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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.07.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192007047
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19200704
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19200704
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-07
- Tag 1920-07-04
-
Monat
1920-07
-
Jahr
1920
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Sonntags-Ausgabe MM««»-»«—» sßr L«tp,>i «i,d P»r»rt« zwtlmal ILgllch Inj L«o« g«»r«cht< Sonnl«zj«t<M<r,«nouSgob« moaatl. M.U1.—. »««rtoULkrl. P>. SÜ^ flr Ät>tz°I«r oiorratl. AI. v»v. Mora«»-Ä»t-ad« «ck«t« M. 7 LV «oaatUch, Äd«nd-Autgab« allein M L— »»«allUd- vorch »irsor* aalwürltg«, >a» Kau« ,«- brach« »»»»Utch M. 10.—, »,«rl<l1«brltch AI. «.—: dar» die Voll t»n«rhalb voNtlchlaab« D<i«mt-Aut,ad« »»uatlich M. 7L!>, »l«N«NLdr- Itch «. ».» <»»«!ch^Uch Poftb.ß.I,«^,). V,«lao»«»«'!ond: »»natitch M. 1«.— ,»» »rutlachaa-Port». <in,»ta»»»«ra: »„»«n- Ä,t»»b» » Pt, «drad-Potiabo W PI. Sonata,« Aulaaba « Ps. Hauptfchrtftlett«: Dr. Erich Lverlh, Leipzig. der Stadt Leipzig 114. Jahrgang — —«!«» >tr Gr^t!»tp,Ig a. Umgeb. b<« «Inspai!. ÄHtzblAvItP» k«s, 4r,n»ar«Ill«i«ll« M. l.75, von oulwSrtt M.ll.r>: Anjtlg«» »»»4>«dSrt«a Im amlitchra Lei! di« VonpaKllleziIi« M.LLO, v.aulw. M. ll.— ; dl«ta« Vnj«I,«a dt« Vonpar«IU«j<'i« M 1.40, v», a»«w«rt« Mk. 1.SU.D«I»dN«aa,«I,«n mit Plado»rlchrlt«,n im Pr«it« «rdddi. Platz and vatiaoorlchritt »tzn« <v«rblndUchk«Il. B«Uagenpr«Ii» sir dt« -«tamtausla,« da« Lausind Mk. 17 — n«tt», tdr T«Ilauslag« La»l«»d Mk 15.— n«Ito, für Postauslo,« P»st,«dldr «^tra. Saratprach--aaIchI-li Nr.>4K»L l«»»0 and — P,ttich«»kon«o7Ä». Kchrittleitna, nnd Johanni«,all« Nr. Verlag: Dr. Reinhold L Lo, Leipzig. -- - . „ - , , > I! II - Nr. 305 Sonntag, den 4. 3uli N'20 Das deutsche Gutachten für Spa irng als Material für die Verhandlungen in Spa enthält in seinem ersten Teil ein« ausführliche Dar- La g e Deutschlands. LS werden zu- ftllchen Wirrmi Das Sachverständigenurteil über die Wirtschaftslage Verschlechterung der Wirtschaftslage. — Keine Wiederholung des 100 Mllliardeu-Goldmark-AngebotS. — Kohlenlieserungen und tätige Mithilfe am Wiederaushau in Frankreich. — Line Blot anleih« für Deutschland. Berka, 8. Zull. lDrahtbericht.) DaS eingehende Gutachten der deutschen wirtschaftlichen Sachverständigen über Deutschlands wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das am SO. Juni dem Obersten Rate neben zwei amtlichen Denkschriften über die Zahlungs fähigkeit Deutschlands und über di« Steuerbelastung in Deutschland von der -mischen Regierung als Material für die Verhandlungen in Spa überreicht worden ist, < ' stellung der wirtschaftlichen nächst di« vernichtenden wirtschaftlichen Wirkungen der Wafsenstill- standäzeit geschildert, weiter die Verminderung der deutschen Produk- tivkräfte durch den Vertrag zu Versailles und ihre verhängnisvollen Fol gen in ällen ihren Einzelheiten. Das Gutachten geht dann kurz auf den Zustand der deutschen Finanzen und auf die durch die neuen Steuern verursachte Belastung der deutschen Volkswirt schaft ein. Der zweite Teil des Gutachtens beschäftigt sich mit den Voraus setzungen zur Feststellung des Wiedergutmachungsbetrages. Er behandelt zunächst daS Angebot der deutschen Friedensdelegaklon in Versailles vom 29. Mal 1919, wobei Deutschland sich zu Zahlungen bis zur Höchstsumme von 100 Milliarden Gold verpflichten sollte. Die Sachverständigen hallen an sich den Grundgedanken des Angebots und die Erwägungen, von denen es ausging, im Prinzip auch heute noch für richtig. Die Wiederholung dieses Angebotes könne jedoch heute nicht mehr erfolgen, well einmal von den damals als integrieren der Teil des deutschen Angebotes aufgezählten Voraussetzungen (vor allem die Belassung Ost- und Westpreujzens, Ober sch lesiens und des Saar gebietes, Selbstbestimmllngsrecht für Deutschösterreich, Belassung der Ko lonien als Mandatar des Völkerbundes, Verzicht auf Auslieferung der Handelsflotte, keine Okkupation deutschen Gebietes) auch nicht eine ein zige erfüllt wurde, sodann aber auch die gesamte äußere und innere Wirtschaftslage Deutschlands sich unter erheblicher Mitschuld der alliier ten und assoziierten Mächte wesentli ch verschlechterte. Bei der Erörterung der Möglichkeit deutscher Leistungen bezeichnen die Sachverständigen es als ihren Wunsch, ihr« Erörterungen der Wieder- outmachungsfrage dem festen Vorschlag soweit anzunähern, als es über- Haupt in der wirtschaftlichen Gesamtlage möglich ist, wobei nicht nur die bekannten Faktoren schon besorgniserregend genug sind, sondern zugleich weitere wesentliche Faktoren sich überhaupt einer Erfassung durch Rech nung oder Schätzung entziehen. Sie kommen dabei zu der Auffassung, daß die Bemühungen aller Beteiligten auf Lösung der einzigen wirklich großen Fragen konzentriert werden sollten, die Kohlenlieferun- a « n und die Beteiligung Deutschlands am Wiederauf bau Frankreichs im eigentlichen Sinne. Bei der Kohlenliefe rung bleibt nach Ansicht der Sachverständigen kein anderer AuSweg, als den gegnerischen Staaten, insbesondere also Frankreich, zwar eine Option auf oestimmte Kohlenmengen zu gewähren, jedoch unter der Voraus- setzuno, haß die Lieferungen auf der Basis der Im freien Wettbewerb sich vildenden deutschen bzw. englischen Ausfuhrpreis« tatsä chlich bezahlt werden. Deutschland würde sich dann verpflichten müssen, die Einkünfte auS diesem Posten in erster Linie für die Erfüllung der in Gold auszudrückenden Wiedergutmachungsleistungen flcherzustellen. Weiter ist erforderlich, daß Deutschland, da es nicht genügend exportieren kann, einen Teil seiner lebendigen Kräfte ins Ausland sendet, um durch werbend« Arbeit «inen welkeren Betrag an ausländischen Zahlungs mitteln mr Abwälzung seiner Wledergutmachunasschuld zu erhalten. Die Sachverständigen halten eS, solang« andere BetäkigongSmöglichkeiten größerer Devölkerungsmassen tm Ausland« den Deutschen durch Kolonien nicht gewährt werden, für unerläßlich, daß dt« Verhandlungen über die ArbeitSdeteillaimg beim Wiederaufbau Frankreichs mit allem Nachdruck fortgesetzt and einem greifbaren Ergebnis ruaeführt werden. Ein« wetter« Notwendigkeit für Deutschland ist die Einfuhr der ¬ jenigen Warenmengen, die füc die unmittelbare Wiederherstellung der menschlichen Arbeitskraft und Landwirtschaft nötig sinh. Der unbedingte Einfuhrbedarf für die Zeit vom 15. Juli 1920 biS ZE 30. Juni 1921 beträgt nach Berechnung der Sachverständigen über 4)4 Millionen Ton nen Nahrungsmittel, mindestens 300 000 Tonnen Rohphos phat. Dafür benötigt Deutschland ausländisch« Kredite in Form einer Notanlethe. Die näheren Bedingungen dieser Kredit hilfe würden im übrigen in mündlichen Verhandlungen festgesetzt werden können, deren baldige Einleitung den Sachverständigen äußerst dringlich erscheint, wie überhaupt nach Auffassung der Sachverständigen die als baldig« Aufnahm« von wirtschaftlichen Verhand lung en dazu beitragen würde, jene Atmosphäre von ruhiger Sachlich keit und verantwortungsbewußter Gemeinschaftsarbeit herzustellen, ohne die der Vertrag von Versailles niemals die ihm fehlende Kraft, «in wirklicher Friede zu sein, erhalten würde. Schließlich beschäftigt sich die Denkschrift mit den Voraussetzungen für die Abgabe eines neuen deutschen Angebots, und kommt zu dem Ergeb nis, daß ein solches Angebot nur möglich ist, wenn bei der Ausführung des Vertrages von Versailles von folgenden Voraussetzungen ausgegan- gen wird, die allerdings eine abschließende Aufzählunanicht darsteilen: Deuisch'and wird im Wege der Gegenseitigkeit die Meistbegünstigung und wirtschaftliche Gleichberechtigung, sowie Rechts sicherheit im Ausland« gewährt. Der Wirtschaftsfrieden wird durch ausdrücklich zuzusagende Nichtanwendung der Repressalienklausel ge sichert. Deutschlands Wirtschafishoheik im Inland« bleibt unangetastet, Deutschlands Einheit als Zollgebiet wird durch keinerlei Eingriffe ge fährdet. Freier Verkehr mit Ostpreußen wird gewährteistet, die Lasten auS der Okkupation werden durch Begrenzung gemindert. Die Wiedergutmachung d«r aus den besetzten Gebieten Weggefährten Gegenstände muß in oaS System der Wiedergutmachungsschuld einge gliedert werden. Die finanziell« Auseinandersetzung mit den ehemaligen Bundesgenossen wird unter Mitwirkung der Entente ermöglicht. Deutschland wird der zu seiner Existenz not wendige Schiffsraum zur Verfügung gestellt. Der Gegenwert der bereits liquidierten und daS Eigentum an den noch nicht liquidierten deutschen Rechten und Interessen im Ausland bleiben den Berechtigten zu unmittelbarer Verfügung erhalten. Die Erhaltung Ober- schlesiens bildet die unerläßliche Voraussetzung jeder Wiedergut- machungsverpflichkung Deutschlands. Sollte wider Erwarten die Ab stimmung gegen Deutschland aussallen, so würde die Abgabe eines deut schen Wiedergutmachungsangebotes hinfällig werden müssen, da die Un- ähigkeit Deutschlands zu nennenswerten Leistungen ohne Gegenleistung ohnehin für alle Welk erkennbar sein wird. Das Gutachten schließt: Selbst nach Erfüllung dieser Voransfehun- gen bleibt Deutschlands Lage ungeklärt und gefährdet. Es besteht für noch nicht absehbare Zeil keine andere Möglichkeit, als den Notwendig keiten des Staatshaushalts, soweit äußerste Einschränkung und stärkste Steueranspannung nicht ausreichen, durch hemmungslose Ausgabe neuen Papiergeldes zu genügen. Dieses Verfahren läßt sich wegen der sozialen Wirkungen der ständigen Preisveränderungen nur noch kurze Zeit fortsehen. Was dann kommen wird, ist ungewiß^ Ohne raschen Beginn wahrhaft solidarischen Zusammenarbei- tens der Völker sind die in der gestörten Weltordnung liegenden Ursachen der WirtschaftS- und Nahrungsnot nicht zu beseitigen. Die Wirkung der deutschen Denkschriften Paris, 3. Just. fDrahkbericht.) Der Sonderberichterstatter der .Agenoe Havas' meldet cms Brüssel, über die -«titschen Denk- schrtflett hätten die Lhefs der alliierten Delegationen ihm gestern abend gesagt, es handle sich um einen Fühler. Wenn die deutschen Vertreter sehen werden, daß diese Art der Begründung von den Alliierten off«, gemißbilligk werde, würden sie in Spa ihre Taktik ändern. Nichtsdestowen ger zeigten die Denkschriften den Oppositionsgeist hin sichtlich der Ausführung des Vertrages. Wenn sie wirklich aufrejcht er halten werden, dann werde die Begegnung von Spa zweifelsohne durch die Unmöglichkeit abgekürzt werden. In der sich -i« Alliierten befänden, einen Boden der Verständ gung mit den Deutschen zu finden. (Weitere Meldungen über dl« Konferenzen in Brüssel und Spa siehe Seite 3.) Beschlüsse des Reichsbürgerrates Der Frie-emSvertrag von Versailles — Die ReichSpräfiöentenwahl 2n -er gestrigen Nachmittagssitzung -es zu seiner -ritten Tagung in Leipzig zusammengekvetenen ReichsbüraerrateS wurde ZM Frage -es Fried ent von Versailles folgende Ent schließung angenommen: «Di« »n Leipzig zur dritten Reichsbürgerratstagung versammelten Vertret«» der deutschen Bürgerräte erklären: Wir erkennen an, daß Deutschland dl« bei Abschluß des Waffenstillstandes <mis Grund der 14 Punkt« WltsonS übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen hat. UnL sind aber unter Bruch di«s«r Abmachungen In dem Versailler Vertrag« w«vergehende Verpflichtungen aafgavvungen worden, und deSkat fordern wir di« Aufhebung deS Vertraget. Wir fordern alt erst« An bahnung friedlicher Bezie-ongen Tilgung der Schmach, die der weißen Röst, durch Besetzung deutscher Gebiete mit farbigen Truppen angetan wird. Schutz der Bevölkerung in den besetzten und Abstimmungsgebieten gegenüber de« anoehearen llebergriffen der dortigen Machthaber. Ab schluß wirtschaftlicher und finanzieller Vereinbarungen auf Grund der Abmachung vom S. Noovember 1918 nach dem Gesichtspunkt deS euro päischen Wiederaufbaues, insbesondere zur Garantie der Erfüllung deut scher Verpflichtungen, Aufrechterhaltung eines Heeret von mindestens 200 000 Mann und der Sicherheitspolizei als Träger staatlicher Ord nung «ch Sicherheit. Wir erwarten von den Delegierten in Spa, daß sie W Erkenntnis des Rechtes und der NotwendMett dieser Forde rung«« keine DerpfLchtungen eingehen, -Se Devthchland nicht erfüllen kann.' Zm Frage-er W a h l -eS Relchspräsl-enkenhak -er Reichst) üvgerrat in folgender Entschließung Stellung ge nommen: .Dem N«lchsprästdenlen ist verfassungsgemäh die Wahrung des gesamten VotkSwohleS anvertraot, darum muß er eine in seinem politischen D«nken MmbhLngtg« Persönlichkeit sein, Ar he-«t M Erfüllung seiner hohen Aufgabe einer bereits für di« Mehrheit der Wähler greif bar erkennbaren Erfahrung, die ihn befähigt zur Uebernahme der höchsten Würde und der damit verbundenen schwersten Pflichten im Dienste des deutschen Volkes; vor allem muß er erfüllt sein von der restlosen Hin gabe an den vaterländischen Gedanken. Aus dieser Erwägung beschließt die Hauptversammlung deS ReichSbürgercats, sein Präsidium zu beauf tragen: et wolle sich mit den politischen Parteien der großen Wirt schaft-- und Berufs-Organisationen in Verbindung sehen, um im Bunde Nit deren Vertretern als Kandidaten für di« kommende Reichs präsidentenwahl elne geeignete Persönlichkeit ausfindig zu machen und deren Wahl vorzubereiten.' lieber -le Verhandlungen -es Reichsbürgerrates berichten wir ausführlich auf Seite 13. Fehrenbach — Präsidentschaftskandidat? Karlsruhe, 3. Juli. lDrahtbericht.) Zu der Frage der Reichs präsidentenwahl teilt der .Badische Beobachter', der gute Be ziehungen zum Reichskanzler Fehrendoch unterhält, mit, daß für den Fall der endgültigen Ablehnung Ed«r1S tn wetteren politischen Kreisen, einschließlich der Sozialdemokraten, der Gedanke einer Auf stellung d«s jetzigen Reichskanzlers Fehrenbach als Kandidaten für die Präsidentschaft bereits erörtert worden sei. Ob Fehrenbach freilich geneigt ist, dieses Amt zu übernehmen, erscheint recht fraglich. Krassin unterwegs nach Rußland Kopenhagen, S. Juli. (Eig. Draht bericht.) Wie von der Presse ongekündigk, hat Kiaffinauf einem englischen Torpedoboot di« -Mischen Gewässer verlassen und die Fahrt nach Kopenhagen ange- lreken. In seiner Begleitung befinden sich Vertreter deS englischen Handelsministeriums. Preis - Revolution oder -Entspannung? Anderthalb Jahre lang ist der große Kreislauf von erhöhten Preisen zu erhöhten Löhnen und von erhöhten Löhnen zu erhöhten Preisen durch den Irrgarten der Uebergangswirlschaft gegangen und hat zum Schluß ein derartig rasendes Tempo angenommen, daß der Erfolg der einen Maßnahme sich gar nicht so schnell aus wirken konnte, als die andere Maßnahme schon wieder dagegen einsetzte. Man ist seht wohl allgemein zu der Erkenntnis ge kommen — nicht nur in Arbeitgeber-, sondern auch in Arbeit nehmerkreisen —, daß ein weiteres Vorwärtsdrüngen auf dieser Bahn zur Ileberspannung der wirtschaftlichen Möglichkeiten und damit zum Zusammenbruch führen müßte. Bei all unserer großen Not zeigt sich doch immer wieder der eine Grundsatz, daß die Volkswirtschaft Gesetze tn sich birgt, nach denen von selbst eine Reaktion sich durchsetzt) sobald die Entwicklung derartig zum Ilebermaß treibt, daß sie die Existenz des Ganzen gefährdet. Mir haben aus dem Gebiete der Straßenbahn, in bezug auf die Tarif erhöhungen, auf dem Gebiete des Bekleidungswesens, bei Schuhen und an manchen anderen Stellen die Erfahrung gemacht, daß dort, wo das Ilebermaß des Möglichen erreicht ist, von selbst auf der ganzen Linie ein Halt eintritt. Eigenartig und für die Gesamt heit der Wirtschaft vielleicht ein Glück ist es, daß auf den ver schiedensten Gebieten diese Ereignisse sich ziemlich gleichzeitg gel tend machten, so daß wir nicht erst alle die Experimente hin tereinander über uns ergehen lassen mußten, ehe wir zur Erkennt nis kamen, daß hier wirtschaftliche Gesetze vorliegen, sondern uns die Klarheit auf breitester Basis zwangsweise vor Augen geführt wurde, so schmerzlich sie auch für einen Teil unserer wirtschaft lichen Schichtung sein mag. ES scheint so, als ob dieselben Erfahrungen jetzt auf dem Gebiete der Lebensmittel-Preispolitik sich zeigen sollten. Sie treten hier etwas stürmischer auf, aber das liegt in der Natur der Sache. DaS alte Wort, daß die Revolutionen im Bäckerladen beginnen, beweist eben nur die Erfahrung, daß keine Lebensnot- wendigkeit >so dringend ist und so unbedingt nach Befriedigung drängt, wie die Erhaltung des Lebens, und daß BekleidungS- und Wohnfragen hinter der Magensrage infolgedessen zurücktreten. Es kommt dazu, daß in den breiten Massen die Erkenntnis ausge dämmert ist, daß die ganze augenblickliche Lage aus unserem Er nährungsmarkte nicht dazu drängt, die Preise zu treiben, sondern daß eine Abbaumöglichkeit durch die gute Ernte und die Ver billigung der Einfuhr wohl gegeben wäre. Vor wenigen Monaten war der Handel mit Lebensmitteln selbst in seinen kleinsten wirt schaftlichen Formen ein gutes Geschäft. ES ist noch gar nicht lange her, daß überall, wo ein Laden frei war, Grünkramgeschäste sich austaten und Speck, Würste, Käse und Konserven die Schau fenster füllten, und überall, wo man sich in seiner Umgebung um sah, konnte man bemerken, daß es den Leuten dabei nicht schlecht ging. Auch die Tatsache, daß sich immer mehr Menschen zum Straßenhandel drängten, beweist, daß hier Erwerbsmöglichkeilen gegeben waren, die immerhin einige Aussichten boten. Man kann sich denken, daß alle diese Kreise schon um der Erhaltung ihrer Existenz willen an einem plötzlichen und starken Abbau der Preise kein Interesse haben. ES kam dazu, daß die Preissenkung, die durch eine Verbilligung der Einfuhr in Aussicht stand, durch die Verteuerungspolitik der Regierung — die im Interesse der Hebung der Landwirtschaft gewisse Lebensmittel höher bewerten mußte, die während der Kriegswirtschaft entschieden unterbewertet waren — in der Gesamtwirtschaft nicht so deutlich zutage trat. Man kann dem Händlertum auf dem LebenSmittelmarkte den Vor wurf nicht ersparen, daß eS nicht rechtzeitig den Zeitpunkt er kannt habe, an dem durch gute Ernteaussichten im Inlande und auf dem Weltmärkte sich die Tendenz für eine Senkung der Preise entschied. Es ist eigenartig, aber gleichzeitig interessant, wie rein ge fühlsmäßig tn der breiten Masse diese Erkenntnis sich durch drückt, und zwar so mächtig, daß sie an einzelnen Stellen, wo sie durchaus aufgehalten werden sollte, zu Gewaltmaßnahmen führt. So kam es zu den bekannten Marktrevolten in Bremen, Ham burg, Würzburg, Berlin, Magdeburg, Mainz, Frankfurt, Osna brück, Krefeld, Ulm, Ravensberg usw. Die Verteilung der Plätze über einen großen Teil des deutschen Reiches beweist, daß eS sich> hier nicht um Ereignisse handelt, die durch irgendeine Hetze her vorgerufen worden sind, sondern um eine Reaktion gegen einen wirtschaftlichen Zwang, der automatisch an ganz auseinander liegenden und in ihren Versorgungsbedingungen oft gar nicht zu sammenhängenden Stellen zum AuSbruch kam Wir möchten da bet übrigens bemerken, daß eS nicht ein Zufall ist, daß in Leipzig sich die Verhältnisse ruhig entwickelt haben. ES ist zwar eine alte Erscheinung, daß -er Sachse lieber drei Monate schimpft, ehe er einmal die Faust aus der Tasche nimmt und zuschlägt, aber es hat sich ja auch hier schon gezeigt, daß bei einer Ueberspannung der Verhältnisse selbst bei -er sächsischen Gemütlichkeit die Volkswut zum Kochen kommen kann. Die Dinge liegen aber so, daß nach den uns regelmäßig zugebenden Marktberichten aus den großen Städten -eS Reiches Leiozig sich immer auf einer verhältnismäßig mittleren Linie bewegt yat. ES ist bei uns nicht eben billig ge wesen, aber die unverschämten Preise, die dem Publikum an an deren Orten aofgezwungen werden sollten, hat man uns doch nicht zu bieten gewagt. ES wäre nun vollkommen falsch, wollte man annebmen, -aß durch jene Gewaltmaßnahmen irgendein Druck in der Richtung auSgeüdt werden könnte, in der sich di« Prelsbll- dung entwickelt. Wenn tatsächlich Ansätze zu «iner Besserung vorhan-en stn-, so liegt das an der Gesamtlage, die sich über kurz oder lang auf wirtschaftlichem Gebiete stets durchsetzt, ganz gleich, ob die Widerstände dagegen schwach oder übermäßig stark sind. Wir stehen eben, wie gesagt, vor der Tatsache, daß elne allem Anschein nach günstige Lrnte uns über -ie Schwterlgketler» -er
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