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Hagesgeschichle. — Deutschland. Die neuerdings austauchen den Gerüchte von einer nahe bevorstehenden Aus söhnung des Kaiser- mit dem Fürsten Bis marck sind, wie die sonst gut unterrichteten „B. N. N." schreiben, insoferne nicht ohne jede thatsächliche Unterlage, al« sie Niederschläge ernster Erörterungen und Anstrengungen gewisser einflußreicher Kreise bilden. ES fehlt seit Jahresfrist weder hüben noch drüben an unausgesetzten Bemühungen in dieser Hinsicht. Persönlichkeiten, die beim Kaiser Ansehen genießen, wie Freunde de» BiSmarck'schen Hauses haben eS sich wiederholt angelegen sein lassen, die seit den Märztagen des Jahres 1890 völlig zerrisse nen Fäden zwischen dem Kaiser und dem früheren Reichskanzler neuerdings anzuknüpfen. Diese Ver suche fanden beim Kaiser ein bereitwilligeres Gehör, als man im Allgemeinen annahm. Dagegen wurden sie in FriedrichSruh bi« vor Kurzem schroff zurück gewiesen. Seit der Verlobung des Grafen Herbert Bismarck ist darin eine kleine Wandlung eingetreten. Die dem Kaiser zugegangene Anzeige diese« Familien- rreignisscS ist ganz selbstverständlich nicht ohne die vorgängige Zustimmung des Fürsten Bismarck erfolgt. ES war die« ein kleiner, aber nach der früheren schroffen Haltung de« FriedrichSruher Schloßherrn immerhin bemerkenSwerther Schritt des Entgegen kommens. Aber dabei ist e« auch bisher geblieben. Nichts ist seitdem geschehen oder beschlossen, was darauf schließen ließe, daß eine persönliche Begeg nung des Kaisers mit dem Reichskanzler nahe bevor stehe. Man darf nicht übersehen, daß nach Allem, was seit dem 18. März 1890 vorgegangen ist, für beide Theile der erste entscheidende Schritt überaus schwer sein würde. Der Kaiser kann sich, um ihn von der anderen Seite zu beanspruchen, auf seine Stellung und seine Nachsicht gegenüber allen Her ausforderungen berufen. Fürst Bismark darf seine unvergleichlichen Verdienste nnd Erfolge, die nicht zum Wenigsten dem Hohenzollernhause selbst zu Gute gekommen sind, für sich geltend machen. Dem jungen Kaiser würde es schön anstehen, allen Groll und Hader vergessend, dem verdienstvollen Staats mann die Hand zur Versöhnung zu reichen, sobald er die Ueberzcugung erlangt hätte, daß sie gern und freudig ergriffen würde. Aber daran ist wohl vor läufig nicht zu denken. Noch weniger scheint Fürst Bismarck geneigt zu sein, den ersten Schritt zur Ver söhnung zu thun. Daher halten wir die erwähnten Gerüchte für verfrüht. — Endlich hat am Dienstag in Kiel die Zu sammenkunft zwischen den Kaisern von Deutsch land und Rußland stattgefunden. In Kiel haben sich die beiden Herrscher getroffen, um einige Stunden mit einander zu verplaudern und dann das übliche Galadiner zu verspeisen. ES liegt auf der Hand, daß in einer so kurz bemessenen Frist nicht große Entwürfe ersonnen und schwerwiegende Abmachungen getroffen werden konnten. Darüber zu spintisiren, was denn nun eigentlich losgewesen, können wir Anderen überlassen, Mittheilungen an Zeitungs reporter wird keiner der beiden Herrscher machen. Hoffentlich wird das Zusammentreffen in Kiel von segensreicheren Folgen für unser Vaterland begleitet sein, als der letzte Besuch Kaiser Wilhelms in Narwa und Peterhof, mit dem die gänzliche Erkaltung unse rer Beziehungen zu Rußland ihren beklagenSwerthen Anfang nahmen. Wer etwa ja zu viel Hoffnungen hegt, auf dessen Nerven wird eS beruhigend wirken, daß gleichzeitig Großfürst Constantin von Rußland den Präsidenten Carnot in Nancy begrüßte und der Gegenstand gewagter Ovationen wurde. — Oesterreich. Prag. Im Mariaschacht des Silberbergwerkes bei Przibram, dem wichtigsten und größten des ganzen Bezirks, ist in der Nacht zum Mittwoch vor. Woche ein Brand ausgebrochen, der zahlreiche Opfer gefordert hat. Diegesammte Belegschaft des Schachtes beläuft sich auf über 800 Bergleute, von denen 332 dabei das Leben eingebüßt haben. Man glaubt zu der Annahme berechtigt zu sein, daß das Feuer angelegt worden ist. DaS Unglück wurde durch einen geradezu geringfügigen Brand, der im 29. Lauf des Maria-SchachteS zur Zeit der MittagS- schicht entstand, verursacht. Der Brand konnte sich der Länge nach in die Gänge nicht auSbreiten, denn in diesen befindet sich kein Holzgerüst. Die Strecken sind entweder frei abgebaut oder gewölbt. Nur in dem Schachte selbst und in den angrenzenden Füllorten befinden sich Holzgerüste u. Pfosten u. gerade der Füll ort des 29. Horizonts ist der holzreichste. Hier war auch unter dem Holzboden ein Kellerraum, der gleichfalls aus gezimmertem Holze gebaut war. Solche holzreichen Räume giebt eS in den Przibramer Schächten nur sehr wenige. Nicht minder auffallend ist eS, daß das Feuer zur Zeit de« Schichtwechsel« entstanden ist, daß eine ganze Menge von Bergleuten ein- u. ausgefahren ist, ohne irgend eine FeuerSgefahr signalisirt zu haben. End lich ist von großem Belang, daß da« Feuer so rasch um sich gegriffen hat. Aehnliche Brände sind im Przibramer Bergwerk bereit« öfter vorgekommen, allein noch nie hat sich da- Feuer mit so rasender Schnelligkeit ver breitet, wie diesmal. E» scheint, daß da« Holz mit Petroleum getränkt war. Nicht minder auffallend ist der Umstand, daß da» Feuer gerade im 29. Ho rizont entstand, wo Niemand arbeitet, da dieser Ho rizont ein Reservelauf ist. Alle diese Umstände be rechtigen immer mehr zu der Annahme, daß da« Feuer von ruchloser Hand angelegt worden sei. — Frankreich. In Paris macht sich die in jedem Sommer eintretende Wasserneth diesmal noch härter al« gewöhnlich fühlbar. Ganze Stadtviertel haben kein andere« Trinkwasser al« die scheußliche, übelriechende Flüssigkeit, die die Seine liefert und die sich nicht einmal al« Waschwasser ohne Uebel- stände benutzen läßt. Obendrein werden die Straßen sehr spärlich begossen. Die Blätter sind mit Vor würfen gegen die Wassergesellschaften gefüllt, sie be klagen sich nicht minder bitter über die Nachlässigkeit der Stadtverwaltung. Diese entschuldigt sich damit, daß sie durch die Hitze überrascht worden sei; im verflossenen Winter war sie durch den Schneefall „überrascht" worden. Locale und fSchfische Nachrichten. — Eibenstock, 8. Juni. DaS langersehnte herrliche Pfingstfest mit seinem Maienschmnck und Reiseverkehr, e« hat in diesem Jahre nicht gehalten, wa« er vorher versprach. Statt sonniger warmer Tage brachte e« Regen und Kälte, so daß der Auf enthalt im Freien sehr erschwert war. Der Vor mittag des ersten Festtages zeigte noch Halbwegs ein freundliches Gesicht, dann bedeckte sich der Himmel und spendete zum öfter« den unerwünschten Regen. Am zweiten Feiertage regnete eS fast den ganzen Tag und am dritten war eS nicht viel besser, so daß mancher Pfingstreisende mit saurer Miene seine Rück reise angetreten hat. Trösten wir uns, daß e« hier nicht allein so war. — Dresden. Am 30. vorigen Monats und folgende Tage hat eine abermalige AuSloosung König lich Sächsischer Staatspapiere stattgefunden, von melcher die auf 3'/?"/„ herabgesetzten, vormals 4"/„ Staats schulden - Kassenscheine von den Jahren 1852/05/58/59/62/66 und /68, 3'/r"/<> dergleichen vom Jahre 1867, auf 3'/,"/„ herabgesetzten, vormals 4"/» dergleichen vom Jahre 1869, die durch Abstempelung in Z'//^ und 4"/„ Staatspapiere umgewandelten Löbau-Zittauer Eisenbahnaktien I-it. -L und Ö, ingleichen die den l. Dezember 1892 und beziehent lich den 2. Januar 1893 zurückzuzahlenden, auf den Staat übernommenen 3'/,"/„ Partialobligationen von den Jahren 1839/41 und 4"/„ dergleichen vom Jahre 1866 der Leipzig- Dresdener Eisenbahn-Compagnie betroffen worden sind. Die Inhaber der genannten StaatSpapiere werden hierauf noch besonder« mit dem Hinzufügen aufmerksam gemacht, daß die Listen der gezogenen Nummern in der Leipziger Zeitung, dem Dresdner Journal und dem Dresdner Anzeiger veröffentlicht, auch bei sämmtlichen Bezirkssteuer-Ein nahmen und Gemeindevorständen des Lande« zu Jedermann« Einsicht auSgelegt werden. — Leipzig. Am Sonnabend früh hat sich in seiner Dienstwohnung, welche sich in der Kaserne be findet, der Hauptmann v. Bülow vom 107. Regiment erschossen. Die Motive sind wahrscheinlich pekuniärer Natur. Herr v. Bülow war auch schriftstellerisch unter dem Pseudonym Arthur von Degen thätig. — Leipzig. Auf eine vielhundertjährige Geschichte kann die Leipziger Bäckerinnung zurückblicken. Eines der denkwürdigsten Ereignisse für die Innung war es, als der große Schwedenkönig Gustav Adolf für die bedeutenden Dienste, die seinem Heere die Leipziger Bäcker geleistet hatten, der Innung eine kostbare Fahne schenkte. Im Laufe der Jahr hunderte war dieses historische Erbstück so schleckt ge worden, daß im Jahre 1842 ein Nachkomme Gustav Adolfs auf dem schwedischen Throne der Innung eine neue kostbare Fahne schenkte. Jetzt vollenden sich abermals 50 Jahre, seitdem die neue Spende erfolgte und eS gedenkt die Leipziger Bäckerinnung das Ge- dächtniß dieses Mark- und Gedenksteines in ihrer Entwickelung im Herbste dieses Jahres zu feiern, um die Erinnerung an das denkwürdige Ereigniß auch den Heranwachsenden Generationen zu vermitteln. — Schneeberg. In der Nacht vom Donners tag zum Freitag voriger Woche kam in hiesiger Stadt bereits wieder ein Schadenfeuer vor. In einem feuergefährlichen Stadttheile, dem sogenannten An hänge, stand kurz nach Mitternacht da» Hau« de« Oekonomen Baumann nebst Scheune und Stall in Hellen Flammen. Die Gebäude wurden vollständig zerstört; die Bewohner, 3 Familien, konnten sich nur mit Mühe und Noth retten und haben sehr viel ihrer Habe verloren. Unter der Einwohnerschaft der Stadt herrscht wegen der vielen Brände, die jeden falls auf ruchlose Hand zurückzuführen find, große Aufregung. — Zufolge Kaiser!. Verordnung vom 28. März 1892 treten die aus die Sonntagsruhe bezügl. Paragraphen der Gewerbeordnung für die Handels gewerbe (nicht auch für die Fabriken, Werkstätten u. s. w.) am I. Juli 1892 in Kraft. Al« „Handels gewerbe" gilt nicht nur der Groß- und Kleinhandel, einschließlich de« Hausirgewerbe», sondern u. A. auch der Geld- und Kredithandel, die Leihanstalten, der Zeitung-Verlag, die sogen. Hilfsgewerbe de« Handels u. s. w., z. B. da» Kommissionsgeschäft und die Handelslager. Auch die Thätigkeit de« in Contoren der Fabriken, Werkstätten u. s. w. besckäftigten Per sonal« fällt darunter. — Die Beschränkungen des GeschäfiSbetriebS für die Handelsgewerbe gelten nach 8 !05.s. der Gewerbeordnung für alle Sonntage und für folgende nicht auf den Sonntag fallende Festtage: Christfest, Neujahrsfest, Erscheinung-fest, Charfreitag, Christi Himmelfahrt. — Alpen-Sonderzüge. Unseren Lesern können wir schon jetzt mittheilen, daß die sächsische Staatsbahnverwaltung im Vereine mit den bayeri schen Staatsbahnen auch in diesem Jahre Sonder züge mit ermäßigten Fahrpreisen nach München und in die Alpen abgehen lassen wird. Als AbgangStage für die Sonderzüge sind festgesetzt der 16. Juli und der 13. August d. I. Die Sonderzüge werden an den genannten Tagen, etwa 1 Uhr Nachmittag vom Böhmischen Bahnhofe in Dresden, 2*/, Uhr Nachm. vom Bayerischen Bahnhofe in Leipzig und 3'/, Uhr Nachm. von Chemnitz abgehen und am darauffolgen den Morgen gegen 6 Uhr in München eintreffen. Bon München aus finden die Sonderzüge Fortsetz ung nack Lindau, sowie nach Kufstein beztl. Salzburg, Die Fahrpreise ebenso die sonstigen Bestimmungen werden in einem, in den nächsten Tagen erscheinen den Programm von der sächsischen StaalSbahn- verwaltung bekannt gegeben. Dasselbe ist unentgelt lich von den Stationen der sächsischen Staatsbahnen, ferner von den Ausgabestellen für zusammenstellbare Fahrscheinhefte in Leipzig (Dresdner Bahnhof) und in Dresden-A. (Wienerstraße 7) zu beziehen. Von auswärts kommenden brieflichen Bestellungen ist 3 Pfg. Porto in Marke beizufügen. Ans vergangener Zeit — für nufere Jett. Am 9. Juni 1884 fand die feierliche Grundsteinlegung zu dem neuen Reichstagsgebäude statt. Kaiser Wilhelm I. selbst that den ersten Hammerschlag und ihm folgten der Kron prinz, unser unvergeßlicher Kaiser Friedrich, und nach diesem dessen Sohn, unser jetziger Kaiser Wilhelm. Nun wird bereits 8 Jahre an dem Riesenbau gearbeitet und seine Vollendung dürste baldigst erfolgen. Daß das Gebäude ein dem deutschen Reichstage würdiges wird, dürste Jedem einleuchten, der dasselbe in seinem Werdeprozeh gesehen hat. Es ist ein gewaltiges, imposantes Bauwert, das der Residenz zur Zierde gereichen wird. 1V. Juni. Am 10. Juni 1836 starb auf einer Reise zu Marseille der berühmte Mathematiker und Physiker A. M. Ampere, dessen Name in der Wissenschaft einen hohen Rang cinnimmt, dessen Entdeckungen epochemachend waren und geblieben sind. Durch seine Entdeckung der Wirkung des elektrischen Stromes aus einen beweglichen Stromleiter wurde er der Begründer der Elektrodynamik, wie seiner seine mustergiltige Untersuchung den Nachweis des inneren Zusammenhangs des magnetischen Zustandes mit dem elektrischen erbrachte. Für die theoretische Chemie von Wichtigkeit ist seine Unterscheidung zwischen Mo lekülen und Atomen. Der Neffelverehrer. Humoristische Novellette von H. Stöckl. (8. Fortsetzung.) Er blickte nachdenklich auf den Rhein zu seinen Füßen und sah eine Gruppe von mehreren Herren und zwei Damen in bunten Sommergewändern, die gerade im Begriff waren, sich in ein Boot ein zuschiffen. „Bei Gott, da sind sie!" Hastig eilte Lederstrumpf an das Rheinufer hin ab, aber nur, um das Boot hinter dem Gebüsch de« nahen Wörth verschwinden zu sehen. Er winkte einen Schiffer zu sich heran und fragte: „Wollt Ihr mich fahren?" „Wo denn hin?" „Dem Boot nach, da» eben hier abstieß. Ich möchte eS im Auge behalten, aber ohne von dort aus bemerkt zu werden." Der Alte schmunzelte. „Das wird so schwer nicht sein," entgegnete er. „Wir bleiben ein wenig zurück und halten uns so viel wie möglich links, da die anderen sicher auf der bequemeren rechten Seite bleiben werden. Weiter als bis nach Kaub fahren Sie gewiß nicht, dazu ist da» Boot zu schwer beladen. Lederstrumpf stieg ein, setzte sich rückwärt«, um die Möglichkeit eine« Erkennen» zu vermeiden, und nahm seinen breitkrempigen, leichtkenntlichen Strohhut ab. Schnell glitt da« Boot mit der Strömung fort. E» dauerte nicht lange, so tauchten vor ihnen die altersgrauen Mauern der Pfalz au« den Fluthen auf. Senkrecht heben sich die Wände der vielthürmigen gewaltigen Burg au« dem Rhein, nicht so viel Raum zwischen sich und dem Wasser lassend, daß eine der vielen Schwalben, die in den Bogenverzierungen de« Gemäuer« nisten, Platz fände, ihren Fuß darauf zu setzen. Nur hinter der Pfalz zieht sich ein langer, spitzer Landstreifen hin, mit Weiden bewachsen und von zahllosen Bachstelzen bewohnt, der sogenannte Pfalzschwanz, augenscheinlich aus den Niederschlägen de« rastlo« an den Mauern sich brechenden Wasser gebildet. Der Pfalz gegenüber bei Kaub landete da« Boot, dem sie gefolgt waren.