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„Meine Gegenwart kann nicht anders als beruh igend wirken, bester Freund, ich weiß, mein Anblick wird wie belebendes Arkanum auf sie wirken — unter allen Umständen erlangen wir die Scheidung von O'Neill, und die schwere Zeit der Leiden ist vorüber, wir werden sie vergessen, denn wir sind jung und unsere Liebe ist allmächtig, weil sie von Gott stammt." „So gehen Sie mit Gott, mein guter Sidney, und bringen Sie gute Kunde mit sich." Jugendfroh, glückstrunken bestieg er die Droschke, die ihn über die öde Haide zu seiner Geliebten führen sollte — sein poetischer Sinn suchte nach Bildern und Hyperbeln, die Sonne ging unter, so blutigroth, als erröthe sie über die Gräuel, welche sie am Tage beschienen, ein Lied klang ihin im Ohr, er wnßte nicht, ob cS eine Erinnerung oder selbsterfnndcn war, doch sagte er immerfort zu sich: „Nichts ist so treu wie ein Weiberherz, Und so treulos nichts als ein Weib!" — Es hatte gar keinen Sinn, daß gerade er solche Zweifel am Weib erhob, seine Adah war ja so treu wie nichts Anderes mehr, jener Moment des Wieder sehens an dem verhängnißvollen Ballabcnd hatte ihm über die trostlose Zeit der Gefangenschaft hinwegge- holfcn, er wußte, sie war sein, nur sein! „Nichts ist so treu wie ein Weiberherz!" Die schrille Klingel weckte Carlie, den Portier, aus seinein halben Schlafe, er schlürfte hinaus und öffnete mit seinem Schlüssel das Gitter. „Melden Sie mich Herrn Doktor Martigny, hier meine Karte." Nun stand er im Flur, sein Blick glitt an den Thürcn des lange» Oucrganges hinab, hinter welcher schlägt ihr liebes Herz für ihn? und wenn sie ahnen könnte, wer in ihrer Nähe ist! Doktor Martigny erschien selbst auf der Schwelle, beide Hände dem jungen Mann cntgegenstrcckend. „Grüß Sie Gott, mein junger Herr, treten Sie näher, wie freue ich mich, den lieben Bruder der verehrten Frau kennen zu lernen, — nein, keinen Dank, es wollte mir nur nicht eher gelingen, sonst hätte ich Sie längst befreit — aber setzen Sie sich, mein lieber Herr Sidney." „Ich danke Ihnen, aber Sie werden beurtheilen können, wie sehr ich mich nach dem Anblick meiner — Cousine sehne, kann ich sie besuchen, ist sic wohl genug, mich zu empfangen?" „Ohne Zweifel, kommen Sie, sogleich führe ich Sie selbst bei ihr ein! — Aber ich muß um größte Vorsicht bitten, kein Wort, das sie erschrecken, keine Andeutung, die sie aufregen könnte, nur dann darf ich es wagen! O, liebster Freund, zürnen Sie mir nicht ob meiner Vorsicht, es ist ja nicht der Arzt allein, der für seine Patientin zittert, es ist auch der Mann, der um das Weib seiner Liebe bangt — Sie sehen mich bestürzt an, — oh, ich hätte schweigen sollen, aber die Angst um meine geliebte Adah entriß mir unser seliges Geheimniß. Und weshalb sollten auch Sie, der Bruder, nicht davon unterrichtet werden? Ist es denn etwas so Ungeheures, daß man sich in einander verliebt?" Er affektirte Bescheidenheit, während Sidney, den Tod im Herzen, wortlos vor ihm stand. „Jede gute Frau ist dankbar, Adah war mir dank bar, und von Dankbarkeit zur Liebe ist nur ein Schritt." „Jawohl", entgegnete Percy, „ebenso wie vom Erhabenen zum Lächerlichen." Nnn lachte Martigny sein interessantes Lachen. „Was wollen Sie, da ist die Gelegenheit ein weiterer Schritt. Man sieht sich täglich, Morgens, Mittags, Abends, — man hat als Arzt das Recht, die süßen Hände zu streicheln, die weißen Schultern zu verbin den, das goldene Haar zu glätten, — und eines Tages schlägt Herz an Herz und Blick ruht in Blick, man ist eins und für die Ewigkeit." „Sie lügen!" entgegnete Sidney. Martigny wollte aufbrausen, dann bezwang er sich. „Es ist AdahS Bruder, der mir das sagte, jeden Anderen würde ich ob solchen Wortes niederschlagen. Ihnen will ich nur beweisen, daß ich nicht lüge." Er schloß seinen Sekretär auf, suchte unter Papieren und reichte dann ein Blatt Papier dem jungen Mann hin. ES war Adahs Handschrift und sie hatte ge schrieben: „Ich vereinige meine Bitte mit derjenigen Doktor MartignyS, daß mit Umgehung aller Zeremonien, uns eine binnen drei Tagen rechtsgültige Lizenz, zur Ab schließung einer zwischen uns beschlossenen Ehe, ver liehen wird. Adah O'Neill-Percy." Das war die Wahrheit! „Nun, Herr Percy, behaupten Sic noch, daß ich lüge?" „Nein." „Wohlan, so kommen Sie zu Ihrer Schwester — aber ich wiederhole, kein Wort, kein Blick, keine Frage, die sic erschrecken oder aufrcgen könnte — das Schlimmste steht sonst zu erwarten." — Sidney folgte der Aufforderung nicht, er blieb still stehen, die Bitte Adahs nahm der Arzt ihm aus der Hand und wartete nun seinerseits, ob jener nichts sagen würde. Eine lange, todesstumme Pause folgte. Dann ächzte Sidney laut auf und sagte: „Es ist wohl besser, ich sehe meine — Cousine heute nicht — ich komme ein anderes Mal wieder." „Nun, wie Sie wollen — ich denke, in acht Ta gen ist jede Gefahr beseitigt. — Es ist sehr kalt, nehmen Sie sich nur in acht, nach Sonnenunter gang ist es ein wenig unheimlich hier draußen. Grüßen Sie Doktor Tornhill ... ein prachtvoller, alter Herr — und noch eins, um Adah nicht zu kompromittiren, sprechen Sie mit Niemand von dem, was ich Ihne» anvertrante! Auf Ehrenwort?" „Ohne Sorge, Herr Doktor — ich spreche nicht davon." Er hatte recht, dieser glatte, süße Schmetterling, es war unheimlich hier draußen nach Sonnenunter gang, — aber nicht jene Sonne, die noch in röthlichem Widerschein da hinter den Wolken verschwand, ließ ihm die Welt so kalt, so öde, so lichtleer erscheinen. „Die Gelegenheit — man sieht sich Morgens, Mit tags, Abends, man liebkost die kleinen Hände, die goldenen Haare —" er schlug die Hände vors Ge sicht, ich hätte eS nimmer und nimmer von ihr ge glaubt. Sie widerstand einem O'Neill, der doch gegen diesen Schwächling ein Halbgott ist, — aber so sind die Weiber, was trotzige Kraft nicht erringen kann, gelingt den Schmeichelwortc» eines Faun! So treulos nichts als ein Weib." „Was ist Ihnen, was ist mit Adah?" rief Frau Tornhill erschrocken, als Sidney zurückkehrte. Er schüttelte traurig de» Kopf. „Ich habe Adah nicht gesehen — es stand mir frei, zu ihr hineinzugehen, doch fürchtete ich, nicht genug Selbstbeherrschung zu besitzen, um eine auf regende Szene zu vermeiden. So entschied ich mich denn fortzugehcn, ohne sie zu sprechen." „Trösten Sie sich, mein guter Sidney, nach Leid kommt Freud." „Zuweilen kommt aber nach Leid noch größeres Leid, Frau Tornhill" — Sidney schauderte, „cS ist trübe nach Sonnenuntergang." „Wollen Sie nicht ins Bureau gehen? DolfuS ist von London zurück, ein Kriminalbeamter höherer Ordnung, dem der Fall übertragen ist, begleitet ihn, ebenso ist Jim heute in das hiesige Gefängniß ab geliefert. Es sollen schreckliche Dinge zu Tage ge fördert sein." „Ja, ich werde hingchen." „Sidney, mein Junge," nun hielt sie ihn mit allerliebster Schüchternheit am Acrmel zurück, „und ich habe heute zum Abend Karpfen gebacken. Sie aßen sie früher so gern, wissen Sie noch?" Er sah traurig vor sich hin. „Ich glaube, mir wird in diesem Leben nichts mehr schmecken, — die Bitterkeit ist mir bis ins Herz gequollen." Langsam ging er die wenigen Scbritte bis zu der Ausgangs- thür, sie sah ihm betrübt, mit feuchten Augen nach. Er fühlte diesen Blick nnd kehrte um, um ihre Hand zu erfassen und an die Lippen zu führen, dabei murmelte er: „Nichts ist so treu wie ein Wciberherz." Sie verstand nicht, was er sagte, aber sie fühlte, es mußte ein Kompliment sein, nnd seine Lippe» zitterten auf ihrer welken Hand . . . Zu derselben Zeit saß Doktor Martigny über Retorten und Phiolen und machte grünlich-graue Pillen. Er hatte streng verboten, daß man ihn störe, und eine gläserne Maske bedeckte sein Gesicht, um das Einathmcn der aufsteigendcn warmen Dünste zu ver hindern. Zuweilen hielt er sinnend inne: „Nein, er muß sterben, seine Flucht würde nur eine endlose Schwierig keit zur Scheidung bieten, außerdem hat er zehnfach den Tod verdient! Ein Hotel, mit Menschen ange füllt, in Brand zu stecken —" er faltete über den Giftpillen fromm die Hände, „durch ein Gotteswunder ging kein Menschenleben verloren; die schöne, geliebte, goldene Frau dem schrecklichen Tode preiszugeben — nnd daß er den Besitz des Vermögens nicht genießen kann, das ist eine wohlverdiente Strafe! Es wird vollständig in meine Hände übergehen, Sidney ist zu stolz, von der „Treulosen" ein Geldgeschenk anzu nehmen." Und seine zarten, weißen Hände mit dem feinen, blauen Geäder handhabten den silbernen Spachtel mit Nonchalance und Grazie und formten die schnell tödtenden Strychnin-Pillen, dieses schreckliche Gift, welches keine Spur im Körper zurückläßt. Dann leerte er die kleine Porzellandose von den im Aus sehen ähnlichen Pillen des Haschisch und steckte die Dose zu sich. Am andern Tage wurde Jim mit O'Neill kon- frontirt, er war befangen und unruhig, O'Neill hatte ihn zwar zu mancher Miffethat gezwungen, aber seine Dienste reichlich mit Gold gelohnt. — Er sagte auS: „Am Abend des ** November 188* — stand ich Posten vor dem Centralhotel, wo der sogenannte irische Eliteball stattfand. Gegen 11 Uhr kam mein Chef, der auch als Gast den Ball besuchte, zu mir hinaus auf die Straße, gerade vor das Hotel, und sagte mir, daß er soeben Herrn Percys Tod erfahren habe. Er gab mir einen kleinen Schlüssel, den soge nannten Klinkenschlüssel, er passe sowohl zu der Setten- thür des Hauses, die in Herrn Percys Zimmer führt, als in die seinigen. Ich sollte durch seine Zimmer gehen, die leer von Menschen seien, mich vergewissern, daß Niemand bei Herrn Percys Leiche sei — was wohl der Fall sein würde, und dann dann sagte Herr O'Neill die Worte: „Dann kommst Du schleu nigst wieder — die Leiche muß aber das Aussehen haben, als sei ein Mord geschehen — da der Tod erst kurz vorher eingetreten, werden sich bei der war men Leiche noch Würgefleckc bilden." Es war mir schrecklich, diesen Befehl auszufllhren, aber was sollte ich thun? Ein Verbrechen war eS ja auch eigentlich nicht. Mit Grauen habe ich gethan, was ich sollte — ich hätte lieber drei Lebende angegriffen, als den alten Herrn, der immer so freundlich war und der so fried lich den Todcsschlaf schlief." ' „Weiter," gebot der Londoner Kommissar. „Ich kam zurück, der Chef war in schrecklicher Unruhe, ich gab ihm seinen Schlüssel zurück und sagte nur: Abgemacht!" „Suche, Jiin, im Hotel und auf der Treppe, ich habe einen wichtigen Brief verloren, aber schnell," gab mir Herr O'Neill als Anwort. Ich stürzte mich suchend in das Hotel, lief auf und ab, aber ich fand nichts. Das meldete ich. Da sagte der Herr wieder: —" Er stockte und sah seinen Chef an, der ruhig, würdevoll und lautlos diese schreckliche Anklage an hörte. (Fortsetzung folgt.) Aus der Perl, Besatz nnd Stickerei- Branche. Die neueste Nummer des „Confectionair" vom 19. Mai cr. enthält unter obiger Ucberschrift aus Eibenstock nachstehenden Artikel: „Eibenstock macht eine große Saison," das ist in wenig Worten ausgedrückt die Signatur unseres Marktes. Wir hatten in den vergangenen Wochen und bis jetzt so viele unserer amerikanischen und auch einige englische Freunde hier und es weilen zur Stunde deren noch eine so beträchtliche Zahl in dem uns geschäftlich nahestehenden Annaberg, daß man sagen kann, die bisher ertheilten Ordres be friedigen nicht nur allgemein ihrer Größe nach, sondern es wird auch bei dem Außenstehen noch verschiedener bestimmt zu erwartender Aufträge und durch die Nachordres ein Steigen der Arbeitslöhne herbeige- fllhrt werden, — immer die Begleiterscheinung einer flotten Saison. Wenn nun nach diesem angenommen werden müßte, daß die hiesigen Fabrikantenkreise voll befrie digt seien, so müssen wir leider doch constatiren, daß die bewilligten Preise vieles zu wünschen übrig lassen. Es gicbt leider Gottes noch immer Fabrikanten, denen das Verständniß dafür abgeht, wie sie durch Unterbieten ihrer Concurrenten im Preise, die ganze Branche ruiniren, und so selbst den Ast absägen, auf dem sie mitsitzen. Es ist denn diesmal in dieser Beziehung viel gesündigt worden, zum Schaden jedes Einzelnen, denn auch der unterbietende Fabrikant ist am letzten Ende ge schädigt, weil cr durch gestiegene Arbeitslöhne sich den eingebildeten winzigen Verdienst noch genommen sieht. So bleibt dann, als Facit seiner selbstmörde rischen Concurrenz, nur — der Ruin der Branche, — das ist der Erfolg des Prinzips: Geschäfte machen um jeden Preis. Gekauft wurden: ausgeprägte Perl- und Cantillc- Artikel mit Band- und Litzen-Einzug, Schleifen rc. Stahlbesätze, Perl-Franzen-Dessins, hohlgeschnittene, seidegestickte Besätze mit Perlen (Wachsperle» und Schliff) und goldenen oder irisirten Metallfäden, seidene Stickereien mit Cantille-Effecten, sowie di verse kleinere Fayonsachen, alles Artikel, die wir schon bei unserem Musterbericht als hoffnungsvoll bezeichneten. Der verstorbene Commerzienrath Hirschberg, der Begründer der Firma M. Hirschberg L Co., hatte ein großes Verdienst um die Erschließung des spanischen Marktes für die Erzeugnisse der crzgebir- gischen Industrie-Artikel; namentlich werden platte wollene Cachemirtücher, gestickte Cachcmirumhänge, gestickte halbwollene Tücher, gestickte seidene Tülle und Maschinenstickereien aus baumwollenen Stoffen gern in Spanien gekauft. Seit dem 1. Februar 1892, wo die spanischen Zölle wesentlich erhöht wurden, ist die Ausfuhr dorthin derart erschwert, daß die Stickerei-Industrie den Ausfall merkt. Hoffent lich gelingt eS beim Abschlüsse eines neuen Handels vertrages mit Spanien, die erzgebirgische Stickerei- Industrie in gewünschter Weise zu berücksichtigen, damit ein Absatzgebiet erhalten bleibe, welches der voigtländischen Industrie nothwcndig ist. (schwarze, Weiße u. farbige) M. 1.SL bis 11.«L — glait, gestreift und gemustert — (ca. 32 versch. Qual.) versendet roden- und stückweise Porto- und zollfrei Ll. (A. u g. Hoslief.) LNrteti. Muster umgehend. Doppelte» Brief porto nach der Schweiz. Druck und Verlag von E. Hannebohn in Eibenstock.