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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.06.1920
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1920-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19200616021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1920061602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1920061602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-06
- Tag 1920-06-16
-
Monat
1920-06
-
Jahr
1920
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114. Jahrgang Nr. 278 Mittwoch, den IS. 3uni 1820 Hauptschriftleiter: Dr. Everid, Leipzig Verlag: Dr. Reinhold L Lo., Leipzig Ein Kabinett Der Widerhall der demokratischen Erklärung Berlin, IS. Juni. (Drahtberlcht unserer Berliner Schriftleitung.) Die Erklärung der Demokraten hat in politischen Kreisen wie eine Ueberraschung gewirkt, und es ist ofsen- sichtlich, daß jene Parteien, die der schwierigen Lage so ratlos und tatlos gegenüberstanden, von dem entschiedenen und sachlichen Ton der Er klärung unangenehm berührt sind. Umsonst suchen sie ihren Aerger zu verbergen. Die Scheidung der Geister beginnt sich bereits in den Morgenblällern anzukündigen. Die deutschnatlonale .Deutsche Tages zeitung' entschleiert ihr wahres Gesicht, indem sie schreibt: .Mit dieser Erklärung haben die Demokraten die Sache des Bürgertums von neuem verraten (natürlich!), und «ine nichtsozialtsttsche Regierung sabotiert.' Sie hätten auch .den demokratischen Gedanken preisgegeben, indem sie den monarchischen Gedanken vergewaltigen wollen, nachdem soeben erst das deutsche Volk di« Stimmen der monarchistischen Parteien nahezu verdoppelt hat.' Die ,D. T." sei daran erinnert, daß die Deutsch nationalen, die immer so tun, als ob sie die deutsche Nation vertreten, kaum ein Siebentel aller Stimmen erhielten, beide Rechtsparteien nur ein Viertel, während die sozialdemokratischen Parteien zusammen fast 45 Prozent auf sich vereinigten. Man begreift, daß auch die Deutsch« Bolktpartet pch in einer unbequemen Lage befindet. Wenn si« wirklich dl« .Partei des Wiederaufbaues' wäre, als di« sie sich selbst vor -en Wählern bezeichnet hat, so hätte sie infolge jener VerfassungSbestimmung, di« dl« Ernennung des Kanzlers durch den Reichspräsidenten vorsteht, di« Möglichkeit ge- dabt, zu zeigen, was sie konnte. Dr. Heinze braucht« ja nur ein Kabinett von Köpfen — wie die Deutsch« Volkspartei es immer fordert — zufammenzustellen mit einem lebensfähigen Programm, welches den Forderungen des Augenblicks gerecht geworden wäre. Wir hätten die Parteien sehen mögen, die einem solchen Kabinett jetzt, vor der Kon ferenz von Spa, das Vertrauen verweigert und die Verantwortung für all« Folgen einer solchen Handlungsweise auf sich genommen hätten. Aber er hak es eben nicht sertiggebracht, und dah er nicht einmal den Versuch dazu unternommen hat, kennzeichnet die wahren Verhältnisse. .Noch heute' — bemerkt die .Germania' nicht ohne Ironie —- .rühmt sich diese Partei an den Berliner Litfaßsäulen: Von roten Ketten macht euch frei allein di« Deutsch« Volkspartel. In der Tat hat sie aber nicht das mindeste unternommen, um dies« Worte in die Tat umzusetzen, und damit muh si« sich eigentlich in den Augen jedes Denkenden ihr Urteil schon gesprochen haben. Die Deutsch« Volkspartei hält« ja den Versuch machen können, dem sich jetzt Trimborn unterzieht, eln« Regierung ohne Sozialdemokraten zustande zu bringen. Man mutz sogar sagen, sie wäre die nächst« dazu gewesen, weil sie bel den Wahlen ihren Erfolg wesentlich durch die Bekämpfung der bisherigen Koalition, insbesondere durch die Anschwärzung der Rolle der Mehrheitssozial- demokratie Larin errungen hat.' Die .Tägliche Rundschau' sucht Ihren Aerger über die Rolle, zu der sich die Deutsche Volkspartei selbst verurteilt hat, Lust zu machen durch dir Behauptung, all di« Schwierigkeiten der Kabinetts bildung seien lediglich darauf zurückzusühren, .dah die Demokratische Partei sich bisher geweigert habe, an einer sachgemähen Arbeit teil- zvnehmen und den Volkswillen vom 6. Juni zu respektieren', eine Betxurplung, von deren Unwahrheit sich bi« Oeffentllchkeit ohne Schwie rigkeit überzeugen kann, da die Demokraten, eben weil st« das Votum vom 6. Juni respektierten, sich bis gestern durchaus zurackgehalten und adgewarket haben, bis man sie ri«f. Erst gestern ist man zum ersten Male an sie herangetreten. Das sei hier nochmals festgestellt. Die demokratisry« Erklärung wird übrigens in den Kreisen der Deutschen VoUSpartet geteilt ausgenommen und durchaus nicht einmütig abge- lrhnt. Selbst die auf dem äutzersten rechten Flügel marschierende all deutsche .Tägliche Rundschau' mutz zugebrn: ES mag sein, daß unter den Anhängern der Deutschen VolkSparlei sich diese oder jene Kreis« befinden, die heut« vielleicht dem republikanischen Sstaatszedanken näher stehen als dem monarchisch«», und bah sie der Meinung sind, es liege im Interesse Deutschlands, dah das Reich für alle Zeiten eine Republik bleibe; aber den Demokraten sei versichert, dah die Ansichten, die beispielsweise erst kürzlich wieder sehr zwecklos und nur Verwirrung stiftend in der .Kölnischen Zeitung' vertreten worden sind, bel mehr als SO vom Hundert aller Anhänger der Rechten keinen Wtderyall finden.' Hier zeichnet sich schon tnnerdalb -er deutschen Volkspartei «ine Scheidung der Geister ab. Sie wird noch deutlicher in dem bisher deutschnationalen .Lokal-Anzeiger', der offenbar einen guten Instinkt für di« Konjunktur besitzt und bereits «inzüschwenken beginnt. Er läht sich von hervorogender volksparteillcher Seite' Mitteilen, dah das, was Dr. Petersen aoSgeführt habe, von d«r Deutschen Volkspartel schon zu Beginn der Kris« gefordert wurde. (Wir haben freilich von Be mühungen Dr. Heinzes in dieser Richtung nichts gemerkt. Berliner Schrtftleitung.) Die Erklärung Petersens sei eine Absage an die Grundsätze, di« bisher von den Koalition-Partei«» vertreten worden seien. Das ist nicht richtig, aber tu» übrigen: die Koalition ist ja ge- spltngl, und di« Demokratisch« Partei handelt nur ihrem Programm getreu, wenn st« jetzt Forderungen, bi« st« in der bisherigen Koalition infolge ihrer zahlenmähigen Schwäch« nicht durchzusetzen vermochtr und rruiicksteilen muhte, nun mit aller Entschiedenheit auch vor der Oefsent- llchkett welier vertritt. Der volk-parteilich« Gewährsmann des .Lokal-Anzelgers' erklärt dann weiterhin, bah die Deutsch« Volkspartel von dem Standpunkt, den sie in bezug auf dl« Mon archie etnnehme, unter keinen Umständen adwetchen wolle. Maa könne auf dem Boden der Verfassung stehen und trotzdem Monarchist sein. Scheidemann hätte sich vom Kaiser zum Staatssekretär machen «sten, trotzdem di« Sozialdemokratie als letztes Ziel di« Beseitigung der Monarchie erstrebt«. Wenn man di« demokratisch« Erklärung les«, hab« man di, Empfindung, bah auf die Reichskanzlerschatt Schiffers hinge- arbeitet werd«, der, wi« verlautet, sein Ministerium schon fertig habe. (?) Di« Deutsch« Volkspartel könne unter keinen Umständen dulden, dah di« KIrmste Partei im Reichstag d«n Kanzler stell«, lieber die Kanzlerschaft eines Zentrumsmannes liehe sich reden. Vas Zentrum sei die stärkst« bürgerlich« Partei, steh« in d«r Mitte und hab« daher «in Recht, für sich di« Kanzlerschaft in Anspruch nehmen. (?) Mit d«r Person Fehrendochs sei di« Deutsch« Volkspart«, etnverstanden. . . Vir könne» di« Deutsch« Volkspartet beruhige». Herr Schiffer Fehrenbach? denkt nicht daran, eln solches Amt zu übernehmen. Auch die Demokraten sind mit der Kanzlerschaft Fehrenbachs einverstanden. Für sie stehen unpersönliche Fragen in erster Linie. Sonach könnte man annehmen, dah Herr Fehrenbach im Lause des heutigen Tages zum Reichs- kanzler ernannt werden dürfte. Eine volkSparieiiiche Stimme, die von der im .Lok.-Anz.' etwas abwetcht, findet sich im ,B. T.' Danach sei man in den Kreisen der Fraktion der Deutschen Volkspartei überzeugt, dah die programmatische Erklärung der Deutschen Demokratischen Partei in der Tat eine an nehmbare Grundlage für eine Regierung bilden kann. Die Deutsche Volkspartei werde von ihrem monarchistischen Standpunkt nicht abgehen wollen, aber voraussichtlich erklären, dah sie darin keinen absoluten Widerspruch zu einem Bekenntnis für die Weimarer Ver fassung sehen könne. Der Reichstag einberufen Berlin, 18. Juni. (Eigener Drahtbertcht unserer Berliner Schrtftleitung.) Trimborn hat den ganzen Vormittag über seine Bemühungen fortgesetzt. Zn Zentrumskreisen werden di« Aussichten, eine Lösung der Kabinettslrise herbeizusühren, zurzeit sehr günstig beurteilt, und wir sahen Herrn Fehrenbach, der ja für das Kabinett des Herrn Trimborn als Kanzler in Aussicht genom. men ist, mit strahlender Mene in der Wandelhalle des Reichstages aus- und niederschreiten. Trtmborn hat zunächst wieder mit den Sozial demokraten verhandelt, und eS scheint, dah er mit ihnen zu einer weitgehenden Ilrdereinstimmung gekommen ist. Die Demokraten begannen heute vormittag ihre FrakiionSsitzung um 11 Uhr. Zunächst hielt Senator Petersen ein« Ansprache, in der er einen Ueberblick über di« bisherige Politik dec Demokratischen Partei gab und darauf hlnwieS, waS hier von Tag zu Taz in Berlin gescheh«, das sei die beste Rechtfertigung für di« Politik der Partei. Nun, wo die Fraktion um so viel kleiner geworden ist an Zahl der Mitglieder, werde sie um so geschlossrner und fester arbeiten können. Petersen gab dann ausführlich eine Darlegung über die schriftliche Erklärung, welche er gestern Trim born überreicht hat. Daran schloß sich die politisch« Aussprache, die sich bis spät in den Nachmittag hinziehen wird und im Verlauf deren die Unterhändler zu etwa notwendigen Verhandlungen bestimmt werden. Die Deutsche Volkspartel hat, so viel uns bekannt ist, beule vormittag keine Verhandlungen gepflogen; aber eS scheint, als wrnn sich in den Mittagsstunden die Ereignisse zu konzentrieren be- gännen. Die Verhandlungen des Zentrums wurden im Reichstag geführt, und zwischen 11 Uhr tauchtrn ziemlich unvermutet im Preutzischen Abgeordnetenhause, wo die demokratisch« Fraktionssitzung staltfand. Gestatten von verschiedenen Zentrumsleuten auf, was auf eine Fortsetzung der Verhandlungen schliessen läßt. Berlin, 16. Juni. (Drahtbericht unserer Berliner Schrtftleitung.) Präsident Fehrenbach hat, wi« wir hören, den Reichstag auf den 24. Juni, nachmittags 3 Uhr, einberufen. In Zentrumskretsen wird versichert, daß die neue Regierung heute nach mittag zustande kommen wird. Wie verlautet, wird Fehrenbach Reich-Kanzler, für daS Ministerium des Auswärtigen wird Ge heimrat Simons, der ^frühere Direktor der Rechtsabkeilung im Auswärtigen Amt, als aussirprsreicher Kandidat genannt. Di« Ver- Handlungen dauern noch an. Berlin, 16. Juni. (D r a b k b« r i ch t.) Zur Regierungs bildung berichtet die .N. Bert. Zig.', daß eine Erklärung der Gewerkschaften vorliegt, die die alte Koalition von Sozial- demokratie, Demokratie und Zentrum als die den obwaltenden Um ständen nach am besten geeignet« Lösung der Regierungskrisis erklärt. Scheidemann habe sich gleichfalls in diesem Sinne aus gesprochen. Die bürgerliche Obstruktion im braunschweigischen Landtag Braunschweig, 16. Juni. (Drahtbericht.) In der gestrigen Sitzung der Landesversammlung beantragte der Abg. Paul Jun Ke (U. S.), die Geschäftsordnung dahin abzaändern, daß di« Beschluß fähigkeit des Hauses künftig nicht mehr eine Zweidrittelmehrheit erfordern sollt«, sondern daß das Haus schon beschlußfähig sein soll, wenn die Hälfte der Abgeordneten anwesend sei. Vor der Ab stimmung wurde die Beschloßunfähigk«it -es HauseS fest gestellt. Erneuerung der Wiener Kabinettkrise ' Wien, 16. Juni. (Drahtberlcht.) Unerwarteterwets« ist heute wieder eine Verschärfung der Kris« eingetreten, welch« gestern schon ais erledigt betrachtet wurde. Diese Verschärfung wird verursacht durch die Christlich sozialen der Länder, bi« deut« in Wien zu- sammentrateN, um an den alten Forderungen der Partei, namentlich Erledigung der VersafsungSreform nebst Vermögensabgabe festzuhalten, und di« Bedenken gegen den unveränderten Fortbestand der jetzigen Regierung haben. Endgültige Beschlüsse wird die Partei erst morgen fassen. Vegirm der Spa-Kouserenz am S. Suli Amsterdam, 16. Ion». (Drahtbertcht.) Nach einer Londoner Meldung agt« Lloyd Georg« gestern im Unterhaus«, bas Datum der Kon- «renz von Spa sei mit Rücksicht auf die Bildung einer neuen deut- chen Regierung noch nicht endgültig festgesetzt; doch wer-« di« Kon. erenz wahrscheinlich am S. Juli beginnen. Di« für Brüssel geplant« Zusammenkunft der führenden englischen und französischen Staatsmänner sei nicht durch ne» hervorgetret«»« Gesichtspunkt« not- wendtg geworden, sondern es sei im Gegenteil stets geplant gewesen, daß di« Alliierten vor der Zusammenkunft mit Deutschland unter- «tnaader Besprach»»-«» adhattrn. O Wechf«l i« Präsidium des Hanfalmnde«. Wi« der Hansabunb miNeilt, «st am 12. d. M. d«r bishrrige Vorsitzende, Geheimer Rat Dr. Rieke r. aus dem Präsidium ausgeschieden. An Stelle von Dr. Rießer, den das Präsidium zum Ehrenpräsidenten ernannte, ist Generaldirektor Dr. En bemann mit der Wahrnehmung d«r Ge schäft, des Vorsitzenden de» Präsidiums beauftragt ward«. Das demokratische Eingreifen L L. Die heule morgen veröffentlichte parteiamtliche Er klärung der deutschen demokratischen Fraktion des Reichstages erinnert daran, daß die bisherigen Bemühungen zur Bildung einer Reichsregierung anders verlausen, als der Verfassung ent spricht. Nun wird zwar von anderer Seite betont, daß alles, was bisher geschehen sei, doch nur unverbindliche Besprechungen, also lediglich vorbereitende und noch gar nicht formelle Schritte dar stelle, allein Tatsache ist, daß auch in früheren Fällen die Regie rungsbildung in der deutschen Republik in derselben Weise vor sich gegangen ist wie diesesmal, und daß also eine Mahnung, sich an die Verfassung zu halten, am Platze war. Die Verfassung schreibt ungefähr dasselbe Verfahren vor, das in anderen par lamentarisch regierten Ländern gilt, und wonach ein mit der Kabinettsbildung betrauter Politiker sich die Persönlichkeiten, die ihm geeignet erscheinen, aussucht, sich mit ihnen auf Grund seines Programms verständigt und dann sich uw. die Billigung des Par laments für die neue Regierung bewirbt. Bei uns ist es dis jetzt immer noch anders gewesen. Da haben die Fraktionen der Regierungsmehrheit je nach ihrer Stärke eine Anzahl Minister sitze belegt und die Persönlichkeiten von sich aus präsentiert. Das mag in der ersten Zeit, da ohnehin manches Durcheinander nicht zu vermeiden war, hingegangen sein, jetzt aber ist es nachgerade Zeit, damit zu brechen. Ls ist nicht einzusehen, warum letzt Unterhändler wi« Herr Trimborn, von dem noch gar nicht fest steht, ob er, falls seine Bemühungen glückten, selber die Führung der Regierung übernehmen würde, tätig sind. Solche sondieren den Vorbesprechungen könnte ja auch der Reichspräsident mit den Fraktionen pflegen. Herr Ebert hat zweifellos das Bestreben, möglichst korrekt zu verfahren und seine Person nicht mehr ln den Vordergrund zu schieben, als nötig Ist und der Verfassung entspricht, aber er hätte formell den Abgeordneten Trimborn zum künftigen Reichskanzler bestimmen und ihm die Kabinettsbildung übertragen sollen. So wie die Dinge fetzt gelaufen sind. Ist von Persönlichkeiten überhaupt noch keine Rede gewesen, indessen kann niemand ver kennen, daß es doch auch, gelinde gesagt, ein wenig auf dle Per sonen ankommt, die ihre Parteien in der Regierung vertreten sollen. Das größere oder geringere gegenseitige Vertrauen der Fraktionen ist zweifellos verschieden je nach den Namen der in Aussicht zu nehmenden Minister. Und neben der Personenfrage steht die Frage nach dem Programm. Aus den allgemeinen Parteiprogrammen ergibt sich ja noch nicht mit zwingender Ein deutigkeit das notwendig viel knappere Regierungsprogramm, das eine Fraktion je nach der politischen Lage aufstellen würde. Die Aufgaben der Regierung sind heute anders als in einem Jahre, es kommen heute besondere Probleme in Betracht, zu denen sich die Parteien, die an der Regierung teilnehmen wollen, bestimmt äußern müssen. Eigentlich kann man sich also gar nicht ent scheiden, ob man unter Umständen z. B. mit der Deutschen Volks partei zu regieren bereit ist oder nicht, sondern das hängt zunächst von der einwandfreien Beantwortung genauer Fragen ab, dle der Partei zu stellen sind. Die Sozialdemokraten haben bei ihrer grundsätzlichen Ablehnung von vornherein leider starke partei politische Rücksichten wallen lasten, die sich teils auf den ver gangenen Wahlkampf, teils auf die Stimmung ihrer Wählerschaft bezogen. Die Demokraten wollen die Sache grundsätzlich anders machen. Auch sie deuten zwar an, daß die Erinnerung an den Wahlkampf der Einigung jetzt hinderlich ist, aber sie ziehen nur die Folgerung, daß gerade wegen dieser Schwierigkeiten heut allein der korrekte Weg der Verfassung zum Ziel führen könne. Ls handelt sich jetzt eben nicht darum, einfach die Parteien, dle in der Wahl gesiegt haben, zur Macht zu bringen,— es hat sich ja gezeigt, daß das nicht geht, dah sie zusammen nicht regieren können, und daß selbst ihre Beteiligung an anderen Koalitionen fast unmöglich erscheint. Jetzt dreht es sich um die praktischen und ehr drängenden Bedürfnisse deS Reiches und des ganzen Volkes, und die können nicht durch Fraktionsarithmetik, durch Errechnung einer rein zahlenmäßigen Mehrheit bewältigt werden. Der Regierungsblock muß vielmehr zunächst in sich einigermaßen homogen sein, wie man früher sagte, und ar muß zweitens -le Gewähr bieten, daß diejenigen, die draußen bleiben, möglichst nicht zu einer radikalen Opposition ge zwungen werden, die jeden Tag die Regierungstätiokeit mit der ständig wachsenden Gefahr schwerer inner« Erschütterungen belasten müßte. Die Demokraten haben von sich aus nur einige wenig«, aber scharf umrissene Sätze ausgestellt, die ihr Mindestprogramm be zeichnen, und ohne deren Anerkennung durch die etwaigen ande ren Koalitionsparteien si« in keinen RegierungsbloL eintreten würden. Grundsätzlich sind sie bereit, mit jeder Partei, die diesen Richtlinien zustimmt, zusammen zu arbeiten. In der Tat aber ver engt sich das Bild einer Regierung, an der die Demokraten teil nehmen würden, schon nach diesen wenigen Sähen ziei. sich stark. Der erste Punkt: Anerkennung der Weimarer Verfassung, würde vielleicht für beide Rechtsparteien kein Stein -es Anstoßes werden. Ebenso würden sie dem dritten: Bekämpfung jedes Versuchs einer Klassenherrschaft oder der Einräumung von Vor rechten beipflichlen können, und nicht minder dem letzten: der Besetzung der Aemter ohne parteipolitische Rücksichten durch Per sonen, die ihr Bekenntnis zur Verfassung wirklich zu betätigen gesonnen und nach der Art ihrer Vorbildung das Amt aus- zufüllen geeignet sind —, das brauchten übrigens keineswegs nur sogenannte Fachminlster zu sein,, denn zu der Eignung eines Re- gierungsmitgliedes gehören heut unbedingt politisches Verständnis und politische Schulung, und die Vorbildung braucht nicht gerade spezialistisch zu sein. Auch der vierte Punkt, eine Politik der Ver- söhnung und des Ausgleichs, würde wohl von der ganzen Rechten 1 angenommen werden, es fragt sich eben nur, was sie darunter l versteht und mit welchen Mitteln st« diesem Ziele nahezukommea
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