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der Meinung, „daß König Wilhelm von Preußen dem Berufe einet König-, al- dem ersten Fürsten Deutschland-, nicht ge wachsen sei und de-halb au« dem Wege geräunit werden müsse," So ging er denn nach Baden Baden, wo sich König Wilhelm zu seiner Erholung aufhielt und feuerte am 14, Juli 1861 au- nächster Nähe zwei Schüsse auf den König ab, die diesen zum Glück nur leicht am Halse trafen. So verblendet war damals vielfach da- junge Deutschland, daß eS durch ein Attentat seine Ziele erreichen zu können meinte, 16. Juli, Eine der schwersten Strafen, die Kaiser Napoleon I., dem übermüthigen Corsen, nach seinem Sturze traf, war die, daß der stolze Mann fick tief demüthigte und doch dadurch nicht erreichte. Am 16. Juli 1815 ging Napoleon im Hafen von Rochefort an Bord des englischen Linienschisses „Bellerophon", wo er mit kriegerischen Ehren empfangen wurde. Er hatte zuvor an den englischen Prinzregenten geschrieben! Versolgt und den Parteien, die mein Baterland zerreißen, und der Feind schaft der größten Mächte Europa- preisgegeben, habe ich meine politische Laufbahn geendigt und komme, wie Themistokles, um mich am Herde des britischen Volkes niederzulaffen. Ich begebe mich in den Schutz seiner Gesetze, den ich bei Ew. Kgl. Hoheit als dem mächtigsten, standhaftesten und großmüthigsten meiner Feinde in Anspruch nehme!" Das war gewiß nicht mehr die Sprache des Welteroberers; aber er hatte sich bitter getäuscht. Die Krämerseele siegte über die angerufcne Groß- muth, die Engländer gestatteten dem freiwilligen Gefangenen nicht an Land zu kommen, er ward als Staatsgefangener er klärt und darnach behandelt. Und das war die erste Etappe für St. Helena. Ein Ruhmesblatt in englischer Geschichte ist diese Affaire, diese Festlegung eines vertrauensvoll erschienene» Wehrlosen nicht. L o u i s o n. Erzählung von Bruno Köhler. (7. Fortsetzung.) Nur mit äußerster Vorsicht konnte Walther im Verlauf des nächsten Tages einige Male das ziemlich isolirt liegende Haus umkreisen, in dem die Gräfin Wohnung genommen. Die Gefahr lag nahe, daß man ihn auf seinen BeobachtungSgängen bemerkte und, aufmerksam gemacht, einer Annäherung von ihm Vorbeugen würde. Indessen schien Walther der Zufall günstig gesinnt, er hatte die Gesuchte in dem Garten hinter dem Logirhause in einer Laube sitzen sehen. Sie schien mit Absicht ihren Aufenthalt in der alleinstehenden Villa genommen zu haben, da diese scheinbar von aller Welt abgeschlossen war. Eine mannshohe, dichte Weißdornhecke umsäumte den ziemlich ausgedehnten Garten, der den Bewohnern des Hauses den ent zückendsten Aufenthalt im Freien bot, ohne ihnen die Unannehmlichkeit zu bereiten, beständig von anderen Menschen beobachtet zu werden. Eine lauschige Ruhe lag über das versteckte Plätzchen auSgebreitet, und Ruhe schien die Angekommene zu suchen. Sprach nicht schon ihr spätes Kommen dafür, ihre ängstliche, scheue Abschließung? Sie wollte durchaus allein sein, das war Walther völlig klar geworden, als er sie im Garten erblickte. Er hatte sich dicht an die grüne Mauer gedrängt und mit angehaltenem Athem vorsichtig die Weißdorn büsche auseinandergebogen, um einen Blick in das verschlossene Heiligthum zu werfen. Sein Blick war just auf ihr blasses Antlitz gefallen. Die Hände lässig im Schooße faltend, hatte sie dagesessen, ohne Bewegung, starr wie eine Bildsäule. Ihre großen Hellen Augen waren weit geöffnet und doch schien sie nichts zu sehen, traumverloren starrte sie ins Weite. Ein Ausdruck hilflosen Verlassenseins, rathloser Trauer lag auf ihren holden Zügen. Wie ein Reh, das zum Tode verwundet in einen stillen Winkel flieht, um dort langsam zu verbluten, schien auch sie die Be rührung mit der Außenwelt zu meiden, da ihr von dort nur Schmerz und Ungemach geworden. Und doch hatte Walther die Absicht, ihr Allein sein zu stören, da ihn der Gedanke peinigte, daß sie sich möglicherweise noch immer in den Banden der Ehe mit dem Grafen glaubte. Es lag ja dann in seiner Hand, ihr durch den Bericht von dessen Tode Erlösung au« ihren Aengsten und Zweifeln zu bringen. Daß jene bleiche Frau dort in der Laube wirklich unter der Last unverdienten Leides seufzte, war zur Gewißheit in ihm geworden. Die wahre Trauer führt eine beredte Sprache, ebenso wie das Laster sich selbst verriith, auch wenn eS sich noch so künstlich den Mantel der Tugend über die Schultern gezogen. Der Graf halte sich indessen gar nicht die Mühe ge nommen, seinem tückischen Naturell Zwang anzuthun; bei dem ersten Blick hatte eS Walther empfunden, daß er einem Mann gegenüberstand, dessen Leiden schaft nicht» heilig war. Bei dem nächsten RekognoSzirungSgang machte Walther die überraschende Entdeckung, daß die Gräfin in Gesellschaft ihrer Begleiterin gerade im Begriff stand, da« Hau« zu verlassen. Sie schlug den außen um da« Villenstädtchcn herum führenden Weg ein, der sich an dem offenen Feld und zwischen den Wiesen dahinschlängelte. Walther wußte eS so einzurichten, daß er den Damen nachfolgte, ohne von ihnen ge sehen zu werden. Au» dem sicheren, zielbewußten Vorwärtsschreiten der Gräfin entnahm er, daß sie den versteckt liegenden Weg nicht zum ersten Male wandelte. Jetzt war sie an der breiten Straße angelangt, die den Badeort quer durchschneidet — einen Augen blick glaubte er, daß sie in dieselbe einbiegen würde, doch gewahrte er gleich darauf, daß sie sich dem schmalen Fußsteig zuwandte, der zu einer kleinen Anhöhe hin- aufführte, wo, fast versteckt hinter breitästigen Linden bäumen, der kleine, sauber gehaltene Friedhof der Gemeinde lag. Walther« Erstaunen wuchs mit jedem Augenblick. Sollte vielleicht die Gräfin da» Grab eine« theuren Entschlafenen aufsuchen — um dessen- willen sie das verhaßte Dasein an des Grafen Seite nicht zu ertragen vermocht hatte? Dem vielleicht noch die Thränen nachgeweint waren, die er heute in ihren Augen hatte glänzen sehen?! Jetzt war die Gräfin am Ziele ihrer Wanderung angekommen. Während Walther hastig zu dem Gitter des Friedhöfe« trat, war sie zu einer Reihe Grab hügel geschritten, die ganz am Ende de« Friedhofes, hart an der Mauer, in einer langen Linie aufgeworfen worden waren, und die mit ganz gleich geformten, einfachen Holzkreuzen geziert waren. An einem der selben hing ein verwelkter Kranz. Die Gräfin nahm ihn herab und befestigte dafür einen frischen an seine Stelle, den ihre Begleiterin unter ihrem Mantel her vorgezogen und ihr gereicht hatte. Nachdem die Gräfin dann eine Weile lang stumm auf die verblaßten Blumen de« Grabhügels geblickt, schickte sie sich wieder zum Heimweg an. Walther trat zur Seite und ließ die Damen vorüberschreitcn, die ibn gar nicht zu bemerken schienen. Al« sie au« seinem Gesichtskreis entschwun den, betrat er rasch den Friedhof und eilte nach den am jenseitigen Ende liegenden Gräbern hinüber. E« waren die Ruhestätten der während des Krieges hier am Ort im Lazareth verstorbenen Verwundeten. Freund und Feind lag friedlich neben einander. DaS Grab, da« mit dem frischen Kranz der Gräfin geschmückt, beherbergte einen französischen Reiter-Offizier, da« Kreuz nannte den Namen: „Paul de Ferron." Welch' neue« Räthsel für Walther! Eiligen Fuße« schritt er nach Hause, ein neuer Plan war in seinem Kopfe gereift. Er ließ seine Wirthin zu sich hereinkommen und eröffnete ihr, daß er vielleicht schon in der näch sten Stunde ausziehen würde. Auf die Frage, ob er noch mit dem Abendzuge abzureisen gedächte, gab er eine scheinbare zustimmende Antwort. Nachdem er dann seine Sachen geordnet und seine Rechnung beglichen hatte, verließ er da« Haus mit dem Vorwande, noch einen Besuch machen zu wollen. Draußen an gelangt schlug er den Weg zur Bahnhofstraße ein. Al« er da« wohlbekannte Logirhaus erblickte, verlangsamte er unwillkürlich seinen Schritt, er schien das Vorhaben, das ihn erfüllte, einer nochmaligen Prüfung unter werfen zu wollen. Doch plötzlich, als fürchte er, durch weiteres Ueberlegen wieder wankend gemacht zu werden, trat er an jenes Gitterthor heran und setzte den daran befindlichen Glockenzug in Bewegung. DaS laute Klingeln rief einen Hausdiener ans Thor, der den davor Harrenden einließ und sich nach den Wünschen des Herrn Hauptmanns erkundigte. Auf die Frage Walthers, ob in dem Logirhause noch Zimmer zu vermiethen seien, gab der Diener eine zustimmende Antwort und führte ihn sogleich in das Haus hin über, auf dessen Schwelle ihm die Eigenthümerin des selben entgegentrat. Walther hatte gefürchtet, daß er infolge der späten Saison, mit seinem Verlangen, ein Logis miethen zu wollen, ein gewisse« Aufsehen erregen würde, doch schien der Vermietherin seine Ausrede, daß er noch längere Zeit der Erholung bedürfe, und seine bis jetzt innegehabte Wohnung nur aus dem Grunde aufgäbe, weil eine beständige Unruhe in dem Hause geherrscht, völlig einleuchtend und glaubwürdig, so daß sie ihm sogleich ihre besten Zimmer zur Verfügung stellte. Walthers Frage, ob er sogleich cinziehen könne, beantwortete die Eigenthümerin zustimmend, auch er bot sie sich, für die Herbeischaffung seiner Koffer aus seiner früheren Wohnung sogleich Sorge zu tragen. So hatte Walther erreicht, was er zunächst er strebte — er war in ihrer Nähe, und eine Gelegen heit, ein Gespräch mit ihr zu beginnen, sie über ihre Vergangenheit auszuforschen, mußte sich unzweifelhaft bald ergeben. Welche Unruhe überkam ihn, als er die ihm angewiesenen Räume betrat und au« einer GesprächSwendnng der Hausfrau erfuhr, daß in den an die seinigen stoßenden Gemächern eine junge Dame, eine Frau von Ferron mit ihrer Begleiterin wohne, die augenblicklich, außer ihm, die einzigen Fremden in dem Hause seien. Man ließ ihn allein. Denselben Namen, den er vor ein paar Stunden droben auf dem Kirchhof an jenem Kreuze gesehen, hatte er eben wieder gehört. Die Gräfin führte ihn, somit mußte sie ein gewisse« Anrecht daraus haben und jener Tobte zählte zu ihrer Verwandtschaft. Aber warum verleugnete sie den Namen ihre« Gemahls? Fürchtete sie, daß er dazu dienen könnte, ihren Aufenthalt ausfindig zu machen und sie dann gezwungen werden könnte, in die Arme des Grafen zurückzukehren? — Nun, diese Sorge brauchte sie nicht mehr zu drücken. E« war völlig dunkel geworden, al« Walther mit dem AuSpacken seiner Koffer zu Ende gekommen war und, sich in einen Sessel niederlassend, da« Bild der Gräfin in den Händen hielt. Galt e» doch jetzt, einen sicheren Versteck für dasselbe zu finden, damit Niemand im Hause einen Blick darauf werfen konnte. Indem sich Walther zurücklehnte und die Photographie sorgsam in seine Brieftasche verschloß, hörte er au« dem Nebenzimmer schwache Klavierakkorde an sein Ohr dringen. Er lauschte aufmerksam darauf hin, aber die Wand, die ihn von seiner Nachbarin trennte, war zu dick und ließ die Töne nicht in deutlicher Folge an sein Ohr dringen. Er wollte ein Fenster öffnen und bemerkte dabei, daß eine GlaSthür von seinem Zimmer au» auf einen Balkon führte. Behutsam öffnete er dieselbe und trat hinaus. Eine sternenhelle Nacht breitete sich vor ihm au«, frische, würzige Luft bewegte die Blätter der Bäume, daß diese mit leisem, geheimnißvollen Rauschen die aus dem geöffneten Fenster de« Nebenzimmer« dringen den Töne dsS Klaviers begleiteten. Fast zaghaft und unentschlossen mußten die Finger der Gräfin die Tasten berühren. Walther unterschied zunächst keine Melodie in ihrem Spiel, sondern ver nahm nur ein Jneinanderfließen von klagenden Moll- Akkorden. Dann schien eS, als lösten sich diese nach und nach zu einer bestimmteren Aufeinanderfolge auf, der Anfang eines elsässischen Volksliedes wurde ver nehmbar, das von Verlassensein und Herzenskummer berichtete. Immer voller und wärmer wurde die Melodie, immer wachsender die Klangfülle der Akkorde, bi« mit einer schneidenden Dissonanz da« Spiel plötzlich abbrach. Walther rührte sich nicht vom Platze und blieb lauschend stehen, aber drüben im Zimmer regte sich nicht« mehr. Al« nach einer Weile das Fenster ge schlossen wurde, zog sich auch Walther in sein Zimmer zurück. Aber trotzdem die gewohnte Stunde zum Schlafen herangekommen war, konnte er doch nicht die Ruhe finden. Lange warf er sich auf seinem Lager hin und her, bi« er endlich mit dem Gedanken an morgen einschlummerte. (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Als da« Tabakrauchen in Europa ein geführt wurde, eiferten die meisten Fürsten, mehr öder weniger alle gelehrten Männer, sowie die Magistrate der meisten Städte — meist jedoch erfolglos — gegen das Teufelskraut. Auch die Obrigkeit der Stadt Bautzen in der Lausitz sah sich im Jahre 1651, wie die „Deutsche Romanzeitung" mittheilt, veranlaßt, ein Verbot de« Tabakgenusses bekannt zu machen, das folgenden, allerdings höchst bedrohlichen Satz ent hält: „Wir Bürgermeister und Rathmanne der Stadt Budissin fügen hiermit zu wissen männiglich, demnach bei dem unseligen Kriegswesen nebenst allerhand eingerissenen Mißbräuchen und Unordnungen auch der schädliche Gebrauch des Tabaks aufkommen, welcher aber nicht nur der Gesundheit des Menschen sehr nachtheilig, sondern auch nebenst dem, daß den jenigen, die bei und unter dergleichen Tabakshäusern sitzen sollen, von dem garstigen Schmauch und Rauch, schändlichem Spritzeln und Auswerfen und heftigem Meßen und Schneutzen, und was dergleichen, mit Verlaub zu gedenken, Unflats mehr ist, nur allerhand Verdrießlichkeit, Unlust, Beschwer und Grauen zuge zogen wird, zu geschweigen, wie deren Kleidung von dessen üblen Gestank durchzogen, die Losament häß lich verunsaubert (und Tisch und Bänke verunglänzet werden) sonsten allerlei Ungelegenheit, Gefahr und Schaden, wie eS die Erfahrung leider an manchen Orten bezeuget, verursacht haben, und also großes Unheil davon entstanden ist, da doch dergleichen üppiges Tabaktrinken vor 30, 40 und mehr Jahren und bei unserer Voreltern Zeiten ganz unbekannt gewesen, und sie dennoch bei dein Trunk ihre Lust und zulässige Ergötzlichkeit ohne dieselben gar wohl haben können, auch zu Erhaltung ihrer Gesundheit dieses unnützbaren Mittels nicht ersten bedurft und daher auch ohne dessen Gebrauch gesund geblieben, ja "alt und grau werden können, uns aber als ordentliche Obrigkeit zuvörderst nach dem wiedererlangten Frieden (dafür Gott dem Allerhöchsten Lob und Dank gesagt sei) obliegen und gebühren will, was dergleichen Schänd liches und Schädliches etwa eingerissen, ernstlich abzu schaffen, al« gebieten und befehlen wir Allen und Jedem unserer Bürgern, Inwohnern, Schutzverwand ten, Eingesessenen und Unterthanen, sonderlich auch denen Biereigen, Gasthaltern, Wirthen auf der Hand werker Herbergen, zugelassenen Branntweinschenken, und bei welchen etwa sonst allhier dergleichen unnöthige« Tabaktrinken bi-hero in Gebrauch gewesen sein mag, daß sie inSgesammt und besonders nicht allein vor sich und die Ihrigen, sondern auch ihre einkommende Gäste, wer der und die auch sein möchten, sich all hier des Tabakgebrauch», eS sei an Rauch- oder Schnupftabak, gänzlich enthalten sollen, mit diesem ausdrücklichen Andeuten, daß der oder dieselbe, welche sich solchen Tabak« sührohin wider diese» unser Verbot gebrauchen würden, fünf Tholer verfallen, auch derjenige Wirth, bei welchem da» Feuer dazu her gegeben und aufgetragen werden wird, gleichfalls fünf Thaler zur Strafe erlegen, und von beiden toties quoties unnachblciblich abgefordert werden sollen, gestalt wir un« dazu einen Jedweden aller schuldigen und gehorsamen Folge und Bezeichung hierauf zuver lässig versehen. Oecretum in Lonsessu Lenatus, den 18. äprilis anno 1651 urkundlich mit unserm und gemeiner Stadt Jnsiegel besiegelt." — Schlecht belohnte Menschenfreundlich keit. Au« Niederschönweide im Krei» Teltow wird berichtet: Ein Zimmermann befand sich auf dem Heimwege, sein Werkzeug auf der Schulter. Plötzlich sieht er einen Mann an einem Baume hängen; kurz entschlossen greift er nach seinem Beile und hackt den