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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.04.1918
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1918-04-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19180416010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1918041601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1918041601
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-04
- Tag 1918-04-16
-
Monat
1918-04
-
Jahr
1918
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Morgen-Ausgabe V«»«g^>reis: L M AL'"L»M'4<.'Ar st»^»»«dkllch M, KW: f«, «lbheler »»—«llch M. 1.7L; »srch »I«« «X-ürttZen Zlllal«» I»4 -«»« ,«br«cht m»n««ltch M. LIS. »t«rt«r- I4-kUch 4K. «sv: buch dt« 1>,st I»s«rtz«I» Diitlchl«»»« Sisimi-ÄIlH«»« N»n«I Ich M. L2L, »I«kl«l!atzkllch M. T.7S; M. I^L M. 0,94 Di. 0^0 ».»««Ich <»ll«IchU»-Uch V»ftk«st.I,«»»dkX Haootschriftleiter: vr. Erich Lnetth, Leipzig han-els-IeUung Knrtsblatt des Rat« und des poltrelarntes der Stadt tetpris UL. Jahrgang Verlag: vr. ReUchnl» d La, Lewrta. Nr. 1S1 Dienstag, den 16. April 1V18 Wulverghem erstürmt vtb. Berlin, 18. April abends. (Amtlich.) O ertliche Kämpfe ans dem Schlachtfelde an der Lyi. Wulverghem und die feindlichen Linien nordöstlich vom Orte worden erstürmt. 817 0V0 Gefangene im letzten Halbjahr vtd. Berlin, 15. April. (Drahtbericht.) Bom 18. 10. 1917 bi« 15. 4. 1918 haben die Mittelmächte über 517 OVO Gefangen« ge macht, 7246 Geschütze, gegen 20 000 Maschinengewehre und mehr al« 300 Tank« erbeutet. Außerdem fielen über 100 Panzerkrast- wage», 630 Auto«, 7000 Fahrzeug« und unabsehbare« Eissadahnmaterial in ihre Hände. Unter diesem befinden sich über 800 Lokomotiven und «000 Waggon«. Die Bestände der Munitionsdepot« wurden noch nicht annähernd festgestellt. Allein an Artilleriemunition find bi«- ber über dreiMillionen Schutz gezählt, .1» derselben Zeit wür ben über 1100 Flngzeuge und mehr al« 100 Fesselballone abgeschossen. Die Bente an sonstigem Kriegsmaterial, Pioniergerät, Handfenerwaffen, t?a«ma«ken, Beständen der BekleidnngS- und VerpslegungSdepokS können zahlenmätzig bisher noch nicht annähernd festgestellt werden. Die Kümpfe bei St. Mihiel vtb. Berlin, 15. April. Bei dem bereit« gemeldeten Unternehmen nördlich von ? k. Mihiel in der Nacht vom 14. April wurde der größte Teil der Mich und südöstlich von Malzen auf dem rechten Maas-Ufer gelegenen amerikanischen Stellungen «stürmt. Die an der Chaussee St. Mihiel—Roovrol« stark besetzte feindliche HauptwiderstandS- linie wurde im scharfen Kampf gegen den sich tapfer wehrenden Feind größtenteils aufgerollt. Auher einer Einbuße an Gefangenen erlitt der Feind äußerst schwere Verluste. Der französisch« Heeresbericht aus Pari« vom 14. April 4 Uhr nachmittag« meldet da« Eindringen der Franzose» an der lothringischen Front in die deutschen Linien bei Bure«. Auch diese Meldung ist, wie mehrere französische Berichte der letzten Tage, frei erfunden. Bei der Säuberung der Maschinengewehrnester westlich Rienwe tz e r k e « worden zwei Offiziere und hundert Mana gefangen und zahl- reiche Maschinengewehre erbeutet. Eia feindlicher Angriff nordwestlich Nieawekerke« brach am Morgen de« 14. April unter schweren Feinde«. Verlusten zusammen. Die dreigeteille Offensive Zürich, 15. April. <Eig. Drahtbericht.) Die ..Zürcher Morgenpost" schreibt: Mit ihrer dreigeteilken Offensive hat die deutsche Heeresleitung erreicht, daß General Fach nunmehr der AiSnefront dl« größte Aufmerksamkeit schenken und starke Reserven dorthin zusammenzlehea muß, wenn er nicht Gefahr laufen will, daß ihm die Lhemia-de«-Dame«-Stellung aufgerollt wird, oder daß von Laon an« ein Durchbruch über Soisson« erfolgt. Haag, 15. April. (Eig. Drahtbericht.) Perri«, der KriegSkorrespondenk der .Daily Lhronicle" im französisch«, Haupt quartier, berichtet seinem Blatte: Alle« weist auf die Wahrschein ¬ lichkeit einer dritten Offensive hin, in der der Feind alle verfügbaren Kräfte zu einem definitive» Versuch «insetzt, den Feldzug zo entscheiden. Zunächst liegen folgend« Möglichkeiten vor: 1. Ein neu« Angriff läng« de« Somme-Gebiete«. 2. Eine weit«« Aus dehnung der Schlacht von Armentidre«, um in nordöstlicher Richtung di« Dpern- und Iserstelluug aufzurollen. 3. Eia direkter Angriff an der Bscrfront. 4. Eine Vereinigung oll« dies« Ding« zusammen. Perri« wünscht, die einzelnen Möglichkeiten hiersür nicht «äh« zu erläutern. E« müsse jedoch gesagt werde«, daß die deutschen Berech nungen von der Tatsache stark deeinflotzt werden, datz alle Kräfte d« Entente bereit« im Zentrum, an den beiden Seiten der Somme, gebraucht werden. Weiterhin dürfte nicht vergesse« werden, daß die Schwierig keiten, di« die Truppenverschiebungen mit sich bringe«, a»f allen Seiten stark unterschätzt würden, und daß die Bu«de«genoffen fortgesetzt Verstärkungen erhalten. Die Heere der Alliierten weisen «ine drei- fache Schwäche auf. Zunächst kann d« erste deutsch« Stotz ver hindern, grohe Truppenmengen nach dem Nordea za sende». Zom andern kostete der deutsch« Ausfall nach der Avre gewaltige Verlust« und brachte ans in eine schlechte Stellung de« Feinde gegenüber, der bereit war und danach drängt«, seinen Hauptmarsch zu beginne» und unsere schwachen Stellungen anzugreifen. Die welkere Schlacht nach dem Norden zu zwang an« schNehllch, neue Streitkräfte in den Kampf zo werfe«. Genf, 15. April. fEig. Drahkberlcht.) Die Poris« Blätter vom Freitag abend melden, daß Dünkirchen und Bon log»« in die Kriegszone elnbezogen wurden. Für Calais steht die gleiche Maßnahme bevor. D« private Schiffsverkehr Dover- Calais ist seit Freitag eingestellt. Der direkte Schiffsverkehr Frankreich—England wird seit Sonnabend früh über Havre geleitet. Bern, 15. April. (Drahtbericht.) Dio französischen Blätter find über den Anfang der Offensive del Armenti-re« mch La Ba s s ö « ziemlich bestürzt und bemüht, dl« Operation als Diversion hlnznstellen. Einige Blätter, vor allem die sozialistischen, betonen allerdings, daß die Deutschen bereits am ersten Tage «inen großen Erfolg errungen haben. .L'Heure" erklärt, daSKohlengebietvonBöthune, daS gerade im Südwester! des OperattonSgebtetes liege, sei schwer bedroht. — .Dörltö' hält e« sogar für wahrscheinlich, daß Böthona mit sÄnea Avne« nicht mehr gerettet werden kann. — .Echo d» Porti" bautet an. daß die Engländer alle verschiebbaren Trappen hrranwerfen, um diese» Gebiet, da« für di« ganze Industrie Frankreich« van so außerordent lichem Werte sei, für Ae Entente zu «halten. .. . .. . . . . - Basel, 15. April. fEtg. DrahtberlchtI Die London« .Mornlng Post' meldet, datz der letzte Minifierrat dto Einbringung einer neuen Kriegskreditvorlage von 500 Millionen Pfund Sterling beschlossen habe. Die neue Vorlage bezweckt die Deckung der Kriegskosten vom 15. Mat ab. Oesterrerchrfch-rmgarlfcher Heeresbericht Wie», 15. April. Amtlich wird verkaotbarl: An der Südwestfront stellenweise erhöhte KampfiSLgkeit. Der Chef des Generalstabes. (W. T. B.) Die Einnahme von Helsingfors vtb. Berlin, 15. April. Das Eindriagen des deutschen Geschwaders nach Helsingfors war durch dichten Nebel, gefährllchste NavigalionSverhältnifse und Pack ei« sehr erschwert. Die Navigation mußte durch Besetzung wichtig« Punkte über da« Ei« ermöglicht werden. Außerhalb Helsingfors wurde dem russischen Kriegsschiff «Pjetr Welik" und einem grohen russischen TranSporldampfer und Eisbrechern mit Tausenden von An gehörigen der russischen Marine und deren Familien an Bord, an scheinend auf dem Wege »ach Kronstadt, begegnet. Da« Kriegsschiff grüßte mit der Flagge das deuksche Geschwader: es hatte eine weitzrote Flagge als Zeichen neutraler Haltung gesetzt. Die Flagge wehte auch über der wegen ihrer Ausdehnung und Stärke berühmten Seebefestigung und auf den im Hasen zurückgebliebenen russischen Kriegsschiffen. Vor dem Leuchtturm Grahara gaben ein grotzer öliger Fleck im Eis sowie / Schiffstrümmer, Torpedokeffel usw. den Platz a», an dem drei eng- X lisch« U-Boote bei der Nachricht von unser« Annäherung ge sprengt worden waren. Sofort nach Ankunft des deutschen Ge schwader« wurde da« LandungSkorp« noch am späten Abend de« »2. April ausgeschifft. Es erlltt die ersten Verluste schon während der Landung durch ein Automobil der Roten Garde, da« unter der Flagge des Rote» Kreuzes mit einem Maschinengewehr schoß. Die Haupt nest« der Roten Garde waren fast sämtlich« in der Nähe de« Hafen« gelegenen StaatSgebäud«. Dom frühen Morgen bi« zum Mittag de« 13. April hatten das Landungskorps der Marine and eine in der Nähe des Hafens angetroffene Kompanie deutsch« Jäger schwer« Sir atzen Kämpfe beim Nord- und Südhafen. Di« Roten Garden bestrichen mit dem Maschinengewehr auch di« Annäherung an den Lan dungsplatz sowie die Verbindung zwischen dem am Südhafen gelegenen Marktplatz and d« Halbinsel Skatudden. Unsere Matrosen hatten auf letzterer eine« besonder« schweren Stand, da die Roten Gorden da« gegenüberliegend« Senatshan« besetzt hatten. Ein rotes Rest mit etwa 200 Männern, Frauen und jugendlichen ergab sich bald nach dem Eingreifen der Geschütze der Minensuchboote und Begleitschiffe. Trotzdem die sich ergebenden Roten Gorden mit hocherhobenen Händen dastaaden, wurde von anderen Roten Gardisten aus sie und di« deut- ><hen Begleitmannschaften geschoßen. Gegen 2 Uhr nachmittag« war der schwerste Kampf überstand«. Die Roten Garden ergaben fick allmählich. Di« Hanptführ« waren insbesondere im Palast des Generalgouverneurs, im Senaishau« u»d im Kaiserlichen Palast verborgen. Die zahlreichen herbei strömenden Archäag« der Weihen Garde wurden bewaffnet. Sie find wertvoll für die wett«« Säuberung der Stadt von den noch vielfach verborgenen Rotem Z»m Einsammekn d« erbeuteten Waffe«, Wachdienst «sw. Die dis dahin wie ausgestorbene schöne Stadt war bald schwarz von festlich bewegten Menschen, di« die Matrosen and Jäger immer wieder mit Hochrufen begrüßten, mit Blumen beschenkten, ans offener Stratz« be wirteten und den Offizieren bi« Hände zum Donk brückte«. Seit zwei Monaten unterdrSckte bürgerlich« Zeitungen gaben noch im Laufe de« Nachmittags Extrablätter heraus mit begeisterten DaakeSaustaffungen an Deutschland. Oeffentliche u»d viel« Privatgebäud« find geflaggt, danorter auch viel« mit deutschen Fahnen. * Stockholm, 15. April. (Drahtbericht.) Nach einer Meldung von Svenska Dagbladet' haben die sozialistischen Mitglieder das Landtage« in Helsingfors einen Aufruf erlösten, in dem u. a. gesagt wird: DaS durch Vertreter der Roten Garde verstärkte Parteikomitee beschloß den für daS ganz« Land und namentlich für die sozialdemokratische Partei so unglücklichen Staatsstreich, der am 27. Januar auSgeftlhrt wurde. Keine sozialdemokratisch« Ver sammlung hat einen ähnlichen Staatsstreich oder eine rote Diktatur beschlossen. Al« der Staatsstreich durchgeführt wurde, wurde die sozial- demokratische Landtagsgruppe überhaupt nicht gefragt und der Partei- rat erst eine Woche nach dem Staatsstreich zusammenberufen, um über die Angelegenheit zu beraten, jeder, der bei dieser Sitzung gewagt hätte, sich in irgendeiner Weise za widersehen, wäre da« Opfer des Bajonetts geworden. Dieser Staatsstreich ist nicht nur gegen den Willen der vom Volke durch daS allgemeine Wahlrecht gewählten DolkSverttetung, des Landtages, in Szene «setzt worden, sondern auch ein Staatsstreich gegen die sozial demokratische Par- tei selbst gewesen. Dl« betzarabische Drage Kiew, 13. April. (U.-T.-A.) Die Nachricht von dem Anschluß Beßarabiens an Rumänien rief in allen Kreisen der ukrainischen Bevölkerung großeEntrüstung hervor. Unverzüglich wurde eine außerordentliche Sitzung des ukrainischen Parlaments der .Zentral-Rada" oböehalten, oke speziell der beßarabischen Frage gewidmet war. Alle Fraktionsführer im Parlament erhoben energischen Protest gegen die internationale Spekulation der ru mänischen Regierung. Sie wiesen darauf hin, daß dieser Anschluß nicht nur dem Wunsche der Ukrainer, Deutschen und Bulgaren nicht entspricht, sondern auch nicht dem Wunsch der moldauischen Bevölkerung selbst. G Berlin, 15. April. (Drahtbericht unserer Berliner Schriftleitung.) Wie wir hören, ist ein Protest der ukrainischen Regierung gegen die Vereinigung Bessarabiens mit Rumänien bet der deutschen Regierung nicht eingrlaufen. Als seinerzeit die ukrainische Negierung die russischen Gouvernements auf zählte, die sie al« im ukrainischen Staatsgebiete gelegen betrachtete, wurde Beßarabien nicht genannt. AuS einer Anfrage der ukrainischen Regierung, wie wir un« zu einer Vereinigung Beßarabiens mit Ru mänien stellen würden, hak unsere Regierung durch Exzellen, Mumm geantwortet, daß wir die Regelung dieser Frage al» eine rein rumänisch-bessarabische Angelegenheit betrachten. Bukarest, 15. April. (Drahtbedicht.) Gestern sind Ministerpräsi dent Marghiloman und Minister des Aeussern Ariou aas Jassy hierher zurückgekehrt. Graf Tisza Nachfolger Lzeraias? Berlin, 15. April. (Drahtbericht unserer Berliner S chriftleitnng.) Ueber bi« Nachfolgerschaft des Grafen Czernin ist hier irgend etwa« Sicheres »och nicht bekmmt. E« werde« allerlei Namen genannt, doch beruhen dies: Nominierung«, wohl aus nahmslos aus Vermutungen. Die meiste Wahrscheinlichkeit hat im Augenblick Graf Tisza für sich. M» seiner Wahl dürst« man in Deutschland zufrieden sein. Die Parteien und die Landwirtschaft Bon Dt. Böhme, M. d. R. In einer an sich sehr lesenswerten Schrift gegen daS Getreide- Monopol spricht der stellvertretende Borsitzende der Landwirt- schastSkammer Posen, Herr von Heydebrand und der Lass, von der jetzigen agrarfetndlichen Mehrheit d«S Reichstags. Dieses Wort eines Mannes, der der Oeffentlichkett noch nicht als beson ders einseitiger agrarischer Heißsporn bekannt ist, der vielmehr in recht verständiger Weise zu der schwierigen Frage des Getreide monopols Skellunanimmt, eröffnet recht unerfreuliche Aussichten auf die Art und Weise, in der die ihm nahestehenden politischen Kreise di« Fragen der Landwirtschaft auch in Zukunft zu behandeln gedenken. Da der dauernde Schaden einer solchen KampfeSweise aber gerade die Landwirtschaft selbst treffen dürfte, der sich Herr von Heydebrand annimmt, so muß rechtzeitig gerade lm landwirt schaftlichen Interesse vor einem derartigen Verfahren gewarnt werden. Line agrarfeindliche Mehrheit kann für den heutigen Reichstag doch nur dann konstruiert werden, wenn Herr von Heydebrand auch erhebliche Teile der Mittelparteien, des Hm- trums, der Nationalltberalen und der Polen, alt Gegner der Land wirtschaft in der Oeffentlichkett charakterisieren will, also gerade die Mitglieder solcher Parteien, denen die Durchsetzung des neuen Zolltarifs und der Handelsverträge zu verdanken ist. Es muß wenigstens angenommen werden, datz Herr von Heydebrand agrar freundlich und zollfreondlich gleichsetzt und deshalb Sozialdemo kratie und Fortschritt als Gegner deS Zolltarifs von 1902 von vornherein als landwirtschaftsfeinülich ausscheidet. Da diese Par teien aber wenig mehr als 150 Mitglieder nn Reichstage zählen, denen mehr als 240 anders gerichtete Abgeordnete gegenüber stehen, so kann Herr von Heydäbrand seinen Borwurf nur mit an di« Adresse der Mittel Parteien gerichtet haben. Auf welch« positiven Tatsachen er sich dabei stützt, das zu erfahren, dürfte für die Oeffentlichkett nicht ohne Interesse sein. Die Mittelparteien selbst werden sich in ihrer Haftung gegenüber der Landwirtschaft natürlich in keiner Meise durch Lkw und Tadel einseitiger Kritiker beeinflussen lassen, gerade deshalb, weil sie besonders in der Gegen wart mit Genugtuung feststellen können, daß die Organe der äußersten Rechten, die seinerzeit den Zolltarif als unzureichend in Grund und Boden verurteilten, heute die auf ihm beruhende Wirtschaftspolitik als vornehmste Ursache der DurchhattenS zu rühmen wissen. Indessen fragt es sich, ob nicht die besonnenen Elemente der Rechtsparteien allen Anlaß haben, darüber in Erwägungen ein- zutreten, ob eine solche KampfeSweise den von ihnen vertretenen Interessen wirklich entspricht. Hat schon vor dem Kriege auch die rücksichtsloseste Brandmarkung der Mittelparteien als landwirt- schaftsfeindllch nicht den Erfolg gehabt, den Rechts parteien auch nur eine ansehnliche Minderheit zu erhalten, so erscheint eine solche Wahltaktik nach diesem Welt kriege erst recht aussichtslos. Das weih jeder, der die Volksströmung kennt, die wahrlich nicht nach rechts geht, das sollte aber auch den weniger Einsichtigen klar werden, wenn sie sich die Wirkung der zurzeit zur Verabschiedung gelangenden Vorlage über die Verhältniswahl in den großen Reichstagswahlkreisen vor Augen halten. Die Vermehrung der Reichstagsmandate um 44 kommt naturgemäß ganz ausschließlich der Linken und den Mittel parteien zugute. Es erscheint in noch höherem Maße als bisher ausgeschlossen, daß ohne di« Mitarbeit von Zentrum, Polen und Nationallioeralen, und Mar aller drei Parteien nahezu geschlossen, die bisherige Wirtschaftspolitik aufrechtzuerhalten ist. Ob es unter solchen Umständen vom landwirtschaftlichen Standpunkt aus sehr klug ist, diese Parteien, die doch mit zahlreichen städtischen Wählern zu rechnen haben, in der Weise weiter zu verdächtigen, wie das vor dem Krieg« üblich war, mögen sich die Rechtsparteien überlegen. Der einzige Erfolg dieser Taktik könnte im günstigsten Falle doch nur die Absplitterung der nicht landwirtschaftlichen Elemente der drei Parteien setn, die bisher noch den Schutzzoll mttgemacht haben, eine Absplitterung, die wahrscheinlich die Zolimehrheit in eine Minderheit verwandeln würde. Die Landwirtschaft würde die Kosten einer solchen Taktik tragen. Ja, man wird sogar sagen müssen, datz es auch im höchsten Grad« verkehrt ist auf Grund lange zurückliegender Abstimmungen den Fortschritt von vornherein in das gegnerische Lager zu treiben. Ein berechtigter Anlaß, wenn man von einigen Preßäußerungen absteht, liegt dazu nicht vor. Die Politik des staatsmännischen Politikers muh eine andere sein, als die deS Wohlagitators, der dl« Abstimmung des einen oder anderen Ortes zu beeinflussen ver sucht und nur Ausschau hält nach einem plumpen Rüstzeug für die Agitation. Der Gang, der Ereignisse wird überdies eine ab wartende Haltung in der Beurteilung des Charakters einer Partei al- landwirtschaftsfeindlich oder -freundlich durchaus begünstigen. Nach menschlicher Voraussicht wird infolge des Mangels an Nahrungsmitteln noch Jahre nach dem Kriege das Hüchstpreissystem in Kraft bleiben. Daran wird sich ein weiterer Zeitraum an schließen, in dem zwar die Höchstpreise beseitigt, aber die Zölle noch nicht wieder etngeführt werden können. Erst dann wird der all mählich« Wiederaufbau der Zölle in Frage kommen, der Kampf der politischen Parteien und WirtschaftSgruppen wieder «insehen. Zwanzig Jahre nach der Abstimmung über den Zolltarif dürften dann reichlich ins Land gegangen sein, und ein solcher Zeitraum sollte vorübergegangen sein, ohne ganz wesentliche Veränderungen in den Grundanichauungen der Parteien herbeigeführt zu haben? In einem solch«» Zeitraum sind die Konservativen von Freihändlern zu Schuhzöllnern geworden, die Nationalltberalen fanden in weniger als zehn Jahren den Weg von Caprivi zu Bülow. Herr von Heydebrand und der Bund der Landwirte, die jetzt das Ge treidemonopol bekämpfen, brandmarkten vor viel längerer Zeit als Feinde der Landwirtschaft die Gegner des Antrages Kanitz. Alles
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