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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.04.1919
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1919-04-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19190407018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1919040701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1919040701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1919
-
Monat
1919-04
- Tag 1919-04-07
-
Monat
1919-04
-
Jahr
1919
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US. Jahrgang Morgen-Ausgabe ISIS Mon ag, den 7. April Nr 181 14« -»» 14,04. Lchriillelin», end »elch«M*«I- r»tz.»»>4,ell« «r- Verlag: Dr. Reinhold L Lo., Leipzig /UnLobiatt des Rates und des polueuuntLS der Stadt tLipzig Bezugspreis: L M plerl.Ijädrli» M. »^» «ßr Addeler «esalli» M. L« d»r» »»!«»» »»4»4r«I,»n Filialen m« -«,« gedracd» msnettlch M. rag, »lerlel. Ishril» -Li.«ao der» »l« Pest mnerdeld D«si!»l»nd DelenN-Aedead« „»«1U» «l. «»>. eierlellädrii» A(. ».00. Mergre-Äulgad« M. Lca Adeed-Aelged. M. i.W. e»-nlea4-A»t,°d» M. U.VV »»»ettich m,4!»II«bU» VestdefteUxkddhri. GU>>»ln,„«r: A!,r,ee-B»4e«d« 1^ Pi-, Aoe»d-As4e«d« 1» DI Hauptschrtstleiier: Dr. Erich Everth. Leipzig Die bayerischen Kommunisten gegen eine Scheinrüterepublik München, 6. April. (Drahtbericht.) Ministerpräsident Hoff mann, der wegen deS ErnstcS der Lage i urze Zeit in Berlin weUte, ist wieder in München eingctrofsen. Die .Bayerische StaalSzeitong hatte in ihrer Sonnabendnummer der Ansicht ArSdrack gegeben, dah mit der Ausrufung der Räterepublik am Sonntag zu rechnen sei. Bis Sonntag mittag ist eine solche Ausrufung nicht erfolgt. Die Skadt ist vollkommen ruhig. Die Zeitungen der Unabhängigen und Kommunisten sind in Extraausgaben erschienen. Man berichtet aber Veranstaltungen der Arbeiter o:n Sonnabend. Nach der .Noten Fahne' lehnen die Kommunisten eine Beteiligung an einer Scheinrätercpublik ad. In der neuen Zeitung «Organ der Unabhängigen'' wird erklärt, das; kein Zweifel sei, dah die bayerische B^rgoisie Südbayern als Position aufgegeben hat und alle Hoffnung auf die anderen LandeStci!« seht. I« einer der Massenver- sammlunaen des Proletariats am Sonnabend sprach der Minister Unterleitner von den Unabhängigen. Er führte aus: Dem Welt kriege ist der giaankischske Klasscnkampf gefolgt, den die Weltgeschichte je erlebt hat. Die Bewegung ist aber noch nicht zu Ende. Auch sind Kräfte am Werke, die glauben, die revolutionär« Arbeiterschaft unter drücken zn können. Acht soll die Räterepublik kommen und der So zialismus verwirklicht werden. Wir geben in Bayern wic'er den An- ttoh zur neuen Bewegung und werden in Deutschland vorangehen in der Einigung deS gesamten Proletariats. In Bayern gibt eS und darf eS keine NoS e neben. Wir haben in Bayern b-ine Weihe Gard«, «her wir wollen seht eine Rote Garde schaffen. Boa allen Städten Bayerns treffen Nachrichten in, dah sie di« Räterepublik begrüßen. Wir werden unseren Brüdern in Ruh land und Ungarn die Hand reichen. Wir erwarten aber auch, dah sich unsere Brüder in Frankreich, England, Italien and Amerika unS avschliehen werdcn. Dann hat der Sozialismus den Sieg er- rnngen. NoSK«, Scheidemann und seine Kollegen werden hin- loeggcfegl werden wie Wilhelm II. und Ludwig II. Die Ausrufung der NäLerepubttk noch nicht erfolqt München, st. April. (Drahlbericht.) Aus der gestrigen Sihang des A e! t e st, n r a t e S des Landtages, der Mivistcrpräsident Hcff- nann beiwohnte, wurden Erklärungen herauSgogeben, worin zum Aus druck gebracht wurde, dah der geplante Zusammentritt d«< Landtages unter keine» Umstände« ei« Streich gegen die Negierung, Der ZenLralzechenrat über die Laqe im Ruhrgebiet Essen, 6. April, mittags. (Drahlbcricht.s Der Zentral- zechenrat teilte entgegen anderslautenden Meldungen mit: Bis seht stehen von den Bergwerken deS rheinisch-westfälischen IndustricbeziräS 22t Zechen mit 372 WO Arbeitern im Generalstreik. Die gesamte Arbeitersäxifl des Rheinisch . Westfälischen Elektrizitätswerkes, von dessen Stromnetz die Licht- und Kraflflromvcrsvrgung aller umliegenden Städte deS Industriegebietes ab hängig ist, hat sich dem Generalstreik ongeschlosse«. Für die Ver sorgung der öffentlichen Anstalten wie der Krankenhäuser mit Licht und Kraft hat die Zentralstreikleitung die entsprechend eingekeilt« A'if- rcchtcrhallung deS auf das Allcrnotwendigste eingeschränkten Be triebes als NotstandSorbeite« zugeflanden. Die Angestellten der Essener Straheabahn haben sich dem Generalflretk an geschlossen. Der gesamte weitverzweigte Betrieb ruht. Sämtlich« Streikenden wollen sich mit den Forderungen der revolutionären Berg arbeiter solidarisch erklären. Arbeitsw llinkeit der Kruppschen Arbeiters^- t Essen, 6. April. (Drahlbericht.) Eine von der christlich- sozialen Arbeiterschaft der Firma Krupp im katho lischen Vereinshause heute abgehaltcne, stark besuchte Versamm lung erhob scharfen Protest gegen den auf den Kruppschen Werken verkündeten Generalstreik und beschloß, Montag früh geschlossen zur Arbeitzu gehen und allen terroristischen Versuchen, die Arbeitswilligen von der Arbeit fernzuhalken, mit stärkstem Nachdruck entgegenzutrelen. Bei der Arbeitseinstellung in der Kruppschen Guhstahlfabrtk handelt es sich in erster Linie um einen Sympathiestreik zugunsten der Bergarbeiter, der lediglich politischen Ursachen ent springt. Der größte Teil der Arbeiterschaft ist an sich arbeits willig und hat gestern morgen schon die Arbeit aufnehmen wollen, wurde aber durch die Streikposten des sogenannten revolu tionären Arbciterkomilees, dos hier seinen Sitz hat, anderAuf- nahme der Arbeit gehindert. Protest der chriMrberr Gewerkschaften Düsseldorf, 6 .April. (E i g. D r a h tb e r i ch t.) Ein von den Kommunisten heute nachmittag veranstalteter Demonstra- tionszug ist im allgemeinen ruhig verlaufen. Nur in der Hauptverkehrsstraße, der Königsallee, warfen Negierungs truppen einige Handgranaten als Schreckschüsse in den Stadt graben. Die Gründe zu dieser Maßnahme sind noch nicht auf geklärt. Ausschreitungen oder Verwundungen sind bisher nicht gemeldet worden. Der Ctraßenbahnverkehr ruht. Da auch das Elektrizitätswerk streikt, ist die Stadt heute abend im Dunkeln. Gleich nach der gestrigen Proklamation des Generalstreiks haben das christliche Gewerks chaftskarteli und dl« Meh r- hetlssozialisten Protest gegen den Streik erlassen, aber die SpartaKidcn und Unabhängigen haben die Führung der Nassen in der Hand, so daß es zweifelhaft ist, ob Montag von den Anhängern derjenigen Parteien, die gegen den Streik sind, ge arbeitet werden kann. Kampf mit den Reqierunastrupven Mülhansen, 6. April. (Drahkbericht.) Gestern fand hier mit Genebmigung der örtlichen Militärbehörden eine Versamm lung stakt, in der über WerkstSttenangelegenhelten gesprochen werden sollte. Die Tagesordnung behandelte aber politische Angelegenheiten. 3m Zusammenhang damit forderte man Entwaffnung der Polizei und der Negierungstruppen. Daher wurde dieAuslösungderVersammlungangeordnet. Lin« Kompanie Negierungskruppen wurde mit dieser Aufgabe be auftragt. Lin Teil der Kompanie drang in -aS Gebäude ein, wäy- sondera im vollsten Einvernehmen zwischen Negierung und Landtag ge- plant war. Am Sonntag vormittag um 10 Uhr trat der AeltestenauSsckuh deS Landtages wicder zu einer Ätzung zusammen und lieh um 11 Uhr durch einen Boten den Ministerpräsidenten Hoffmann holen. Der Haus verwaltung deS LaadtagSgebäudeS ist am Sonntag srüh angekündigl worden, dah in der Nacht zum Montag die Räteorganisationen in das Landtagsgebäude übersiedeln wrrden. Für di« Meldung eines Berliner Blattes, dah die Regierung beschlossen habe, mit dem Landtag nach Bamberg Sberzusiedeln, konnte nirgends eine Bestätigung erhalten werdcn. Als interessant ist au< den gestrigen Massenversammlungen hervorzuheben die Erklärung des Radikalsozialist n Fochendach, dah nonmehr auch di« Bauernräl« beschlossen hätten, für di« Räterepublik cinzutreten. In einer anderen Ber- fammlung wurde milgetellt, dah die Kaserne deS 2. Infanterieregiments fortan Liebknechtkaserne und die Kaserne deS 1. Infonkcr'ereqi- mentS den Namen Kurt-LiSner-Kaserne erhallen. Durch An schläge in dcn Straßen wurde ein vom Zentralrat und von der bayrischen Beamtengewerksch oft unterzeichneter Aufruf milgeleilt, wonach die sozialistisch gesinnten Staats- und Gemelndebeamten in Zusammenarbnt mit dcn A.- B - vnd S.- Wätea weiter arbeiten und ihre Pfliclch ungestört weiter erfüllen wallen. Zosammcnfaffend ist zu. sagen, dah dis znm Sonntag mittag die Lage in München noch völlig ungeklärt war und jedenfalls eine Ausrufung der Räterepublik noch nicht erfolgte. Der Wider, and in Norddayern Nürnberg, 6. April. (Drahtbericht.) Eine außerordentliche bayerische Landeskonferenz der sozialdemokrati schen Partei, die heute im Künsilerhause in Nürnberg tagie, hat sich mit 42 gegen 8 Stimmen aus politischen und wirtschaft lichen Gründen gegen die Einführung der Räterepu blik erklärt. Die heutige Mitgliederversammlung der sozialdemokra tischen Liga Nürnbergs erklärte sich aus denselben Grün den ebenfalls gcgen die Einführung der Räterepublik in Bayern. Sollte sich die Mehrheit der Bevölkerung trotzdem dafür ent scheiden,, so bleiben die Mitglieder neutral, um einem Teil des Volksganzen keine Schwierigkeiten zu bereiten. Die Versamm lung verlangt aber von allen Mitgliedern, daß sie jede Ucber- nahme von Regierungs- oder Verwaltungsstellen ablehnen und damit die volle Verantwortung denen überlassen, die der bis herigen Negierung eine geordnete Wetterführung ihrer Geschäfte unmöglich machen. rend der andere da- Gebäude ahsperrkp.. Bel dieser Gelegenheit wurde anscheinend aus dem Halise eiste Handgranate ge rn o r f e n, die die Besatzung eines Maschinengewehres außer Ge fecht setzte. Zider Mann wurden getötet und drei ver wundet. Außerdem wurden viele Gewehr- und Pistolen schüsse aus -,en Dachfenstern gegen dl« Regte- rungstruppen abgefeuert, die mit Gewehren, Maschinen gewehren und Handgranaten erwiderten. Mittlerweile rückte eine weitere Kompanie zur Unterstützung herbei. 55 Personen wurden den Militärgerichten zugeführt. Die Verluste aus der anderen Seite betrugen zwei Tote. Von den Verwundeten der Negie rungstruppen ist einer gestorben, so daß die Zahl der Token sich auf drei beläuft. Das neue ArSeitsrecht Berlin, 6. April. (Drahtbericht.) Die Vorarbeiten zur Schaffung eines einheitlichen, das ganze Gebiet der Arbeitsbe ziehungen umfassenden Arbeitsrechkes sind jetzt so wett gediehen, daß sofort nach Ostern eine Arbeitskommission im Reichs- arbeitsministerium zusammentreten sott, der die Ausführung der Vorarbeiten im einzelnen für das Gesamkwerk obliegen wird. EL wird beabsichtigt, nicht nur das ganze Gebiet des Arbeiterver tragsrechtes unter Beachtung der einzelnen Arbeitnehmergruppen zusammenzusügen, sondern auch das Koalitionsrecht, das Recht der Berufsvereine und das Tarifvertragsrecht gesetzlich zu regeln. Dabel sott den heutigen sozialen Bedürfnissen Rechnung getragcn werden. Schon in nächster Zeit wird außerdem ein Gesetzen t- wurf vorgelegt werden, durch den für die gesam e Arbeitsver fassung ein klarerer und zweckmäßigerer Aufbau oc- o fen wer den sott. Gedacht wird ferner an die Einführung einheit licher Arbeitsgerichte für alle Gruppen der irbeiter und Angestellten. Doch bedarf diese Frage noch näherer Prüfung, zu mal dadurch in den Bestand der ordentlichen Gerichte und deren Aufgaben eingegriffen werden würde. Sobald öie Vorarbeiten in der Arbeitskommission abge schlossen sind, sollen die Einzelentwürfe in einem größeren Kreis von S a ch v e r st S n d i g e n, die aus allen beteiligten Grup pen übernommen werden sollen, zur Erörterung gestellt werden. Die Dersorqung der Städte mit ausländischen Lebensmitteln In Anroesenhett de» ReichSernährungSmMister« Schmidt traten am Sonnabend unter dem Vorsitz des Berliner Oberbürgermeisters Wermuih die Vorstände deS Deutschen und Preußischen SläLteta« e, zu einer Le vrechung über ErnährungSfragen zusammen. An- wesend warvii unter anderen di« Oberbürgermeister von Leipzig, Dresden und Gotha. Eingehend erörtert wurden di« Aussichten für die Zufuhren der ausländischen Lebensrnittel. Trotz dr» kohen Preisstandes der Einfuhrware soll der BrotpretS möglichst unverändert bleiben. Ilm das zu ermöglichen, rvivd es nicht zu umgehen sein, da- Kochmehl zu erhöhtem Preis« abzugeben. Dabei ist jedoch auf Wunsch d«S StädteiagcS In Erwägung genommen, den Verbrauchern auf Zvsatzkarten tuntchst wahlweise ausländisches (weiße-) Mehl oder inländisches Roggenmehl berettzustellen. Beim Ein kauf auf den fremden Märkten und bei d«r Einfuhr soll d«r freie Handel weitgehend st eingeschaltet w vden, doch sollen all« Einfuhrwaren, di« im Inland der VertetlungSregelung unterliegen, rest los in die össeni'/chr Bewirtschaftung etnbezogen werden. Im übrigen ergab sich zwischen dem RetchSmtn ster und den Vorständen b:tt«r 6 ädte- tage volle Usbereinstimmung darüber, daß für die Zeit de« Mangels bet allen HauptnahrmraSmIttetn, namentlich bei Getreide, Nährmitteln, Kartoffeln, Frtt und Fleisch, an der öffentlichen Bewirt schaft»«) unbedingt festgehalten werden muß, da unse'« Versmgmrg nach wie vor überwiegend auf die InlandSerzeugung an gewiesen ist. Die Räte L. L. Offenbar unter -em Drucke der bevorstehenden Münchner Ereignisse, der Generalstreikbewegung, des zum 8. d. M. zu er wartenden Zusammentritts der neuen Nätekonferenz und der damit zusammenhängenden geplanten und sehr ernst zu nehmenden Ml- litärrevoiten in Magdeburg und Berlin hat die Neichsregierung ihren lange angekündigten Beschluß über die Eingliederung der wirtschaftlichen Demokratie in die Verfassung gestern veröffent licht. Es war wieder einmal höchste Zeit. Muß dergleichen immer so spät kommen, daß es in der bis zum Ausbruch gesteigerten Er regung kaum noch wirken kann, zumal da es dann mehr wie ein Erzeugnis der Angst als der Staaksweikhelt aussiehk. Diesmal hat das Kabinett die Münchner "Radikalen zeitlich gerade noch um eine -Nasenlänge geschlagen. Hoffentlich ist man, wenn etwa aus der Nasenlänge eine Pferdelänge oder mehr wird, nun nicht um gekehrt zu schnell mit der Einbildung fertig, als sei das Rennen be reits für die Regierung gewonnen. Soweit sind wir noch lange nicht. Wenn sich die Dinge in München hinzögern sollten, so wären daran wahrscheinlich die bürgerlichen Parteien Bayerns einschließ« lich der radikalen Bauern, die von der Räterepublik nichts wissen wollen und mit dem Bürgerstreike drohen, mehr beteiligt als daO Berliner Kabinett. Za vielleicht ist der eigentliche Hemmschuh in» Augenblicke bei den Allerradikalslen zu suchen, denen eine Räte regierung, wie sie jetzt Zustandekommen könnte, noch nicht genügen würde. Das Auftreten des Kommunistenführers Levien, der ein« konzessionslose Diktatur des Proletariats, eine kommunistische, nicht sozialistische Republik und ein Offensivbündnis mit Ungarn und Rußland gegen Preußen gefordert hat, kann davor warnen, einen Aufschub als Erledigung und als Erfolg der Reichsregterung anzusehen. Vorläufig muh man abwarten, hui vivr«. verr» —, und hoffentlich können die Münchner auch sagen: Hm verrn. vtvi-s. Nun, das Aeichskabinett hat also einen Verfassungsartikel beschlossen, der bis auf -en Schluß Beifall verdient. Eine rein poltiisa-e Rolle in Gesetzgebung und Verwaltung bekommen die Räte nach ihrem Willen nicht. Auf wirtschaftlichem und sozialem Feld sotten die neuen Vertretungen der Ar beiterschaft stets in Gemeinschaft mit oen Unternehmern wirken. Von einer wirtschaftlichen Diktatur ooer auch nur einer Znrpan« tät ist also keine Rede. Zm einzelnen sind die Befugnisse der Räte bisher nur angedeutet, doch ist jo viel bereits ersichtlich, daß au>zer der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen, an -er sie Mitwirken sollen, ein« Beteiligung an der Leitung des Pro- duktlonsprozeiseS nur so weit in Betracht kommt, als es sich um die gesamtwirtschaftliche Entwicklung handelt. Das heißt: in einzelnen Betrieben Haven die Räte über kaufmännisch« und technische Fragen der Wirtschaftsführung nicht mitzureden, weder die Betriebs- nocy die Bezirksräte, noch der Aeichsarbeiter- rat. Die Ausführung der Sozialisierungsgesetze ist, auch soweit sie den einzelnen Betrieb angeht, natürlich etwas ganz Allgemeines; auch hieran haben aber nur die Bezirksräte und der Reichs arbeiterrat, mit den Untcrnehmervcrtretern zusammen, mitzuwir ken. Den Betriebsräten stehen dergleichen Vollmachten nicht zu, sie haben also nicht die Durchführung der Sozialisierung im ein zelnen Betriebe zu beaufsichtigen, geschweige vorzunehmen. Da für sotten jedoch bei diesen Aufgaben die Bezirksräte und dev Reichsarbeiterrat nicht nur die Kontrolle, sondern auch das Recht des Eingreifens haben. Das liegt in dem Wort .Mitwirkung* und ist ein wesentliches Zugeständnis. Dah ein bloßes Aussichtsrecht oft nur bescheidene Machtvoll kommenheit bedeuten kann, bat die Geschichte des früheren deut schen Parlamc Zarismus gezeigt. Selbst mit dem Rea-le der Budgetbewilligung zusammen ergab es noch keine wirkliche Demokratie. Die entsteht erst bei aktiver Teilnahme an den Ge schäften. Es war lm besonderen das Leiden der Sozialdemokrat.a dura> Jahrzehnte Hindurch, daß sie nichts anderes konnte, weil sie nic.ts anderes durfte, als Kritik üben. .Zn der Kritik la, in positiver Arbeit 5b/ diese Zensur glaubte ihr noch der Fürst Bülow geoen zu können. Das gilt nun nicht mehr, traf schon damals für die rein wirtschaftlichen und sozialen Erfolge der Gewerk schaften nicht zu. Fortan sollen nun die Arbeiter mehr als bisher mitleiten, wenn auch nur im großen des Produktionsprozesses. Bei der Einrichtung der wirtschaftlichen Demokratie kommt es eben nicht daraus an, den Arbeitnehmern eine neue formelle Be fugnis zu geben, ihre .Rechte' zu vermehren, sondern darauf, ihrs Tätigkeit und ihr Znteresse mehr als bisher nutzbar zu machen, zu beleben und zu heben, sowohl zum Besten der Volkswirtschaft w»e der einzelnen Menschen in persönlicher, auch außerwirtschaftlicher Hinsicht. Zetzt kommt es darauf an, in ganz anderer Breite und Tiefe als bisher alle Mcnschenkräfte zu mobilisieren, auch di geistigen und Willenskräfte, die in der Handarbeiterschaft lang« Zeit brachgelegen haben, zu wecken und zu verwerten. Wirt schaftliche Demokratie ist ebenso wie politische Demokratie ein» Bildungsfrage. Das heißt, sie hat nicht nur zur Voraussetzung einen gewissen Stand der Bildung, sondern sie hat auch Bildungs aufgaben an den einzelnen zu erfüllen, indem sie Hilst, mehr Zn- dioidu-n als bisher zu Individualitäten, aus Personen Persön lichkeiten iu machen. Unzählige Klagen sind Generationen lang erschollen, daß Menschen zu Maschinen, ja zu bloßen Rädern oder Schrauben ln großen Apparaten wurden; die Arbeiterbewegung hat erfolgreich daran gearbeitet, durch negative Maßnahmen, wie Verkürzung der Arbeitszeit und durch positive Bildungsbeskrcbun- gen außerhalb der Berufstätigkeit Wandel darin zu schassen: Zetzt wird der Hebel an der Berufsarbeit selber mit positiven Maß nahmen eingesetzt. Das ist die nicht bloß wirtschaftliche, auch nicht allein soziale, sondern zugleich individuelle Bedeutung, die der neue Verfassungsartikel haben kann. Und darum muß man mit diesem Zugeständnis einverstanden sein. An der Gesetzgebung werden die Räte ebenfalls nicht nur mit dem Rechte der Kritik, sondern auch gutacbtend beteiligt. Gewisse Gesetze find vor ihrer Eindringung dem Reichswirtschoftsrat vor zulegen, und er kann von sich aus solche Gesetze beantragen, die dann wie Vorlagen der Neichsregierung oder des Reichsrates zu behandeln sind. Das ist nicht wenig. Es bleibt freilich beschränkt auf sozialpolitische und wirtschaftliche Gesetze, und zwar von grund legender Bedeutung. Zn der Praxis wird viel darauf ankommen, daß die letzten Worte nicht engherzig ausgelegt werdcn, sonder«
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