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welchem er sie um einen Theil seines mütterlichen ErbthcilS ersuchte, kas nach ihrem Tode Jedem der drei Kinder zufiel. Er schrieb halb bittend, halb roll Trotz wie Jemand, der in seinem Recht zu sein glaubt und sich für übervortheilt hält. Hatte sie eS ihm verweigert, und war er nun ge kommen, um sie persönlich zu überreden? Warum aber kam er heimlich, schlich bei Nacht und Nebel in das väterliche Haus? — War er viel leicht schon mit der Jeee gekommen, im schlimmsten Fall zum Aeußersten zu schreiten, um seine bedrohte Existenz zu retten und das Vermögen zu erhalten, das nach seiner Mutter Tod ihm zufiel? — Oder war ihm der Gedanke erst später gekommen, als er den Zweck seines Kommens vereitelt sah? — Der älteste Sohn, Edgar, war stets der Liebling, Las „Mutterkind" im Hause der Dorwalls gewesen, der jüngere dagegen der schwarze Punkt, der wunde Fleck, von dem man um so mehr mit einer gewissen absichtlichen Ostentation sich lossagte, als man so am Besten zu beweisen glaubte, daß die DorwallS selbst da, wo es galt, in ihr eigenes Fleisch und Blut zu schneiden, bereit waren, des Hauses Ehre ein Opfer zu bringen. Und nun sollte der eigene Sohn entartet seine Hand erhoben haben zum Muttermord? Entsetzlich und unglaublich! Selbst wenn das Mutterherz sich ihm verschlossen um des starren Ehrbegriffes willen, konnte, durfte er deshalb in sündiger Verblendung die Hand auSstrccken nach dem, was man ihni verweigerte, indem er frevel haft das Leben tilgte, dem er selbst das Leben dankte? Unglaublich! Und doch — wer sonst konnte die That nach menschlichem Begriffsvermögen begangen haben? Wer? — Wer hatte einen Vortheil davon, wer auch nur ein Interesse daran? — Ein Jeder achtete und lieble die Frau, welche trotz ihrer Strenge es verstanden, Rechtlichkeit mit Weiblichkeit zu einen, ohne mit der Energie dcS Mannes auch seine äußere Selbstständigkeit in störender Weise sich anzumaßen. Rein, es war kein Grund vorhanden, um zu glauben, es habe irgend ein Glied des Hauses oder sonst Je- manv die frevelhafte Hand im Spiel gehabt. Sie Alle hatten ja aus mehr als einem Grunde Ursache, der klugen Leiterin des Hauses, die mit Allen gut stand, eine lange Wirksamkeit zu des Hauses Wohl und Bestem zu wünschen — sie Alle, außer einem — und dieser eine war der eigene Sohn! Leichtsinnig war Robert, hefiig auch, das wußte Jedermann. Er allein hatte ferner Ursache zur Un zufriedenheit mit seiner Mutter, in welcher er — und nicht mit Unrecht — die Seele der Opposition gegen seine Schwächen von Anfang an erblicken mußte. Und starb sie, dann hatte Niemand ein Recht mehr, ihm das streitig zu machen, was er begehrt: sein mütterliches Erbtheil, welche« Edgar, „daS Mutter- unv Mustersöhnchcn", wie er ihn verächtlich zu nennen pflegte, schon bei ihren Lebzeiten erhalten, welches Lilly jedenfalls bei ihrer Verheirathung nicht minder erhalten würde, und das man nur ihm vorenthielt, ihm, ihm allein! Wieviel Bitterkeit und Groll mochte sich wohl in dieser Menschenseele angesammelt haben, bi« sie reif geworden zu so schaubcrvoller That! Warum er sich nicht heimlich wiederum entfernt, nachdem die That vollbracht war? — Vielleicht war ihm bekannt, daß man ihn schon bemerkt, vielleicht auch hatte er noch irgend eine Absicht dabei — viel leicht auch galt eS, das Morphiumfläschchen zu be seitigen, das Terrain zu rekognosziren, vielleicht auch trieb ihn daS Gewissen oder jener verhängnißvoUe Zug, welcher zuweilen den Verbrecher mit unerklär licher Anziehungskraft in die Nähe seines Opfers oder des ThatorteS seines Verbrechens zurückzieht? — Genug! Enger und fester hatte die Schlinge sich um Robert Dorwall gezogen, bis kein Entkommen möglich schien — da hatte er sich durch die Flucht der irdischen Gerechtigkeit entzogen. Spurlos schien er verschwunden. Ob man ihm zur Flucht verhelfen, durch Rath und That, und wer sich in diesem Falle der Mit wissenschaft oder Unterstützung schuldig gemacht, blieb unaufgeklärt. Sicher war indessen, daß jedes einzelne Glied des Hauses ein gewisses Interesse daran haben mußte, den Thäter geborgen und in Sicherheit vor irdischer Gerechtigkeit zu wissen — Alle, bis herunter zu den Dienstboten, die meist im Hause Dorwall grau geworden waren oder schon seit Jahren sich dort befanden. Die einzelnen Fa nilienglieder hatten sich während dieser peinlichen Zeit der Verhöre genau so verhallen, wie man es Jedem gemäß seines Charakters und seiner Stellung in der Sache zutrauen mußte. Der olle Dorwall war wie ein Stamm, der sich plötzlich seiner Stütze beraubt sieht und nun erst ge wahrt, wie morsch und hinfällig er ohne diese ist; war auch freilich sein Verhalten keineswegs geeignet, einen günstigen Eindruck hervorzubringen, so brach doch die Haltlosigkeit irgenv eines Verdachtes gegen ihn, sowie der Mangel an ersicktlichen Motiven, jedem Argwohn von vornherein die Spitze ab. Aehnlich so verhielt es sich mit Edgar. Sein Benehmen war nicht ganz frei von einer gewissen Unsicherheit oder — wenn man will — Absichtlich keit, dennoch aber schienen auch bei ihm die Gründe hierfür ziemlich klar zu liegen. Offenbar wußte er mehr als er sagen konnte und wollte, um nicht neue Steine auf den Unseligen zu werfen, welcher die Hand an das Leben der eigenen Mutter gelegt und gegen welchen ohnehin schon Alles zeugte. Lilly Dorwall war noch ein sehr junges Mädchen, bisher noch nicht ohne Aufsicht aus dem Hause und in die Welt gekommen. Ihr Charakter war noch un entwickelt, ihr Urtheil noch nicht gebildet, sie stand noch ganz und voll unter der Wucht, dem Eindruck dcS harten Schlages, ressen ganze Schrecklichkeit und Tragweite man aufs Aengstlichste bemüht war, der zarten Knospe zu verbergen, über deren Lenz jetzt ohne hin der unbarmherzige Nachtfrost mitleidlos herein gebrochen. Und endlich Gertrud Rank, das Pflegekind des Hauses, ein Schützling der Frau Dorwall, welche dieser alles zu danken hatte, Ausbildung und Heimath, sie, welche der Lebenden zur Seite gestanden, die Kranke gepflegt, der Todten die Augen zugcdrückt, welche jetzt des Hauses guter Engel und Schutzgeist ist, die sich ebenso klug als taktvoll in den Verhören benommen, indem sie, ohne ihre Stellung im Hause und die Pflichten, welche Dankbarkeit und Anhäng lichkeit ihr auferlegten, zu vergessen, dennoch, ohne anzuklagen, soviel mit dazu beitrug, die Sache in das rechte Licht zu setzen — denn, ohne zu verdächtigen, war Alles doch klar, sehr klar gewesen, was sie, wenn auch nur andeutend, gesagt! Vielleicht war sich Niemand im ganzen Hause klar darüber, daß gerade trotzdem die Aussagen und Fingerzeige Gertruds es gewesen, welche vornehmlich dazu beigetragcn hatten, der Gerechtigkeit die rechte Spur zu weisen: Den Verdacht auf den Entflohenen zu lenken, den man, wiewohl vergeblich, jetzt verfolgte. V. Die Trauerkerzen am Katafalk von Maria Dor wall waren längst erloschen, ihr Sarg längst einge senkt in die stille, kühle Gruft, unv die Kränze auf ihrer letzten Schlummerstätte schon oft erneuert worden. Das Leben geht seinen Gang gleichgültig weiter — der Eine weint, der Andere lacht, und die Zeit bricht neue Rosen und findet neue Dorne». ES ist das alte Wechselspiel, so lang Blumen blühen und Menschen wandeln auf Erde». Auch im Hause Dorwall ging Alles seinen Weg ruhig weiter — scheinbar wenigstens — voch es war ein anderer Weg geworden, ein sehr anderer. Wo solche Stürme geweht, findet die Lippe nicht so leicht ein Lächeln wieder, wenigstens nicht eins, das aus dem Herzen kommt. Es war an einem schönen, klaren Herbsttag, einige Wochen nach dem Tode der Frau Dorwall, als Lilly und Gertrud sich im Park befanden, und zwar in dessen mehr gartenartig gehaltenem Theil, wo noch verspätete Blumen blühten, um die letzten Rosen des Jahres zum-Kran; für ein Iheures Grab zu winden. Lilly fügte, unter einer Kastaniengruppe sitzend, die Blumen aneinander, während Gertrud sie abschnitt und ihr reichte. Welch' ein Gegensatz zwischen diesen beiden zarten Mädchengestalten, beide in tiefe Trauergewänder ge kleidet, Lilly klein und knospenhaft lieblich, rosig und kindlich wie eine feine Maicnblüthe, die im ersten Werden begriffen und jetzt wie leicht geneigt durch den ersten, rauhen Sturmwind, der das zarte Köpf chen gestreift — Gertrud viel größer, ernsthafter, nicht nur weil sie älter, sondern weil sie viel gereif ter durch bewußtes Fühlen und Denken ihr Leben lang — nicht so lieblich und bestechend, aber dauernd fesselnd. (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Wilde Stürme haben in den letzten Tagen im atlantischen Ocean, der Nord- und Ostsee gcwüthet. An der Küste von Neufundland wurde der mit Vieh beladene große Dampfer „City of Rome" gegen die Felsen geworfen. Alles versank, Mannschaft, Passa giere, ungefähr 50 an der Zahl; nur ein Mann ent kam und brachte die Schreckensnachricht nach Trepassy. Auf dem hohen Meere wurden die Dampfer der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Gesellschaft „Au gusta Victoria" und „Unibria" von dein Wetter über rascht. Der Sturmwind heulte, die See ging hoch und die mächtigen Schiffe tanzten wie Nußschalen auf dem Wasserspiegel. Auf der „Umbria" rührte eine Frau vor Schreck der Schlag, ein junges Mäd chen fiel vor Angst in Wahnsinn; der Ingenieur wurde gegen die Fenerthür geschleudert und ver brannte sich schwer. Die „Augusta Victoria" wurde so hin- und hergeschlcudert, daß die Spitze tief ins Wasser tauchte und hoch oben in der Luft die Doppel schrauben wirbelten. Am schlimmsten erging cs den Zwischendeck Passagieren; sic wurden fast alle mehr oder minder schwer verletzt. An zehn Personen wurden Arme und Beine gebrochen. — Während bei uns der Herbst bis jetzt ein ungewöhnlich sonniges Antlitz zeigt, ist im Siidosten Europas der Winter bereits mit großer Strenge auf getreten. An der Nordkllste des Schwarzen Meeres wehen schon seit einer Woche die heftigsten Schnee stürme. In der Dobrudscha hatte man mehrere Nächte hintereinander empfindliche Fröste. Die Pässe des Balkans sollen schon seit einigen Tagen, in Folge der herniedergegangenen Schneemassen, unpassirbar sein, und in der Nacht zum Sonnabend fiel selbst ain Bos porus so viel Schnee, daß am Morgen die Höhenzüge auf beiden Seiten der Meerenge einer nordischen Winterlandschaft glichen. — Von einer Kreuzotter gebissen wurde dieser Tage ein Bauer in Hainstetten bei Augs burg. Er entdeckte das Thier beim Heuen und hieb es in zwei Stücke. Am anderen Tage fand er es anscheinend leblos an demselben Platze vor. Obwohl gewarnt, hob er den Kopftheil auf. Sofort erhielt er einen Biß in die Hand. Bald schwollen Arm und Brust hoch auf und nahmen eine schwärzliche Färbung an. Noch heute schwebt der Mann in Lebens gefahr. — Ein polnischer Bauer — so wird uns aus der Provinz Posen geschrieben — kam eines schönen Tages zum Lehrer und fragte ihn, ob er pol nischen Privatunterricht ertheilen ivolle. Der Lehrer war bereit und forderte, nach dem Kostenpunkte ge fragt, für die Stunde I,»o Akk. Das war dem Bauer zu theuer und der Unterricht unterblieb. Nach einiger Zeit ersuchte derselbe Lehrer einen anderen Bauer, ihm das Dienstland zu bestellen. Der Bauer war dazu bereit, verlangte aber für die Stunde Arbeit Mark. Als der Lehrer fragte, warum es nicht bei dem bisherigen Preise bleibe, erklärte der Bauer höhnisch, „der Herr Lehrer habe ja selbst den Preis für die Stunde Arbeit festgesetzt." Die Folge davon ist, daß der betreffende Lehrer in diesem Herbste noch keinen Roggen gesäet hat. Die Bauern des Dorfes haben übrigens beschlossen, an dem Preise von I,s« Mk. für die Stunde Arbeit dem Lehrer gegenüber fest zuhalten, sei es betreffs der Fuhrwerke zur Stadt, der Feldarbeit oder anderweiter demselben bisher ge währter Hilfsleistungen. — Eine eigenartige Gerichtsszene spielte sich am Montag in Eberswalde auf dem Schöffenge richte ab. In einer Anklagesache wurde dortselbst der Arbeiter Bacher als Zeuge vernommen und zuvor von dem Amtsgerichtsrath Schröder vereidigt. Der Mann sprach nun die Eidesformel mit so lauter Stimme nach, daß der Vorsitzende ihn ermahnen mußte, sich zu mäßigen, wodurch sich nunmehr die Eidesabnahme wie folgt gestaltete: Vorsitzender: „Heben Sie die rechte Hand in die Höhe und sprechen Sie mir die Worte des Eides nach: „Ich schwöre zu Gott," — Zeuge (mit starker Stimme): „Ich schwöre zu Gott," — Vorsitzender: „dem Allmächtigen und Allwissenden," — Zeuge (noch viel lauter schreiend): „dem Allmächtigen und Allwissenden" — Vorsitzender (leise dazwischen rufend): Schreien Sie doch nicht so!" — Zeuge (brüllend): „Schreien Sie doch nicht so!" — Der Vorsitzende verzichtete hierauf auf die weitere Vereidigung des Mannes, weil derselbe anscheinend so beschränkt war, daß er die Bedeutung des Eides gar nicht zu erfassen im Stande war. — Schmeichelhafter Vergleich. Soubrette: „Nachdem ich die weite Reise hierher gemacht und einige Male ohne Mißerfolge aufgetreten bin, kün digen Sie mir schon wieder! Fülle ich denn meinen Platz nicht aus? — Theaterdirektor: „O ja — es geht Ihnen jedoch, wie dem alten Kachelofen da, der füllt auch seinen Platz aus — aber er zieht nicht!" — Sympathie. Herr (zu einer Dame,, der er beim Tragen von Paketche» behilflich ist): IGeben Sie mir noch etwas — ich habe noch eine Hand frei!" — Dame (freudig erregt): „O, meine Hand ist auch noch frei!" — Gast: „Sie Kellnerin, zum sechsten und letzten Mal, mein SchweinSzüngerl möcht' ich endlich!" — Kellnerin: „Herrschaft, lassen S' mi' ans; wenn'S ferti' is, bring' i's. — Ihr SchweinSzüngerl wachst mir schon zum Hals 'raus!" — Dame: Finden Sie es nicht lächerlich, soviel auf die Geburt zu geben? — Herr: Gar nicht, die selbe ist zum Dasein unentbehrlich. — Schadet nichts! „ Aber Kellner, Sie tauchen ja den Damen in die Suppe!" — „Schadet nichts, die ist ja nicht heiß!" Standesamtliche Nachrichten von Eibenstock vom 14. bis mit 20. October 1881. Geboren: 273) Dem Hausmann Friedrich Richard Ludwig hier I T. 274) Dem Maschinensticker Gustav Louis Strobelt hier 1 S. 276) Den, Fabrikarbeiter Eugen Schmalfuß hier I S. 277) Den: Schlosser Ernst Adolf Richard Bauer hier I T. 278) Dem Sattlermeister Ernst Bernhard Rau hier I S. Hierüber: 276) I uneheliche Geburt. Aufgeboten: Vnoat. Eheschließungen: 61) Der Postunterbeaptte Paul Theodor Unger in Chennntz mit der Margaretha Johanna Christiana Franz hier. Gestorben: 219) Des Mafchinenstickers Ernst Louis Heh- mann hier Sohn, Fritz, 8 M. 13 T. 220) Des Hausmanns Karl August Siegel hier T., Anna Johanne, I I. 9 M. 23 T. 221) Der Maurer und Handarbeiter Adolph Emil Stemmler hier, ein Ehemann, 32 I. 8 R. 16 T.