegenwärtig ausgesperrt find, solidarisch «klären. Weiter wird eine ähnlich« Bewegung unter den Postaage- stellte « gemeldet. Liner heute aus Washington eingetroifenen Reuter-Meldung zu- jolge hat Emillie den amerikanischen Bergarbeiter bund telegraphisch ersucht, am 28. September zugleich mit den brillschen Bergarbeitern in Amerika den Streik zu verkünden. Der Meldung zu folge werden die Delegierten des amerikanischen Bundes eine Kommis sion ernennen, um die Antwort auf das Telegramm SmillieS za erwägen. In allen englischen Bergwerksbezirken haben die Bergarbeiter verkündet, daß st« in zwei Wochen die Arbeit niederlegen werden. Wie die Viertel million Bergarbeiter, die gegen den Streik gestimmt hat, sich verhalten wird, ist ungewiß. Pari«, 13. September. Wie sich der .TempS' aus London telephonieren läßt, haben heute in Downingstreet zwischen Lloyd Georg« und verschiedenen Kabinetts- Mitgliedern Besprechungen stattgesunden. Der Premierminister hat die »on den verschiedenen Ministern vorbereiteten Pläne studiert, um im Falle eines Generalstreiks die lebenswichtigen Betriebe auf- '-Astzuerhalten. Der Vorschlag, das Parlament zusammenzuberufen, stt nicht ins Auge gefaßt worden, das Parlament werde erst am 19. Okto ber zufammentreten. angewiesenen Nationen dadurch einander wieder näher gebracht werde«, so darf der Vertrag i» kommerzieller und politischer Beziehung als er- heblicheS Aklivum auch für Deutschland und Bremen geducht werden. Eine neue Mittetstandspartei <D rahtbericht unserer Berliner Schriftleitung.) Berlin» 13. September. Nahezu 100 Vertreter von Organisationen des Mittelstandes aus den verschiedensten Teilen des Reiches trat im Charlottenburger Schüler saal zu einer Tagung zusammen, deren Zweck die Schaffung einer Neichsorganisation des deutschen Mittel st andeS war, die neben den wirtschaftlichen insbesondere auch die politischen Interessen des Mittelstandes wahrnehmcn soll. Die Gründe sür eine derartige Zu- jammensassung erläuterten als Referenten Stadtverordneter Bürgermeister Dr ew i tz - Charlottcnburg und Generalsekretär M ü l l er - Franken. Nach lebhafter Aussprache wurde mit 70 gegen 23 Stimmen ein An- trag angenommen, eine Wirtschaftspartei des deutschen Mittelstandes ins Leben zu rusen, wobei aber zum Ausdruck ge- bracht wurde, daß die Ausnahme der großen Beamtenorganisation usw. als solche nicht beabsichtigt ist, um ein Zurückdrängen des gewerblichen und kaufmännischen Mittelstandes innerhalb der Partei durch Beamte und Angestellte zu verhindern. Die Tagung nahm dann noch drei programmatische Lut sch l i e ß u n g e n an. In der ersten wird als wichtigste Forderung die Besieiung von jeder burraukralischen Wirtschastssorm, die in gleicher Weise zum verhängnisvollen Unheil sür alle Schichten deS Volkes ge worden sei, ausgestellt. Kleinhandel und Handwerkern müsse die wirt- schastliche Freiheit im Interesse der Allgemeinheit wie der in Frage kommenden Wirtschaftsgruppen so schnell wie möglich zurückgegeben werden mit der Einschränkung, daß mindestens so lange, wie die Nach frage das Angebot übersteigt, eine burraukratische Zwangswirtschaft nur von einer auf Selbstverwaltung beruhenden Wirtschafts organisation abgelöst werden lrvnne, wobei auch die Ver braucher ein Mitdestimmungsrecht, das ihren berechtigten Inter essen entspreche, erhalten müßten. Die Träger dieser auf Eelbstosr- walrrng beruhenden Wirtschaftsorgan-satisn müßten die Fachverbände in Verbindung mit den Genossenschaften sein, die eine feste und sichere Grundlage der modernen mitt« .ständischen Wirtschaft bildeten. In der zweiten Entschließung wird die großkapitalistische Entwicke lung als eigentlicher Gegner der Existenz -es Mittelstandes bezeichnet Verstaatlichung der Betriebe bedeute allgemein lediglich eine andere Form der kapialistischen Wirtschaft, die für den Mittelstand und die Arbeitnehmerschaft vielleicht noch gefährlicher und drückender werden würde. Einziges Mittel gegen die Gefahr des GroßkapitaliSmuS sei großzügige Selbsthilfe. Alle wirtschaftlichen Hilfseinrich tungen, insbesonder das Verficherungs- und Bankwesen, Treuhand- und Inseratengeschäft usw, müßten daher als selbständige Einrichtungen ins Leben gerufen wrrden, um auf diese Weise die Kapitalkräfte des Mittel standes als Kampfmittel gegen die Macht der Großbanken zu zentrali- stren. Für alle wirtschaftlichen Ausgaben, welche Gewerbe und Klein- handel gemeinsam zu lösen haben, müßten gemeinsame örtliche Anstalten lMittelstandsbureaus) errichtet werden. Aus diesem Grunde müsse auch der Reichsschutzgemeinschaft für Handel und Gewerbe in Braun schweig Eingang in die neue Partei verschafft werden. Lloyd Georges ungeschminkte Abrechnung mit Kamenew Kamenews politische Umtriebe. (Eigener Drahtbericht.) London, 13. September. Dl« Blätter bringen Einzelheiten über «ine dreistündige Unter redung Kamenews mit Lloyd George vor Kamenews Ab reise nach Rußland. Daily News teilen darüber mit: Die Unterredung zeichnete sich durch das Fehlen jener Kordialttät aus, die die früheren Unterredungen zwischen dem ersten Minister und den Sowjet delegierten ksnnzeichnte. Lloyd George beschuldigte Kamenew tatsächlich einer Anzahl von Verliauensbrüchen und erklärte ihm, wenn er nicht selbst um seinen Paß gebeten hätte, würde ihm dieser trotzdem cursge- händtgt worden sein. Die politischen Verhandlungen würden nicht eher wieder ausgenommen werden, als biS die britische Negierung davon überzeugt sei, -aß die Moskauer Regierung ihren Versuch, sich in die inneren Angelegenheiten Großbritanniens einzumischen, aufgegeben habe. Lloyd George brachte gegen Kamenew vier Anklagen vor: 1. daß er an dem Verkaufe der kaiserlich-russischen Juwelen in England beteiligt sei; 2. -aß er Verhandlungen geführt Hobe betveffend eine Unter stützung des extremen sozialistischen Blattes .Daily Herold' mit 75 M0 Psund Sterling; 3. -aß er Beziehungen mit der britischen Arbeiterorganisation gehabt habe, di« sich .Council ot Action' nennt; 4. daß Rußland absichtlich di« britische Regierung mit Bezog auf di« Mausel über dteBürgermtliz tn dem Entwarf für den Waffenstillstand mit Polen irregeführt habe. Kamenew stellte oll« Anklagen kategorisch tn Abrede. Krassin wurde ausdrücklich von den Anklagen, die gegen seinen Kollegen ge richtet wurden, ausgenommen. Es wurde daöauf hingewiesen, daß die Verhandlungen über die Handelsbeziehungen nicht als abgebrochen be trachtet werde». Geistiges Tagelöhnert««» ' Don Kurt Engelbrecht. Unter den Gebildeten ist wohl niemand heute mehr im Zweifel dar über daß unsere Gegenwart den Wert und die Bedeutung der geistigen Arbeit nicht voll zu würdigen weiß. In früheren Zeiten war daS anders. Da war alle geistig« Arbeit mit dem Nimbus eines besondere« Adels umgeben, schon allein deshalb, weil ste nicht ohne weiteres von jedem verrichtet werden konnte, wett ste eben eine besondere Begabung voraus setzte, di« das natürliche Fundament aller wissenschaftlichen Ausbildung und der erforderlichen Ansammlung von Kenntnissen bilden mußie. Auch heut« noch wird selbstverständlich die Begabung, die jemand von Geburt an mitbringl, als die notwendige Voraussetzung jeder geistigen Arbeit zu gelten haben. Die Handgriffe zur körperlichen Arbeit lasten sich erlernen, die Geschicklichkeit dazu läßt sich fast restlos erwerben. Viel natürlich vermögen Schulung und verständige Anleitung wie zweck- mäßige Ausbildung auch dem geistigen Arbeiter zu nutzen, ohne Anlage und Begabung jedoch wird er stets nur ein Stümper bleiben, wird nichts Großes, bleibend Wertvolles, sondern nur Halbes und Mangelhaftes zu leisten imstande sein. Diese Tatsache ist tn den voraosgegangenen Jahrzehnten nicht hin. reichend beachtet und gewürdigt worden. Auf den höheren Schulen, die ohne jede genauere Begabungsprüfung Zöglinge ausnahmen, ist schon vor dem Kriege ein Bildungsproletariat großgezogcn worden, das natürlich durchaus ungeeignet war, der geistigen Arbeit jenen Nimbus eines be sonderen Adels und die auszerchnen.de Wertschätzung zu erhalten, deren ste sich noch stets erfreuen dürfen. Geistige Arbeit erschien der großen Menge eben auch als etwas restlos Erlernbares; man mußte nur die genügenden Mittel haben, um seinen Jungen die höhere Schule und die Universität besuchen lasten zu können. Und so entstand denn naturgemäß nicht nur die heute allgemein beobachtete Geringschätzung der geistigen Arbeit, es wurde auch Neid und Verärgerung breiter Volksmasten durch die Lmporzüchlung eines minderwertigen Bildungsproletariats erregt. Geistige Berufe erschienen mehr und mehr als Vorzugsberuf? °ür die be mittelten Stände. Noch etwas anderes trug wesentlich zu dieser ungesunden und höchst beklagenswerten Entwicklung bei: Auch die körperliche Arbeit halte durch die Einführung der Maschinen, durch die Ermöglichung fabrik mäßiger Herstellung vieler bis dahin rein handwerklichen Arbeitserzeug nisse allgemein an Achtung und Selbstschähung verloren. Der Arbeiter, der sich vielfach nur noch als Teil einer Maschine fühlen durfte, wurde mißvergnügt und unzufrieden, schließlich auch in steigendem Maße miß trauisch, daß seine Arbeit von anderer Seite nicht hoch genug eingeschätzt werde. Die Entlohnung gab ihm dab«i den gültigen Maßstab sür die tatsächliche Bewertung. Er fühlte sich benachteiligt, und da er sich all mählich immer entschiedener in der zahlenmäßigen Ueberlegenheit wissen durfte, scheute er die Mittel des Zwanges, der in der Revolution zum Terror werden muhte, nicht mehr und fehle gewaltsam eine nach seiner Meinung angemessene pekuniäre Bewertung seiner Arbeit durch. Das dabei wieder übers Ziel geschossen wurde, mag verständlich sein, ist aber im Hinblick auf unsere Geisteskultur unendlich zu beklagen. Denn wir sind doch nun heute dahin gekommen, daß geistige Arbeit tn der Tat schlechter bezahlt wird als körperliche, und das ist natürlich ein Unsinn, der sich am kulturellen Leben unseres Volkes über kurz oder lang bitter rächen muß. Abgesehen davon, daß heutzutage ein oder anderthalb Jahrzehnte fleißigsten und — kostspieligsten Studiums, das oft nur mit den größten Opfern ermöglicht wurde, die denkbar schlechteste Kapikalsanlage bilden, daß sich also alsbald eine Scheu vor dem Ergreifen geistiger Berufe bemerkbar machen wird und mithin manche vortreffliche Begabungen brach liegenbleiben, wird gleichzeitig unter den Geistesarbeitern ein Tagelöhnrrtum groß gezüchtet, das für unser geistig kulturelles Fortschritten die schwersten Gefahren in sich birgt. Wieviel Schriftsteller, Künstler, Gelehrte, wieviel Lehrer on Volks- schulen und Gymnasien, an Universitäten und Akademien sind durch die unglaublich«, ja wahnsinnig« Verteuerung der einfachsten und notwen digsten Lebensmittel und Bedarfsartikel in die peinvolle Lage geraten, geistige Lohnarbeit verrichten zu müßen, nur um sich und ihre An gehörigen vor Not und Hunger zu bewahren. Nebenverdienst aus kör perlicher Arbeit würde ja auch für sie das lohnendste sein. Ihr Beruf läßt eine solche jedoch nicht zu. Da heißt es denn Stunden geben und sich mit unbegabten Kindern reich gewordener Eltern abquälen, schrift stellern und Zeilenhonorar schinden, Korrekturen lesen und den Geist mit minderwertigen Machwerken ermüden und was dergleichen würdige, geistvolle Nebenbeschäftigungen mehr sind. Die normalen Leistungen der geistig Arbeitenden müssen unler diesen Verhältnissen bereits schwere Beeinträchtigung erfahren. Der beamtete Geistesarbeiter wird für seine berufliche Tätigkeit nicht mehr die er. forderliche Frische und Freudigkeit mitbringen. Denn an eine bestimmte, begrenzte Arbeitszeit, noch der ihm Ruhe und Erholung vergönnt wäre, kann er sich nicht binden. Hat er eS wirklich dahin gebracht, daß sein Einkommen für den Lebensunterhalt zvreicht, so treten unweigerlich neue Preissteigerungen ein, denen der körperliche Arbeiter durch Lohn streiks begegnen kann, für die dem Geistesarbeiter aber nur der eine Ausweg bleibt, seiner zwölf- oder vierzeknstündiqen Arbeitszeit noch eine oder mehr weitere Stunden htnzuzufügen. Niemand aber fragt danach, ob er gesunchettlich einer solch«« Arbeitsüberlastung gewachsen ist. Zum freien, wahrhaft Kultur fördern den Schaffen jedoch wird ihm durch sein TagelK)n«rbum Zelt und Möglichkeit genommen. Er könnte ja auch gar nicht mehr die dazu unbedingt erforderliche Lust und Stim. mung aufbringen. Nur -er vermögend« Geistesarbeiter ist in dcr be neidenswerten Lag«, frei and tn ungechwächter Frische des Geistes zu schaffen. lind so «rüsten wir denn die dem sozialen Denken und Fühlen unserer Zeit hohnsprechend« Beobachtung machen, daß heute mehr denn je der Deldbefltz über die Möglichkeit wertvoller, fruchtbarer geist z schäftender Arbeit entscheidet. Da nun aber das geistig kulturelle Niveau der besitzenden Kreise durch Krieg und Revolution ginz erheb lich gesunken P, fo sind, wenn nicht bald eine völlige Wandlung der