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Morgen-Ausgabe Bezugspreis:W» »lerlelltdrkich M. « 00: f«r »dhsler «»nstltch «. 1.7»: »«rch «,!«« ssloOrtiien KUtchlen tut -««« gedrachl «osstllch Al. LL ittrltch M.S20: »arch »i« 3>»ft Isseidaid V«,tlchl«n»1 S«s«»t.A««ß«d« «»»Lt tch Ai. vteklellLhriich M. T.7S; M»e,»n M. At»»»-«»s«ad, W. 0.S0. A,«,od« M. VL0 «,«tUch <»u«jchll»4ltch V»ftd«ll»llgedltzr). Lasotschriftleiterr Dr. Erich Eoerkh, Leipzig. Amdels-IeUung -Mrisblatt des Rates und des PoUzeiamtes der Stadt Leipzig 112. Jahrgang Anzeigenpreis: LLL?'L L «azetees ». A«tz»ed«, i» ,«kl. I,U di, il,i,n,Iz,l>« w Pi. » S> Pf.: klein« 4lnz«i,„ »I, K,!»»«Iz«iI, »> VI- ,»,«zr«< 8- v>« «U PI«tz,«rIch,i>ie>, ,» Diell, «rd»»^ Veiin^n: Selami«,»«,, Al. »ae raolen» «i«lch^ poU,«l>ldk. Linzei«,»»«, l» p». — v«»»- »«» g»vl,a« ir Vi. I««t»r«<d S»,chl»t«^I4»»r. 14«» I4SS4. — V.sticheck»»»,, /»» SchrifUetlnng »nd vilchöslO«!«: 2»da»ii«g,!I« Verlag: vr. Reinhold g Lo, LelvUa. Nr 210 Freitag, den SS. April 1818 Im Kampf um den Kemmelberg ""kd. Berlin, 25. April, abends. (Amtlich.) Die Armee des Generals Sixt von Armin steht im Kampf mv den Semmel. Die Schlacht an der Mole von Zeebrügge Der Kriegsberichterstatter Karl Rosner meldet über den ab- geschlagenen englischen Angriff: Zeebrügge, 23. April. Dio steigenden Röte, in die England dnrch die Arbeit unserer Anter seeboote getrieben wbck, haben die englische Mariae heute nacht zu einem klag geplante« and mit verhältnismäßig groß« Mitteln an- gelogen Handstreich gegen zwei AuSsallStore nnserer flandrischen Unterseebooksloltillen. gegen Ostende und Zeebrügge veranlag. Das Unternehmen sollte die starken Werke der Mole Niederkämpfen und gleichzeitig die Auslaufschleufen des Zeebrügger Kanal« ebenso wie den AaSloof beS Ostender Kasales sperren, und damit unsere U-Boote von ihrer OperationÄxrfis bzw. von ihrem Jagdgebiet dauernd trenne«. Keine« von diesen Ziele« ist erreicht worden. Der Handstreich, den der Gegner mit so grohen Hoffnungen unter- nahm, war vom Wetter im höchsten Mähe begünstigt. Es log ja der oerfloffenen Rächt so dichter Rebel über der See. daß es kaum möglich war ein Dutzend Meter weit zu sehen. Als ersten Angriffspunkt «»alten sich die Engländer eine Strecke der Mole gewählt, die etwa im ersten Drittel des langen nach Nordost gebogene« MolerchorneS liegt und im Gegensätze zu den übrigen aus Beton und Granit gefügten Teilen des mehrere Kilometer langen Dammes au« Eisengerippe gebildet ist. An diese Verbindungsstelle machte sich ein cirglischeS, mit Sprengmittel« beladenes Unterseeboot um etwa zwei Uhr nachts im Schutze des natür lichen und künstlichen Nebels heran. Es fuhr so lief wie möglich in das Gestänge, bootete sein« Besatzung aus und sprengte sich und den darüber liegenden Molenteil dann mittels Zeltzündung der Spreng ladung in die Luft. Das Manöver hatte den Zweck, eine Trennung des in die See hinauSgebauten Hauptteiles der Mol«, auf dem sich unser« militärischen Abwehrao lagen befinde«, vo« d«r LandbastS herdeizuführen und so das Heranbring«« von Verstärkung«« vom Lande her für des als nächstes Vorhabe« angesehleu versuch der Eroberung der Mole un- moglich zu machen. 3« der Tat ist es dem Gegner gelungen, «ine etwa 25 Meter breite Lücke an der Sprengstelle in den Zag der Mol« zu reihen. Beinahe gleichzeitig mit dieser Sprengung kam «in starkes Geschwader englischer Kampfeinheiten, das unsere WachtscAsse im Rebel umgangen hatte, um deu Kopf der Mole auf de« Hafen zu gefahren. Wir halten als Sperre im verlängernden Anschluss« an die Mole mehrere grohe Prame liegen: einer von diesen wurde durch Ab schuh versenkt, und die englischen Schiff« traten, während unsere Batterien sie sofort schwer unter Feuer nahmen, in den Hafen ein. Ein 5800 Tonnen großer Kreuzer, der 500 Mann eng lischer Marineinfanterie an Bord hatte, legte sich zugleich an die Außenseite der abgeschnittenen Mole, versuchte Fallbrücken zu werfe«, und über diese, sowie auf Enterleltern seine Stürmer zu landen. Er fand in der Besatzung des Molenkopfes kampfbereite Gegner, dl« sich dem EinbrnchSversuche sofort entgeqenwarfen. Mann um Mann wurden die Engländer, wie sie auch nur den Kopf über di« Molenwand steckten, abgeschoffen, daß sie nach rückwärts in di« See schlage«. Indessen feuerte ein deutsches Torpedoboot, das an der Mol« lag, rastlos in den englischen Kreuzer hinein. Die Mann schaft dieses Torpedobootes war augenblicklich vor dem Angrift weg« Fliegeralarmes in die Unterstände geschickt worden — nun bedienten allein drei Offiziere die Geschütze. Den so vereinten Kräften gelang eS, den schwer beschädigt« Kreuzer zam Atstaffen von der Mol« za zwingen. Etwa ein Dahend Eng länder. darunter ein Hauptmann, hatte lebend den Boden der Mol« erreicht, sie wurden gefangengenommen. Mühsam schleppte sich der Übel zogerichkete Kreuzer in See. — Er schien nach einer Weil« die Manövrierfähigkeit völlig zu verlier« und wurde voa mehreren der draohen wartenden Begleitschiffe obgeschleppt. Während dieser Kampf im Rebel tobte, halt« sich weiter drei klein« Kreuz« älter« Systems da Umfang« von etwa 2000 bis 2500 Tonnen in Begleitung zahlreicher ans Rebelfässern nebelnder kleiner Motorboote dem Eingang des Z e e b r ü g g «-B r ü g q e-K a n a l s genähert: sie wollten die Schleuse erreichen — Zwei dieser kleinen Kreuzer kamen auf einige hundert Meter an die Kanalmündung heran und setzte« sich da aus Grund, der dritte wurde, lange ehe er seinem Ziele auch nur nahe kam, durch einen Volltreffer zum Sinken gebracht. Die Kreuzer versuchten nun ihre Besatzungen aus Beibooten zn bergen; zehn bis elf dieser Boote wurden auf dem Rückmarsch auS dem Hasen abgeschoffen. Die beiden e>wa 200 Meter vor der Kanalmündung auf Grund gegangenen kleinen Kreuzer waren mit Zement gefüllt und sollt«, falls der Anschlag gelang, ein nur schwer zu beseitigendes Sperrhinderrriü für unsere U-Boote bilden Der plan ist auch hier mihgt n'ck t, die Schiffe verengern an der Stelle, an der sie lieg«, zweifellos die Passage, aber die ver- klicbene Fahrrinne ist breit genug, um auch unser« großen Boot« die AuS- und Einfahrt nach wie vor zu gestalten. 3m übrig« sind die Arbeiten zu ihrer Wegränmnng bereits im Werke. Ebenso ist dos aus der Mol« gosprengte Verbindungsstück bereits durch ein« Brückensteg erseht. Die gesamten Anlagen auf dem als An griffsziel erseh«« vorderen Teile der Mole sind vollkommen unverletzt geblieben, so dah die Engländer ihre sehr starken blutig« Verluste mch die Hingabe dreier kleiner Kreuzer völlig erfolglos erlitten. Hr diesen Einbußen kommt die schwere Beschädigung deS grohen Lcrndnngskr enzee und zweier weiterer kleiner Kreuzer, die heate nacht bei einem ähnlich«, völlig fehlgegangenen Anschlag aus den Ostender Kanal oom Kurse aükamen und bei Henst aus Grund liefen. Der Kaiser in Zeebrügge Zeebrügge, 25. April. (Drahtbericht.) Am früh« Morges deS 23. April hatte der Kaiser die ersten Raäsnchtea von dem im Laufe der Rächt erfolgt« Handstreiche der Engländer auf die Mole und deu Kanal von Zeebrügge erhalten. Schon in früher vormiltagS- stoade traf er in Zeebrügge ein, wo der Kommandierend« des Marine korps, Admiral von Schroeder, ihn erwarlete mrd zunächst vor der Karte ein« Darstellung der Kampfhandlung gab. Der Vortrag halte reichlich viel Schrapnell- und Maschinengewehrs«« als Begleittöne, des» di« englischen Flieger versucht« immer wieder im Schutze d«S dunstig« Wetters heranzukommen, «u di« Ergebnisse d«S nächt liche» UeberfälleS « erkunden. Rach de« Vortrag« begab flch der Kaiser auf die Mole, wo er sich davon überzeugte, daß der durch die Sprengung der Eisenbrücke verursachte Schaden sein« vor- läafige Behebung schon gefunden hat. und dah eine endgültige Ileberbrückuug der Lücke in wenig« Tagen erfvlgt sein Kana. Ebenso überzeugt« er sich voa dem vollkommen guten Zustand aller aaserer An lag« und Einrichtung« aus dem äußeren, dem Angriffe als Ziel ge steckten Molenteile. Hierauf begab er sich zu der Kanalschlenfe und zum Kanaleialah, in dem die beiden versenkten, mit Zement beladen« Kreuzer liegen, and sieh fich lster vor dem Gelände deS nächtliche» Kampfes noch einmal den genau« Hergang von mehreren an dem Kampf« beteiligten Offizieren darstellen. AIS der gefangene eng lische Marineinfanterie.Hauptmann eben vorüber geführt wurde, lieh der Kaiser ihu zu sich komme», um auch die Darstellung des Kampfes von dieser gegnerischen Seite za hören. Der Hauptmann gab zu, daß bie Vernichlung unserer Einrichtungen auf der Mole vad die Abklemmung unserer U-Boote von den Ausfallstellen iu Zeebrügge and Ostende das Ziel des lang« vorbereitet« und mit grohen Mitteln ausgeführt« Unternehmens waren. Der Ueberfall wäre be reits viermal angesetzt und eingeleitet gewesen, jedoch jedes mal an der Wachsamkeit unserer Vorpostenlwot« gescheitert. Erst in dieser htngegang«« Rächt hätten die dicken Nebel den Angriff er möglich — leider ohne baß ihm der erstrebte Erfolg beschieden gewesen wäre —. Der Kaiser zeichnete darauf mehrere im Laufe deS Krieges besonders rühmlich hervorgetrekene Offiziere, darunter die Marine- flieger Christiansen und Ki kling er, durch Ansprachen aus. Oefterr.-ungar. Heeresbericht Wien, 25. April. Amtlich wird gemeldet: Am oberen Devote in Albanien schlugen wir in den letzten Tagen französische Vorstöße zurück. 3m Süd westen nichts Neues. Der Chef des Generalftabes. Holländische Regierungserklärung London über die schwebenden Verhandlungen. Haag, 25. April. (Eig. Draht bericht.) Hollands Nieuwe Büro meldet: Heute führte der Abgeordnete Cremers tu der Ersten Kammer durch ein« Anfrage über die schwebend« internationalen Frage» ein« amtliche Erklärung herbei. Der Fragesteller ordert« die Regierung auf, sich zu den »n den letzt« Tagen in der »olländtschen Presse aufgetauchles beunruhigenden Gerüchten zu äußern, Xsvnderl darüber, ob jetzt «tnPendeloerkehr zwischen Holland and Amerika betrieben werden solle, und zwar in der Art, daß drei ii» holländischen HoheikSgewässern befindliche Schiffe nach Amerika gehe« könnten, während gleichzeitig drei in Amerika liegende Schiffe nach Holländ abzufahr« hätten. Ferner, ob di« Alliiert« dies« Schift« Bmckerkohl« und all« Erleichterung« gewähr« wollt«, und wl« der Stand der wirtschaftlichen V erhandlunges mttDestfch- land sei. Der Minister Loudon erklärte sich zur sofortigen Beantwortung aller gestellt« Frage» bereit. Er äußerte sich auch zu des anderen schwebenden internationales Angelegenheiten, oosonderS zu der russischen StoakSschvIdensrage. Dabei führt« er u. a. auS: Di« niederländisch« Regierung ist bereit, den Pendelverkehr zwischen Holland und Amerika aufzunehmen, wenn sie d«S Erfolges im voraus sicher sein wird. Von England liegt ein« schriftlich« Erklärung vor, dah Schiffe nach dem 22. März nicht mehr beschlagnahmt werden sollten, Ich habe gelt«!» hierüber mit dem amerikanischen Gesandten gleich- lallt konferiert, der sich dahin äußerle, daß ein Mißverständnis vorliegen müsse, denn auS den bisherigen Dokumenten geh« doch hervor, daß man darauf rechn« könne, daß holländische Schisse, die nach dem 22. März amerikanische Häfen anlauf« würden, nicht mehr beschlagnahmt werd« sollen. Ich bin trotzdem der Ansicht, daß ich eine ausdrücklich« Erklärung von den beteiligten Regierungen bezüglich der sicheren Rückkehr der Schiff« haben muh. Falls «S dann za einem Pendel verkehr von sechs Schisses kommt, kann allmählich die Holland ver sprochene Menge von 100 000 Tonnen Getreide herüdergeschasst werd«. Aber ich muß auch von D« ul sch land di« Sicherheit bad«, daß dem Verkehr keinerlei Schwierigkeiten bereitet werden. Ich hab« mich »ach Berlin gewandt and glaube, daß Deutschland kein« Ein- wevdmm machen wird. Aber nur wenn eine absolut« Sicherheit vorUegt, Kans ich dte Schiff« av-sirbr« lasses. Dadurch, daß dt« alli»«rt«s Re ¬ gierungen die holländischen Schiffe beschlagnahmten, ist der Wirt schaftsvertrag mit d«n Alliierten hinfällig geworden. Ich glaube ober, daß die alliierten Regierungen den Verpflichtungen, die sie Holland gegenüber haben, nachkommen werden. Eine Sicherheit darüber habe ich allerdings nicht in Händen, lieber die holländischen Schiffe in den indischen Häfen weih ich nichts. Vielleicht sind die Reuterschen Berichte zutreffend, vielleicht auch nicht. .Ich bedaure lebhaft die Verzögerung der d e u ks ch - hol ländischen wirtschaftlichen Verhandlungen. DaS ist zum Teil darauf zurückzuführen, dah diesmal, im Gegensatz zu den früheren Ver- Handlungen, Sachverständige in die Kommission berufen worden sind, was zu einer eingehenden und zeitraubenden Prüfung geführt hak. Auch muh man sich über die Stellungnahme der alliierten Regierungen zu den einzelnen Punkten vergewissern. Ueber den Gang der Verhandlungen kann ich noch nichts Bestimmtes sagen. Si« gehen auch nur deshalb langsam vorwärts, weil Holland augenblicklich nur über wenige Ausfuhr artikel verfügt. Di« Sand- und Ki« Sfrage ist als ernst zu be trachten. Einzelheiten kann ich nicht geben, was die Kammer wohl ver steh« wird. Haag, 25. April. (Eigener Drahtberich f.) Heole «Mag ist eis bringender Mlaisterrat eindersfen worhen. Demission des Kabinetts Seidler? Wie», 25. April (Drahtbericht saferes Sonder berichterstatters.) Nachmittags verlaatet«, daß die Minister krisis vorläufig b «lgel« gt sei. Die Hauptursache hierzu dürfte darin zu such.« sein, daß die Ehristlichsozialen «S ablehnten, et waige deulschnatiosale Opposition mitzsmachen, wodurch diejenige» deutschnationol« Groppen, die die RegierongSpoltik «ch feru<7rhta za unterstützen bereit waren, bie Oberhand erhielten. Trotzdem muß dte inner« L«pe al« andauernd kritisch beurteilt werden 3« Pe»!am«t verlautet, dah das Kabinett S«idler im vorgestrige» Miaisterrat, der telegraphisch «tnderuf« wurde, beschlossen hat, dem Kaiser di« Gesamtdemispon za usterbreiten. Heute erwartet man bi« for- melle Demissioa des Kabinetts. Ob fi« angenommen wird, steht «och nicht fest, doch sprich» man in PSeloMentSkreife« v« ei»em Kabinett deS fetzig« Ackerbanministers Grase« Sklva-Tar-seeS. Zwei soziale Gesetze kl. 2. .Jetzt erst recht Sozialpolitik' hat der verstorbene Basier- mann linier dem Eindrücke der Kriegseriebnisse ansgerufen. Er, von jeher ein Befürworter und in seiner Partei auch Bahnbrecher der Sozialpolitik, erkannte mit geschärften Augen, als der Krieg den ganzen Umfang der deutschen Volkskraft enthüllte und die im stillen längst gewandelte Gesinnung der Arbeiterschaft gegenüber Nation und Staate zutage brachte, dah an diesen hocherfreulichen Ergebnissen auch die deutsche Sozialpolitik ihren sehr wesentlichen Anteil hatte. Sie, die von der äußersten Linken vielfach aus Agitationsgründen bekämpft worden war, weil die revolutionären Geister innerhalb der Sozialdemokratie die sich anbahnende Aus- söhmrng des Arbeiterstandes mit dem bestehenden Staate ohne Freude sahen, ist in der Tot nicht nur eures der schönsten Ruhmes blätter der deutschen FriedenSgeschichte, nicht allein ein vorbild liches Beispiel einer Oualitäts- und Kulturpolitik — der Gegensatz wäre eine rein extensive oder bloße Machtpolitik —, sie hat auch zur inneren Einigung der Nation, soweit sie erreicht worden ist (und im großen gesehen, ist sic ja doch in recht erheblichem Um sange erreicht worden), entscheidend beigetraaen. Der 2lkgeordnete Basi'ermann batte jedoch, als er jenen AuS- jpruch tat, offenbar auch erkannt, daß es nicht genügt, sich nun über das bisher erreichte Maß von Einigkeit zu freuen und eä im Kriege zu verwerten, aber auch während des Krieges von ihm zu zehren und ein gut Teil davon wieder zu verwirtschaften, sondern dah unablässig in der alten Richtirng, die zu so guten Er folgen geführt hat, wcitcrgearbeitet werden muh, dah jene Quelle innerer Ausgleichung im Flusse zu erhallen ist, und dah gerade der Krieg neue Wunden schlug, zu deren Heilung neue grohe Mittel notwendig sind. Zwar wurde in manchen Kreisen der Industrie bald nach Kriegsansang die Ansicht laut, nun sei es mit der Sozialpolitik aus lange hinaus zu Ende: in absehbarer Zeit werde Deutschland di« Mittel nicht haben, um sich diesen zwar sehr rühmlichen, ober auch sehr kostspielig« LuxuS zu leisten. Nun, wenn eS sich wirklich um einen LuxuS handelte, dann wäre diese Aeberlegung richtig. ES handelt sich aber um daä genaue Gegenteil von Luxus. Nämlich nicht um ein Ornament am Reicksban, sondern um ein Fundament. Nicht um eine letzte Blüte einer hochentwickelten Kultur, sondern um eine Wurzel, von deren gesunder Funktion das Wachs« und Gedeihen deS deutschen Volksstammes abhängt. ES handelt sich nicht um ein« schön« Ucbersluh, den wir uns gestatten könnten, nachdem die notwendigen Bedingung« unseres Daseins erfüllt wären, sondern um eine unerläßliche Voraussetzung. Nicht um ein Ende, sondern um einen Anfang. Sozialpolitik ist ja nur ein all gemeiner Begriff für eine grohe Reihe von Bestrebungen, die im einzelnen von jedem als wichtig und dringend anerkannt werden, sei eS nun, daß man z. B. im besonderen von der Bevölkerungs politik oder, noch mehr ins Besondere gehend, vom Wohnungs problem spricht und dergl. mehr. Denn die Sozialpolitik ist in ge wissem Sinn auch nichts anderes als Bevölkerungspolitik, nur dah sie weniger der Vermehrung der Bevölkerung dient als ihrer Er haltung,- das .schadenverhütendc Wirken der sozialen Ver- sichenwg' ist ja in den letzt« Jahr« vor dem Kriege immer mehr in den Vordergrund getreten. Jene Industriellen nun, die so einseitig und kurzsichtig ur- tefften, haben schon vor dem Krieg erklärt, die Konkurrenzfähig keit der deutschen Industrie werde durch unsere Sozialpolitik er- schwert und würde schließlich gänzlich unterbunden werden. Das lag freilich auf der Hand, dah Völker ohne oder mit geringer Sozialpolitik billiger« Arbeitskräfte hatten, aber ebenso lag aus der flachen Hand, daß ihn« unsere .qualifizierten? Arbeitskräfte nicht zu Gebote standen. Ohne diese bevorzugten Arbeitskräfte aber war wiederum die deutsche .Qualitätsarbeit", die allein dem deutschen Export seinen großen Weg in der Welt ermöglichte, nicht zu denken. Und somit war der Schluß sehr ein fach und unabweisbar: daß wir ohne unsere Sozialpolitik den hohen Stand unserer Konkurrenzfähigkeit, den wir vor -em Kriege in der Tat erreicht hatten, niemals erlangt hotten. Die Sozial politik, weit entfernt, lediglich eine Beeinträchtigung unserer wirtschaftlichen Ausbreitung zu sein, gehört vielmehr zu deren Grundlagen. Von solchen Gesichtspunkten aus begreift cs sich, dah eine einsichtige ReichSleitung sich nicht nur sogt: .Nach dem Kriege erst recht Sozialpolitik," sondern dah sie sich schon während des Krieges, ja mitten in der dringlichst« Arbeit für die Durchfüh rung des Krieges selber, entschließt, Gesetze einzubringen, die — im großen gesehen — ebenfalls in den weitgespannten Rahmen der deutschen Sozialpolitik hineingehören, nämlich die Aufhebung des 8 153 der Gewerbeordnung und die Errichtung von ArbeikSkammern. Dabei handelt es sich eigentlich einer seits, beim § 153, nur um die Beseitigung eines von der gesamten Arbeiterschaft (soweit sie nicht der wenig zahlreich vertretenen wirtschastsfricdlichen Ätchtung angehört) längst beanstandeten Hemmnisses der Koalitionsfreiheit, und auf der anderen Sette, bei den Arbeitskammern, um die Erfüllung eines seit langer Zeit von derselben Sette geltend gemachten Wunsches. Der 8 153 soll beseitigt werden, weil er sich immer mehr alt unnötig herauSgestellt und ganz unveWättntSmähig viel Ver ärgerung geschaffen hat- Die Begründung des Entwurfes, die wir im gestrigen Abendblatte in ihren Haupkskell« abdruckten, tat die Entbehrlichkeit der zu beseitigenden Bestimmung dar. Vergleicht man damit die Summe von Erbitterung, die das Be stehen des Paragraphen und seine gelegentliche Anwendung, aber auch der Kampf um feine Verschärfung in Jahrzehnt« angesam- meit hatte, und die der staatsfeindlichen Agitation zugute gekom men war, so kann man sich nur freuen, daß von nsn an düs Ge dächtnis an einige der unerfreulichsten Abschnitte unserer inner politischen Kämpfe wenigstens nicht immer wieder aufgewärmt werden wird. Man kennt solche ftmerpolitifche Eiterbeulen ja anck auf anderen Gebieten. E« braucht nur an den Streit um die Erbschaftssteuer und auch an den um da» prochtsche Wahl-