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berichtet hierüber: Während Rltpff und ich am Tisch saßen, über das Notenblatt gebeugt, ging Luther im Zimmer auf und nieder und probierte auf der Querflöte die Mclodien- gänge, welche ihn, zu den von ihm gefundenen TexteSworten aus der Erinnerung und der Phantasie zuströmten, so lange, bis die Versmelodie als ein rhythmisch abgeschlossenes, wohl abgerundetes und kraftvoll gedrungenes Ganzes sesrstand. Er hat die Noten über die Episteln, Evangelia und über die Einsetzungswortc des heiligen Abendniahles selbst gemacht, mir vorgesungen und mein Bedenken darüber hören wollen, und hat alle Noten aus den Text nach dem rechten Akzent und Kouzent gar meisterlich und wohl gerichtet, Sv hat er auch von ihm selbst der Epistel die Roten natavi ton! sd. h, der altkirchlichen dorischen shypomixolydischens Tonart, unserer jetzigen v-moll-Tonleiter), dagegen den Evangelien die Noten «exti ton, ,d, h. der altkirchlichcn ionischen shypolydischcns Tonart, unserer jetzigen 6-ck»r-Tonleitcr) zugecignet und gesagt: „Christus ist ein srcundlicher Herr und seine Reden sind lieblich, darum wollen wir sextui» ton um (d. h, die vur- Tonart) zum Evangelio nehmen; und weil St, Paulus ein ernster Apostel ist, wollen wir ootnvun, tonuni (d, h, die >l»U-Tonni>) zur Epistel ordnen " Dies ein Zeugnis aus zeitgenössischem und Künstlcrmuude, Bon des Reformators musikalischem Schaffen zeugt auch sein Brief vom 15. Juni I5M au den Musikschriststellcr Martin Agricola, von der Koburg aus geschrieben, aus den, deutlich hcrvvrgeht, daß Luther die Tonsetzkunst auch praktisch nusgcüht hat. / / / 0 Handschrift Alanin Luthers nach dem vierte» «latt des von Otto iiade oerössentl, Suther-Coder, Verlag Heinr, «leim» (ch, eehmann,, Dresden, Es lag dem Reformator aber nicht nur au der Schaffung evangelischer Altar- und Volksgesängc, er wußte auch jene motettenhasten, im höheren Kunststile komponierten C h o r - gesängc eines Jvsquin de Prds, Johann Walther, Ludwig Sensl. Heinrich Isaak, Georg Rhau, Jacobus Hobrecht, Adam Rener sLüttich), Pierre de la Rue, Anton de F-evin u. a. voll zu bewerten, ja, er sang dieselben mit seinen Wittenberger Kunst- und Hausgenossen zuweilen allabendlich.*) Lebhaft bewunderte er die Meisterschaft, mit welcher besonders Josquin de Pr^s, von seinen Zeitgenossen „Fürst der Musik" genannt, die damaligen Kunstmiitel beherrschte und rief dabei voll Enthusiasmus aus: „.lixlomw id, i, Josquin) ist der Noten Meister, die haben es machen müssen, wie er wollte; die andern Sang- mcistcr müssen cs machen, wie cs die Noten haben »vollen! Josgu'ins Tonsntzc sind sein fröhlich, willig, milde und lieblich, nicht gezwungen noch genötigt, und nicht an die Regel stracks und schnurgleich gebunden, sondern frei wie des Finken Gesang," Solch polyphone, im Katholizismus erblühte Kunstmusik sür den evangelischen Gottesdienst zu retten und sie ihm zu vermitteln, war dem Reformator Herzenssache, „Denn," so sagt er in der Borrede zum drei-, vier- und sünsstimmige Tonsätzc enthaltenden Wittenberger Geystlich gesangk-Buchleyn", „ich bin nicht der Meinung, daß durch's Evangelium sollten alle Künste zu Boden geschlagen werden und vergehen, wie etliche Aberqeistliche sürqeben Sondern ich wollt alle Künste, sonderlich die Nuniea, gerne sehen ym Dienst des, der sic geben und gcschasscn hat!" ») Luther lang hierbei Tenor und „Herr Philippus «Metauchtho»> tönet auch mit ein,"