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z... .. , «L» iKLV Feierabend. K«tkkh>lt«l»i»-Kkikst der „Sachs. Bolkszeitung". M 37. Sonntag, den 10. September 1S0S. Der Weg zum Glück. Eine wahre Geschichte. Nach den Aufzeichnungen eines Konvertiten, bearbeitet von Antonie Haupt. 2. Fortsetzung- (Nachdruck verboten.) Und wirklich, der Portier nahm mich Durchfrorenen auf Fürsprache des Herrn bereitwillig in sein warmes Stüb chen auf. Als wir allein waren, erzählte ich ihm rückhalt los, wozu ich nach Berlin gekommen, und wer mein Vater sei. Der Portier machte große Augen und erbot sich, am folgenden Morgen mich sogleich nach der Wohnung meines Vaters zu bringen. Er setzte hinzu: „Luigi Arioni ist hier so angesehen und berühmt, daß jedermann seine Wohnung kennt; und ich kann dir erwir ken, daß du bei ihm vorgelassen wirst. Im Lindenhotel wohnt er wie ein Fürst und fürstlich tritt er auch auf. Außer hocksgestellten Personen und befreundeten Künstlern empfängt er niemanden, es sei denn, daß der Betreffende eine Empfehlung habe. Wie würde auch der berühmte Mann von Bittstellern jeder Art überlaufen! Es ist daher nicht leicht, zu ihm zu dringen. Auch dir würde das keines falls möglich sein, w>enn nickst der Portier des Lindenhotels inein Freund wäre. Auf meine Fürsprache hin wird dieser dich durchschlüpfen lassen." Welch einen Trost gaben mir die Worte des braven Mannes! „So, nun lege dich nieder. Ein Bett für dich habe ich nicht, mein Junge; doch versuche, ob du auf dieser Bank schlafen kannst," sagte mein Beschützer freundlich ermutigend. Dem Rate folgte ich, legte mir meine Stiesel unter den Kopf und schlief ein mit dem glücklichen Bewußtsein, doch bis zum Morgen geborgen zu sein und dann meinen Vater zu sehen. Als ich erwachte, schien die Sonne hell ins Stüb- chen. Ter Portier stand vor mir, zum Ausgehen bereit. „Nun begleite mich in meine Wohnung. Die Haus wirtin wird auch für dich eine Tasse Kaffee und ein Butter brot haben," sagte er freundlich. Ich ging mit dem gütigen Manne und stärkte mich an dessen Frühstück. Dann führte er mich alsbald durch volks belebte Straßen in die feinste Gegend Berlins. Vor. einem Prachtgebäude machte er Halt: ' „Hier wohnt dein Vater." Wir traten in die mit Bildsäulen und tropischen Pflan zen geschmückte Vorhalle des Hotels. Mein Beschützer flüsterte einige Worte mit dem Portier, der in seiner Uni form mit scharlachfarbenen Aufschlägen wie ein Feldmar schall aussah. Dann nickte letzterer mir zu und sagte: „Gehen Sie nur diese Treppe hinauf, junger Herr, und klopfen Sie an Nummer 18. Herr Arioni ist jetzt noch zu Hause und wird zu sprechen sein." Mit innigen Tankesworten nahm ich Abschied von dem Manne, der mir so Gutes erwiesen, und der mich hierher ge leitet hatte. Dann flog ich geräuschlos die teppichbelegten Marmorstiegen hinan, als sei mir einer auf den Fersen, der mich zurückhalten wolle. Und jetzt stand ich vor der Flügeltür, welche die dkummer 18 trug. Da stand ich arm seliger Junge pochenden Herzens. Bis hierher war ich ge drungen ohne Zögern, ohne Ueberlegen, einzig dem stur- mischen Drange meines Herzens nach dem Vater folgend. Und nun am Ziele, wagte ich es nicht, mit leisem Finger an- zuklopfen. Nur eine hölzerne Wand trennte mich von dem bedeutenden Manne, der mein Vater war. Ich zitterte an Arm und Bein und vermochte kaum, mich aufrecht zu er halten. Wie würde der Berühmte mich aufnehmen, wenn ich mich als seinen Sohn vorstellte? Würde er mir seine Arme öffnen oder mich wegweisen? . . . Aber es mußte sein, ich mnßte ihm gegenübertreten und ihn bitten, sich meiner anzunehmen, mich etwas Tüchti ges lernen zu lassen. Dazu war ich ja hierher gereist, dazu hatte ich meine mühsam erworbenen Pfennige verwendet. Mit dem Stoßgebete: „O mein Gott und Vater im Himmel, hilf mir!" pochte ich entschlossen an. „Herein!" rief eine volltönende Stimme. Ich öffnete. Eine Sekunde lang verschwommen mir Marmorbilder, Pflanzen, Teppiche von den Augen, dann aber erschaute ich in festen Umrissen eine hohe, ideal schöne Männergestalt, welche an einem mit Schriftstücken überfüll ten Schreibtische stand, sich mit der Linken auf die Platte stützte und in der Rechten ein Pergament hielt. Des Mannes nachtschwarze Augen sprühten Geist und Feuer. Seine hohe Stirn, von dunklen Locken umschattet, war nach denklich gesenkt, und das ganze klassisch geformte Antlitz zeigte geistvolle Erregung. Das erkannte ich sogleich, ich traf den Künstler mitten im Schaffen. O, ich hätte stundenlang bewundernd stille stehen und mir jubelnd wiederholen können: Dieser Mann ist dein Vater! Jetzt endlich richtete er den Blick auf mich und fragte zerstreut: „Was bringst du mir, mein Junge?" Ich rang nach Atem und ich glaube, ich war leichenblaß, als ich flüsternd die Worte stammelte: „Sie sind mein Vater!" Es war alles, was ich Hervor bringen konnte. Gleich darauf fühlte ich mich von meinem Vater am Kragen gepackt und vor die Tür gesetzt. Das geschah stumm und still; es brachte mich aber wieder zum Bewußtsein. Sollte dieses Hinauswerfen das Ergebnis all meiner Be- mühungen sein? Sollte ich die weite Reise umsonst unter nommen haben? — Ich brach in lautes Weinen aus. Fassungslos riß ich die Tür, die sich schon geschlossen, wieder auf und rief laut jammernd und schreiend: „Sie sind aber doch mein Vater! Sie haben mich im Taufschein anerkannt. Ich bin ja der Sohn von Laura Im- thal. O, Helsen Sie mir doch! Ich möchte was rechtes ler nen. Soll ich denn ein armseliger Maurer werden?" Da legte mein Vater ebenso stumm, wie vordem, seine Hand auf meinen Mund und zog mich an dem Kragen, woran er mich beim Hinauswerfen gepackt, wieder ins Zimmer. „Junge, sei doch vernünftig und schreie nicht so. Was willst du denn eigentlich?" waren seine ersten Flllsterworte. „Daß Sie mich etwas lernen lassen," entgegnete ich schluchzend. Er griff in seine Tasche und brachte eine Handvoll Sil- bergeld hervor. „Hier hast du zehn Reichstaler, damit kannst du wieder nach Hause reisen. Aber setze dich sofort in den Zug. Ich kann nichts für dich tun; denn ich habe Mühe genug, mit meinem Einkommen gesellschaftlich die Stellung aufrecht