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Dienstag, den 5. Juli 1892, Nachmittags 2 Uhr sollen im hiesigen AmtSgerichtSgebäude eine alte Nähmaschine, eine gröbere Menge Haus- nnd Wirthschaftsaeräthe, Frauenkleivungsstücke, Borhemdchen und 500 Ttück Cigarren gegen Baarzahlung versteigert werden. Die sämmtlichen Gegenstände sind stückweise in der im hiesigen AmtS- gerichtSgebäude auShängenden Bekanntmachung aufgeführt. Eibenstock, am 29. Juni 1892. Der Gerichtsvollzieher des Königl. Amtsgerichts. Liekman«. Hagesgeschichle. — Deutschland. Die „B. N. N." schrei ben: Gegenüber den zahlreichen Meldungen über Einzelheiten der zu erwartenden neuen Militär- Vorlage gehen uns von glaubwürdiger und bisher stets gut unterrichteter Seite die nachfolgenden Mit theilungen, die man uns als authentisch bezeichnet und welche die bisherigen Meldungen als stark über trieben erscheinen lassen, zu. Seitens des preußischen Kriegsministeriums ist, unserm GewährSmanne zufolge, die neue Militär-Vorlage thatsächlich fertiggestellt und in diesen Tagen dem Reichskanzler zur weiteren Beschlußfassung auch mit den übrigen, eine selbst ständige Militär-Verwaltung besitzenden Bundesstaaten zugestellt worden. Außer kleineren Etatserhöhungen bereits bestehender Formationen der Infanterie, Pio niere, Eisenbahniruppcn und des Trains wird, wie der uns zugehcnde Bericht besagt, in der Vorlage für jedes Infanterie-Regiment, wie für jede« Jäger- bezw. Schützen-Bataillon die Aufstellung eines Cadre- Bataillons projektirt, d. h. also für ca. 189 Infan terie-Regimenter, bezw. Jäger- und Schützenbataillons der deutschen Armee (incl. Sachsen und süddeutsche Bundesstaaten) 189 Cadre-Bataillons. Eine Ein- theilung dieser Cadre-BataillonS in Regimenter, Bri gaden u. s. w. soll vorläufig nicht stattfinden. Für die Kavallerie fordert die Heeresverwaltung Cadres für etwa 10 Regimenter. Am stärksten fällt die Vermehrung der Artillerie — Feld wie Fuß-Artillerie — ins Gewicht. Die Feld-Artillerie, incl. Feld- Artillerie-Schieß-Schule, soll eine Vermehrung von etwa 53 Batterien erfahren, während durchweg 3 Batterien je einen Abtheilungsstab erhalten. Die Fuß-Artillerie wird um einige Fuß-Artilleric-Jnspek- tionen, einige Regimentsstäbe und um 6 Bataillons vermehrt werden. Alle diese Neusormationen und EtatS-Erhöhungen der FriedcnSpräsenz werden die Stärke von 32,000 Köpfen nicht überschreiten. WaS den finanziellen Effekt der Vorlage anbetrifft, so sind wir in der Lage, ausdrücklich festzustellen, daß der selbe, was die laufenden Mehrkosten angeht, etwa 30 Millionen Mark pro EtatSjahr betragen würde, wenn man die einmaligen Ausgaben außer Rechnung läßt. Als Gegengabe wird die Einführung der zwei jährigen Dienstzeit für die Armee, mit Ausschluß der Kavallerie und reitenden Artillerie, geboten, zu wel cher man sich Allerhöchsten Ortes nach eingehenster Prüfung aller einschlägigen Verhältnisse und in An betracht des Bildungsgrades unseres Volkes definitiv entschlossen hat. — Berlin. Ueber die Wiederverhastung Ahlwardt's theilt die „StaatSb.-Ztg." Folgendes mit: .Donnerstag in früher Nachmittagsstunde traf in der Wohnung Ahlwardt's ein Kriminal-Kommissar ein und theilte demselben mit, daß das Kammergericht auf Beschwerde des Staatsanwaltes seine Verhaftung verfügt habe, wenn er nicht nachweisen könne, daß er die vom Kammergericht beschlossene Kaution in Höhe von 50,000 Mk. gestellt habe. Selbstverständlich war Herr Ahlwardt dazu nicht im Stande, um so weniger, als ibm eine Benachrichtigung über diese neue For derung, die für eine einfache Beleidigung eine Kaution in für einen solchen Fall noch nie dagewesener Höhe sestsetzt, noch gar nicht zugegangen war." Die .StaatSb.-Ztg." fordert die Gesinnungsgenossen Ahl wardt's auf, sofort die noch fehlenden 40,000 Mark aufzubringen. Wir müssen gestehen, wir verstehen dieses Verhalten des Gerichts nicht und sind begierig, was eS dann thun wird, wenn auch die Kaution von 50,000 Mark aufgebracht wird. Wollte Ahlwardt flüchten, so könnte er eS bei einer Kaution von 10,000 Mark so gut, als er eS bei einer Kaution von 50,000 Mark gekonnt hätte. Der sozialdemokratische .Vorwärts" bemerkt zu der nochmaligen Verhaftung: .Wir können einen solchen Beschluß absolut nicht billigen. Nach unserer Ansicht liegt kein Grund vor, den Mann derselben Vergünstigung verlustig zu machen, die so ziemlich jedem anderen Untersuchungsgefangenen gewährt wird, wenn er reich ist, also die Kautions summe au« eigener Tasche zahlen kann. Ahlwardt ist allerdings arm, aber daraus zu folgern, daß er durchbrennen würde, gegen diese Schlußfolgerung müssen wir al» Vertreter der nicht-besitzenden Klassen schärfsten« protestiren, gleichgiltig, wie wir sonst zu Ahlwardt und seinem Treiben stehen. Wer au« diesen Vorgängen Nutzen ziehen wird, das ist einzig der Antisemitismus und speziell Ahlwardt selbst, der auf dem besten Wege dazu ist, für gewisse Kreise ein "Nationalheiliger zu werden. Daß dagegen da» Ver trauen zu der Vortresflichkeit der Löwe'schen „Juden- Flinten" durch die neueste Verhaftung Ahlwardt's gehoben werde, da« erlauben wir uns bi» auf Weiteres noch zu bezweifeln." — Kissingen,27. Juni. Die Reise B iS marck'S von München nach Kissingen gestaltete sich den.M. N. N." zufolge zu einer deutschpatriotischen Kund gebung, wie sie seit 1870 nicht mehr erlebt wurde. An allen 61 Stationen wurde der Fürst mit frene tischem Jubel empfangen, vielfach mit Fahnen, Musik u. s. w. An den Bahnübergängen, von den Land straßen her, aus entgegenkommenden Zügen, erschollen brausende Hoch'». Viele Orte, wo der Zug nicht einmal hielt, waren beflaggt. Ueberall ertönte die .Wacht am Rhein" oder „Deutschland, Deutschland über Alles", die oft fünf- bis sechsmal wiederholt wurden. Vom Bahnhofe bis zur Saline bildete ein tausendköpfiges Publikum mit Kurgästen Spalier und brachte stürmische Ovationen dar. — Spanien. Die Königin von Spanien hat das Dekret unterzeichnet, das Deutschland die niedrig sten Einfuhrzölle auf alle von dorther kommen den Maaren vom 1. Juli ab bewilligt. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 29. Juni. Zur Ergänzung unseres Berichtes in voriger Nummer über da« hier stattfindende Gauturnfest theilen wir noch mit, daß der Festzug, welcher, wie schon erwähnt, auf dem Postplatze und den anliegenden Straßen stellt, sich von hier auS in folgender Richtung bewegt: Forst straße, Mohrenplatz, Poststraße, Hauptstraße, Wiesen straße, vordere Rehmerstraße, Lohgasse, Theaterstraße, Breilestraße, Neumarkt, Langestraße, Brühl, äußere und innere Auerbachcrstraße und Schulstraße. ES werden drei Ehrenpforten und zwar an der Haupt straße, inneren Auerbachcrstraße und Schulstraße er richtet. Hieran anschließend möchten wir nicht verfehlen, die geehrten Bewohner unserer Stadt noch besonders auf die im Jnseratcntheil vorliegender Nummer ent haltene Bitte deS Turnvereins zur Schmückung der Häuser aufmerksam zu machen. — Dresden. Ueber die bevorstehende Reise Ihrer Majestäten deS Königs und der Königin nach Bayern verlautet, daß dieselben Sonnabend, am 2. Juli, mit dem fahrplanmäßigen Schnellzuge 4 Uhr 55 Minuten "Nachmittags nach München ab weisen und sich von da am folgenden Tage nach Tegernsee begeben, um der am 4. Juli dort stattfin denden Vermählung Ihrer Kgl. Hoheit der Prinzessin Amalie, Herzogin in Bayern, beizuwohnen. Nach den Vermählungsfeierlichkeiten reisen beide Maje stäten wieder nach München und von dort, voraus sichtlich am 8. Juli, nach Umkirchen zum Besuche Ihrer Kgl. Hoheit der verwittweten Frau Fürstin von Hohenzollern. Von Umkirchen aus wird Se. Maje stät der König am 10. oder 11. Juli direkt nach Lustschloß Pillnitz zurückkehren und am 12. Juli die LandeSreise innerhalb deS Regierungsbezirkes Zwickau antreten. Ihre Majestät die Königin wird erst am 17. Juli Abends Umkirchen verlassen und von dort direkt in das Seebad Scheveningen reisen, um einen dreiwöchentlichen Aufenthalt daselbst zu nehmen. — Leipzig, 28. Juni. ES ist in unserer Stadt vielfach da» Gerücht verbreitet, daß Für st Bismarck auf seiner Rückreise von Kissingen nach FriedrichSruh auch Leipzig einen kurzen Besuch abstatten werde. ES scheint hier jedoch der Wunsch der Vater deS Ge dankens zu sein; denn e» ist nach eingezogenen Er kundigungen bis jetzt nicht» bekannt, was dem Ge rücht einen thatsächlichen Hintergrund zu geben ge eignet wäre. — Chemnitz, 27. Juni. Heute Nachmittag 2 Uhr wurde in unserer Stadt ein Raubmordver such verübt. Eine in der Theresenstraße wohnende, etwa 40 Jahre alte Wittwe, Namens Anna Walther, wurde von einem Mann, der sich früher bei ihr im Logis befunden hatte und der von ihr Geld verlangte, mit einem Hammer, einem sogenannten Fäustel, der art über den Kopf geschlagen, daß sie schwerverletzt und blutüberströmt zusammenbrach. Von Hausge nossen, welche die Hülferufe der Walther gehört hatten, wurde sie an der Stubenthüre, in einer Blutlache knieend aufgesunden. Der Raubmörder, ein Maurer mit Namen Anton Schlögel au« Kaden in Böhmen, entfloh, wurde aber Nachmittag« gegen 5 Uhr von der Schutzmannschast in hiesiger Stadt festgenommen und an die zuständige Behörde abgeliefert. Die Wittwe Walther wurde ärztlicher Hülfe übergeben. — Plauen. Unsere Stadt wird bei den bevor stehenden Herbstübungen starke Einquartierung erhal ten. Nach den bei der hiesigen AmtShauptmannschaft eingegangenen vorläufigen Unterbringungsentwürfen sind in der Stadt Plauen während der diesjährigen Herbstübungcn unterzudringen 583 Offiziere, 11,020 Unteroffiziere und Mannschaften und 852 Pferde. Diese Einquartierungen setzen sich zusammen au« Truppen von der 5. Jnfanteriebrigade Nr. 63 und der 6. Jnfanteriebrigade Nr. 64, bestehend auS den Jnfanterieregimentern Nr. 104 u. 133, dem Schützen regiment Nr. 108 u. den 3 Iägerbataillonen. Plauen erhält den Divisionsstab und 2 Brigadestäbe abwech selnd, ferner Artillerie, Pioniere re. — Aus dem Vogtlande. Vor etwa zehn Jahren hat eine Wedereifirma in Plauen damit be gonnen, die gazcartigen Kongreßstoffe auf Handstühlen Herstellen zu lassen und fand damit allenthalben fehr lebhaften Beifall. Heute sind diese Stoffe für die Weißwaarenindustrie fast unentbehrlich geworden, denn es werden daraus Kragen, Kleidchen, besonders Schürzen und Vorhänge gefertigt, die in großen Mengen nach dem Auslände gehen. Dieser Stoff wird jetzt auch auf mechanischen Webstühlen erzeugt, aber die feinere Waare muß immer noch den Handstühlen überlassen bleiben. Dadurch ist es möglich geworden, viele Hand weber, die früher Jaquardgardinen fertigten, aber durch die Gründung der englischen Gardinenfabriken be schäftigungslos geworden waren, wieder zu beschäftigen. Der Kongreßstoff ist jetzt mehr begehrt als Chiffons oder ähnliche Baumwollstoffe. — Lößnitz, 27. Juni. Vorgestern Abend brannte in der Vorstadt Dreihansen hier die dem Schlossermeister Seinige gehörige Firnißsiederei bis auf die Umfassungsmauern nieder. — Rothenkirchen, 27. Juni. Gestern früh '/§3 Uhr brach in der Scheune des Gutsbesitzers Karl Hempel hier Feuer aus, welches dieses Gebäude vollständig zerstörte. Man vermuthet böswillige Brandstiftung. — Hof. Der in der Nacht vom 25. zum 26. Juni kurz nach 12 Uhr hier einlreffende Schnell zug von Regensburg-München ist innerhalb des bayerischen TheilS des Bahnhofs Hof auf einen still stehenden bayerischen Rangirzug aufgefahren, wobei namentlich an Gepäck- und Postwagen verschiedent- liche Schäden entstanden, Verletzungen von Personal und Reisenden aber glücklicherweise nicht vorgekommen sind. Der sächsische Nachtschnellzug nach Reichen bach-Leipzig hat deshalb ungefähr "/), Stunde Ver spätung erfahren und den Anschluß nach Dresden in Reichenbach im Vogtl. nicht erreicht. Die Reisen den in der Richtung nach Dresden wurden mittels besonderen Zuges von Reichenbach bis Dresden nachgefahren. (Eingesandt.) Der Vorstand des Vereins gegen Armennoth und Hausbettelei hat in seiner letzten Sitzung beschlossen, von der ihm durch einen unbekannten Wohlthäter zu gegangenen reichen Gabe von 500 Mk. den Betrag von 300 Mk. in der hiesigen Sparkasse anzulegcn, den Rest an alte und kranke Arme alsbald zu ver- theilen. Die Ansammlung eines Kapitalstockes sichert dem Vereine sein Fortbestehen und schafft Mittel für Zeiten außerordentlicher Noth. Aus vergangener Zeit — für imsere Zeit. 30. Juni. (Nachdruck verboten). Vor 25 Jahren, am 3V. Juni 1887, stand ein Diplomat auf der Höhe feiner Macht, der heute bereits ansängt, vergessen zu werden, ein Mann, der mit sich selbst stets sehr zufrieden, im Ganzen wenig Ersprießliches geleistet hat. Dieser Mann war Graf F. von Beust,, der ehemalige sächsische Minister, der nach der Katastrophe von 1866 die deutschen Brücken hinter sich abgebrochen hatte und in Oesterreich Minister geworden war. Hier wurde er am genannten Tage zum Reichskanzler ernannt, als welcher er den sogenannten österreich-ungarischen Ausgleich zu Stande brachte, wodurch endlich Ungarn beruhigt und zu einem kräftigen, im Ganzen zufriedenen Theile der Kaisermonarchie gemacht wurde. Das war die Hauptthat Beust"-, die immerhin Anerkennung verdient. Dagegen hat sich dieser Deutsche von Geburt stets antideutsch erwiesen, wozu ihm nach seiner Ernennung zum Reichskanzler noch mehr denn je Gelegenheit geboten war. Das österreichisch-deutsche Biind- niß wäre unter Beust unmöglich gewesen. 1. Juli. Vor ISO Jahren, am I. Juli 1742, ist Georg Christoph Lichtenberg geboren, einer der geistvollsten, humorbegabtesten Männer nicht nur seiner Zeit, sondern aller Zeiten. Er war Physiker und satirischer Schriftsteller, ein entschiedener Feind des s. Z. so berühmten Lavater, dessen übernatürliche« Pro- phetenthum er mit beißendem Witz verspottete. Leider hat Lichtenberg sein bedeutendes humoristisches Talent in zahlreichen kleinen Aufsätzen, fliegenden Blättern und Fragmenten zer splittert, anstatt cs in einem einheitlichen größeren Werke zu sammenzufassen. Daher kommt es heute nicht eben allzuoft vor, daß man sich mit den „Vermischten Schriften" Lichtenbergs beschäftigt, in denen sein Witz und Humor ausgestapelt ist. L o u i s o n. Erzählung von Bruno Köhler. (3. Fortsetzung.) Dieser orvnete mit großer Ruhe sein Verband zeug, dann nahm er die kurz zuvor bereitete, fieber stillende Medizin und beugte sich zur Gräfin hin, mit leiser Stimme die Bitte an sie richtend, da kühlende Getränk zu sich zu nehmen. Bon seinem eindringlichen Ton seltsam berührt, schlug die Ange redete die Augen auf. Ohne Widerstreben ließ sie e» geschehen, daß Walther seinen Arm unter ihren Kopf schob, sie ein wenig emporrichtete und ihr den Trank einflößte. Nachdem er sie wieder in die Kissen zurückgelehnt hatte, richtete er nochmal« da» Wort an sie. Er bat, daß sie den verletzten Arm in der horizontalen Lage belassen möge, in die er ihn gebracht.