Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.07.1920
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1920-07-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19200730019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1920073001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1920073001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-07
- Tag 1920-07-30
-
Monat
1920-07
-
Jahr
1920
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Seite L. Nr. 380. Moraerr-Ausgabe mut' überwindet oder nicht, ist nicht entscheidend; wenn man nur in der Sache pazifistische Politik macht. Sie folgt aut dem Wesen der Demokratie, und ich wage das Wort GokheinS zu wiederholen: .Die Partei wird pazifistisch sein oder fle wird nicht sein.' Reichskohlenrat und Spa Der Lieferungsplan des Reichskohlenkommistars. Berlin, 29. Juli. (Drahlbertcht unserer Berliner Schrlftlettung.) Der Reichskohlenrat ist heute nachmittag zusammengetreten, um zu dem Abkommen von Spa Stellung zu nehmen. Reichskohlenkommissar Geheimrat Stutz erläuterte die Notwendigkeit einer Ümorgantsation der Kohlenwtrtschaft: Wir müssen so viel Kohlen an die Entente liefern, daß wir gezwungen sind, an allen möglichen Stellen zu sparen. Ich hab« für den Monat August bereits einen LleferungSpian aufgestellt und ihn heute mit Ver tretern der Entente durchgesprochen. Dies« hat einen Gegenvorschlag gemacht. Ich hoff« sedoch, datz unser Plan angenommen werden wird. Die Eisenbahn kann seht nur noch ihren dringendsten Bedarf er halten. Im Norden des Reiches erhält st« nur die Hälfte der Br- tieferung des Südens. Was sich ersparen läßt, sollte der Industrie zugute kommen. Die Kohlenkleinverbraucher können nur noch die Menge vom Mai dieses IahreS erhalten, und selbst hierbei müssen 100 000 Tonnen Steinkohle gespart werden, die hoffentlich durch Braun kohle erseht werden können. Der Hausbrand kann nur zu 53 Prozent beliefert werden. Auch die Elektrizitätswerke müssen ihren Verbrauch stark einschränken. Fast die ganz« Ersparnis, zu der wir gezwungen sind, muh von der In dustrie und den Hüttenwerken getragen werden. Die Verhältnisse im Braunkohlenbergbau liegen allerdings nicht ungünstig, und es muh unsere erste Forderung sein, daß sich die Industrie und auch der Hausbrand auf die Feuerung mit Braunkohle umstellen. Man darf daran allerdings keine .zu grohvn Hoffnungen knüpfen, denn die Frage der Braunkohlenbelieferung ist in erster Linie eine TranSportfrage Ich werde überall da, wo ausreichend« Versorgung mit Torf und Holz möglich ist, die Kohlenbelieferung sparen lassen. Zur Verbesserung der Wärmewirkschaft wird der DampfkesselrevistonSverein alle Feuerungs anlagen kontrollieren, und dort, wo sie nicht den modernen Anforde rungen entsprechen, muh ich schlimmstenfalls die Betriebe schließen lasten. Ebenso werden die Fabriken geschlossen, die Er satzstoffe oder Luxuswaren Herstellen. Der Licht- verbrauch in den Großstädten wird eine stärkere Einschrän kung erfahren müssen. So hat vor allem Berlin eine viel zu aus gedehnte Polizeistunde. Die Lichtverschwendung in Berlin hat auf die Ententevertreter einen so schlechten Eindruck gemacht, bah wir dar unter in Spa stark zu leiden hatten. Dem Kohlenschlelchbanbel wird energisch zuleide gegangen werden. Allerdings sind die Gerüchte, die darüber umlaufen, stark übertrieben. Im ganzen wird nicht mehr als 1 Prozent der Förderung verschoben. Ob eS trotz aller Maßnahmen möglich sein wird, die Kohlenabgabe an die Entente für unser Wirtschaftsleben erträglich zu gestalten, muh abgewartet werden. Der gute Will« dazu ist jedenfalls da. Generaldirektor Köngeter ging in längeren Ausführungen auf die Organisation der Kohlenversorgung ein. Der Wunsch nach Dezentralisation, d«r srtzt erhoben werde, komm« reichlich spät. Schon seit Jahr und Tag Kümpfe der Kohienkommistar um dtese Dezentralisation. Das Schwergewicht lieg« vor allem ln der Tätigkeit der Verteilungsstcllen, im Kohlenhandel und den Kohlen wirtschaftsstellen als Vertretern der Verbraucherschast. Generaldirektor Köngeter erklärte d«n Schleichhandel ebenfalls für nicht so erh«blich, wie inan allgemein annehme. In der weiteren Aussprache meinte ein Bergarbeiter, di« Kohlen, schieb rngen seien vor allen Dingen dem Kohlenschleich- haodel zur Last zu legen, der bei der Belieferung der Kunden das Gewicht fälsche. Ein weiterer Redner behauptet«, dah tn Mitteldeutschland zahlreich« Brikettfabriken lahmgelegt seien, weil die Industrie an der rohen Braunkohl« mehr verdien«, als an der verarbeiteten. Der Direktor der SiemenS-Schuckerk-Merk« Haller trat der Auf fassung des Reichskohlenkommissars entgegen, dah sich di« Braunkohle ohne weiteres für Dampkesiel verwenden laste, die auf Steinkohle ein gerichtet seien. Man müsse Braunkohlenbriketts mit Steinkohlen mischen. Oberbürgermeister Siegrist wies als Vertreter der Verbraucherschast auf die Notwendigkeit hin, Süddeutschland bester mit Kohle zu versorgen. Als letzter Redner nahm Staatssekretär Hirsch daS Wort. Er er klärte es als eine erste Notwendigkeit, dah die Entente ihr« tn Spa gemachten Zusagen auch wirklich halte, besonders in bezug auf die Lieferung von oberschlesischer Kohle und auf die versprochene Finanz beihilfe. Eine Verbesserung der Er- nährungsverhältnlsse und der Bekleidung der Bergarbeiter sei bereits eingeleitet. In der Wohnungsfrage ergebe sich dgS merkwürdige Bild, dah ein Ueberangebot von Baustoffen vorhanden sei. Die Regierung habe nun gestern 300 Millionen Mark für Berg- ,Leipziger Tageblatt arbeiterwohnungen autaeworfen, und diese Summe sei heute vom HauptauSschuh deS Reichstages bewilligt worden und soll sofort ihrer Verwendung zugeführt werden. Die Bundesstaaten würden stärker für Belieferung von Bau- und Grubenholz herangezogen. Wegen der vermehrten Einfuhr von Heizöl seien Verhandlungen eingeleitet. Vor allem eb«r müsse die Zahl der Behörden und Aemter wesentlich verringert werden, di« sich bisher mit der Kohlen- bewirtschastung besaht haben und die in unserem Wirtschaftsleben ein solches Netz von Organisation darstelltcn, dah sie sich vielfach direkt oehindern. Die gesamte Brennstoffwirtschaft müsse nach territorialen Gesichtspunkten umgestalket werden. An der Verteilung mühten Vertreter der Arbeiterschaft und Sachverständige tn wei- testem Mähe teilnehmen. , An die Sitzung schloß sich eine nichtöffentliche Beratung de« Reichs kohlenverbandes und des Grohen Ausschusses des Reichskohlenrates. . * * * Berlin, 29. Juli. (Eig. Drvhtmeldung.) In der Frage der Kohlen verteilung werden demnächst wichtig« Entscheidungen getrosten werden. Der Plan, d«r auf Grund der Abmachungen von Spa die Ver teilung neu regeln soll, ist, wie wir hören, bereits ausgearbeitet. Einst weilen wird die ganze Organisation der Verteilung einer neuen Nacy- prüfung unterzogen. Der R e i ch S w l r t s ch a f t s ra i hat in der be kannten Entschließung, die er in diesen Tagen gefaßt hat, Vorschläge aemacht, die den Plänen zur Steigerung der Brennstofferzeugung und für die Kohlenverteilung eine andere Richtung als die bisher befolgte geben wollen. In der ersten Frage hat sich die Auffassung des Reichs- kohlenkommissarS durchgesetzt, der soeben in einer ausführlichen Denk schrift den augenblicklichen Stand, die Vorarbeiten und die Aussichten auf diesem Gebiet« entwickelt hat. Der Reich-Wirtschafts - Minister hat sich den in diesen Gutachten ausgesprochenen Anschau ungen im wesentlichen angeschlossen. Grundsätzlich neue Wege sind also hier nicht zu erwarten. Dagegen sind die Gegensätze in den Meinungen über die Kohlenverteilung noch keineswegs ausgeglichen. Wie man weih, ist die treibende Kraft, die hinter dem Vorgehen des Reichs- wtrtschaftsraleS steht, HugoStinnes. Dieser scheint seine besonderen Pläne tn dieser Frage zu verfolgen. Ein großes Maß von Sachverständ nis wird ihm niemand absprechen wollen, doch dürften Zweifel an seiner Unbefangenheit nicht unberechtigt sein. Es scheint kaum außer Frage, dah di« von ihm verfolgten Ziele jedenfalls von der Richtung seiner eigenen, scharf vorgezeichneten Interessen nicht abweichen werden. Herr StlnneS ist nicht nur gegen die bisherige Art der Kohlenverteilung, sondern auch gegen die Neuorganisation. Er will sie überhaupt nach Möglichkeit ganz abbauen. In seinem Sinne ist ein im Relchswirtschafts- ministerlum ausgearbeiteter Plan — als Verfasser dürste Ilnterstaats- sekretär Htrscsi onzuseken setn — gehalten, der die gesamte Organi sation, unter Ausschaltung des Reichskohlenkommissars, in die Hände des Reichswirtschostsmtnisters legen soll und einen überwachenden Rat von sechs Köpfen vorschlägt, tn dem Unternehmer und Arbeiter paritätisch vertreten sein sollen. Deutsche Vorschläge sür den internationalen Bergarbeiterkongreß Gens, 29. Juli. (Eigener Drahtbericht.) Am Inter nationalen Dergarbeiterkongretz werden die Deutschen durch 05 Delegierte vertreten sein. Die Gegenstände der Verhandlung sind die Verstaatlichung der Bergwerke (englischer Vor schlag) und die internationale Verteilung der Kohle (deutsch«' Vorschlag). Die Deutschen werden außerdem di« Einführung d«S SechSstundenkages vorschlagen. ' Die erste Sitzung findet am Freitag statt. Di« englische Delegation im internationalen Bergarbeiter kongreß, der tn Genf stattfindet, wird 50 Bergleute umfassen. Die Franzosen sind mit 25, die Belgier mit 15, Oesterreich und Ungarn mit je 1 Delegierten vertreten. Konferenz der Ernöhrungsmmister in Berlin München, 29. Juli. (Eigener Drahtbertcht.) Morgen finden tn Berlin bedeutsame und entscheidungsvoile Beratungen der sämtlichen Er nährungs Minister aller Glied st aasten statt. Es handelt sich um den Abbau der ZwangSbewirkschaftung der Krlegsgesellschasten und um die Neueinteilung der Kohlcn -1 Versorgung. Die süddeutschen Staaten erscheinen unter Führung! des bayrischen LandwirtschaftsministerS und werden bestimmte Anträge unterbreiten. Von der bayrischen Regierung wird auch der Handtls- nnnister an den Beratungen teilnehmen. Londarbeiterftreik in Braunschweig Braunschweig, 29. Juli. (Eigener D r a h t b e r i ch t.) In einer gestern abgehaltenen Versammlung von Landarbeitern ist ein all gemeiner Landarbeiterstreik für den ganzen Freistaat Braunschweig, der sich, wie verlautet, auch auf ganz Mittel deutschland und das ganze Reich ausdehnen soll, beschlossen worden. Im Laufe des heutigen Vormittags wurde nur in einigen Kreisen ge streikt. Angeblich soll der Ausstand auch politischen Beigeschmacks nicht entbehren. Sreltag, so. S«N 182» Wie ein Engländer Deutschland sie,t k. o. New Bork, Anfang Juli. In einer Reihe aut Deutschland an die .New Vorker World' ab geschickter Aufsäh« schildert d«r frühere Hauptschristleiter der Londoner Daily News', A. B. Gardiner, die Eindrücke seiner mehrwöchigen , Hieise durch all« deutschen Gau«. Er versucht nach besten Kräften, dem deutschen Volke gerecht zu werden, kann aber wie fast alle Engländer, die in ihrer weltbel-errschenden Flotte eine Selbstverständlichkeit er blicken, daS Hirngespinst d«S deutschen'Militarismus nicht abschütteln. Anerkennenswert ist, daß er für die deutsch« Jugend e»n warmes Herz an den Tag legt und eifrig für ein« großzügige Hilfsaktion zur Linde rung ihrer Leiden «intritt. Gardiner stellt fest, dah der Geist des deut schen Volkes, ungleich demjenigen deS österreichischen, nicht gebrochen ist. .Die Leute in Deutschland sind nicht hoffnungslos, sie beißen die Zähne zusammen und vertrauen auf eine bester« Zukunft,' schreibt er. Er lobt dos freundlich« Entgegenkommen, das er überall fand, und rügt eS scharf, daß tn England der Haß gegen Deutschland immer noch künstlich genährt wird. Alle englischen Zivilisten und Offiziere, die er in Deutschland traf, hätten diesen Haß beklagt, und ein englischer Offi zier hohen Ranges habe sich erbittert darüber ausgesprochen, baß sich die Politik Englands immer noch der kurzsichtigen Hysterie deS fran zösischen Chauvinismus unterordne. Ein anderer englischer Offizier sehr hohen Ranges habe sich ihm gegenüber folgendermaßen geäußerte .Ist der Krieg vorbei oder ist er immer noch im Gang«? Diese Propa ganda des Hasses ist gegen unsere Tradition. Bisher waren wir nickt gewohnt, einem besiegten Volke Fußtritte zu versehen.' Ein englischer Konsul beschwerte sich darüber, daß deutsche Geschäftsleute, denen er, seinem Auftrage gemäß zur Förderung der deutsch-englischen Handels beziehungen die Reise nach England ermöglichte, dort wie Aussätzige behandelt werden und nicht einmal ein Hotelzimmer erhalten können. Gardtner bemerkt dazu, tn gewissen Kreisen Englands bestehe die wohl überlegte Absicht, die beiden Völker auseinander zu halten. Viele Eng länder in Deutschland hätten sich abfällig darüber geäußert, dah eine grohe englische Zeitung häufig die Artikel ihres nach Berlin ent- sandten Berichterstatters unterdrückt, weil sie nicht von feindlichem Geist erfüllt waren. Wörtlich fährt er dann fort: .Falls die englische Regierung, statt daheim den Minken einer böswilligen Presse zu folgen, die Männer an Ort und Stelle, die Zivilisten sowohl als die Militärs, zu Rat« ziehen würde, jene Männer, die die Tatsachen kennen und die Nöte sehen, dann würde meiner Aeberzeugnng nach in der Politik und Stimmung Großbritanniens rasch ein Wechsel zum Besseren eintreten. Aber nichts Derartiges kann geschehen, ehe man nicht zu den im internationalen Verkehr üblichen Ilmgangsformen zurückkehrt.' Den Lernelfer der deutschen Jugend, der akademischen sowohl als auch der anderen, hebt er lobend hervor, und im Zusammenhang damit gibt er eine lange Unterredung mit dem Liftjungen eines Leipziger Hotels wieder, der sich dreimal in der Woche eine warme Mahlzeit versagt, um von seinen 70 -R Lohn 12 wöchentlich für englischen Unterricht ausgeben zu können. In einem aus Nürnberg abgeschickken Aufsatz schreibt ee: .Das Volk hier in Bayern ist von demjenigen des Nordens verschieden. Katholisch, klerikal, urwüchsig und reaktionär, aber ebenso fleißig, coenso gründlich und ebenso grundehrlich. Wenn ich sage, dah die Deutschen ein Volk sind, das einem Achtung und Zutrauen abringt, dann drücke ich nicht nur meine eigene Ansicht aus, sondern auch die jenige eines jeden Engländers, dem ich hier in Deutschland begegnet bin, ganz gleich, ob der Betreffende Journalist, Offizier oder Zivil beamter war.' Bisher 3^ Milliarden Defatzungskosten Berlin, 29. Juli. (Drahtbericht unserer Berliner Schriftleitung.) Der Hauptausschuß des Reichs tages erledigte heule den Rest des Haushaltplanes für das Reichs. Ministerium des Innern und nahm den Etat des Reichssckah- minifteriums in Beratung. Zu dem Ansatz für die Verwaltung der be setzten rheinischen Gebiete keilte Abg. Stück len (Soz.) als Referent mit, daß dort 150 000 Mann fremde Truppen sich befinden, dazu etwa 94 Delegierte der Rhelnlandkommifon mit ihrem Troß, deren Kosten das Reich bezahlen müsse. Dam kämen die für den Hoben Ausschuß eingesetzten Kosten von 20 Millionen Mark. Bis Ende April 1920 wären von uns bezahlt worden 1763 Millionen Mark in bar, außerdem an mittelbaren Leistungen 1565 Millionen Mark, insgesamt 3348 Millionen Mark. Bei diesen Milliardenausgaben sei die Frage auszuwerfen, ob denn eine Reihe der uns angerechneien Kosten nach dem Friedcnsvertrage zu zahlen sei. Rcichsminister von Raumer betont gegenüber diesen Ausführungen, daß in der Tat die Frage aufgeworfen werden müsse, wie Deutschland die Reparationskosten iragen solle, wenn für die Besatzung der besetzten Gebiete so hohe Summen ousgeqeben werden müßten. Abg. Korell (Dem.) bespricht die Verhältnisse im besetzten Gebiet aus eigener Anschauung. Infolge des rücksichtslosen Vorgehens der französischen Okkopationslruppen sei die Abneigung gegen das Vorgehen der französischen Militaristen in allen Kreisen des rheinischen Volkes stark im Wachsen und von Separationsbestrebungen könne keine Rede sein. Peer Gqnt Aufführung im Neuen Theater. Einheit der Zeit im Drama — nein, die späte Nachtstunde ver bietet es. die Aufführung des Ibsenschen ThoaterepoL' wieder einmal zum Anlaß einer Erörterung darüber zu nehmen, ob der Dramatiker die Leistungsfähigkeit seines besonderen Handwerkszeuges nicht über- schätzt, wenn er ein ganzes Menschenleben in die Zeit eines überlangen und doch zu kurzen Theaterabends preßt. Die Alten mögen nun, wenn st« an den vierundzwanzig Stunden des Ablaufs dramatischen Ge schehens festhiellen, ästhetische Gründe gelmbt haben oder nicht: uns liegt, da wir dem maSkenlvsen Schauspieler größere Bedeutung bei messen und, für heut«, nicht von Ibsens .Peer Gynt', sondern von Fritz Reiff als Peer Gynt sprechen sollen, die praktische Frage näher: ob nämlich ein Schauspieler an einem Abend einen tollen Jungen von zwanzig Jahren und einen allen Mann mit eisgrauem Haar glaubhaft verkörpern kann. Es handelt sich dabei nicht um die Aeußerlichkeiten der Gesichtsmaske, die man beliebig verändern kann, der Körperhal tung und Beweglichkeit, die jeder routiniert« Schauspieler beherrscht. Es kommt darauf an, ob einer den Erlebnis-Wandel der verschiedenen Alter gestalten kann, ob einer, der letzten Endes ja derselbe, vom Dich ter als Einheit geschaffene Mensch bleiben muß, die Allers-Variationen dieser Einheit tönen lassen kann, ob er als» als Peer Gynt, w«>nn er als zwanzigjähriger den M iller aufs Dach seht und wenn er als Greis dem .Magern' nachruft: .Der Efel, der dumme! Da schiebt er ab..' Der im Kern unveränderte Peer Gynt geblieben und doch aus dem Kind zum Greis geworden ist. Fritz Reiff war allzusehr der gleiche, unver änderte. Er war als Jüngling nicht plump genug, als Alter der Junge, der er im Anfang halte sein wollen. An den jugendlichen Bewegungen mangelte eS nicht, er sprach bebende und doch bäurisch-plump, wobei tbm sein« langen Knochen zu mancher grotesken Wirkung verhalfen, dlder seine Stimme war von vornherein zu unfrei, seine Wort« waren intel lektuell gehemmt, die sugendlia-c Frisch« fehlte, der Phantast, der Peer Gyntsein soll, war er nicht naiv genug, war zu bewußt. Später siel dieserMangel fort, aber ganz «rwäremen konnte er nur selten. Reiff ist ein sehr guter Sprecher, dem man oft (und schließlich auch heule an postenden Stellen) mit Vergnügen zuyört. Aber dieses .gute Sprechen' führt nur zu leicht zum Deklamieren, besonders wenn die V«rfe wie hier durch Reim« noch besonders gebunden werden. Einig« Szenen, di« Kaiserkchaft »m Irrenhaus, daS Ringen auf See, di« Be- gegnvna mit dem .Nlageren' hob er durch stärkeren Ausdruck innerster Erschütterung hervor, aber gerade am Schluß der Szene aus dem .Mageren' waren die oben schon zitierten Worte zu jung herausge- poltert. Peer Gynt ist zwar der Aste, ab«r er tsi doch — alt! ReiffS Leistung im ganzen bleibt groß genug, um die Dichtung zu tragen, aber eir vollkommener Peer Gynt ist er (noch) nicht. — Die Mitspieler sind zum großen Teil von den früheren Ausführungen bekannt. Maria ArenS scheint mir als Solvejg nicht lieblich genug. Diese Künstlerin ist wohl für ander« Rollen gereift, hier läßt sie allzu stark dar an sich schon wenig erquicklich« begriffliche Element dieser Gestaltung des I Völker sein, die die radikale Umformung der gesamten Lebensart fordern Lwig-welbltchen hervortreten. Die allzu beweglichen und auseinander- s oder auf feiten des Kapitals, für das alie Regime? Möge die Rolle der Eln neu«s Unternehmen des Kunfimarktes. Das Mehamt zu Frank furt a. M. hat sich entschlossen, seinen auf den beiden vorangcgangenen Niesten besonders ersolgre chen Ausstellungen alter und moderner Kunst eine neue Kunstversteigerungs-Ableiiung unter Leitung von Dr. Lübbecke anzugliedern. Die von dieser veranstalteten Versteigerungen sollen aus jeder Frühjahrs- und Herbstmesse statisinden. Ihre Organisation ist in Gemeinschaft mit dem Frankfurter Kunsihandel und den Auktionshäusrrn airsgobaut, die gemeinsam daS Zustandekommen der zur Aukt on be- st mmt«n Kunstwar« vermitteln. Außerdem kann je-der hairdelsgerichtlich eingeiragene Kunsthändler den Auktionen der Messe Kunstgut aus eigener oder Privathand zuführen. Zugelasten sind nur Stücke guter Qualität, di« vor der Ausstellung durch die Direktoren der Frankfurter Museen Bernhard Müller. Robert Schmidt und Georg Swarzenski überprüft werden, während die Auktions- m ndestpreise auf Wunsch durch «in ehrenamtliches Taxationskollegium aus drei angesehenen Kunsthändlern festgesetzt werden. Die Berste ge- rungsausstellung findet zugleich m't der übrigen Kunstausstellung der Messe wie bisher in den Fesiräumen des Römers, tn diesem Herbst vom 25. September bi« 6. Oktober, die Versteigerung im Kaisersaal unter Leitung der Frankfurter Aukk'onSs'rmen Hugo Hesblna. R. Donacl, Jos. Hamburoer und F. A. C. Prestel während der Messe vom 7. Hi tz. Oktober 1920 stakt. Stn H«lne-Fund. Etn kostbare- Helnedokume-nt tst setzt nach ro mantischen Schicksalen wieder aufgrtancht: He'ne- Handexemplar der Erstan-gabe der Harzreise, nebtt den srbr beträchtlichen und inter essanten handschriftlichen Korrekturen des Dichters tür die zweite Auf lage de- Werkes. Der Heine-Forscher Prof. Dr. Friedrich Hirth wird es tn einer originalgetreuen Wiedergabe als zweiten Heine-Gedächtnis» druck ln dem alten Heine-Vetlage Hoffmann K Camp« veröffentlichen. DaS Handexemplar gibt wertvolle Aufschlüsse über Heiner Arbeitsweise. Die bedeutend abweichende Anordnung der Lrstauslage wurde auf HelneS ausdrücklichen Wnnsch bisher nicht mehr dargeboken; all« spä teren Drucke brachten dle Fassung der zweiten Auflage, non dem ge änderten Motto angefangen bis zu den Gedichten, die Heine meist wegen Aufnahme lm Buch der Lieder wegließ. Gorki über dt« ruisischeu Intellektuelle«. Kürzlich forderten Rolland, Duhamel und Barbusse in einem Manifest ein«n Internationalen Kongreß der Intellektuellen. In der Entgegnung Maxim Gorkis, de jetzt das ,F orum' veröffentlicht, he tzt es: Die Intellektuellen der ganzen Welt l»üsf«n heut« dies« ernsthafte Frag« an-chuet-en; werden sie auf feiten der russischen Intellektuellen im Lauf« der beiden letzten, ereignisschweren Jahre lehrreich sein für die Intellektuellen Westeuropas. Wenn der russische Intellektuell« mehr Seelenkrask und mehr prakk sche Voraussicht gehabt hätte, wenn er von den ersten Tagen der bolschewistischen Re volution an in Verbindung gestanden wäre mit jener Gruppe von Menschen, die, aus seinem eigenen Milieu hervorgegcngen, kühn genug waren, sich an die Sp he der Arbeitermassen zu stellen und die pol tis仫 Moscht an sich zu re tzen in einem durch den Zarismus und den Krieg zugrunde gedichteten Lande, hätte der Intellektuelle so gehandelt, d.nn hätten Industrie, Technik und Kultur nicht so heflig gelitten unter dem Einbruch der entfesselten Leidenschaften: wen ger Blut wäre geflossen; nicht so viele Fehler wären begangen worden; d'e Vernunft wär- Zügel gewesen. Ich will niemand verurteilen. Ich stelle nur «ine unleugbare Tatsache fest: die Zurückhaltung gewisser Intellektuellen von dem Lau' der Revolution hakte zur Folge, daß die Lösung der wichtigsten Lebenssrao n gleichgestellt wurde der Bedürfnisbefriedigung einer ncsck kultrr'oicn Masse; das sind me ner Mrinung nach die russischen Dauern. Die Klasse der russischen Arbeiter, zahlenmäßig die geringste, hat eine un geheure Aufgabe vor sich: hundert Millionen Bauern verschiedener Sprache und verschiedenen Ursprung- zu erziehen. Diele Malle kann >n ihrem Zerstörungsrverk «Ine erstaunliche Kratt entwickeln: kann tie ah"r mehr schaffen als Sitten, d'e durchdrungen sind von der Menk^tät kl« nen Besitzenden? Dir Frag« bleibt unbeantwortet. Von die'rm Ge- sischtspunkl aus betrachtet, erscheint die großkopital stische, rationell organi- sierke Industrie dem Handwerker und dem Intellektuellen weniger er schreckend. als die Cllmpte deä kleinen Besitztums, die. fremd und fe'nd- selig meist, höheren Kullurinkeressen enkgegenstehen. Den russischen In tellektuellen wird da- Tragische ihrer Situation mmer deutlicher bewußt. Obwohl sie schon vor der Revolution zwischen Hammer (Herrschaft) und Amboß (Volkl gelebt Koben, werden die unumgänglichen Mßstände dieser Voae ihnen erst jetzt nur allzu deutlich und nur allzu schmcr-Nch. Sie beginnen zu begreifen, datz d'e Wascht den tnieNekturNen Krätt.-n oehkrk, denen lle selbst ge'stig verwandt sind: sie bo"nnen zu begre sen, datz voraussichtlich schon ln nächster Zukunst in Rußland die ver nünftige Organisation und der ekstatische Wille ver schmelzen'werden und daß diese beiden Kräfi-e greint Wunder tun können,. Hochschulnochrickten. In ordentlichen Prok.-n.--n an VH. 5,1 Ilntverkttitr wurden ernannt: der o'd Honora. m a n^i' <"cs<üianc und ?lmvv«o!oq!- Hcd Rcg. Nat ^ r ^iired W t» d e m a n n. ferner die a. o. Pr-kekkoren Dr 'deol WNsie"" . ,'' K '"rchäol-aie Kölnische >:nd allgemetnr t»lr<ncnaek-"'ch!e>, Dr Yvil-, jur. et tbeo! Leopold Karl ° e h 'Edrtttl. Doonienocschi-Mc °^ur''p^-e 'NeswtNNe "nd Londeöknnd^. Dr. Skerandn Vklüo i --AMU vdllolnvNtei w nitnn lNim.r- »vd ne'.ere Met Nicht- nnd aekEMch, VMSwMenkchaftcni. Dr. Ludlvm d -r m ° 'r 'Mu wtkken,chatt,, Dr- Haus «eck «Maiv-mank) DrON o Qu ' n lck- qeographte) und Dr. Johannes Wanne» («noewondte «nroromei. klaffenden Berg« Norwegens seien dem Schuhe einer gütigem Schöpfer hand dringlichst empfohlen. (Die Musik des Leipziger Philharmonischen Orchesters kann man für diesmal leider nur in Klammern erwähnen!) 5. (H.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)