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richtliche Untersuchung darüber angestellt sein, ob nicht einzelne Soldaten des Infanterie-Regiment- Nr. 4 ihre Dienstpflicht durch Knechte und Tagelöhner hätten abmachen lassen und selbst zu Hause geblieben seien. Dasselbe Blatt verzeichnet ein weiteres Ge rücht, daß bei demselben Regiment gelegentlich eine» Manövers von der einen Seite mit scharfer Munition geschossen worden sei. Ein Baseler Blatt berichtet Gleiche« von einer Uebung de- 12. Bataillon«. Locale ««d sLchfifch« Nachrichten. — Eibenstock, 1b. Juni. Vorgestern in der Mittagsstunde stürzte der 19jährige Schlossergehilfe Paul Graupner von dem Thllrmchen de« Herren hauses zu Muldenhammer herab, während er damit beschäftigt war, die Blitzableitung zu untersuchen. Derselbe stand auf der Thurmspitze und war im Begriff herabzusteigen, al« da« morsche Holz de« Thurmes, auf dem der Blitzableiter befestigt ist, um brach. Graupner stürzte zunächst mit dem Kopf auf da« Schindeldach, durchschlug eS zum Theil, dann überschlug er sich und stürzte nun noch ungefähr 20 Meter herab auf die harte Straße. Er zog sich dabei eine schwere Gehirnerschütterung, starke Quetsch ungen de« Brustkorbes und auch des Rückens und verschiedene Verletzungen am Kopf und im Gesicht zu. — Schönheide. Am Montag Nachmittag gegen 4 Uhr brach in Oberstützengrün, und zwar im OrtStheile Neulehn, in dem Wohnhause des Bürstenhändlers Colbitz Feuer aus. Dasselbe verbreitete sich sehr rasch, und da der Wind ziemlich heftig in der ungünstigsten Richtung wehte, so wurde auch das Nachbarhaus, welches dem Bürstenhändler Müller gehörte, von den Flammen mit ergriffen. Beide Gebäude brannten vollständig nieder, doch ge lang es den an der Brandstätte erschienenen Feuer wehren von Stützengrün und Neuheide, den größten Theil des Mobiliars der Bewohner, die nicht ver sichert hatten, zu retten. Es wird vermuthet, daß Vas Feuer, welches in einer Bodenkammer zum Aus bruch kam, von Kindern, wahrscheinlich durch Spielen mit Streichhölzern, verursacht worden ist. — An demselben Tage waren schon am Morgen in Rothen kirchen und Lichtenau zwei Häuser niedergebrannt. — Dresden. Ihre Majestäten, der König und die Königin sind Montag Vormittag 9 Uhr 40 Min. mit dem fahrplanmäßigen Schnellzug in Sibhllenort abgefahren und 3 Uhr 52 Min. auf dem Schlesischen Bahnhof in Dresden eingetroffen. Die hohen Herrschaften bezogen bis auf Weiteres die Königl. Villa Strehlen. — Dresden. Ihre Majestäten, der König und die Königin bereiten alljährlich, ehe sie von Schloß Sibhllenort abreisen, der dortigen Jugend besondere Freude. Auch bei dem diesmaligen Auf enthalte de« Königspaares wurde den Kindern Sibhl- lenorts eine besondere Unterhaltung geboten, und zwar in Form eines Kinderfestes. Dasselbe ward am 9. d. M. auf der an den Schloßpark anschließen den Wiese abgehalten. Gegen 150 Kinder aus Sibhllenort und drei benachbarten Dörfern zogen mit einem Musikchor an der Spitze und mit ihren Schulfahnen von der Sibyllenorter Schule aus nach dem Festplatz, auf dem das KönigSpaar mit Gefolge bereits anwesend waren. Der Lehrer der genannten Schule hielt eine kurze Ansprache und brachte ein Hoch auf den König und die Königin aus, in das die jugendliche Schaar lebhaft einstimmte. Lehrer und Kinder ließen sich dann an Tischen nieder und wurden mit Kaffee und Kuchen bedacht. Darauf wurden gemeinsam Spiele unternommen und jedes Kind durch ein Geschenk erfreut. Als der Abend nahte, wurden die Kinder wieder mit Abendbrot bedacht. — Leipzig. Wie unangenehm eS für den Be treffenden unter Umständen werden kann, sich durch Unterbieten Arbeiten verschaffen zu wollen, hat der hiesige Glasermeister R. erfahren müssen. Er hatte die Glasarbeiten an einer hiesigen Volksschule für 13,500 Mark übernommen, obwohl sie von Sachver ständigen auf 19,000 Mark veranschlagt worden wa ren. Nach Vollendung der Arbeiten wurde dem Meister R. klar, daß er mindestens 3000 Mark dabei eingebüßt hatte. Er bat deshalb die städtischen Kol legien um eine Nachbewilligung von 2000 Mark. Die Stadtverordneten lehnten jedoch jede Vergütung ab, da einer solchen Preisunterbietung gegenüber ein Exempel statuirt werden müsse. — Leipzig. In der dauernden Gewerbe-Aus stellung finden auch während des Sommers praktische Vorführungen gewerblicher Hülfsmaschinen statt. Für den 19. und 20. Juni gelangen Holzbearbeitungs maschinen nebst den Electrvmotoren zur Vorführung. Die Ausstellung ist stets, besonder» aber an den Sonntagen stark besucht. — Vor einigen Tagen sollte im Dorfe W. bei Bautzen die Hochzeit eines sehr wohlhabenden Paares stattfinden. Alles war fertig, das Hochzeits mahl gerichtet, und das Brautpaar schickte sich an, den Gang auf das Standesamt in Begleitung der HochzeitSgäste zu thun. Beim Austritt aus dem Wohnzimmer blieb zufällig die Braut am Thürhaken hängen und riß ein gewaltiges Dreieck in ihr Hoch' zeitskleid. Alle- war bestürzt über da- schlimme Vorzeichen. Nothdürstig wurde der Riß zugenäht, als aber beim Eintritt in das Zimmer des Standes beamten der gleiche Unfall vorkam, und die Braut wieder an einem Nagel hängen blieb, war kein Halten mehr. Die Braut weigerte sich entschieden, die Hoch zeit unterblieb. — Zwickau. Der am Sonntag früh 7 Uhr 43 Min. von hier nach Aue-Schwarzenberg—Eiben stock—Johanngeorgenstadt abgefcrtigte Extra zug mit Fahrpreisermäßigung war sehr stark besetzt. Es mußte dem Zug mit 2 Maschinen und 21 Wagen noch ein Nachläufer mit 10 Wagen folgen. — Während der Pfingstfestwoche wurden auf den hiesigen Linien zahlreiche Personen-Extrazüge eingelegt. Aus der Strecke Zwickau—Chemnitz—Dresden verkehrten allein 56 Extrazüge mit vielen Vor- und Nachläufern. — Rothenkirchen, 13. Juni. Heute Morgen kurz nach 2 Uhr kam im Wohnhause de» Tischler- Franz Anton Georgi hier ein Schadenfeuer zum Aus bruch, durch welches da« genannte Hausgrundstück bis auf die Umfassungsmauern zerstört wurde. Die hiesige freiw. Feuerwehr war kurz zuvor mit ihrer Spritze ausgerückt, um beim Löschen eines im Nach barort Lichtenau au-gebrochenen Schadenfeuers Hilfe zu leisten. In Stützengrün bemerkte sie aber de» inzwischen im hiesigen Ort ausgebrochencn Brand und mußte daher schleunigst hierher zurückkehren, lieber die Entstehungsweise des Brandes im Georgi schen Hause hört man noch nichts. — Li mb ach, 14. Juni. Die Zusammenkunft der Radfahrer, welche am Sonntage hier statt sand, nahm einen freundlichen Verlauf. Besonderes Interesse erregte die von etwa 240 Radfahrern, auch Damen, ausgeführte Fahrt durch die Stadt, zu welcher sich eine zahlreiche Menschenmenge auch aus anderen Ortschaften eingefunden hatte. — Wie weit die Frechheit einzelner der soge nannten „armen Reisenden" geht, zeigt folgender Vorfall: Am 3. Feiertag Mittags erschien im Gast hof zu Dänkritz bei Crimmitschau ein auf der Wanderschaft befindlicher Handwerksbursche und bettelte die anwesenden Gäste an. Er setzte sich dann nieder, trank mehrere Glas Lagerbier und erzählte, daß er Abends zuvor im Werdauer Wald einen Mann er stochen habe, wobei er auch ein ziemlich langes Messer den Gästen vorzeigte. Einige Zeit darauf entfernte sich der Fremde und auf der Zwickauer Straße be gegnete er in der Nähe der sog. „Lause-Linde" dem Wirth des obengenannten Gasthofs, welchen er an bettelte und drohte, ihn niederzustechen, wenn er nichts erhielt. Trotzdem der Strolch dabei das Messer zum Vorschein brachte, wies ihn der Wirth mit Hinweis auf seinen Spazierstock ab, worauf der Fremde sich entfernte. Am 3. Feiertag Abends in der 10. Stunde wurde dieser freche Patron in einer Crimmitschauer Herberge von der Schutzmannschaft verhaftet. — Breitenbach bei Johanngeorgenstadt, 13. Juni. (Eine vielbesuchte Wahrsagerin.) Daß es heutzutage immer noch eine ganz erschreckliche Zahl von Menschen giebt, die von der Dummheit ihrer Mitmenschen ergiebigen Nutzen ziehen, davon hatten wir wieder einmal Gelegenheit, einen vollgiltigen Be weis zu erhalten. In der Nähe des Gasthauses „Zur Halde" hielt sich vergangener Woche eine herum ziehende Truppe von Spielleuten auf, die schon in ihrem Aeußeren einen sehr armseligen Eindruck machten. Die einzige weibliche Person dieser Künstlertruppe, wie sie sich selbstgefällig nannten, betrieb als Neben erwerb die Wahrsagerei, und nach dem Urtheile dieser Leute hatten dieselben schon lange kein so einträgliches Feld gefunden als gerade hier. Sckaarenweise zogen junge Mädchen und Frauen aus Johanngeorgenstadt zu dieser allerdings nicht sehr sauberen Hebe, die vermeintlich die Gabe besitzen sollte, den Schleier der Zukunft zu lüften. SamStag, den 11. d. Mts. wollte die Truppe schon abreisen, da ihr von Seite des Ortsvorstehers ein weiterer Aufenthalt untersagt wurde, da kamen Boten aus Johanngeorgenstadt und die Zigeunerin — nur eine solche war eS — mußte sich dahin begeben, um hier Frauen, die sich nicht dem öffentlichen Spotte aussetzen wollten, aus den Linien der rechten Hand zu lesen, was im Schooße der Zukunft verborgen liegt. — Unsterblicher Dichter, wie wahr sind deine Worte: „Gegen die Dummheit kämpfen selbst Götter vergebens!" Und ein anderer Satz sagt: „Die Welt ist dumm, und darum muß sie betrogen werden." — Lengenfeld, 14. Juni. In der Nacht zwischen Montag und Dienstag gegen '/,12 Uhr brannte eS in der Fabrik von Bechler u. Dressel (vormals Julius Bechler). Mit unglaublicher Ge schwindigkeit verbreitete sich das Feuer durch die weilen Säle in alle Stockwerke der großen Streich garnspinnerei. Nur mit Mühe konnten darum eine Anzahl der großen werthvollen Wollballen gerettet werden; der weitaus größte Theil des Lagers ging in Flammen auf. Schon in der 3. Morgenstunde war das ganze Gebäude ausgebrannt. — Die Ar beiter sind gegenwärtig beschäftigungslos. — Wie man aus Oberwiesenthal telegraphisch mittheilt, ist Montag Abend auf Holzbacher Revier der Förster Eulenstein von Wilddieben erschossen worden. Das Holzbacher Revier liegt auf böhmischem Boden und zwar nimmt es die südliche Seite de» Keil- bergeS ein. Orstlich wird eS vom Hauensteiner Revier begrenzt. — Wir machen darauf aufmerksam, daß die am 1. Juli d. I. in Kraft tretenden Bestimmungen über die Sonntagsruhe nur für da» Handelsge werbe gelten und die Bestimmungen über die Sonntagsruhe für Industrie und Handwerk erst nach Erledigung der erforderlichen Vorarbeiten durch Kaiserliche Verordnung in Kraft treten werden. ES wird angenommen, daß die- vor dem 1. Oktober d. I. nicht geschehen wird. — Für die nächsten Herbstmanöver ist An weisung ergangen, auch in der Verpflegung den Ernst fall zu üben und die Mannschaften zum Theil nur mit Mehl und Konserven auSzustattcn. Die Ver pflegung in den Ortschaften ist für diese Zeit aus geschlossen, um die Selbstbereitung der Speisen durch die Truppen einzuüben. Ans vergangener Zeit — für nufere Jett. 16. Juni. (Nachdruck verboten). Wie man noch in neuerer Zeit tabula rasa mit unlieb samen Einrichtungen in der Türkei zu machen versteht, das bewies der 16. Juni 1826. Sultan Mahmud I I. war ei» streit barer und energischer Herr, der längst bemerkt hatte, daß ihm die Janitscharen, eine Art Leibwache oder Garde, über den Kops zu wachsen drohten. Nun konnte aber sogar der „Selbstherr scher aller Gläubigen" nicht so ohne Weiteres diverse Tausende um einen Kopf kürzer machen lassen : deshalb fing er die Sache etwas schlauer und diplomatischer an. Er erklärte, ein Heer nach europäischem Muster einrichten zu wollen und gebot den Janitscharen. die gleichsam einen Staat im Staate bildeten, von jedem ihrer Bataillone 150 Mann an die neuen Truppen abzugeben. Die Janilscharcn antworteten mit einem Ausstand, sie zogen ihre Streitkräfte zusammen und forderten die Köpfe der Rathgeber des Sultans. Dieser war indeß daraus gerüstet. Truppen standen bereit, die grüne Fahne des Propheten, — die majestätische Cypresse im Garten des Sieges nennen sie türkische Dichter, — ward entfaltet, was nur im Augenblicke drohender Gefahr für den Islam geschieht, und mit diesem aufregenden Symbol, das man vor die Moschee pflanzte, in welcher der Sultan sein Hauptquartier nahm, waren alle Gläubigen zur Unterstützung ihres Herrschers aufgerufen. Die Acht wurde über die Meuterer ausgesprochen und ein blutiger Kanipf am 15. und 16. Juni endigte mit ihrer Niederlage, die dann das Schwert des Henkers vollendete, das acht Tage lange in harter und ununterbrochener Arbeit blieb. Die Ka serne der Janitscharen wurde zerstört und es erging ein Be fehl, nach welchen, der Name der „Janitscharen" nicht mehr ausgesprochen werden durste. Alles alhmete auf, von dem furchtbaren Drucke der übermüthigen Palasttruppen befreit, und pries den „erhabenen, gewaltigen und furchtbaren Padischah", der das Fundament aller Reformen in der Türkei zu legen gewagt hatte, die Europäisirung der Truppen. 17. Juni. Vor 5 Jahren wurde im deutschen Reichstage das neue Branntweinsteuergesetz, das wesentliche Steuererhöhungen und andere dem mißbräuchlichen Genuß des Branntweins steuern sollende Bestimmungen enthielt, mit 2L2 gegen 80 Stimmen angenommen. Als die Vorlage am 17. Juni 1887 Gesetz wurde, hörte der Meinungsstreit über Nützlichkeit oder Schäd lichkeit des Gesetzes noch lange nicht aus, bis im Lause der Zeit andere Vorlagen das Interesse beanspruchten. Heute läßt sich sagen, daß durch das Gesetz zwar keineswegs der über mäßige Branntweingenuß eingeschränkt worden, allein das scheint doch bewirkt zu sein, daß dem Volke wenigstens nicht mehr so schlechter Fusel geboten wird, wie früher. Und auch das ist ein Vortheil. Der Neffelverehrer. Humoristische Novellette von H. Stöckl. (Schluß). Es war schon Mittwoch Nachmittag, als Leder strumpf den Schloßberg in Bacharach hinaufstieg. Mit eigenthümlichen Gefühlen hatte er heute das alte Städtchen wiedcrgesehen. Drei Tage war er abwesend gewesen. Wie Vieles konnte sich in dieser Zeit zugetragen haben! Es wunderte ihn daher auch gar nicht, daß er seinen Freund vergeblich zum Mit tagessen erwarten mußte, eben so wenig, wie es ihn einige Stunden später überraschte, die Stadtmauer wohnung leer zu finden und die Nachricht zu erhalten, die ganze Gesellschaft habe einen Spaziergang auf den Schloßberg unternommen. Ein wolkenloser, tiefblauer Frühlingshimmel spannte sich über die Gegend aus, als Lederstrumps langsam den Weg zur Ruine hinaufstieg. In Sonnenschein gebadet standen die blühenden Bäume und Gebüsche da, jedes Blatt und jede Knospe derselben im golde nen Lichte schimmernd. Leise zitternd bewegten sich die zarten Blätter der Haselnußsträucker in dem leich ten Westwinde, der kosend über sie hinfuhr, und in den Schlehdornbüschen sangen die Vögel. Lederstrumpf stand ein Weilchen still, um ein Hänflingpaar zu beobachten, das emsig hin- und herflog, Strohhalme und Wollflocken zum Nestbaue zusammentragend und zwischendurch seine Lust schmetternd in die Luft hin- auSsingend. Lederstrumps war keine poetische Natur, wenig stens nicht da«, was man gewöhnlich darunter zu verstehen pflegt. Er konnte recht gut einen Sonnen untergang sehen, ohne ein Gedicht darauf zu machen, oder einen Kalbsbraten essen, ohne an das TrcnnungS- leid der alten Kuh von ihrem Kalbe zu denken; trotz dem war er nicht unzugänglich für tiefere Gedanken, wenn er e» auch meist vorzog, dieselben unter der Miene des Spottes zu verbergen. Der Anblick des sein Nest bauenden HänflingS- paareS stimmte ihn heute ungewöhnlich weich. Sanft wehmüthige Gedanken durchflutheten seine Seele. ES fiel ihm ein, wie traurig eS sei, so einsam durch da»