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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.08.1920
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1920-08-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19200813014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1920081301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1920081301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-08
- Tag 1920-08-13
-
Monat
1920-08
-
Jahr
1920
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Morgen-Ausgabe für Leipzig »ad ^>ok»rl« zweimal Illgllch Ini Hast-«bracht, Sonntag« -i»Morg«na«egade monatl. M.Ut,—, viertel Ldrl. Sli. >U.— für Abdoler moaati. M. dbv. Mvrgea-Aalgad« allein M. 7FU «oaatiich, Ädend-Antgad« allein M li.— monatlich. Durch unser» »»«wdritgen Filialen m» Hao« ge- drnch« monatlich M. Ili.—, »lertelsilbritch -M. gü.—; dar» di, Post tnnerdald Votlchland« Gelamt-Anlgad« monatlich M. 7LV, »lertelslldr- »ch M. rr.so (»»«Ichlie^IIch pollbestellgebllbr). Au«laad«»erl,nd: monatlich M. lü.— und Dracklachen-'poit». ^-nzeinommer,: Morgen- »»«gäbe Ri Ps, Bdend-Bulgad» ?0 Pt. Sonntag«-A»4gat>« 40 PI Hauplschrtftletler: Dr. Erich Lverlh, Leipzig. Hcmdels-IeUung ^urtsblatt des Rates und -es PoU-etaurLes -er Stadt Leipzig 114. Jahrgang Anzeigenpreis: M. 7.L >: Anzeigen von Beddrten l» amtliche» Teil dl« Nonparelllezell« N. 8^0. ». au«w. M. 5.—: bletn, Anzeigen dl« Vonparelllezell« M I^l), von auewürt» Mir. l.lio, Belchdtttanzeige» mit Pladvorlchrliien i» -Preis» rrodtzl. Platz und Daienvorlchriil ohne Dirtzintltchileil. Dellagenprels» illr die «esamtauflag» da» Laasend Md. 1L— netto, siir Tetiauflag« da« Tausend Mk 15.— netto, sgr Posiaiflagr Postgebühr »ztra. S,r,Ipr«ch tlasch!a,z 7rr.t«au-L I««n« «»» ldiii-I. — P»sti<,ckN»nt»7lMi. Schriftleitung »ad Veschaftlstell«: llohannidgaste TIr. ii. Verlag: Dr. Reinhold L To^ Leipzig. Nr. 374 Freitag, den 13. August 1S20 Die englisch französische Spannung Ernste Beratungen in Landen London, 12. August. (Drahtbericht.) Der «Morning Post' zu folge wurde der französische Geschäftsträger gestern abend nach dem Foreign Office gebeten, wo er eine längere Unter- redungmitLord Lurzoa hatte. Abends hatte Lloyd George eine Audienz beim König. Die geplante Reise nach der Schwerz wird er wahrscheinlich aufgeben. Ebenso w'rd der König seine Reise nach Schottland angesichts der ernsten politischen Lage ausjchieben. Wie verlautet, wird tu einigen Tugen eine neue Begegnung zwischen Milleranö und Lloyd George entweder in Bou- loqne oder in England staUslnden. Aus ulte Fälle sei es fast sicher, da^ Lloyd George am Montag »in Unterhaus« eine Erklärung über die Streit frage abgeden wird. London, 12. August. (Drahtbericht.) Maclean führte im Unter hause <mS: Wenn die Pariser Meldung tatsächlich den Beschluß der fran zösischen Regierung wiedergibt, so ist eine neue Lage entstanden, und daml muß Frankreich den Weg allein weitsrgchen. Sodann fragte NLaclean, ob es die Absicht der Regierung sei, das Haus in die Sommer ferien gehen zu lassen. Bonar Laro erwiderte, daß eS ursprünglich so beabsichtigt war. ließt dagegen halte die Regierung Lasur, daß es besser sei, wenn das Haus am Montag wieder Zusammentritt. Er hoffe, daß die Lage bis dahin klarer geworden sei, so daß -das Haus dann in die Sommerserien gehen könne. * * * London, 12. August. (Drahtbericht.) Wie Reuter aus Paris meldet, hat der englische Geschäftsträger heule eine Note der englischen Re gierung an das Ministerium des Aeußern übergeben. Gegenwärtig sind Besprechungen zwischen beiden Regierungen im. Gange über die ent standenen Meinungsverschiedenheiten, die eine Fortsetzung der freund schaftlichen Zusammenarbeit aber nicht verhindern. Diese offiziöse Meldung, die den Anschein erwecken will, als ob die Beziehungen zwischen England und Frankreich nach Vie vor herzlich seien, läßt leider nicht erkennen, ob die Noie an Rußland oder an — Frankreich gerichtet ist. Millerand predigt Einigkeit Äloyon, 12. August. (HavaS.) Beim Empfang im Stadthaus an läßlich feiner Rundreise durch die verwüsteten Gebiete gab der Mi nisterpräsident eine Erklärung ab, in der er sagte: «Die Alliierten sind einig und werden einig bleiben. Es bestehen unaus bleibliche Differenzen infolge der nationalen Besonderheiten, aber die Einigkeit, die zwischen uns herrscht, wird bleiben. Wenn ich im Namen Frankreichs Konferenzen mit den Alliierten hatte, so schwebte mir stets das Bild der verwüsteten Gegenden vor, und nie vergessen werde ich den Gedanken an die Wiedergutmachung, die wir denen schulden, die ge litten haben, damit wir siegen konnten.' London, 12. August. (Reuter.) Die Note der französischen Regierung an General Wränge l, worin dessen Regierung anerkannt wird, war von Millerand vorbereiket und vom Kabinett gebilligt worden. Der Berichterstatter des Reuterschen Bureaus hat im französischen Außenministerium erfahren, daß die Vermutung der englischen Presse, das Personal des Außenministeriums habe die Politik der französischen Regierung durchkreuzt, unbegründet ist. * * * Paris, 12. August. (Eigener Drahlbericht.) Der Verrval- tunasrat der C. d. T. hat mit Rücksicht auf die Möglichkeit eines fran zösischen Angriffs gegen Rußland beschlossen, die internationalen Ge- werkschastsausschüsse zu berufen, um Maßnahmen zur Vermei- dungeinesneuen Krieges zu treffen. »Ohne Rückfrage in Frankreich" Berlin, 12. August. (Eigener Drahtbericht.) Der eng lische Premierminister Lloyd George Hal, wie gemeldet wird, den Polen geraten, die Bedingungen, die Sowsetruß- land stellt, anzunehmen, ohne Rückfrage in Frank reich zu halten. Dieser Rat sei erfolgt entgegen den Ab machungen, die mit der französischen Regierung in Hythe ge troffen wurde. Basel, 12. August. (Eigener Drahtbericht.) Wie aus Lon don gemeldet wird, glaubt man dort die Bedingungen der Sow- setregierung für den Friedensschtuß mit Polen in Erwägung ziehen zu können. Bezüglich des Entschlusses Frankreichs, General Wränget als cle-kacto-Regierung anzuerirennen, Hal die englische Regie rung nicht die Absicht, sich von Frankreich in einen Krieg drängen zu lasten. Die Arbeiterpartei setzt ihre Aktion für den Frieden fort and hat für Freitag einen nationalen Kongreß einberufen. Am Mittwoch erfocht« die Arbeiterpattei den Ministerpräsidenten in einem Brief, die englischen Bedingungen für eine Aufnahme der britischen Be ziehungen und des Handelsverkehrs zwischen England und Rußland be- kanntzugoben. Die öffentliche Meinung Englands zeige sich enl- schlosf«» gegen jeden Krieg. Preffestimmen der Entente Loado«, 12. August. (Drahtbericht.) Die englischen Blätter er klären im allgemeinen, die Pariser Meldung betr. Anerkennung des Generals Wrangel für unbegreiflich. «Daily Mail' spricht die Vermutung aus, daß waghalsige Beamte in Paris die Abwesenheit Millerands benutzt haben, um durch die Veröffentlichung dieser zweifel los amtlichen Mitteilung Sabotage zu treiben. «Daily Chronicle' hält es für das beste, abguwarten, was für eine amtliche Aufklärung aus Paris erfolgt. , Paris, 12. August. (Drahtbericht.) Der .Matin' schreibt, niemals sei Millerand der Gedanke gekommen, daß einer der Ministerpräsidenten allein Polen einen Rat erteilen oder die Annahme irgendeiner Be dingung empfehlen könnte, ohne den anderen zu befragen. Nachdem die französisch« Regierung von den Nachrichten aus Warschau Kenntnis genommen, sei sie der Ansicht, die polnische Regierung werde energische Anstrengungen machen, und di« Tatsache, daß General Weygand der Oberbefehl angeboten worden sei, sei ein überzeugendes Symptom dafür. DeSyalb glaubte man nicht, «in Recht zu haben, Polen zu sagen, -le Alliierten gäben ihm den Rat, die Waffen »ater unheilvollen Bedingungen niederzulegen. Um zum Ausdruck zu bringen, daß Frankreich seiner früheren Ver- baltungSlinie treu bleib«, hat es den Entschluß gesagt, di« Regierung des Generals Wrangel anzuerkennen. — Saint Bric« sagt im Journal', die Bedkagun-en Kamenews würden in Paris für sehr geftchrlich ge halten. Für Frankreich würden sie den Zusammensturz des ge samten Planes von Versailles nach sich ziehen, zwischen Rußland und Deutschland eine Barriere oufznrichten. Ein entwaffnetes Polen werde nur das Spielzeug zwischen den beiden Nachbarmächten sein. Paris, 12. August. (Drahtbericht.) Der «Temps' schreibt zu der Anerkennung des Grafen Wrangel durch die französische Regierung: Als Millerand von Hythe zurückgskommen sei, habe das Verlangen der Regierung von Südrußland um Anerkennung Vorge legen. Es habe den Bedingungen entsprochen, die M ilcrand am 20. Juli in der Kammer gekennzeichnet habe. Erst nachdem der Ministerrat den Beschluß der Anerkennung gesaht habe, sei die Nachricht von einer Demarche Englands in Warschau eingetroffen. Russische Kriegserklärung an Frankreich? London, 12. August. (E i g. Dr ah tbericht.) Rach Bekannt werden der Meldung, daß Frankreich -i« Regierung des Generals Wran gel anerkannt habe, verbreitete sich in den der bolschewistischen Dele gation nahest.henden Kreiscn das Gerücht, bah Sowjetruhland auf diefen Schritt dsr französischen Regierung mit einer ofsenen Kriegser klärung antworten werde. * . * * Paris, 12. August. (E i g. Drahtbericht.) Die rumänische Ge sandtschaft dementiert das Gerücht, wonach Rumänien auf Drän gen der Alliierten den Durchmarsch eines Armeekorps der Truppen deS Generals Wrangel durch rumänisches Gebiet zum Ausmasch in Ost galizien erlaubt habe. Die amerikanische NoLe in London angekommen Frankfurt, 12. August. (Eigener Drahtbericht.) Wie der .Matin' aus London berichtet, ist die Note der Washingtoner Regierung in London angekvmmen. Sie ist an den italienischen Botschafter ge richtet und ist die Antwort auf eine Anfrage der italienischen an die amerikanische Regierung wegen per Polenfrage. Die Note erklärt, daß die Regierung von Washington aneinen freienundauio nomen Polen st aat glaubt, und daß das Volk der Vereinigten Staaten die Aufrechterhaltung der polnischen Unabhängigkeit und dec terri torialen Integrität Polens wünscht. Zum Schluß heißt es: «Die ameri- luurische Regierung wünscht nicht an irgendeinem Projekt teiizunebmen, das die Waffenstillstandsverhandlungen in eine europäische Konferenz umzuwandeln sucht.' Aller Wahr scheinlichkeit nach hätte ein solcher Versuch das ErgebmS, die An- e, Kennung des bolschewistischen Regimes und die fast unvermeidliche Regelung des russischen Problems auf der Basis eines zerstückelten Rußlands nach sich zu ziehen. Die Regierung dir Vereinigten Staaten würde es begrüßen, wenn die Alliierten eine Erklärung abyaoen, daß das Grundgebiet Rußlands unverletzt bleibe. Die Wünsche der Finnländer, Polen und Armenier nach Unabhängigkeit seien indessen be rechtigt. Das Nsgierungsprogramm des Generals Wrangel Paris, 12. August. (Drahtbericht.) .Ouevre' schreibt: Der diploma tische Vertreter der Regierung Südrußlands in Paris ist der ehemalige russische Botschafter in Rom, von Giers. — Der «Excelfror' ver öffentlicht Erklärungen über die Absichten der Regierung des Generals Wrangel, die jedenfalls von Giers stammen. Darin wird gesagt, das Hauptziel, das die Regierung SüdrußlandS verfvlge, sei, dem russischen Vokke die Möglichkeit zu geben, seinen freien Willen über die anzunehmende Regierungsform zu äußern: Gleichheit und persön liche Unverletzlichkeit aller russischen Staatsbürger ohne Unterschied der Abstammung; die Religionsfreiheit soll sichergestellt und der Grund und Boden soll denen als Eigentum übertragen werden, die ihn bebauen. Ferner sotten die Interessen -er Arbeiterklasse und der Handwerker ge wahrt werden. Die Regierung Südrußlands werde alle internationalen Verpflichtungen, die die ehemaligen Regierungen Rußlands gegenüber den auswärtigen Regierungen übernommen hohen, anerkennen. Sie werde ferner die Verpflichtung übernehmen, die Schulden Ruß lands zu bezahlen. Mobilisation der russische« Flotte Basel, 12. August. (Drahtbericht.) Die Moskauer .Prarvda' meldet: Die Sowjetregierung wurde davon in Kenntnis gesetzt, daß feindliche Marinestreitkräste einen Angriff aus die russischen Gewässer beabsich tigen. Die bolsch«wistische Heeresleitung hat ruuunehr die Mobilisa tion der gesamten russischen Flotte angeordnet und den Hafen von Petersburg und Kronstadt als Kriegsgebiet erklärt. * London, 12. August. (Eigener Drahtbericht.) Am Mitt- rvoch erklärte Sir Walter Long in Erwiderung einer Anfrage des Obersten Malone, bis zur gegenwärtigen Stunde habe die britische Flotte noch keine Instruktionen hinsichtlich der Blockade erhalten. Es sei ihm unverständlich, welches Interesse man haben könne, zu behaupten, die englischen Schisse seien bereits in der Baitischen See. England sei nicht gesonnen, sich in mili tärische Experiment« gegen Räterußlandzu stürzen. Der russische Vormarsch auf doldarr Berlin, 12. August. (Drahtbericht unserer Berliner S ch r i f t l e i t u n g.) Die Lage auf dem Nordflügel der polnischen Ar- mee hat sich, nach Nachrichten von der ostpreusiischen Grenze, seit gestern wenig verändett. Die Umgruppierung der ruffischen dritten und vierten Armee scheint nvch nicht zu Ende zu sein. Dicht an der alten deutschen Grenze, südlich Soldau, hat gestern ein unbedeutendes Gefecht statt gefunden. Ein paar Arlillerieschüsse fielen auf den Bahnhof Marzyn, der schon im Korridor gelegen ist. In Soldau selbst stehen noä) r c - Postierungen. Ls wird dort an der Aushebung von Schütz en gräden gearbeitet. Nördlich von Warschau rücken die Russin seit gestern wieder heftiger vor. In Richtung Rowo-Georgiewsk, bei Putulsk, Las als Festung keine Bedeulung mehr Hot, Hal ein starker Kampf begonnen. Nachrichten aus dem ostpreußischen Abstimmungsgebiet besagen, daß sich eine starke Fluchkbewegung aus der Gegend von Soldau über die deutsche Grenze bemerkbar macht. Die polnischen Truppen, die bisher in der Gegend von Soldau standen, sind zum großen Teil nach Westen in der Richtung Straßburg (Pomerellen) abgezogen. Soldau ist nur schwach d« setzt. Bom Reichstag Don Prof. Dr. Waller Goetz. Als -er neue Reichstag im Juni gewählt war und die Schwie rigkeiten -er Regierungsbildung begannen, glaubten viele an bald bevorstehende neue Wahlen — im Herbste, spätestens zu Weihnachten werde die Notwendigkeit dazu eintreken. Es dürfte nach der jetzt beendeten ersten Tagung des Reichstages wohi ge wiß sein, daß auf Neuwahlen in absehbarer Zeit nicht zu rech nen ist, sondern daß sich der jetzige Reichstag noch auf eine län gere ungestörte Arbeitszeit einrichten darf. Außer den Unab hängigen, die in jeder Wahlagitation an sich schon eine erwünschte Aufregung der Massen sehen, hat keine Partei ein Interesse an der Auflösung des Reichstages, denn es ist ja vollkommen aus geschlossen, daß sich ohne besondere neue Entwickelungen unseres politischen Lebens die Stimmung -er Wähler irgendwie erheb lich verändern könnte. Man erinnere sich noch einmal,' daß die letzten Wahlen der Vernichtung der Parteien der Mitte und ihrer Regiernngskoali- tion gelten sollten. Die Schwärmer rechts und links erhofften für sich ein entscheidendes Uebergewicht und den Eintritt in die Regie rung. Man konnte das mit Recht im voraus als eine völlige Utopie ansehen, denn so grundstürzend können die Verschie bungen der Wählerziffern nach aller bisherigen Erfahrung nicht sein. Obwohl nun der Ausfall der Wahlen die Koalitionsparteien noch über pessimistische Vorausberechnungen hinaus schwächte, vor allem die Demokratische Partei, trat doch kein irgendwie politisch wirksamer Erfolg des rechten oder linken Extrems ein, und die Regierungsbildung zeigte schließlich die alten Koalitions parteien viel stärker als Meister der Lage, als man nach ihrer Niederlage selbst in ihren eigenen Kreisen voraussehen konnte. Aus der Niederlage wurde schließlich ein sehr starker politischer Erfolg der Mitte und nicht zum mindesten der Demokratischen Partei, die vor der Wahl drei und nach den Wahlen vier Minister ihrer Richtung für sich buchen konnte und vor allem die Inhaber gerade der wichtigsten Ministerien! Aber nicht dis Tragikomödie der letzten Reichslagswahl soll geschildert werden, sondern die Arbeit des Reichstages in den ersten sechs Wochen seines Daseins. Er überstand nicht nur die lange und schwere Regierungskrise, sondern auch die Verhand lungen von Spa, so daß er angesichts einer wesentlich gefestigten Lage in die Svmmerferien gehen konnte. Es gibt ja genug Leute in Deutschland, denen eine solche Festigung in hohem Maße unerwünscht ist und die im Prophezeien nahe bevorstehender Kata strophen ihre politische Weisheit erschöpfen. Milt man wirklich immer noch nicht sehen, daß wir seit IX Jahren erheblich vor wärts gekommen sind, daß beinahe auf allen Gebieten sich lang same Besserungen vollziehen und daß wir unvermeidiichen Krisen gegenüber widerstandsfähiger geworden sind? Wie die augen blickliche Wirtschaftskrise sich als weniger schwer erweist, als wir befürchtet haben — es beginnen sich die Anzeichen einer Besse rung unzweifelhaft bereits zu zeigen —, so ist auch die Regie rungskrise und die Konferenz in Soa ohne tiefgreifende Störun gen vorübergegangen, das gibt Hoffnung für die Zukunft. Die Rggicrungsbildung hat unwiderleglich gezeigt, daß Deutschland nur mit einer Politik -er mittleren Linie regiert werden kann — die Deutsche Volkspartei hat nach der Hitze des Wahlkampfes diese Erkenntnis ausgenommen und wohl in zwischen auch gespürt, was es heißt, unter tausend Nöten ein ohn mächtiges und krankes Volk zu regieren. Das Ergebnis der Ver handlungen in Spa hat gelehrt, daß die politischen Mißerfolge des letzten Jahres anders zu beurteilen sind, als es im Wahl kampfe geschah: Daß nämlich selbst die geschickteste Führung un serer Sache unser Schicksal zunächst nicht wesentlich verbessern nann, sondern daß wir uns auf Geduld und auf Erfüllung des Friedensvertrages, solange er nicht abgeändert ist, einstellen müssen. Daß die Deutsche Volkspartei das für uns so schwere Ergebnis von Spa mit decken muß, verhindert zum Glück, daß jetzt von neuem in den gebildeten Schichten der Nation gegen die Politik der Regierung Sturm gelaufen wird. Cs beginnt sich die Einsicht durchzusetzen, daß unser politisclzes Können bedingt ist durch unsere Ohnmacht und daß man mit Gefühlen nichts an dieser Sachlage ändern kann. Die Deutsche Volksparkei stimmte der Politik des neuen Außenministers zu, die von der nüchternen Erkenntnis dieser Lage qusgehend unbedingte Loyalität auch dem Gegner gegenüber sich zum Ziele gesetzt hat. Was im Reichstag gegen Dr. Simons gesagt wurde, scheint selbst im Lager der Oppo sition keinen rechten Widerhall gefunden zu haben; der Sieg des Außenministers war offensichtlich und um deswillen nm so erfreu licher, weil damit auch einem neuen politischen Programm die Zustimmung des Reichstages gegeben wurde. In Deutschland wie lm Ausland scheint man unter dem berechtigten Eindruck zu stehen, daß die deutsche Außenpolitik in der Hand einer aufrich tigen, scharf ausgeprägten Persönlichkeit liegt, die mit voller Klarheit neue Wege zu gehen strebt. Ohne Zweifel Kak sich Dr. Simons trotz der unvermeidlichen Niederlage von Spa eine führende Stellung erworben, und das ist vielleicht ein größerer Ruhm, als wenn es nach einem diplomatischen Siege geschehen wäre. , Auch von den übrigen Ministern kann man sagen, daß sie sich im Feuer des Reichstages behaupteten. Der Notetat brachte beinahe alle auf die Rednertribüne und verschaffte ihnen zum Teil sogar Erfolge bei der grundsätzlichen Ovposition. Daß bei dem Noteta! die Fragen fast der gesamten Reichspolilik erörtert wurden, war in erster Linie ein Bedürfnis der Unabhängigen — man wird nicht behaupten können, daß dabei irgend etwas Nütz liches herausgekommen wäre. Wenn die Arbeiten des Reichs tages in Zukunft wirklich gefördert werden sollen, muß eine
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