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ier r >6 Pf.) >8ver. neeberger- »8is beziehen. e daselbst. »e ter Arbeit oilion ds. er. LLIUI. » Pf. I. »er en, AK. lerci e, abge- st. mehr. ller. i Uhr an ik. l'ÜN. 1 Uhr an U, k«i^. ur^. ! Uhr an ik. blatt" unfern ern und ivmmcn erschie- Vorrath «bl. tl«,e. Beilage zu Rr. 77 des„Amts- und Anzeigeblattes." Eibenstock, den 2. Juli 1892. Die Goldfee. Original-Roman von Emmy Rossi. (Schluß). Auch in diesem Hanse ist Robert Brown ein lieber nnd gern gesehener Gast. — Q'NeillS Name wird nie genannt, man ist zu glücklich in der Gegen wart, nm die Vergangenheit zu berühren. Draußen an der Kirchhofsmaner ist ein einsames Grab — kein Stein, keine Blume, kein Baum unterbricht die graue Fläche — hier singt kein Bogel, hier flüstert kein Zephyr — Vergessenheit deckt seine Sünden, die er init der Todesstrafe büßte. Er, der sie über ihn verhängte, wenn auch nicht ans Gerechtigkeitssinn, aber lebt und freut sich seines Gebens. Er blieb sogar noch die ganze Saison in Dublin, und nie war der Salonschmettcrling geist reicher, heiterer, charmanter, als in dieser Zeit. Kam die Rede einmal auf die seltsame Geschichte niit Adah — etwas war doch in die Welt gedrungen — so zog er den Mund etwas ironisch-lüstern zu sammen, um dann entzückt zu sagen: „Ein Götter weib — o, die Zeit, wo Adah Percy meine Patientin war, ist die glücklichste Zeit meines Lebens —" und dann setzte er mit einem vielsagenden Lächeln hinzu, .und ich hoffe, auch nicht die unglücklichste im Dasein der reizenden Goldfee!" Wenn er allein war, passirte eS ihm aber oft, daß er wüthend zu sich sagte, er wäre ein Esel ge wesen — Worte wie „Gewalt", „Betäubung", „Ein samkeit" drangen dann aus den zusammengebissenen Zähnen — er bereute! Nicht die Sünden, die er begangen, sondern diejenigen, die er unterlassen. — Als die Zeit vorüber, wo der Fall Percy-Percy Interesse erregte, als ein neues sensationelles Ercigniß das alte in Vergessenheit brachte, verließ auch Doktor Martigny die gute Stadt Dublin. Martigny besaß ein nicht unbedeutendes Ver- . mögen — man nahm an, er sei nach dem Eldorado aller kühnen Seelen, nach Amerika ansgewandert — doch London ist ein weites Feld für einen gewissen losen Irrenarzt — er gründete dort in größerem Maßstab eine Anstalt und genießt den Ruf eines vorzüglichen Fachmannes. Kürzlich hat er einen Band lyrischer Gedichte herausgegcbcn — darunter eins: Amys Tod. ES ist eine Perle echter Lyrik, jeder Vers schließt mit dem alten Reim: „Wir mußten uns scheiden und voneinander gehn. Sie sagen, wir werden uns nimmer Wiedersehn." Vor William Dolfus hielten die Freunde diese Ge dichte verborgen — der stille Mann wäre im Stande, nach London zu fahren und den Dichter-Mörder zu erschlagen. — In London aber haben diese „wundervollen" Gedichte, wie die „Times" sie nann ten, ihren Verfasser berühmt gemacht. Er ist auch dort Salonschmetterling. Etty Crail vertrug sich vorzüglich mit ihrer kleinen Stiefmama. War Mary ermüdet, so nahm sie sie auf den Arm und trug sie sorgsam umher. Die blonde Puppe Adah hat auf dem Sims, der die kleinen Schmucksachen des „guten" Stübchens trägt, ihren hübschen Platz. Etty nennt sie nicht mehr Adah, sondern „Goldfee." Die Geschichte der selben erzählte sie Herrn Mortimer, als er verwundert die zärtlichen Blicke, welche das Piippchen erhielt, mit ansah. Herr Mortimer war nämlich täglicher Gast im kleinen Häuschen! Zuerst hatte Etty in dem glatt rasirten und fein frisirten, eleganten jugendlichen Herrn gar nicht ihren Wilden wiedererkannt. „Sie sind ja noch ein ziemlich junger Mann," rief sie in ihrer Naivetät — er lachte herzlich darüber. „Jung genug, um zu heirathen, Etty!" fragte er herzlich; indem er sie mit zärtlichen Blicken ansah. „Gewiß — Vater ist gewiß älter als Sie und doch ein glücklicher Ehemann." „Wollen Sie mich heirathen, Etty — ich bin reich und unabhängig, wollen Sie mich glücklich machen, mein gutes Mädchen?" „Aber Herr Mortimer, Sie sind ein vornehmer, reicher Mann, und ich das arme, unwissende Mädchen — das kann nicht Ihr Ernst sein." „Und wenn ich die Welt durch ein Sieb schüttelte, Mädchen, eS bliebe kein besseres Herz drinnen, als Deines. Wenn ich auch ein paar Linien kleiner bin, al» Du, Etty, wir passen doch zusammen, denn unsere Herzen sind in gleicher Höhe — sage „Ja", Etty, und Du beglückst mich." Etty reichte ihm die Hand. „Wenn Sie in einem Jahr noch dasselbe wünschen, so will ich Ihre Frau werden — jetzt, wo noch die Nachwirkung der schreck lichen Zeit au- Ihnen spricht, wäre eS unrecht, diese Stimmung auSzubeuten. Ein Jahr also und bis dahin kein Wort davon — besuchen Sie mich so ost Sie mögen." „Gut — ich bin damit einverstanden bis auf eins — nicht ein ganzes, sondern ein halbes Jahr, Etty — denn ich weiß, auch dies halbe Jahr ist Zeitver lust, ich bin unwandelbar in meinem Entschluß." So setzten sie die Frist auf ein halbes Jahr herab! Er kam täglich und ertheiltc ihr den erbetenen Unterricht in den Fächern, die zur Bildung führen. Sic lernte leicht und war eine pflichttreue Schülerin. Und je häufiger die Liebenden sich sahen, je inehr lernten sic sich schätzen und vertrauten sich gegenseitig ihre früheren Erlebnisse. So erfuhr er auch die Episode mit Adah, wie sic den, verlassenen Kind wie ein Engel erschienen und durch ihre Gabe die Traurigkeit der liebelcereu Jugend jahre gemildert hatte. Mortimer war tief ergriffen: „So ist cs denn wahr, daß nur alles Dunkel auf Erden durch eins gelichtet werden kann: die Liebe in engerem Sinne, die Nächstenliebe, das Mitleid und Erbarmen im weiteren Sinne. Jene einfache That der Menschen liebe war das erste Glied einer Kette, die sich fesselnd um zwei Verbrecher schlang, und so gelang es, die arine Goldfce zu befreie» — reichen Sie mir das Abbild derselben, Etty, ich sehe jetzt in ihr nicht mehr die leblose Gliederpuppe, sondern ein Werkzeug höherer Macht." Sie reichte ihm das Püppchen, er nahm sic sorg fältig aus ihrer Hand: „Liebe Puppe, die du solch' großen Platz im Herzen Ettys eiunimmst — sprich für mich nnd sage der grausamen Etty, daß sie schon heute und nicht erst in Monaten das gesegnete Wort spreche» soll, welches sie zu meinem Weibe macht. Sage ihr, daß ich ein reizendes Heim für sie bereitet habe, nnd daß ein Garten daran stößt mit Blumen und Vögeln und Sonnenschein — im Sommer wenig stens — im Winter ist da eine prächtige, gedeckte Halle, wo alle die blonden Goldfeen und die schwarzen Tenfelchen, die mir mein liebes Weib schenken wird, sich umhertummeln können — das Alles sage ihr, du stumme Goldfee — und noch mehr sage ihr. Klopfe an ihr mitleidiges Herz, sprich: Mortimer ist sehr reich nnd Alles was er besitzt, wird dein, du sollst die Armen und die Verlassenen trösten und ihnen helfen — und in das Haus der Graueu Waisen sollst du wie ein Engel des Erbarmens treten, diese kleinen armen Kinder sollst du reich beschenken — und zu Weihnacht, wenn es wieder ins Land kommt, da schickst du in das traurige Haus eine ganze riesig große Kiste, so groß wie Etty selbst, — voll schöner blonder Puppen — eine ganze Armee Goldfeen." Sie sah ihn unter Lachen und Errölhen an und ließ sich in seine Umarmung schließen: „Du guter Mann," sagte sie zärtlich, „in Gottes Namen denn." — Doch eins bedingte Etty sich: sie hielten es ge heim, sic ließen sich in aller Stille trauen, — dann erfuhren eS zuerst ihre Eltern. Henry Crail war kein Mann von vielen Worten, doch Etty kannte seine Augen — er war überglücklich. Den Gesellen gab er bei vollem Lohn einen freien Tag, Mortimer zahlte ihnen extra einen „Glückstrunk", das war die ganze Feier! Am Abend sührte er sie in sein Haus — eS übertraf Ettys kühnste Träume und erst jetzt begriff sie die ganze Fülle seines Reich- thums. Er zeigte ihr den Inhalt eines Medaillons, welches er an der Uhr trug — cs waren die Zettel, die sie ihm im Irrenhaus zugcsteckt hatte, — sie begriff kaum, baß jene es vermochten, ihn zu er retten — wer aber kann die feinen psychologischen Vorgänge in einem überreizten Hirn verstehen ? WaS im plumpen Alltagsleben wie eine Exaltation erscheint, versteht erst Derjenige, welcher selbst alle Grade der Verzweiflung durchgemacht hat — jetzt begriff Mor timer selbst nicht, wie er sich zu einem Mordversuch hatte hinreißen lassen können. — In diesem Sinne äußerte er sich zu Sidney Percy, als er am nächsten Tage mit seiner jungen Frau einen Besuch in dessen Hause machte. Adah war glücklich über Ettys Glück. „Wenn ich ein Mann gewesen wäre, Etty, ich hätte Dich auch geheirathet — nicht ich, sondern Du eigentlich verdienst den Namen: Goldfee, denn Dein Herz ist lauteres Gold." Sie küßten sich und Etty erzählte ihr, wie Alles gekommen, als sie aber in der Anrede wie üblich — „Mrs. Percy" sagte, setzte Adah sich auf ihren Schooß, lehnte ihr goldenes Köpf chen an Ettys Brust und fragte: „Wie heiße ich? Wie nannte Etty mich an jenem Abend, als sie zum ersten Mal mein Zimmer betrat unv meine Furcht mit Küssen verscheuchte?" „Adah, Adah" Als sie nach Hause fuhren, schwärmte Etty für Adahs wundersame Schönheit, die nie so leuchtend, so glücksverklärt gewesen war, wie jetzt im Frieden und seligen Besitz de« Geliebten. „Ja", sagte Mor timer, „Percy hat da- schönste Weib — ich das beste." Das Räthsel in Marmor. Original-Novelle von Gustav Höcker. Durch die verschlungenen Gänge eines der Fried höfe der sächsischen Residenz wandelte an einem Spät nachmittage im August 185b langsamen Schrittes ein hoch und kräftig gewachsener Herr. Seine GesichtSzllge waren geistig belebt und von edlem Ausdruck, aber ein tiefer Ernst breitete sich darüber. Er trug das dunkelbraune Haar ganz kurz ge schoren nnd auch der Bollbart, den ein dunkler Schein auf Wangen und Kinn andeutete, war glatt rasirt, beides wahrscheinlich mit Rücksicht auf die heiße Jahreszeit. Er mochte wohl fremd in diesen Wohnungen des Friedens sein, denn wo sich die Wege kreuzten, blieb er unschlüssig stehen, zweifelhaft über die Richtung, die er einfchlagen sollte. Plötzlich verfiel er aus seinem gemessenen Schritte in eine etwas raschere Gangart, als gälte es einem bestimmten Ziele. Er hatte von weiten« ein Monument und dabei ein Quadrat von Gräbern entdeckt, die durch ihre Schlichtheit nnd Gleichförmigkeit auffielen. ES giebt auf vielen Friedhöfen solche Hügelreihen, deren stumme Bewohner in gemeinschaftlichem Unglück den Tod fanden, sei eS durch eine verheerende Seuche, eine Sturmfluth oder einen furchtbaren Brand, der Massen von Menschenleben forderte. Auch die hier Begrabenen, welche der fremde Mann gesucht und endlich gefunden hatte, waren einen gemeinschaftlichen Tod gestorben. Es waren die Gefallenen des Dresdener Maiauf standes von 1849. Der Fremde schritt durch die Hügelreihen, und wo eine Inschrift den Namen des Todten nannte, beugte er sich herab, um sie zu lesen. Zuweilen sann er nach und nickte dann leise mit dem Haupte, als sei ihm der Name wohlbekannt. Die Gräber entbehrten meist des Schmucks; die Kränze, die darauf lagen oder auf den Kreuzen hingen waren längst verwelkt. Nur von einem der Hügel hob sich ein farbiger Kranz ab, der erst vor wenigen Tagen von liebender Hand hier niedergclegt sein konnte. Auch ein marmorner Denkstein mit einem Kreuze zeichnete das Grab vor vielen anderen aus. Zwei verschlungene Hände waren in den Marmor eingemeißelt und darunter las der fremde Kirchhof besucher folgende Inschrift: „Wohl mag menschliches Irren die Herzen trennen, Und für trüglichen Schein tämpsi sich der Wand'rer ins Grab. Doch die Treue harrt aus und blickt hoffend hinüber. Wo vor dem himmlischen Lichte die Binde hcrabsinkt Und, was hier entzweit war, zum ewigen Bunde sich eint." Ueber den beiden verschlungenen Händen standen noch einige Worte und Ziffern. Kaum hatte der Fremde auch diese gelesen, als er, wie von einem Schwindel erfaßt, mehrere Schritte zurücktaumelte. Rasch erholte er sich jedoch wieder von seiner seltsamen Erschütterung. Unmöglich konnte er richtig gesehen haben; sein Auge hatte ihn wohl getäuscht. Er trat wieder näher, um sich nach dem Stein herabzubücken und aufs Neue zu lesen. Aber so sehr genau er auch jeden einzelnen Buch staben, jede Zahl betrachtete, nach wie vor lautete die Inschrift: ' Wolfgang Ritter. Geboren am 14. August 1827 zu Leipzig. f 9. Mai 1849, Welche geheime Macht besaßen diese schlichten Daten, daß sie den Lesenden so tief ergriffen ? Nannten sie den Namen seines theuersten Freundes, wohl gar eines geliebten Bruder-, den er noch unter den Lebenden geglaubt und unerwartet unter den Todten sand? Sein Auge blieb trocken, der Ausdruck seiner Züge war nicht der einer schmerzlichen Ueberraschung. Eher war eS Schrecken, was ihn bannte, und wie er die gefalteten Hände fest zusammengepreßt hielt und dabei ungläubig mit dem Kopfe schüttelte, schien eS zugleich, als ob er eS mit etwa« Unbegreiflichem, ja Unmöglichem zu thun habe. Und so war e« auch. Die kurze Kunde vom Beginn und Erlöschen eines Menschendaseins, deren vertiefte Schriftzüge im Pur purschein der sinkenden Sonne mit scharfen, schattigen Rändern vor seinen Augen standen, behauptete Hügel Geringeres, als daß er selbst unter diesem nicht begraben liege. Der Zufall war nicht denkbar, daß diese Namen und Daten auch auf einen Anderen stimmen konnten. Vor- und Zuname, Geburtstag und Heimath — Alle« traf auf'« genaueste zu, und der 9. Mai 1849, der hier als sein Todestag bezeichnet wurde, war