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Amts- und Anzeigeblatt Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donners tag und Sonnabend. Jn- sertionSpreis: die kleinsp. Zeile 10 Pf. für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung. Abonnement viertelt. 1M. 20 Pf. (incl. Jllustr. Unterhaltbl.) in der Expedition, bei unfern Bo ten, sowie bei allen ReichS- Postanstalten. Verantwortlicher Redakteur: E. Hannebohn in Eibenstock. »s. A«ör«««g. Dienstag, den 31. Mai 18SS. Die neue italienische Krisis. Angesichts der Thatsache, daß der neue italienische Ministerpräsident Giolitti gleich nach seiner Programm rede bei der ersten Abstimmung in der verhältniß- mäßigen Minderheit blieb und deshalb dem Könige Humbert daS Entlassungsgesuch deS Gesammtmini- steriumS überreichte, kann man kaum von einer neuen Krisis sprechen. Der schlecht verkleisterte Riß ist einfach wieder aufgeplatzt, wie das vorauszusehen war. Man will nun die Wählerschaft befragen und das scheint renn auch in der That das Gerathendste, denn eine Kammer, die nicht weiß, was sie will, ist auf die Dauer ein Unding. Die gegenwärtige Kammer ist auf das Programm CriSpiS hin gewählt worden; das hat sie aber nicht abgehalten, Crispi zu stürzen. Nach diesem kam di Rudini ans Ruder, der den CriSpischen Faden weiter spinnen mußte und eS kaum zu einer neuen Nummer brachte. Auch Rudini kam zu Falle und fand nach langwierigen Verhandlungen in Giolitti einen Nach folger, der jetzt vierzehn Tage im Amt und bereits amtsmüde ist. Da die beiden Letztgenannten mit ihren Ministerien aus der Kammermehrheit selbst her vorgegangen sind und es trotzdem nicht vermochten, die Mehrheit für sich einzunehmen, so bleibt wohl nichts als die Kammerauflösung übrig. Man könnte sagen, Fürst Bismarck habe die neueste Wendung der Dinge bewirkt, wenn es nämlich wahr ist, daß jener Artikel der „Hamb. Nachr.", der vor acht Tagen erschien und sich mit der politischen Lage Italiens und seiner Stellung zum Dreibunde befaßte, von ihm verfaßt oder veranlaßt worden ist. Dieser Artikel führt bekanntlich aus, Italien sei für die Tripel allianz als Bundesgenosse werthvoller, wenn eS ein kleineres Heer unterhalte und seine Finanzen regulire, als wenn cs seine Armee verstärke, dabei sich aber finanziell ruinire. Selbstverständlich mußten solche Ausführungen Wasser auf der Mühle der Radikalen sein, die die HeereSausgabe auf das Allernothwendigste beschränkt sehen möchten. Besonders trat der viel genannte Abg. Cavallotti wieder hervor, der - ein Gegner des Dreibundes — das Kabinet di Rudini trotzdem unterstützte, weil sein alter Freund Nicotera in demselben saß, und das Ministerium Giolitti ebenso bekämpfte, wie er seiner Zeit Crispi bekämpft hatte, nachdem Nicotera sein Ministeramt niedergelegt hatte. Die Ansicht, Italien werde durch sein Berhältniß zum Dreibünde zu außergewöhnlichen Ausgaben für seine VertheidigungSzwecke genöthigt, ist nach jeder Richtung hin irrig. Wäre Italien ganz allein auf sich angewiesen, so müßte es, um seine Großmachts stellung zu behaupten, ebenso kriegsbereit sein, wie es heute ist. Zu tief und schwer hat eS bis zum Eintritt in die Tripelallianz seine Abhängigkeit von Frankreich (siehe den Handelsvertrag und Tunis) empfunden, zu empfindlich ist es von Frankreich ge- demüthigt worden, als daß eS sich — selbst wenn der Dreibund nicht bestände -- nicht auf alle Fälle vorsehen sollte. Anderntheils schreibt aber der Drei bundsvertrag, wie bestimmt versichert werden kann, keineswegs vor, daß Italien eine bestimmte Anzahl von Soldaten auf den Beinen haben müsse, auch sind in dieser Richtung hin nie „Pressionen" von Berlin her auSgeübt woreen. Hätte ferner Italien nicht seine Riesenkriegsschiffe gebaut, hätte eS nicht mehrere Hunderte von Millionen für seine „Duilio", „Dandolo", „Lepanto", „Italia", „Umberto", „Lucilla" u. s. w. ausgegeben, so hätte England, das seine Rechnung wohl zu machen versteht, gewiß vorgezogen, die Herrschaft über da» Mittelmeer mit Frankreich zu theilen zum größten Schaden Ita lien». Anderseits, wäre da» italienische Heer auf dem Stande von 1866 verblieben, so hätte Oester reich keinen Grund gehabt, einen eventuellen Angriff Italiens zu fürchten, und gewiß nicht da« Bedürfnis gefühlt, sich mit dem traditionellen Gegner zu ver bünden. Eher hätte e« wohl neue Verlegenheiten Italiens abgewartet, um im Norden da« lombardisch venezianische Königreich wieder aufzurichten, was durchaus nicht im Bereich der Unmöglichkeit lag. Mit oder ohne den Dreibund ist Italien immer gezwungen, stark gerüstet zu sein, sowohl zu Wasser wie zu Laude, wie eS seiner Stellung als Großmacht und seiner geographischen Lage entspricht. Eine Groß macht, deren Gebiet von drei Meeren bespült wird, kann sich nicht den Luxus der Abrüstung gestatten, während die 'Nachbarn bis an die Zähne von Waffen starren. Da« müssen sich die Italiener klar machen und die demnächst stattfindenden Neuwahlen werden zeigen, ob und wieweit dies geschehen ist. Nebenher mag hier noch bemerkt werden, daß bei den Wahlen in Italien eine klerikale Partei nicht in Betracht kommt, weil der Papst den Katholiken die Theilnahme an den Wahlen verboten hat. Hagesgeschichle. — Deutschland. In einem Artikel über daS Berhältniß des Reichskanzlers Grafen Caprivi zu dem Plane der Berliner Weltausstellung schreibt die „Nordd. Allg. Ztg.", Graf Caprivi habe sich per sönlich wohlwollend für die Ausstellung ausgesprochen. Der Reichskanzler könne aber die Frage bei den ver bündeten Regierungen nur anregen. Keine Regier ung habe bisher den Wunsch nach einer Ausstellung in Berlin geäußert. Die Gründe für und gegen die Ausstellung müßten reiflich erwogen werden. Die Verschiebung der Entscheidung bis nach Schluß der Chicagoer Ausstellung könne nicht schaden; inzwischen könnten die Pläne weiter erwogen und durchgearbeitet werden. — Berlin. Der Kaiser tritt seine diesjährige Nordlandsreise am 29. Juni an Bord der „Hohenzollern" an und kehrt am 4. August nach Wilhelmshaven zurück. Der „Hohenzollern" wird vom Panzer „Siegfried" und dem Transportschiff „Pelikan" begleitet sein. — Einem ganz unerhörten Schwindel ist man in Berlin vor einigen Tagen bei den Getreide lieferungen an der Börse auf die Spur gekommen. Das „Berliner Tageblatt" schreibt darüber: „Ein überaus peinlicher Vorgang bei den Roggenkündiz- ungen erregte an der gestrigen Börse ein bedeutendes Aufsehen. Von einer hiesigen Firma wurden 500 Mispel Roggen gekündigt und von der Sachverstän- digen-Kommission „kontraktlich" erklärt. Die Scheine wurden von dem Empfänger nach der bestehenden Vereinbarung hiesigen Mühlen zur Abnahme über wiesen. Bei der Abnahme stellte es sich heraus, daß die unterste Lage reichlich einen halben Fuß aus dänischem Roggen bestand, welcher nicht nur von ge ringster Qualität, sondern dazu noch stark verschim melt war. Die Mühlen verweigerten die Annahme, und die Sachverständigen wurden erneut zur Besich tigung herbeigeholt. Dieselben mußten die Thatsache zugeben, gaben aber an, daß der Roggen so hoch ge lagert gewesen sei, daß mit dem „Stechen" die Qua lität des unteren Theiles des Lagers nicht festznstellen gewesen sei. Es wurde in dieser Angelegenheit eine mit zahlreichen Unterschriften versehene Eingabe an die Nettesten der KaufmannsHaft gerichtet". — Schade, daß die betheiligte Firma nicht genannt worden ist. Hier ist einmal der Beweis dafür geliefert, daß unter daS gesunde Getreide verschimmeltes gemischt zu werden pflegt und diese« dann vermahlen wird. Dieses Mal war der Betrug zu grob, sonst wäre er auch noch nicht entdeckt worden. Wir sind wirklich neugierig, wie da« Aeltestencollegium vorgehen wird. — Hamburg. Bei der Uebernahme der Insel Helgoland seitens Deutschlands wurde seitens der deutschen Verwaltung die Uebernahme deS Leucht- thurme« von der englischen .Leuchtthurmgesellschaft" naturgemäß al« gesonderte Privatsache behandelt. ES hat die Angelegenheit den Reichstag beschäftigt und wurde die geforderte Abtretungssumme zu hoch be funden. E« stehen nun allerdings heute noch eng lische Soldaten dort als SichcrheitSwache und die englische Flagge ist noch nicht eingezogen. Die« wird in hiesigen Kreisen lebhaft erörtert, beziehentlich abfällig beurtheilt, da man meint, e« sei die« nicht der Würde einer Macht wie Deutschland entsprechend und man sollte nicht hier sozusagen im Kleinen kargen wo so große Opfer für die übrigens als werlhvoll für Deutschland bezeichnete Insel gebracht werden müßten. - Hamburg, 24. Mai. Der König von Dänemark sucht bei seinen öfteren Besuchen in Hamburg, wo er meistens unerwartet erscheint, möglichst sein Inkognito zu wahren. Bei seiner letzten Anwesenheit, wo er in mehreren Läden Ge schenke für seine Gattin zur bevorstehenden goldenen Hochzeit einkaufte, wurde man in einem Falle stutzig, als der Käufer schließlich erklärte, „nicht genügend Kasse bei sich zu haben", und daß man die einge kauften Sachen nur nach dem Hotel de l'Europe, wo der König regelmäßig Quartier nimmt, schicken möchte. Ter Verkäufer dachte an Schwindler und Hochstap ler, und die Verlegenheit amüsirte die Majestät außerordentlich, bis telephonisch ein Angestellter des Hotels herbeigerufen wurde, welcher den König „auS- löste". Auch im Stadtlheater wurde der Herrscher einmal „angehalten". Er vergaß da« Garderobengeld zu bezahlen und die Hüterin des Hauses erinnerte bescheiden an daS taxmäßige Honorar. Der König ent schuldigte sich ob seines Vergessens und bemerkte, daß er in seiner Heimath von einer solchen Taxe frei sei. Die Garderobiere erhielt natürlich durch den Adju tanten ein Honorar über die Taxe hinaus. Als der König darauf das Restaurant von Pforte besuchte, mußte er sich mit einem bescheidenen Platze begnügen. Der Wirth erkannte bald darauf den König und bot ihm ein Separatzimmer an. Dieser lehnte aber dankend mit dem Bemerken ab, daß er sich unter Hamburger Bürgern sehr wohl befinde. — Weißenfels. Die Vorbereitungen für das 14. mitteldeutsche Bundesschieben beschäftigen hier gegenwärtig alle Gemüther. Der Festplan ist nunmehr derartig festgestellt, daß am 9. Juli der Empfang der Schützen durch einen Festkommers auf dem „Bade" eingeleitet wird. Am folgenden Tage findet der Festzug statt. An dem Zuge werden etwa 3000 Weißenfelser Bürger theilnehmen und derselbe wird ein Bild des geselligen und gewerblichen Ver- cinslebenS von Weißenfels geben. Auf dem Markt platze findet die Uebergabe des Bundesbanners statt, sodann ein Banket in der Festhalle und Abends Hauptversammlung des Mitteldeutschen Schützen bundes. Am II. Juli beginnen die Preis schienen. Für die Abende ist am II. Juli eine große GesangS- auffiihrung von Männerchören, am 12. Juli ein Rad fahrerfest und am 14. Juli turnerische Aufführung mit Fackelreigen vorgesehen. Am 16. Juli findet der Abschiedskommers und am 17. die Vertheilung der Preise am Gabentcmpel statt. — Oesterreich-Ungarn. Die Regierung hat dem tschechischen Turnverein in Prag die ge schlossene Bctheiligung an dem Turnfeste in Nancy untersagt. (Vielleicht ist es darauf zurückzuführen, daß der französische Ministerpräsident Loubet öffent lich geäußert hat, Konflikte in Nancy wären höchsten« von den tschechischen Turngästen zu erwarten!) — Frankreich. Der Präfekt von Nancy veröffentlicht ein Dekret, wonach während der Nancyer Feste die Entfaltung elsaß-lothringer Fahnen streng stens untersagt wird. Alle eine auswärtige Macht beleidigenden Zurufe werten als Vergehen gegen die Sicherheit des Staates bestraft werden. Sämmt- lichc Festreden und Ansprachen müssen dem Präfekten vorher vorgelegt werden. — Die Ursachen deS Stillstandes der Be- völkcrungSzahl in Frankreich und die Ver ringerung in der Zunahme in England, in Amerika und auch bei uns, wenn auch nur in geringem Maaße, unterliegen bei der außerordentlichen Wichtigkeit der Frage eingehendsten Untersuchungen. Vor kurzem hat der National-Oekonom Leroy-Beaulien sein Gutachten über diese Erscheinung mitgetheilt, welches nicht allein für französische Verhältnisse zutrifft. Da bei der Ausdehnung der Bevölkerungsabnahme über die ver schiedensten Staaten nicht einzelne staatliche Einricht ungen, wie z. B. das neue Militärdienstgcsetz in Frankreich verantwortlich gemacht werden können, müssen die Ursachen allgemeiner Art sein. Und zwar