Volltext Seite (XML)
nnigge- HM, ien. ool( en htische, lidester »ve ;e deine bezogen üster. 'Novdr.' Misch, ckraut. t. Uhr an k, I». Sülze. U8. Ihr an a«. .8. Ihr an N". hr an I gut olichst r. hr ail sl. sr an mgen , un- isch-r mag nnen. ittern acht. ». I« Leilage ;u Rr. 135 des „Amts- und Aiyeiaeblattes". Cibenstolk, den 14. November 1891. Jrrthümer. Roman von Karl Ed. Klopfer. <14. Fortsetzung.) Und war cs nicht auch im Grunde genommen wirk' lieh lächerlich, was sie in diesen seltsamen Momenten beängstigte? Zeitweilig spöttelte sie selbst darüber und entschlug sich gewaltsam der wunderlichen Hirn gespinste. Aber so oft der junge Kaufherr in ihrer Gesellschaft war — und das war sehr ost — kam diese Bangigkeit stärker als je über sie. Dann hatte sic immer Kopfweh und zog sich auf ihr Zimmer zurück, wo sie ihr Käthchen an sich drückte, als könne sie in den schwachen Armen dieses Kindes Schntz finden vor den Gespenstern, die sie verfolgten. Nachgerade hatte Olga gegen Marfeld eine tiefe Abneigung gefaßt, die sie ihrem Gatten, von welchem sic wnßte, daß er dieselbe auch nicht thcilc, verheim lichte, die aber immer mehr anwnchs, je öfter sie ihn sah. ES war ihr oft, als müsse sic ihr Kind, das er stets mit vieler Liebe behandelte, von ihm weg reißen. Sie hatte eine unbestimmte Furcht vor dem Mamic und seinen dunklen Augen, mit denen er so durch dringend anzusehen wußte. Ja, diese Augen! Sic kannte sie nur zu wohl, und jedesmal, so oft sic hin- cinblickte, durchrieselte es sie mit kaltem Schauer. Auch heute war sie eine Beute dieser sonderbaren Stimmung, die sie nicht abzuwälzcn vermochte. Sie hatte den ganzen Tag über an einer Abspannung ge litten, die ihr fast jede Bewegung verleidete. Deshalb hatte sie auch nicht Theodor begleitet, der mit Käth chen zum Besuch einer bekannten Familie gegangen war, wo das Mädchen einige Gespielinnen hatte. Jetzt berente sic es, das Kind von sich gelassen zu haben. Sie fühlte das Bedürfniß, Käthchens kleine Hand in der ihren zu halten, ihre warme Wange zu streicheln, den holde», lächelnden Kindermund zn küssen. Jeden Augenblick sah sic auf die Straße, die sich schon in die ersten Dännnerschatten hüllte, aber es war vergebens — Theodor und Käthchen kamen noch immer nicht. Freilich wußte sie, daß ihre Rückkehr noch lange nicht erfolgen werde, aber sie hoffte doch, cs müsse irgend etwas die Beiden zur Nachhausekunft bewege», als ob die Sehnsucht, die sic selbst erfüllte, die Er warteten beeinflussen könnte. Jetzt vernahm sic draußen die Glocke. Vielleicht wurde ihr Wunsch erfüllt und sie kamen wirklich zurück. Sie sprang auf und wollte der Thür zueilcn, aber da vernahm Sie den Ton einer tiefen Männer stimme. Wie an den Boden angewurzelt blieb sie stehen und hielt den Athem an. Das war die bitterste Enttäuschung, die sie in diesem Moment erwarten konnte. Im nächsten Augenblick pochte cs an die Thür. Olga wollte in das nächste Zimmer stürzen, aber- plötzlich fiel ihr ein, daß man dem Besucher wohl schon gesagt haben werde, daß sie zu Hause sei. Sie konnte der Begegnung unmöglich ausweichcn. „Herein!" rief sie mit zitternder Stimme. Sormann trat mit einer tiefen Verbeugung ein. „Verzeihung, gnädige Frau, man sagte mir, daß Ihr Herr Gemahl ansgcgangcn sei. Ich wollte nicht' Weggehen, ohne Ihnen meine Aufwartung zu machen, selbst auf die Gefahr hin, sic stören zu müssen." Es kostete ihr Mühe, niit einer gewöhnlichen Redensart zu erwidern und ihm einen Fauteuil an zubieten. „Ich hörte vorgestern von Herrn Möller mit auf richtigster Betrübniß, daß Sic, gnädige Frau, durch ein Unwohlsein verhindert waren, mit Ihrem Gemahl mein Haus zu besuchen. Ich wollte mir erlauben, mich nach Ihrem Befinden zu erkundigen, das sich hoffentlich schon gebessert hat." „Danke, aber ich fühle mich in der Thal noch etwas angegriffen." Die müde Haltung, mit der sie sich ans ihren Stuhl zurücklehntc, widersprach dem nicht. Sormann betrachtete ihre Gestalt mit heißen Blicken. „Wissen Sie, gnädige Fran, daß ich schon ge fürchtet habe, ihre Unpäßlichkeit sei nur ein Vorwand, um einem lästigen Besuch ausweichen zu können?" „O — wie mißtrauisch Sie sind! Was — hätte ich für einen Grund —" Er beugte sich auf seinem Stuhl etwa« vor, als hindere ihn die Dämmerung, ihr ins Gesicht zu sehen. Olga erschrak bis in den innersten Winkel ihre- Herzen«, als sie seinem verzehrenden Blick begegnete. „Ich glaube, immer ein scharfes Auge für meine Gegner gehabt zu haben," sagte er langsam. „Und so mußte ich in der letzten Zeit bemerken, daß Sie, meine Gnädige, sich mir gegenüber auf einen ganz eigenthümlichen Standpunkt gestellt haben. Ich muß geradezu fürchten, Sie unwissentlich beleidigt zu haben —" Sie erwiderte nichts, aber eine fahle Blässe lagerte auf ihren Wangen, die seinen Nasenflügel zitterten erregt und ihre Zähne gruben sich tief in die Unter lippe. Ihr Blick haftete am Boden. „Madame," fuhr Sormann nach einer kurzen Pause fort, indem er seinen Stuhl näher heranzog, „ich bin mir allerdings keines Vergehens Ihnen gegenüber bewußt, aber es giebt Beleidigungen, die ganz unwissentlich gethan werden, Beleidigungen, die nicht in Thatcn, ja, nicht einmal in Worten liegen. Der feine weibliche Sinn erräth sie gewissermaßen aus den Gedanken des Anderen und schützt sich durch ein fortgesetztes, ablehnendes Verhalten dagegen, daß diese Gedanken — zu Worten werden." Seine Stimme klang ernst und geniessen; aus den kurzen Athemzügcn jedoch, mit denen er seine Rede wie mit Gedankenstrichen unterbrach, sprach eine mühsam verhaltene Erregung, die in jedem Augenblick loszubrechen drohte. Olga wagte nicht, aufzusehcn, ebensowenig aber, ihm ein einziges Wort zu erwidern, obwohl sie seine Sprache peinigte. 'Noch nie >var jene unbestimmte Furcht vor irgend etwas Entsetzlichem so beängstigend an sic hcrangctrcten, als in diesem Augenblicke, wo sie sich weit, weit weg wünschte und doch nicht die Kraft hatte, die peinliche Szene mit einem energischen Wort, einer entschiedenen Wendung abzubrechcu. „Wenn Sic, gnädige Frau, eine solche Beobach tung gemacht haben sollten, so bin ich aufrichtig genug, die Nichtigkeit derselben einzugestehcn. Vergeben Sie mir meine Offenherzigkeit, die wie Zudringlichkeit aussehcn könnte. Aber ich wollte Ihnen für diesen Fall nur einen Vergleich Vorschlägen." Sie hob den Blick und sah ihn einen kurzen Moment lang an. Ein banges Flehen lag in dem Strahl ihres Auges. „Ich leiste Ihnen," fuhr er fast flüsternd fort, „das ehrliche Versprechen, Sic nie mehr — mit keinem Wort und keinem Blick — an ein Gefühl zu erinnern, das Sic beleidigt. Hingegen Sie mir, die finstere, trotzige Zurückweisung aufzugeben — o, leugnen Sie nicht, ich bin meiner Sache nur zu gewiß! — Nun, können Sie diesen Pakt abschließcn, können Sic Ihr Versprechen gegen das meinige ein tauschen?" Er streckte ihr seine Hand entgegen, aber sie er griff dieselbe nicht. Ernst und stumm stand sie auf und schob ihren Stuhl zurück. „Herr Marfeld," begann sie mit anscheinender Ruhe, „Herr Marfeld, Sie sehen mich auf das Acußcrstc erstaunt libcr Ihre mehr als seltsamen Worte. WaS Sie mir hier eben sagten, kann sich nicht auf die immerhin wenigen Begegnungen beziehen, die uns Beide in dieser Stadt zusammcnführtcn." Er sprang auf wie von einer Natter gestochen bei dem Schlußsatz, den Sic mit bedeutungsvoller Langsam keit aussprach. Niit der einen Hand auf die Lehne seines Stuhles gestützt, starrte er sic lauge au. „Jetzt ist es mir auch mit einem Male klar ge worden," fuhr sic fort, „was die seltsame Uuruhc bedeutete, die mich seit einige» Woche» quält. Herr — Marfeld, Herr Robert Marfeld, scheu Sie sich vor, daß die wunderliche» Gedanken, die sich mir seit Kurzem aufdrängcn, nicht Worte werden, deren Tragweite ich nicht zu bemessen vermöchte. Sie trauten mir vorhin die Begabung zu, Gedanken zu lesen. Ich glaube, jetzt dürfte ich Ihnen ein ahn licheS Kompliment machen, denn Sic werden es mir hoffentlich ersparen, noch deutlicher zu sein. Sic nickte kurz mit dem stolz erhobenen Kopfe und wollte an ihm vorbei der Thür des 'Nebenzimmers zuschrcitcn. Da trat er einen Schritt vor und ver stellte ihr den Weg, den Arm ihr fast gebieterisch ent- gcgenstreckend. „Einen Augenblick noch, meine Gnädige, ehe Sic gehen!" „Ich wüßte nicht, was wir uns noch zu sagen haben sollten!" sagte Olga erregt. Er machte eine Bewegung, als wolle er mit wilder Leidenschaft losbrechcn, bezwang sich aber noch recht zeitig und stieß ein leises, bitteres Lachen aus. „O Madame,, es wird Ihnen jedenfalls sehr leicht, sich mit dem Stolz ihrer sittlichen Unbescholtenheit zu bewaffnen, um einen Mann zurückzustoßcn, auf den mit Verachtung hcrabzublicken Sie wohl ein Recht zu haben glauben —" „Herr — Marfeld", sagte sie schneidend, „ich be greife nicht, was Sic dazu autrcibt, sich selbst zu kom- promittiren. Noch sagte ich kein Wort —" „Kein Wort, welches da« direkt aussprach, was ich jetzt von Ihnen fast zu fordern scheine," ergänzte er hastig. „Sehr richtig. Sie haben auf dem Grunde meiner Seele gelesen und mein Gcheimniß entdeckt. Ich sehe darin eine wunderbare Schicksalsfügung, denn dieselbe Unvorsichtigkeit, derselbe Jrrthum, der mich einst zu dem brachte, was ich eben jetzt al- ein Geheinmiß zu hüten hätte, derselbe — Wahnsinn hat mich jetzt Ihnen gegenüber verrathen." „Ich verstehe Sie nicht, mein Herr —" „Mein Schicksal! Sie verstanden mich ja auch damals nicht, und das kostet mich Glück und Ehre. Darum will ich Ihnen wenigstens jetzt das Vcrständ- niß erleichtern. Olga, Sie haben mich erkannt. Sie sehen in mir den Geächteten, den — kurz Alles das, was mit dem 'Namen — Heinrich Sormann zusammen hängt. Gut den», ich will nicht einmal den Versuch machen, Sic an einen Jrrthum glauben zu lassen, was mir schließlich vielleicht doch gelänge. Ich will Ihnen nur sagen, daß der Heinrich Sormann, auf den Sie ihre Verachtung schleudern zu können glauben, Ihr Geschöpf ist, mit einem Worte, daß Sie mich zu dem gemacht haben, was ich bin." Olga fuhr auf. „Wie, Unglücklicher, den ich nicht bei dem Namen zu nennen wage, den Sie sich eben selbst wieder gegeben haben. Sie wollen mir die Schuld aufbürdcn an dem ungeheueren Frevel, der Sie ent ehrt?" „Ich bin in der That so frei, Madame! Wissen Sic denn, für wen ich die Kapitalien aufhäufen wollte, nach denen ich im nervcnanfregendcn Spiel der Börse strebte?" Er trat dicht an sie heran, daß sein heißer Athem ihre Stirn streifte. Seine Stimme klang heiser und ranh. „Sie allein waren der Dämon, der mich auf jene schiefe Ebene warf, auf welcher ich einem herrlichen Ziel entgegcnzujagen vermeinte. Ich strauchelte — und war verloren. Oder, um mich deutlicher auszu drücken : Sic erweckten in mir die berauschende Hoff nung, Sie dereinst mein Eigen nennen zu können, wenn es mir gelungen, mit dem leidigen Mammon die Kluft auszufülleu, welche das Vorurtheil der Welt zwischen uns geworfen hatte. Ich, »»gespornt durch den Gedanken, daß sic mit nur fühlten, daß Sic Segen auf mein Streben herabbeteten, sprang in den ver derblichen Strudel." Olga war bei diesen leidenschaftlichen Worten, die hastig und doch leise und gepreßt aus seinem Munde stürzten, mit Todtcnblässe auf dem Gesicht auf ihren Stuhl niedergcsuukcn. Jedes seiner Worte traf sie wie ein Donnerkeil. „Ich habe in einem schnöden, lächerlichen Jrrthum gelebt," fuhr er fort, „es ist wahr. Aber giebt Ihnen derselbe das Recht, nachdem Sie mich vernichtet haben, noch meines Elends zu spotten? Von allen Menschen, die mit sittlicher Entrüstung auf den Vervehmtcn herab scheu, haben Sie das wenigste Recht dazu. Ich weiß nicht, ob Sie je begreifen, was Sie mir einst galten, was Sic mir — ich muß es Ihnen zu meiner Selbst marter gestehen! — noch jetzt sind, obgleich ich das Schicksal verfluche, was unsere Lcbenspfade sich wieder kreuzen ließ. Ich weiß nicht, ob Sie überhaupt ähn licher Empfindungen fähig sind, aber ich will Ihnen ein kurzes Bild meiner Gefühle geben, um Ihnen die Erkenntniß derselben zu ermöglichen. Von der ersten Minute au, die uns zusammenführte, prägte sich Ihr Bild in mein Herz ein, das vordem noch keinen Gedanken von Liebe und Zärtlichkeit bewahrt hatte. Ohne zu wissen, wie ich die Keime nennen sollte, die sich in meinem Innern regten, überließ ich mich im Rausche der süßesten Glückseligkeit dem mäch tigen Zauber, den Sic auf mich ausübtcu. In Ihrem Auge glaubte ich alle die Freuden, die der Mensch erst auf ein künftiges Jenseits verschiebt, zu lesen, aus Ihrer bestrickenden Stimme vermeinte ich den herr lichsten Wohlklaug zn hören, unter dem zu leben mir als das Entzückendste erschien, was das irdische Da sein zu bieten vermag. Meine glühende Phantasie, vie begehrliche Sehnsucht meiner Liebe glaubte in Ihrem unbedeutendsten Worte, in Ihrem zufälligen Lächeln eine leise Zusage zu entdecken, die mich mit den süßesten Hoffnungsträumcn erfüllte. Ermessen Sie demnach, wie ich Ihre Antwort auffassen mußte, welche Sic mir auf jenem vcrhängnißvollen MaSken- fcst auf meine stürmische Werbung gegeben haben. O, ich hätte niemals an der Wahrheit meiner Träume gezweifelt, wenn Sie mir nicht selbst den greifbarsten, schärfsten Beweis von ihrer Hinfälligkeit gegeben hätten. Damals, als ich von anderer Seite erfuhr, daß Ihrem Hause das Glück bcvorstände, eine Ver mählung feiern zu können, damals stand ich vor dem Bankrott, ich hatte mit den verzwcifelndstcn Mitteln gekämpft und mußte alle meine geschäftlichen Speku lationen scheitern sehen. Aber was war das Alle« gegen das fürchterliche Bewußtsein: Du hast um sonst gestritten, Du hast Dein Herzblut, Deine Ehre um ein Wahnbild vergeudet. Statt des Trostes jener Hand, die Dich auf Deine waghalsige Bahn geführt, gellt Dir nur ein kaltes, schneidendes Hohngelächter nach! Ja, meine Lage war so abscheulich abgeschmackt, so entsetzlich dumm — daß ich in dieses Hohnlachen cinstimmen mußte, so wie ich es jetzt noch — thuc — haha . . . !"