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da- nicht die Meinung Derjenigen, die auf eine Ver kürzung der Dienstzeit drangen. Diese sollte entlasten; in Wirklichkeit aber belastet sie, wie man sieht, noch mehr als bisher. — Berlin. Zu Ehren des italienischen KönigSpaareS sand Dienstag Vormittag im Lust garten zu Potsdam große Parade statt, die einen glänzenden Verlauf nahm. Als die Truppen zum Parademarsche einschwenkten, setzte sich der Kaiser an die Spitze derselben und führte dann noch da- l. Garderegiment an König Humbert vorbei, ebenso da» Garde du Corp«. An der Parade nahmen gegen 15,400 Mann theil. Der Parademarsch wurde zwei mal gemacht unv fiel vorzüglich aus. Nach der Pa rade fand Frühstückstafel im Potsdamer Stadtschloß statt, wobei der Kaiser die Verlobung seiner jüngsten Schwester, der Prinzessin Margarethe, mit dem Prinzen Friedrich Carl von Hessen, Sohn des verstorbenen Landgrafen Friedrich von Hessen, proklamirte. Die Verlobung selbst ist am Montag in Homburg erfolgt. — Zur Vorgeschichte des Zarenbesuchs in Kiel geht der Berliner „Tgl. Rundschau" eine aus direkten Mittheilungen von sehr hochgestellter Seite schöpfende Meldung zu, wonach der Besuch auf das Eingreifen des Königs Christian von Dänemarck zu rückzuführen ist. Als nämlich Kaiser Alexander ge legentlich gegen König Christian die Aeußerung ge- than: er habe lange darüber nachgedacht, womit er seinem lieben Schwiegervater zu seinem goldenen Hochzeitsfeste eine besondere Freude bereiten könne, da habe König Christian in hochherziger Gesinnung und im Interesse de« Weltfriedens geantwortet: „Wenn Du mir wirklich eine besondere Freude be reiten willst, so kann ich Dir nur sagen, daß Du mir kein lieberes Geschenk Hu meiner goldenen Hoch zeit machen kannst, als wenn Du Kaiser Wilhelm Deinen Gegenbesuch in Berlin jetzt abstatten woll test!" Kaiser Alexander habe im ersten Augenblicke seine Geneigtheit, diesen Wunsch zu erfüllen, ausge sprochen, — daher die anfänglich verbreitete Nachricht, daß der Besuch in Berlin stattfinde» werde. Später habe sich der Einfluß der russischen Umgebung unter Hinweis auf die unausbleibliche Verstimmung in Frankreich wieder geltend gemacht. Der Zar habe dann schließlich, um sein dem Könige gegebene» Ver sprechen nicht ganz zurückzuziehen, den Ausweg der Begegnung in Kiel gewählt, während die russischen Franzosenschwärmer als Gegengewicht da» gleichzei tige Erscheinen des Großfürsten in Nancy durchge setzt hätten. — Wien. Fürst Bismarck und Gemahlin trafen Sonntags Abend um 10 Uhr 10 Min. hier ein. Auf dem Bahnhofe, welchen nur gegen Ein trittskarten zu betreten erlaubt war, hatten sich außer den Mitgliedern der Familien Bismarck und Hoyo« etwa 200 Reichsdeutsche zum Empfange eingefunden. Bei der Einfahrt drängten die Anwesenden an den Waggon heran, dem Fürst Bismarck nach seine.' Gemahlin unter lebhaften Hochrufen des Publikums entstieg. Zwei Damen überreichten als Gruß der deutschen Frauen Wien's BouquetS. Unter der vor dem Bahnhofe versammelten etwa 4000 bis 5000 Personen zählenden Menge waren viele Studenten- Verbindungen; Herren und Damen trugen Korn- blumenbouquetS. Als Fürst Bismarck erschien, brachen die Anwesenden in Hurrah- u. Hochrufe au«, stimmten deutsche patriotische Lieder an und umdrängten trotz de« AbwehrenS Seitens der Polizei den Wagen, welcher hin und wieder Schritt zu fahren genöthigt war. Nachdem Fürst Bismarck auf der Fahrt zum PalaiS Palffh die Taborstraße passirt hatte, zog die dort angesammelte Menge, meistens Studenten, grup penweise unter Rufen: „Hoch Schönerer! Hoch Bis marck!" und verschiedenen antisemitischen Ausrufen nach der abgesperrten Wallnerstraße, in welcher das PalaiS Palffy liegt. Auch hier wurden demonstrative Rufe ausgebracht. Als die Versammelten der energ ischen Mahnung, sich zu zerstreuen, nicht folgten, zog die Sicherheitswache blank und hieb mit flacher Klinge ein. — Die Vermählung des Grafen Herbert Bis marck mit der Gräfin HoyoS fand Dienstag in der protestantischen Kirche in der Dorotheen-Gasse, Vormittags 11'/, Uhr statt. Der Trauungsfeier wohnten die Mitglieder der Familien Bismarck, Hoyos, Palffy und zahlreiche Vertreter de« hohen Adel« bei. Auf der Rückfahrt wurde Fürst Bismarck neuerdings überall von dem zahlreich angesammelten Publikum achtungsvoll begrüßt. An dem Hochzeitsdiner im Pa laiS Palffy nahmen nur die näheren Bekannten der beiden Familien theil. — Frankreich. Die Franzosen schwelgen wie der in Russenbegeisterung. Der Zar hat ihnen ein neues Zeichen seines Wohlwollens gegeben. Bei dem am Montag Abend in Bordeaux statt gehabten Bankett der Gesellschaft zur gegenseitigen Unterstützung ehemaliger Soldaten, die in Afrika ge dient, verlas der Präsident ein Telegramm de« Kaiser« von Rußland, in welchem dieser für die ihm von der Gesellschaft übermittelten Wünsche dankt und feine Glückwünsche den Mitgliedern der Gesellschaft, den Zuaven, „den ersten Soldaten der Welt", sendet. Loeale «»d sLchfifch« Nachrichten. — Plauen i. V. Se. Maj. der König wird auf seiner Reise im Vogtland am 12. Juli Nach mittags gegen '/,6 Uhr, von Dresden kommend, in Bad Elster eintreffen, um dort zu übernachten und am nächsten Tage frühzeitig über Adorf nach Mark neukirchen zu fahren. Von da wird al-dann die Reise über Klingenthal nach Zwickau fortgesetzt werden. — AuS Auerbach, 21. Juni, wird hierüber weiter berichtet: Se. Maj. der König werden in der nächsten Zeit auf der Rückreise von Bayern einigen Orten unsere« Vogtlanve« einen Besuch abstatten, dabei auch den hiesigen amtshauptmannschaftlichen Bezirk und speziell unsere Stadt berühren. Am 13. Juli werden Se. Majestät mit der Eisenbahn über Zwota kommend in Klingenthal eintreffen, von dort aus zu Wagen über Tannenbergsthal nach Auerbach weiter reisen, dann die Heilanstalt Untergöltzsch besichtigen und von hier aus unter Passirung der neuen Göltzschthalstraße nach Lengenfeld Sich begeben. Von Lengenfeld au« wird die Weiterreise mittelst der Eisenbahn und zwar zunächst bis Zwickau bewirkt werden. — Herrn Amtshauptmann Oberregierungsrath v. Polenz in Plauen i. V. ist nachträglich noch aus seinem bisherigen Bezirke Auerbach die Verehr ung und Dankbarkeit, die man für ihn aus Anlaß seiner langjährigen und -verdienstvollen Wirksamkeit hegt, durch Ueberreichung eines Ehrengeschenkes zum Ausdruck gebracht worden. Da« Ehrengeschenk ist ein Meisterstück vaterländischer Kunst aus der Kgl. Porzellanfabrik zu Meißen und besteht in einem mit Blumen und Blumengehängen reich verzierten, stil vollen Kronleuchter nebst zwei Wandarmleuchtern im Geschmack der Rococozeit. Dasselbe wurde dem Herrn Amtshauptmann am 17. d. M. von einer Abordnung der Städte, Landgemeinden, Rittergüter und des Be zirksausschusses des Bezirks Auerbach in seiner Wohn ung überreicht. — Zwickau, 20. Juni. Bei dem hiesigen 9. Infanterie-Regiment Nr. 133 werden außer den am gestrigen und heutigen Tage zu einer bis 3. Juli d. I. dauernden Uebung beorderten 336 Reservisten am 2. Juli d. I. noch ca. 120 Ersatzreservisten und Volksschullehrer, welche die erste sechswöchige Uebung bereits abgeleistet haben, zu einer zweiten vier wöchigen Uebung eingezogen. Die Einberufung der Ersatzreservisten zur zehnwöchigen militärischen Aus bildung erfolgt in diesem Jahre am 20. August und ist dem hiesigen 9. Infanterie-Regiment ebenfalls die Ausbildung von Ersatzreservisten übertragen worden. — Hohenstein. In der Nacht zum 17. Juni haben Diebesgesellen in'S hiesige AmtSgericbtsge- bäude eingebrochen, wahrscheinlich dieselben, welche vor einigen Monaten wiederholt daS Rath- hauS Ernstthal mit ihrem Besuch bedacht haben. Die Diebe sind von Osten hergekommen, haben einige Gartenzäune überstiegen und dabei eine Letter aus einem Hofe mitgenommen, um ihren Zweck zu erreichen. Den Hof des Amtsgerichts haben sie durch ein Thor betreten, welches unschwer zu öffnen war, haben die mitgebrachte Leiter angelegt und nach Eindrücken der Fensterscheiben sind sie in das Warte zimmer des Amtsgerichts gekommen, haben mehrere Räume durchsucht und gegen 40 M. Geld gestohlen. Alles Andere haben die Diebe augenscheinlich ver schmäht. Größere Geldbeträge lagen in sicherem Verwahr. Wahrscheinlich hat sich einer der Diebe beim Eindrücken der Fensterscheibe verletzt, denn es wurden Blutflecken wahrgenommen, die nur von den Dieben herrühren können. Von denselben hat man leider keine Spur, nicht einmal eine Ahnung, zu welcher Nachtstunde der Einbruch ausgeführt worden sein könnte. — Kirchberg, 20. Juni. Die hiesige Tuch macherinnung beging am gestrigen Tage die Feier ihres 300jährigen Jubiläums in festlicher Weise. — Wilkau bei Zwickau, 19. Juni. In ver gangener Nacht wurden die Bewohner unseres Ortes schon wieder durch Feuerlärm erschreckt, was nun mehr in kürzester Zeit zum dritten Male der Fall war. E« brannte in der Chokoladenfabrik von Wendel, wo schon vor einigen Wochen Brandstiftung versucht, aber das Feuer im Entstehen gelöscht wurde. Man geht wohl kaum fehl, wenn man alle die letzten Brände derselben ruchlosen Hand zuschreibt. ES geht übrigens die Nachricht um, daß man beim vor- letzten Feuer kurz vor dem Sichtbarwerden einen Mann gesehen hat, der wohl das Feuer angelegt hat. Die Aufregung im Orte ist begreiflicherweise sehr groß. Aus vergangener Zeil — für unsere Zeit. In diesem Columbus Jahre ziemt es sich, wie wir des Todestages des großen Entdeckers gedacht haben, auch seines Geburtstages zu erinnern. Jndeß ist solches mit Schwierig keiten verknüpft, da weder über den Tag, noch das Jahr der Geburt zuverlässige Angaben vorliegen. Als Geburtsjahre werden angegeben 1438, 1446 und 1466: das Richtigste scheint 1436 zu sein. Als Tag der Geburt findet sich in neuesten Werken der 23. Juni, ohne daß jedoch zu ersehen ist, auf welche Forschungen sich diese Angabe stützt. So theilt denn Columbus mit vielen anderen wahrhaft großen Männern das Schicksal, daß die Nachwelt über seine Geburt und Jugendleben wenig oder gar nicht unterrichtet ist. 24. Juni. Wen der Herr verderben will, den schlägt er mit Blind heit. Es zeigt sich immer wieder in der Weltgeschichte dasselbe, daß in dem Augenblicke, wo das Glück und der Hochmuth eines Mannes den höchsten Grad erreicht haben, das rapide Bergab schon sichtbar ist, nur von dem Manne selbst nicht gesehen wird. Am 24. Juni ISI2 war die Armee Napoleon l. über den Niemen aus russisches Gebiet übergesetzt, und am selben Tage erließ Napoleon eine Proklamation, in der es hieß i Rußland hat seinen zu Tilsit geschworenen Eid gebrochen, es wird vom Schicksal sortgerissen und muß sein Geschick erfüllen. Das sagte der Mann, auf dem diese Worte Punkt für Punkt paßten, er selbst blind und taub gegen alle Anzeichen seines eigenen Verderbens. Ironie in der Weltgeschichte. L.o u i s o n. Erzählung von Bruno Aöhler. (I. Fortsetzung., Man habe sogleich die Bermuthung gehegt, daß mit dem heute Abend angekommenen jungen Paare nicht alle« in Ordnung sei. Der Herr Graf sei auffallend verstimmt gewesen, daß er dem dringend ausgesprochenen Wunsch seiner Gemahlin keine Weiger ung entgegensetzen konnte und mit ihr den Dampfer verlassen mußte. Es sei ja auch leicht erklärlich, weshalb er durch aus noch in derselben Nacht nach Mainz gewollt. Er sei ein Franzose, und die drohend am poli tischen Himmel hcraufziehenden Kriegswolken müßten ihn veranlassen, so bald als möglich in sein Vater land zurückzukehren. Vielleicht war er auch Soldat, und es konnte an ihn schon die Weisung gelangt sein, sich zu seinem Truppentheil zu begeben. Sein Nichtkommen konnte deshalb die schlimmsten Folgen für ihn haben. Die schöne Gemahlin des Fremden sei offenbar eine Deutsche — falls sie nicht aus dem Elsaß stamme. Sie spräche ein reines und fließende« Deutsch, ohne fremden Accent. Augenscheinlich sei sie mit dem Grafen erst ganz kurze Zeit vermählt. Es mache auch den Eindruck, als ob sie sich in ihrer jungen Ehe durch aus nicht glücklich fühle, ja man habe auch deutlich gesehen, daß sie eine sichtliche Abneigung gegen ibren Gemahl zur Schau getragen. Aus ihren Mienen sprächen großer Kummer und tiefer seelischer Schmerz. In ihrem ganzen Gebühren zeige sich Abspannung und Niedergeschlagenheit. Die Gräfin habe bei ihrer Ankunft ein eigenes Gemach verlangt. Das von ihr zur Aufwartung be fohlene Mädchen habe deutlich gesehen, daß sie den Nachtriegel der Thür, die zu dem Zimmer ihres Gemahl führte, vorgeschoben habe. Die Herrschaften hätten dann gemeinsam zu Nacht gespeist, das heißt, der Graf gab den Befehl, daß das Abend-Essen in dem Gemach seiner Frau servirt werden sollte. An gerührt halte man die Speisen kaum. In Gegenwart des Mädchen«, das auf Wunsch der Gräfin beständig in deren Nähe blieb, habe der Graf mit seiner Gemahlin nur französisch gesprochen. Er sei sehr aufmerksam und liebevoll gegen sie ge wesen, sie habe ihm aber nur kalte, förmliche Ant worten gegeben. Das Mädchen hätte auch gesehen, daß sie jeder Berührung ihres Gatten ausgewichen sei. Man habe sich früher zur Ruhe begeben. Doch sei der Graf spät in der Nacht den Korridor entlang gekommen, und habe leise an die Thür der Gräfin gepocht, worauf das Mädchen ihn einließ. Er wollte sich nochmals nach dem Befinden seiner Gemahlin erkundigen. Diese habe bereits fest geschlafen. Das Mädchen hätte nun von dem Grafen den Auftrag erhalten, ihm ein Glas frisches Wasser zu holen; doch schon auf der Treppe habe eS seinen Namen von der Gräfin rufen hören, die unmittelbar nach Schließ ung der Thür erwacht sein mußte. Zugleich seien halb unterdrückte Zornes-AuSbrüche des Grafen laut geworden. In aller Eile sei das Mädchen darauf wieder zur Gräfin zurückgekehrt. Als daS Mädchen in das Zimmer trat, habe sich ein eigenthümliches Bild gezeigt. Erschrocken und verwirrt hätte der Graf am Bette seiner Gemahlin gestanden, deren rechte Hand fest umschlossen ballend. ES sei dem Mädchen vorgekommen, al« wenn er ihr einen blinkenden Gegenstand aus den fest geschloffenen Fingern gerissen hätte, den er dann schnell zu sich gesteckt. Von der Hand der Gräfin floß ein breiter Blutstrom zur Erde. Ganz außer sich vor Besorgniß habe der Graf dem Mädchen befohlen, sogleich einen Arzt herbeizuschaffen. Seine Gemahlin habe ein GlaS Wasser trinken wollen, eS zur Erde fallen lassen und sich dann beim Aufbeben der Scherben arg ver letzt. Ein zerbrochene« GlaS soll aber gar nicht aus dem Boden gelegen haben, erzählte da« Mädchen, in dessen gab e« gleich zu, daß e« sich auch wohl geirrt Haden könnte. Die dumme Grete sei ja von dem Vorfall so perplex gewesen, daß sie zum Hause hinauSgerannt sei, um die Polizei herbeizuholen. Bei Beendigung diese« in athemloser Rede hervor gebrachten Berichtes waren die beiden Männer vor dem Hotel „Zum Englischen Hof" angelangt. In dem Hausflur stand der Oberkellner, der die Rückkehr de« Portier« schon mit großer Ungeduld er wartete. Beim Anblick de« mit diesem in die Thür tretenden jungen Manne» schien er sehr verwundert dreinschauen zu wollen. Kannte er doch den jungen Doktor Walther v. Reding sehr gut und wußte er doch auch, daß dieser nicht Arzt, sondern ein nam hafter Naturforscher und Reisender war. Der Eintretende ließ sich indessen durch den eigenthümlichen Empfang feiten« de« Kellner« nicht