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le sL getroffen inen Tüll- Nestel LS- lag, von üirkert, U8. Ig, den k, eil l. ienstag, k. arkert. In. lw. Ihr an Saal ast ein Ke- er. Ihr an «I egender welche >»<tt«- t'lder» !en Be- Ltilagt M Nr. 129 des „Fmts- und Aiyeiaeblattes". Eibcnstoit, de» 31. Oktober 1881. I r r t h ü m e r. Roman von Karl Ed. Klopfer. (12. Fortsetzung.) Er hätte der guten Dame kein größeres Kompli ment als dieses machen können. Frau Eleonore dankte ihm auch mit der zierlichste» Berneignng, entzückt von dem Scharfblick des jungen Herrn Marfeld, der ihre Borzüge so wohl zu schätzen wußte. „Leider kenne ich keinen einzigen der Herren, die seit früher mit unserem Hause iu Verbindung stehen. Sie werden die Freundlichkeit haben, mich erst vor zustellen. — Wer gehört denn so zu den hervor ragendsten Gästen unserer Firma und Familie? Ich möchte mich über diese doch ein wenig informirt zeigen." Entsprechend ihrer persönlichen Neigung nannte Frau Weller natürlich die beiden Namen zuerst, deren Träger ihr besonderes Wohlwollen genossen. „Da haben wir vor Allem den Herrn Eommerzien- rath und Stadtrath Jeremias Schlittchcn, einen Mann von Distinktion und Würde, der sich rühmen darf, zu den allcrintimsten Freunden Ihres seligen Herrn Vaters gezählt worden zu sein —" „Bitte — weiter!" „Dann den jungen Staatsanwalt Doktor Theodor Möller, welcher —" Sormann ließ den silbernen Löffel auf die Unter tasse fallen und unterdrückte nnr mühsam einen Aus ruf. Er fuhr sich mit dem Taschentuch über das Gesicht, uni seiner Nachbarin die Blässe zu verdecken, die er plötzlich auf seinen Wangen fühlte. Glück licherweise fuhr Frau Eleonore in ihren Auskünften so unbefangen fort, daß sic gar nicht bemerkte, daß Heinrich vor sich hinstierte, ohne auf ihre Worte zu hören, was sie sonst gewiß als einen Mangel an gutem Ton sehr übel ausgenommen hätte. „Wie nannten Sic den Staatsanwalt?" fragte er, nachdem sie endlich die lange Reihe der Gäste erschöpft hatte. „Doktor Möller. O, ein sehr charmanter junger Alaun, den Ihr Herr Vater stets hochachtete. Er und seine liebenswürdige Gemahlin sind sehr oft die Gäste Herrn Marfelds gewesen." „Ach ja, er ist verhcirathct — Sie sagten es ja vorhin schon, wenn ich recht gehört habe." „Ja, Frau Doktor Möller ist seit ungefähr drei Jahren seine Gattin. Sie ist die Tochter eines Dan ziger Handelsherrn, der mit dem Vater des Doktors sehr befreundet sein soll." „Aha!" Sormann lächelte eigeuthümlich vor sich hin, als er hier das als eine 'Neuigkeit vernehmen mußte, was er doch so gut wußte. Bei der Erwähn ung Olgas strömte plötzlich alles Blut zum Hiru. Und er hatte doch geglaubt, alles das längstens über wunden zu haben! Oder war cs doch nur die Furcht, von dem Ehepaar erkannt zu werden, die ihn so er regte ? Gewiß so war's! Nach nnd nach kehrte damit auch sein sicheres Selbstbewußtscin zurück. Er über dachte nochmals, daß ihn die Jahre stark verändert hatten, daß besonders Theodor wenig Verkehr mit ihm gepflegt habe und sich nicht mehr seiner erinnern werde, ferner, daß Jedermann einen solchen Betrug, wie er ihn ausgeführt, nicht auf eine bloße Aehnlich- keit hin vermuthcn werde, und endlich, daß er ja Frau Weller als Werkzeug benutzen könne, um die fabelhafte Achnlichkeit, die Robert Marfeld mit Hei» rich Sormann theilte, entsprechend hervorhcbeu zu lassen, was jeden aufkc^menbcn Verdacht sofort nieder schlagen mußte. Er ging auch bei der nächsten GesprächSwendung direkt auf jenes Ziel los und nahm Gelegenheit, Frau Weller nach passender Einleitung auf seinen Jugend gespielen Heinrich Sormann zu bringen, der ja hier im selben Hause mit ihm aufgezogen worden sei. — Während Heinrich iu seinem Zimmer die Toilette vollendete, die er deni Empfange der Gäste angemessen erachtete, besorgte die rührige Frau Eleonore das Nöthige, um die Letzteren von der verfrühten Ankunft des Herrn Robert Marfeld verständigen zu lassen. Als der Hausherr den großen Empfangssalon betrat, verfehlte er nicht, Frau Weller seine Aner kennung auszusprechen über das geschmackvolle Arran gement, das er hier fand. Der Saal war prachtvoll ausgestattet, gleichsam als solle er jedem Gaste ein Zcugniß von dem Reichthum des HanseS geben. „Ich wollte, wir säßen schon beim Markgräfler und 'Niersteiner," sagte Sormann seufzend, „und der offizielle Theil dieses Frühstücks wäre vorüber!" „Sie zeigen ja eine förmliche Scheu vor Ihren Gästen!" meinte Frau Weller etwas pikirt. „Weil ich keinen Einzigen davon kenne. Es ist wahrscheinlich komisch, wie ich mich in meinem eigenen Hause von Leuten begrüßen lassen muß, als wäre ich der Gast und sic die Wirthe. Aber das kommt davon, wenn man der Heimath fremd geworden ist! Sind's doch schon achtzehn Jahre, daß ich dieses HauS ver ließ, und so bin ich hier ein Fremdling geworden. Keiner erinnert sich meiner, wie auch ich mich an Keinen zu erinnern vermag!" „Doch, doch!" rief Fran Eleonore lebhaft. „Einer dürfte sich noch finden. Ach, daß ich erst jetzt daran denke!" Sormann hielt in seinen! Gang durch das Zimmer inuc und sah die Sprechende erschreckt an. Dann wandte er sich ab. „Wer soll das sein?" „Ein alter Diener Ihres Hauses, der eS als den letzten Wunsch seines Lebens betrachtet, Sic noch sehen zu können. Bon Tag zu Tag hoffte der alte Fabian auf diese Stunde." „Der alte Fabian, wahrhaftig? Der lebt noch?" Es war nicht gerade der Ton der Frendc, mit welchem Heinrich diese Worte ausrief. „Ein fast neunzigjähriger Greis. Er ist gelähmt nnd halb taub. Er kann dem jungen Gebieter nicht mehr entgegen eilen; er ist an seine Stube gefesselt." Sormann überlegte. Ein neunzigjähriger Greis? Gebrechlich und wohl auch schwachsinnig? Was sollte er von dem zu fürchten haben? „Ich werde ihn aufsuchen," sagte er nach einer Weile. „Der gute Alte soll nicht länger auf mich warten. Ehe die Herren ankommcn, kann immerhin noch eine halbe Stunde vergehen. Ich könnte sie nicht besser ausfüllcn, als nut diesem Akt der Pietät. Bitte, führen Sie mich zu ihm!" Er trat wenige Minuten darauf bereits mit Frau Weller in die Stube, die dem alten Diener angewiesen war. In einem großen altmodischen Lederlehnstuhl saß die gebrechliche, gekrümmte Gestalt, den Unterleib in wollene Decken gehüllt, den zitternden Arm auf das neben dem Lehnstuhl stehende Tischchen gestützt, wo die Glocke, welche die Magd herbeirief, im Bereich seiner Hand war. Das Gesicht war auf die Brust gesunken, man sah nur die von tausend Runzeln durch zogene Stirn des Alten und den kahlen, glänzenden Scheitel, den spärliche silberweiße Haarbüschel um rahmten. Er schien das Geräusch der Eintretenden nicht zn hören, denn er rührte sich nicht. Man hätte ihn für schlafend oder gar für todt halten können, wenn nicht in abgebrochenen Sätzen ein dumpfes, unverständliches Murmeln hörbar gewesen wäre, das ans der einge sunkenen Brust wie aus dem Grabe zn tönen schien. Sormann ging zögernd auf ihn zu. „Fabian," sagte er halblaut, „da bin ich nun! Ich freue mich, Euch wicderzusehen. Wie geht es Euch? Kennt Ihr mich denn nicht?" Er legte seine Hand dem Greis auf die Schulter, der unter dieser Bewegung aufznwachen schien. Er hob den Kopf und sah den vor ihm Stehenden mit trüben Augen starr an. Seine Lippen zitterten. Sormann schauerte unwillkürlich zusammen, als er dieses mumienhafte Gesicht auf sich gerichtet sah. „Es ist Herr Marfeld," rief ihm Frau Weller ins Ohr, „der junge Herr Robert Marfeld, der Euch zu besuchen gekommen ist." Fabian wandte das welke Gesicht der Sprecherin zu, als habe er sie nicht verstanden. Die Lebhaftig keit, die er zum Erstaunen der Hausgenossen noch vor einigen Tagen gezeigt hatte, schien mit einem Male verloschen, wie daö letzte Anfflackern eines ver glimmenden Dochtes. „Kennt Ihr denn nicht mehr Euren jungen Herrn?" „Der — junge Herr —" stammelte der Greis, Ivie sich besinnend, „mein Gott — der junge Herr — der junge — Herr! Ja, ja, er ist nun — auch todt. Morgen — tragen wir ihn hinaus — auf den Gottesacker — in die Gruft, zur gnädigen — Frau. Sie wartet — auf ihn. — Ja, nun liegt auch er — im Sarge. — Aber hört, macht den Deckel — noch nicht zu — ich will ihn noch einmal sehen." „Was schwatzt Ihr nur da. Wir sprechen ja nicht vom alten Herrn —" „Vom alten Herrn?" unterbrach er sic hastig. „Der ist ja schon seit sechzig Jahren todt. Ja, ich — ich hab' ihni — die Augen zugcdrückt, hab' den kleinen Edmund — getröstet, hab' ihn gehegt und gepflegt. Und auch die Fran Mutter — ist ge storben, alle, — alle — sind gestorben. — 'Nun auch der junge Herr Edmund —" „Er spricht von Ihrem seligen Herrn Vater," flüsterte Frau Weller Heinrich zu, der schweigsam vor dem Alten stand. „Er meint mit dem alten Herrn wahrscheinlich den .Perrn Großpapa, bei dem er ja auch schon lange gedient haben soll." „So ist es. Der Arme hat kein Gedächtniß mehr für mich. Er lebt nur noch in seinen alten Erinnerungen. Lassen wir ihn zufrieden. Vielleicht ist er ein andermal bei klarerem Geiste." Sormann athmete erleichtert ans, als er wieder auf dem Korridor stand. Da vernahm er schon Schritte im Hausflur. ES waren die erwarteten Gäste. XII. In einem Hanse der eleganten Goethestraße war eine junge, blühende Fran damit beschäftigt, den Tisch im Speisezimmer zu decke». Jede ihrer Bewegungen verrieth, daß sie als Hausfrau hier walte. Von Zeit zu Zeit unterbrach sie sich, um einen liebevollen Blick auf ein allerliebstes, etwa zwei jähriges Mädchen zn werfen, das in einer Ecke am Kindertischchen saß nnd mit einer großen Puppe ein leises Zwiegespräch zn hatten schien. Jetzt blickte die junge Frau mit dem Ausdruck der Befriedigung auf den Tisch, glättete das Tafel tuch mit sorgsamer Hand und ließ sich auf das Sofa nieder. „Käthchen, komm' zur Mama!" Augenblicklich ließ das Kind seine Puppe im Stich nnd eilte zur Mutter, die das kleine Geschöpf lächelnd an sich drückte. „Nun, Käthchen, bist Du noch nicht hungrig? Oder nullst Du auf den Papa warten, um mit ihm die Suppe zu essen?" Käthchen schien unschlüssig. Es wäre ihr aller dings nicht unwillkommen gewesen, schon jetzt ihren Appetit zu befriedigen, andererseits aber wußte sie aus Erfahrung, daß der Papa weit nachsichtiger war im Punkt ihrer Abneigung gegen die Mittagssuppe, die sie mit der ganzen Kraft ihrer zwei Lebensjahre verabscheute. Die Mutter redete ihr zu, da sie die Gedanken des kleinen Schalks wohl crrieth, und suchte die ihr nur zu gut bekannte Abneigung zu bekämpfen. Unter diesen diplomatischen Verhandlungen zwischen Mutter nnd Tochter rückte die Zeit all mählich vor. Jetzt wurde draußen im Vorzimmer die Klingel der Korridorthür hörbar. „Der Papa, der Papa!" jubelte die Kleine bei diesem Klang und kletterte vom Schoß der Mutter herab. Auch diese hatte sich erhoben und ging zur Thür. Es war wirklich der Papa, der cintrat. Er küßte die kleine Tochter, die ihm entgegengeeilt war, um sich an ihn zu hängen, auf die frischen, lachenden Lippen, dann gab er den Kuß, den er von dem Kinde genommen, auf kurzem Wege an die Mutter ab, während er Rock und Hut wcglegte. „Endlich, Theodor," sagte die junge Frau, ihn am Arme zum Tisch führend. „Das Frühstück scheint etwas lang geworden zu sein." „Ja, liebe Olga," erwiderte Theodor, „es gab da viel zu thun: Bekanntschaften zu machen oder zn erneuern, Begrüßungsreden anzuhörcn, selbst einige offizielle Tiraden zu drechseln — nnd was eben sonst zn einem Dejeuner mit obligaten Trinksprüchcn bei Ehampagner und Rheinwein gehört." Wahrend das Dienstmädchen die Suppe auftrug, entwarf der jnuge Ehemann eine oberflächliche Schilderung der Feierlichkeit, deren Schauplatz am Vormittag das Haus Marfeld gewesen war. Natürlich konnte es nicht fehlen, daß die - eson des jungen Handelsherrn, dessen Ankunft sch i mit allgemeinem Interesse cntgegengcsehen worden war, eine eingehende Beschreibung erfuhr. „Denke Dir, Olga, wir sonderbar oft der Zufall spielt! Dieser Herr Robert Marfeld, nebenbei gesagt ein ganz netter, liebenswürdiger Alaun mit sehr viel Takt nnd Anstand, ist seiner Zeit sehr innig befreundet gewesen mit jenem Sormann, na, Du erinnerst Dich doch?" Das leichte Roth, das in den Wangen Olgas aufstieg, nnd der finstere Ausdruck in ihren Blicken beantwortete die Frage des Gemahls in bejahendem Sinne. „Ich erfuhr dies von unserer lieben Gönnerin, von Frau Weller," fuhr er lachend fort. „Gleich als ich Marfeld vorgestcllt wurde, fiel mir ein unbe stimmtes Etwas in seinem Gesicht, an seiner ganzen Person auf, das mir so bekannt vorkam; nur konnte ich trotz allen Nachdenkens nicht ins Klare kommen, was dies eigentlich sei. Endlich fragte ich ihn ge radezu, ob ich nicht zufällig einmal an einem anderen Orte seine flüchtige Bekanntschaft gemacht habe. Er verneinte, bemerkte aber sogleich, daß ich vielleicht durch eine gewisse Achnlichkeit verführt werde. Wir sprachen dann von seinen Reisen. Er war in frühe ren Jahren in London und sogar in Brasilien ge wesen, wo er ein etwas lockeres Leben geführt hatte, das eben den Anlaß zu dem tiefgehenden Zerwürfniß bildete, welches ihn so lange vom Vatcrhausc fern hielt. Dies bot der gefühlvollen Frau Weller einen willkommenen Anlaß, das Andenken des alten Mar feld zn betrauern. Von ihr erfuhr ich dann auch, daß Robert mit dem ehemaligen Disponenten Deines Vaters die ersten Jugcndjahrc gemeinsam verlebt habe." (Fortsetzung solgt.)