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beirren, rasch hatte er seinen Mantel abgeworfen und da» Kästchen mit dem Verbandzeug zur Hand genommen. Darauf gab er den Befehl, daß man ihn in das Zimmer der Gräfin führen möge. Der Kellner sprang hinzu und öffnete flugS die GlaSkhür zur Treppe. Beide Männer schritten hastig in das erste Stockwerk hinauf. Hatte schon diese« seltsame nächtliche Abenteuer, bedingt durch das geheimnißvolle Begebniß in dem Hotel, das ganze Interesse Walthers erregt, so halte die Erzählung des Portiers noch dazu beigetragen, in ihm das Verlangen zu erwecken, jenen rätselhaften Vorgang völlig aufgeklärt zu sehen. Eine gewisse Sympathie, über die er fick selbst nicht Rechenschaft zu geben wußte, hatte in seinem Herzen für die Gräfin Platz gegriffen. Er brannte förmlich vor Verlangen, ihr gegenüber zu stehen. Mit vom raschen Laufen hochroth gefärbten Wangen trat er in das ihm bezeichnete Zimmer. Es herrschte ein Halbdunkel darin, da man vor die brennenden Kerzen eines Armleuchters einen grünen Lichtschirm gestellt hatte. In dem von breiten, weißen Spitzen gardinen umschlossenen Belt lag, in ein duftiges Nachtgewand gehüllt, die Gräfin, daS Gesicht der Wand zugekehrt. Das zur Dienstleistung bei ihr befohlene Mädchen saß auf dem Betlrand. ES hatte einen Kübel mit Eiswasser auf einen Stuhl gestellt und bemühte sich, das Handgelenk der Kranken mit kalten Kompressen zu umwickeln. Ohne den auf ihn zukommcnden Gemahl der Gräfin — einen auffallend hübschen Mann von un gefähr vierunddreißig Jahren — zu beachten, begab sich Walther sogleicb zu dem Bett hinüber. DaS Mädchen trat auf seinen Wink zurück und überließ ihm den Arm der Gräfin, es brachte auch auf seine Weisung den Armleuchter herbei und stellte ihn auf das Tischchen am Bett. Mit vorsichtiger, doch rascher Bewegung entfernte Walther die unförmlichen Bandagen vom Handgelenk der Gräfin. Er beugte sich nahe darauf hin, um die Wunde genau zu untersuchen. ES war ein tiefer Schnitt, der, augenscheinlich mit einem haarscharfen Gegenstand ausgeführt, sich rund um die Handwurzel herumzog. Auf den ersten Blick sah er, daß eine solche Wunde nicht von einer zufälligen Verletzung durch einen Glas scherben hcrrühren konnte. Auch bemerkte er sogleich, daß die Verwundung nicht ungefährlicher Art war. Die große Pulsader war verletzt und eine Verblutung lag nahe. Walthers Gesicht hatte unwillkürlich einen ernste ren Ausdruck angenommen. Der Graf, der kein Auge von ihm gelassen, entfärbte sich, als er die Besorgniß auf seinem Antlitz las. Er trat näher heran und fragte halblaut und angsterfüllt in französischer Sprache: „Mein Herr, Ihre Miene macht mir Sorge! Ist die Verwundung so ernster Art?" „Ja, mein Herr," gab Walther ebenso leise zu rück, „doch hoffe ich, daß die drohende Gefahr noch abgewendet werden kann." Der Ausruf: „Der Himmel mache Ihre Worte wahr!" rang sich von des Grafen Lippen. Ohne sich einen Augenblick zu besinnen, hatte Walther seine Instrumente und das Verbandzeug zur Hand genommen. Er war emsig bei seinem Rettungs werk beschäftigt, als plötzlich die Gräfin, vom Klange der fremden Stimme aufgeschreckt, aus ihrer Lethargie erwachte. Ein Zittern überflog ihren Körper, lang sam wandte sie ihr Gesicht nach Walther hin. Dieser hielt noch immer ihren Arm in seinen Händen. Als er sein Auge aufschlug, um dem Blick der jungen, bleichen Frau zu begegnen, bebten unwillkürlich seine Finger. Glaubte er doch nie ein schöneres Antlitz gesehen zu haben, als das, was jetzt mit so müden Augen zu ihm aufsah. Von einer Fülle aschblonden Haares umrahmt, das wie mattes Silber glänzte, zeigte sich ihm ein Gesicht, daS die Hilflosigkeit eines Kinde« in seinen Zügen ausprägte. Die Gräfin konnte kaum neun zehn Jahre zählen. Eine auffallende Blässe bedeckte ihre Wangen, wodurch die großen, dunklen, fragenden Augen noch an Ausdruck gewonnen zu haben schiene». Ein namenloses Weh sprach aus ihnen. Der halb geöffnete Kindermund, in dem zwei Reihen schnee weißer Perlenzähne glänzten, war wie im Schmerz verzerrt. Ein halb angstvoller, halb hilfesuchender Blick fiel auf Walther, als sie in ihm den herbei gerufenen Arzt erkannte. Eine flüchtige Röthe huschte über ihr Gesicht und ließ ihre bestrickenden Züge einen Augenblick in voller Lebensfrische erglühen. Fast verwirrt von dem Eindruck der berauschenden Schönheit der Gräfin, beugte sich Walther etwa» näber nach der Kranken hin und fragte mit leiser, vor Erregung vibrirender Stimme: „Wie ist Ihnen, Madame, leiden Sie sehr?" Die Angeredete ließ auf eine Antwort warten. Endlich bewegten sich ihre Lippen. „Lassen Sie mich sterben," flüsterte sie leise, fast flehend. Bon dem verzweiflungsvollen Ausdruck dieser Worte auf« höchste überrascht, gerieth Walther bei nahe in Verlegenheit, eine Erwiderung darauf zu finden. Doch schnell sagte er: „Da- wäre wohl zu früh, Frau Gräfin — viel zu früh! Wer würde wohl in Ihrem Alter ernstlich an'« Sterben denken?" Er hatte versucht, einen leichten, scherzenden Ton an zuschlagen, doch machte ihn der starre Ernst, der auf dem Gesicht der Gräfin lag, schnell verstummen. (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Wenn ein Gewitter heraufzieht, so zieht in die Gemüther von vielen Tausenden auch sogleich die Furcht ein. Man schließt ängstlich die Fenster und zittert und bebt dann bei jedem neuen Donnerschlag. Aber nichts ist thörichter als die Ge witterfurcht. Wir schweben tagtäglich in größeren Ge fahren, als eS die sind, die un« vom Gewitter drohen. Da jetzt gerade die Gewitterzeit ist, wollen wir hier ein paar Worte mittheilen, die Or. Zimmermann über die thörichte Gewitterfurcht in seinem Werke „Natur kraft und Naturgesetze" schreibt. Vielleicht hilftS bei Manchem. Der bedeutende Gelehrte sagt da: „Die Gewitterfurcht ist eine thörichte, wenn sie auch, wenig stens bei sehr zartnervigen Personen, sehr zu ent schuldigen ist, da der betäubende Schlag, der einem nahe niederfahrenden Blitze folgt, auch ganz kräftige Personen erschüttern mag. Daß der Blitz tödten könne, ist allerdings wahr; aber die« hat er mit jedem fallenden Dachziegel oder Blumentopf gemein. Sollte man sich nun fürchten, in einer Stadt zu wohnen, in welcher eS Blumentöpfe und Dachziegel giebt? Dann dürfte man überhaupt nicht auSgehen; denn man kann von einem Wagen gerädert, von einem bösen Pferde todtgeschlagen, von einem tollen Hunde gebissen werden. Man dürfte aber auch nicht zu Hause bleiben, denn die Stubendecke oder das ganze HauS könnte einstürzen. Daß der Blitz Häuser an zündet, ist allerdings wahr; aber da« hat er mit jedem Talglicht und mit jeder glimmenden Kohle gemein, und die bei Weitem wenigsten Feuersbrünste entstehen durch den Blitz. Wäre eS möglich, unsere tagtägliche Feuersgefahr durch Donner zu verkünden, eS würde gar nicht aufhören zu donnern, wir würden vom Geräusch taub werden, denn es reichen sich das Holz holen durch Mägde mit Licht vom Boden und Speicher, das Tabak- und Cigarrenrauchen der Herren und Bedienten, das nächtliche Putzordnen der Kammer jungfern, das im Bette-Lesen ihrer Herrschaft rc. in steter Abwechslung unaufhörlich die Hände. Und nun erst, wie thöricht ist die Gewitterfurcht, wenn man an die Krankheiten denkt! Wir wollen nicht von Epi demien sprechen, nicht von der Cholera, sondern von Nerven-, gastrischen und anderen Fiebern, von Lungen entzündungen, Ruhr u. s. w. Es sterben in Berlin an diesen verschiedenen Krankheiten durchschnittlich in der Woche 250 Menschen, in löOOmal so viel Zeit, d. h. in 30 Jahren, ist in Berlin nur ein einziger Mensch vom Blitz erschlagen worden! Ist eS da nicht höchst lächerlich, sich vor dem Tode durch den Blitz zu fürchten? DaS Verhältniß ist wie 375,000 zu 1". — Von einem furchtbaren Geschick wurde eine junge Frau in Berlin wenige Tage nach ihrer Hochzeit ereilt. Am Hochzeitstage hatte sie auf dem Wege zum Brautwagen beim Hinabsteigen der Treppe auf einen dort liegenden Nagel getreten, der durch die dünnen Seidenschuhe drang und den linken Fuß verletzte. Die Verwundung war zunächst eine so un bedeutende, daß die Dame sich nach Entfernung de« Nagels an der Seite de« Bräutigams zu ihrem Wagen begab. Unmittelbar nach der Trauung jedoch stellten sich heftige Schmerzen ein, die sich im Ver laufe der Tafel derartig steigerten, daß die junge Frau nur mit Mühe bis zu deren Aufhebung im Saale verblieb. Dann aber eilte sie in das neue Heim, wohin schleunigst ein Arzt gerufen wurde. Obwohl dieser das Uebel sofort als eine folgenschwere Blut vergiftung erkannte und dementsprechende Anordnungen traf, erwies sich seine Kunst als ohnmächtig, der Krankheit Einhalt zu thun. Diese machte vielmehr derartige Fortschritte, daß eine Amputation des Fußes als letztes und einziges Mittel erkannt wurde, das Leben der Frau zu erhalten. Kürzlich ist sie vollzogen worden. — Der größte Ochse Europas ist gegen wärtig in Mühldorf in Bayern zu schauen. Von einem Augenzeugen wird über das einem Elephanten gleichende Thier geschrieben: Der Bierbrauer Loibl in Mühldorf kaufte in Kitzbichl (Tirol) einen 5 Jahre alten schön gebauten Ochsen (Pinzgauer Schlag, licht- roth gefleckt) um den Preis von 1000 Gulden (ca. 1700 M.). Dieser Ochse hat ein Gewicht von 32'/, Centner; seine Höhe ist 2 m 8 cm, die Länge vom Kopfe bis zur Schweifwurzel beträgt 3 in 00 cm, die Rückenbreite von einem Knochen zum andern l m, dessen Körperumfang 3 m 20 em. Der vormalige Besitzer in Kitzbichl setzte öffentlich eine Summe von 1000 Gulden Demjenigen au«, der im Stande ist, ein Exemplar von gleicher Schwere vorzuzeigcn. Es meldete sich aber Niemand. Bierbrauer Loibl ließ einen Theil seine« HofraumeS einplanken, wo der gehörnte Tiroler Riese gegen 20 Pfennig Eintritt beobachtet werden kann. Der Ochse wird Heuer zum Oktoberfest nach München spazieren, um sich in der Ochsenbraterei zu „produziren". — Origineller Schmuggel. An der belgisch französischen Grenze ist die Zollbehörde einem ebenso neuen wie sinnreichen Schmugglerkniff auf die Spur gekommen. Brieftauben werden in langen flachen Körben befördert. Ein französischer Zollbeamter war so neugierig, in einen dieser belgischen Körbe hinein zuschauen, und bemerkte, daß mehrere Tauben auf überraschend gleichmäßige Weise sprangen und hüpften. Da diese Erscheinung seinen Verdacht erregte, so öffnete er den Korb. Sofort flogen einige Brieftauben heraus, aber die anderen blieben sitzen: eS waren auSgestopfte, an Sprungfedern befestigte, sich hin und her bewegende Tauben. Diese Brieftauben wurden geöffnet und bargen bedeutende Mengen kostbarer Brüsseler und Mechelner Spitzen, die hohem Einfuhr zoll unterliegen. Die Sendung wurde beschlagnahmt und eine schärfere Beaufsichtigung der Brieftauben angeordnet. — Lehmann'S Brautwerbung. Herr Leh mann war seit längerer Zeit in die Tochter eine» Einnehmers in Britz bei Berlin sterblich verliebt; aber erst im Rosenmond erschlaffen sich die Herzen, die junge Dame sprach daS entscheidende „Ja," und fröhlich und guter Dinge ging der Freier daran, die Einwilligung des Vaters seiner Schönen einzuholen. Er zeigte sich hierbei als ein echter Deutscher, al» ein stolzer trinkfester Mann, denn er machte sich zu dem Schwiegervater in spe auf den Weg, indem er ein Fäßlein süffigen Bieres mit sich führte, um die Verlobung zu „begießen," wie er seinen beiden Freunden gegenüber bemerkte, die er als Zeugen der Brautwerbung einlud. Man sieht, Herr Lehmann war seiner Sache gewiß, denn daß er sich einen Korb holen könne, daS fiel dem Werber nicht im Traume ein. Der Vater der Holden ließ sich auch nicht lange bitten, ob ihn der mitgebrachte Stoff so nachgiebig stimmte, ob ihn die Aussicht, das Mädel an den Mann zu bringen, freudig erbeben ließ, — er segnete den schönen Bund und die Verlobungsfeier nahm einen glänzenden Verlauf. Aber nach dem zehnten Glase erhitzten sich die Gemüther; es kam einer Bagatelle wegen zu einer stürmischen Ausein andersetzung und der Schwiegersohn prügelte den Schwiegerpapa in spe windelweich durch. Ein allge meiner Kampf entstand, bei dem die Möbel arg be schädigt wurden, schließlich wurde Herr Lehmann mit den beiden Freunden an die Luft gesetzt. Der zweite Akt des Dramas spielt demnächst in Moabit, denn der stürmische Werber ist wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung von dem erzürnten Vater seiner Angebeteten angeklagt worden. — Aus der Schule. Eine Lehrerin in der Volksschule schickt eine Liste mit der Unterschrift „N. N., Ord." an den Vater eines Kinde« und erhält das Zirkular am anderen Tage durch daS Mädchen zurück mit dem Bemerken: „Mein Vater läßt sagen, er wäre wohl sehr arm, aber ordinär doch nicht." Die Lehrerin ist über diese falsche Auffassung ver blüfft und erklärt dem Kinde: „Das soll bedeuten, ich bin Eure Klassenlehrerin, Ordinaria, sage also Deinem Herrn Vater, er hätte das falsch verstanden, ich wäre mit dem Worte gemeint. Was wirst Du bestellen?" „ Daß Sie die Ordinäre sind!" antwortete daS Kind mit aller Gemüthlichkeit. — Oberst: „Sag'mal, lieber Sohn, kannst Du mir etwas Feuer für meine Cigarre geben?" — Soldat: „Zu Befehl, Herr Oberst." (Der Soldat entzündet daS Streichhölzchen an seiner Hose.) Oberst: „Recht mein Sohn. Hm, für das Feuer danke ich schön, für die Beschädigung königlichen Eigenthurps gehst Du aber drei Tage in Arrest, Himmelhund verdammter!" Lebensweisheit. Willst du die Menschen verbessern, lobe an ihnen Die Tugenden, die sie nicht haben. Willst ihre Achtung du erringen, so lobe An ihnen ihre Geistesgaben. — Doch willst du ihr Vertrauen erzwingen. Mußt du das Lob ihrer Schwächen singen! Standrsamtliche Nachrichten von Eibenstock vom 15. bis mit 2l. Juni 1892. Geboren: 143) Dem Straßenarbeiter Karl Anton Hutschen reuter hier I T. 144: Dem Maschinensticker August Albert Lein hier 1 S. 145) Dem Lehrer und Organist Camillo Neu- merkel hier I S. 146) Dem Waldarbeiter Friedrich Albert Seltmann in Wildenthal 1 T. 149) Dem Handarbeiter Ernst Gustav Fichtner hier 1 S. Hierüber: 147) und 148) zwei unehel. Geburten. Aufgeboten: 24) Der Tapezierer Fran, Matousek hier mit der Tambourirerin Marie Friederike Bauer hier. 25) Der Zimmermann LouiS Hermann Krönert in Wildenthal mit der Wirthschaftsgehilfin Emilie Albertine Siegel hier. 26) Der Zimmermann Hermann Huster hier mit der Tambourirerin Anna Ottilie Jugelt hier. Eheschließungen: Vacat. Gestorben : 113) Des Fabrikanten Carl Gottlieb Seidel hier Sohn, Carl Hans, l I. 14 T. 114) Des Maurers Her mann Friedrich Slemmlcr hier Tochter, Helene, 23 T. 115) Des Handschuh-Dresseurs Hermann Adolf Kober hier Tochter, Frieda Martina, 1 M. 16 T. 118) Der Hausmann August Richard Dörffel hier, ein Ehemann, 40 I. 17. T. 117) Des Handarbeiters Ernst Albrecht Unger hier Sohn, Otto Emil, 4 M. 22 T. 118) Die Sparkasscncontroleurs-Ehefrau Christi ane Friederike Geher geb. Klein hier, 39 I. 3 M. 13 T. II9) Des Waldarbeiters Lari Emil Leistner hier Sohn, Curt Emil, 15 T. 126) Des Tischlers Emil Dietel hier Sohn, Louis Ernst, II. 5 M. 5 T. 121) Des Waldarbeiters Karl Her mann Siegel hier Sohn, Paul. 17 T.