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ist am Sonnabend Abend der vortragende Rath des landwirthschastlichen Ministeriums, Geh. Rath Itn. Thiel, in einem im Berliner Handwerkervercin ge haltenen Bortrage eingetreten. Nach seinen Ausführ ungen würde unser Vaterland durch diese Verwendung unter Zugrundelegung der heutigen Preise 50 Millionen Mark im Jahre ersparen, ohne daß der Mhrwcrth unserer Brodnahrung dadurch herabgesetzt würde. Schon seit längerer Zeit kann unser Vaterland den Bedarf an Roggen und Weizen nicht mehr selbst decken, sondern muß des Roggen« und des Weizens einführen. Die Ursache dieser Erscheinung liegt in der Vermehrung der Bevölkerung und in den höheren Ansprüchen an die Lebenshaltung, die zugleich einen stärkeren Getreideverbrauch für industrielle Zwecke bedingt haben. Wenn der Ersatz dieses Mankos durch eine andere Brotfrucht bisher nicht ernstlich in Erwägung genommen war, so lag dies einmal an der allmählichen Entwicklung dieses Mankos, daun aber auch daran, daß der Mensch in keinem Dinge so kon servativ ist, wie in seiner gewohnten Ernährung. Erst die Nothlage dieses Jahres hat den Blick aus den Mais gelenkt, der in Nordamerika das Getreide znu- oxcwlleueo darstellt und in Italien und Ungarn fast die ausschließliche Nahrung weiter Kreise bildet. Der Mais ist in Norddeutschland wenig angebaut, weil er hier nicht reif wird. Auch für Süddeutschland ist der Anbau des Maises nicht lohnend, immerhin wird er dort vielfach al« Viehfutter gebaut. Daß der Mais die für den Menschen nöthigen Nährstoffe bietet, ist unbestreitbar; er ist fast ebensoviel wcrth, wie Roggen und Weizen, ist aber dem Marktpreis nach V4 billiger. Mit diesen Nahrungsmittel» hat der Mais auch das übereiu, daß er sich auf einfachste Weise verarbeiten läßt. Fraglich ist nur, ob unser durch Jahrtausende verwöhnter Geschmack sich ohne weiteres an die Maisspeise gewöhnen dürfte. Es ist für uns aber auch gar nicht uoihweudig, zu reiner Maisdiät überzugehen. Es handelt sich ja nur um Ersatz deö fehlenden Getreides, und für diesen Zweck genügt es, das Maismehl in kleinen Mengen unser» bisherigen Brodfrüchten zuzusetzen. — Der Redner verwies zum «chluß noch auf den politischen Gesichts punkt; wir würden die russische Grenzsperre nicht besser beantworten können, als daß wir in Zukunft den Mehrbetrag an Brodfrüchten mit Mais decken. — Oesterreich-Ungarn. Die böhmische Lan des-Ausstellung in Prag wurde am Sonntag unter begeisterten Kundgebungen für den Kaiser und das Kaiserliche Haus, welche sich namentlich während der Schlußrede des Oberstlandmarschalls wiederholten, geschlossen. Bor der offiziellen Schlußfeier war der Statthalter, Graf von Thun und Hohenstein, der Gegenstand glänzender Ovationen seitens des Publi kums und der Aussteller. Nach Schluß der Aus stellung kamen wieder Exzesse des Pöbels vor. Auf dem Ausstellungsplatzc verlangten die Massen von der konzertirenden Militärkapelle das Aufspielen nationaler Lieder; als dies der Kapellmeister verweigerte, wurde gepfiffen. Hierauf rückte die Kapelle ab, von Schmährufen des Pöbels verfolgt. Der Pöbel ließ sodann seinen Muthwillen unter Pereatrufen vor dem deutschen Theater und dem deutschen Handwerkerverein aus, in der Nähe des letzteren wurden die Scheiben einer Gaslaterne eingeworfen. Sechs Tumultuanten wurden verhaftet. Locale und sächsische Nachrichten. — Schönheide, 20. Oktober. Ein beklagenS- werther Unfall, welcher wieder einmal zeigt, welche Gefahr cs mit sich bringen kann, wenn man kleinere Kinder allein und unbeaufsichtigt im Hause läßt, hat sich am vergangenen Montag Nachmittag hier ereignet. Der Zimmermann Tuchscherer auf dem Webers berge war mit seiner Frau in den Wald gegangen, während drei kleine Kinder allein zu Hause zurück blieben. In der vierten Stunde ging in dem Hause plötzlich Feuer auf, welches mit solcher Schnelligkeit überhand nahm, daß ans Löschen gar nicht zu denken war. Das Hau« brannte in kurzer Zeit vollständig nieder, und von dem Mobiliar konnte fast gar nichts gerettet werden. Auch einige Schock Getreide, die auf dem Boden des Hauses untergebracht waren, sind ein Raub der Flammen geworden. Der erlittene Ver lust trifft die bedauernswerthe Familie, da nicht ver sichert ist, in seiner vollen, fürchterlichen Schwere. Da« Schlimmste ist jedoch von den Unglücklichen noch abgewendet worden. Eins von den im Hause befind lichen Kindern, welches in einer oberen Kammer schlief, war nämlich dem Flammentode so nahe, daß es nur mit eigener Lebensgefahr aus dem brennenden Hause noch herausgcholt werden konnte. Zur Zeit des Feuers herrschte hier ein ziemlich heftiger Sturm, welcher beinahe die Ursache geworden wäre, daß sich das Feuer auch weiter verbreitet hätte. Nach der in einer Entfernung von mindestens 100 Metern gelegenen Pechstein'schcn Restauration wurden näm lich solche Feuerbündcl getragen, daß das Dach dieses Hauses schon zu brennen angefangen hatte und nur mit Mühe wieder gelöscht werden konnte. Die Rettungs arbeiten der Feuerwehr wurden sowohl durch den Sturm als auch dadurch außerordentlich erschwert, daß es in der Umgebung kein Wasser gab. — Dresden. Der hiesige Meerretlig-, Zwiebel- und Gemüsemarkt auf dem Kaiser« Wilhelmplatz ist diesmal unter ganz abnormen Ver hältnissen verlaufen. Während nämlich Meerretlig in nur sehr geringfügigen Mengen und zwar zusammen höchstens mit 2300 Centnern vorhanden war und auch die Zufnhr in Zwiebeln mit etwa 650 Schock Reihen oder Zöpfen eine wesentlich schwächere blieb als andere Jahre, hatte man Sellerie, Möhren rc., sowie namentlich rothe und weiße Krauthänptcben in erheblichen Mengen anfgestapelt. Die vorwiegend regnerische Witterung der heurigen Sommermonate mit dem Mangel an warmen Nächten war dem WachSthum des im Gebiet de« Spreewaldes ange bauten MeerretligS, der seit mehreren Jahren schon auch in Oesterreich, so namentlich in Wien und Prag, mit Vorliebe konsumirt wird, sehr wenig günstig, und da die Ernte im Gebiet von Burg, Boblitz, Klein- Beucha, Krimmititz, Zirkwitz rc., vor allen Dingen aber auf den Fluren um Lübbenau viel zu wünschen übrig ließ, so haben die Preise recht bedeutend «»gezogen. Auf dem hiesigen Markte erzielten starke Stangen diesmal 12 bis 14 M., mittlere 5 bis 10 M., und schwache 2 bis 5 M. pro Schock (vor'm Jahre kosteten dieselben Sorten 4 bis 5, 2 bis 2'/^ und 1 bis 1'/? M. pro Schock), während im Einzelverkauf die Stangen, je nach Größe und Güte, 5 bis 40 Pfg. pro Stück galten. Die gute Daucrwaare von Zwiebeln, wie sic auf den Fluren von Merzdorf, Raden, Frauen hain, SeifcrtSmühl rc. gebaut wird, kostete Heuer 20 bis 21 M. pro Schock der Reihen oder Zöpfe, während ein zelne Zöpe für 35 bis 40 Pfg. zu haben waren. Recht billig dagegen stellten sich Krauthänptchcn, Sellerieknol len, Möhren rc., die Heuer im Spreewald bestens gediehen sind. Sellerie wich pro Schock von 5 bis 6 M. auf durchschnittlich 4 M., und Möhren wurden pro Centner zu 2,so bis 3 M. abgegeben, während das Schock Krauthäuptchen 4 bis 4'/z M. kostete. Auch Kürbisfe rc. wurden recht billig abgegeben. — Niedersedlitz. Endlich dürfte es den Be mühungen der Gendarmerie gelungen sein, und zwar hier, den schamlosen Menschen festzunehmen, der schon seit längerer Zeil in der Umgegend von Dresden sein Wesen treibt, indem er beim Herannahen von allein gehenden Frauen und Mädchen sich schamlos entblößt, oder bei Aufschlagen eines Mantels durch einen ent sprechenden Tricotanzug einen derartigen unsittlichen Anblick bietet, um lediglich zu erschrecken und sich dann seitwärts in die Büsche zu schlagen. Man wird sich noch mehrfacher solcher Fälle au« Loschwitz, Blase witz, Klotzsche, der Lößnitz, der Dresdner Haide und anderen Orten erinnern. Der Verhaftete heißt Engel mann, ist 21 Jahre alt, aus Dobritz gebürtig, zuletzt aber in Dresden wohnhaft gewesen. — Chemnitz. Ein entsetzlicher Anblick bot sich Dienstag Vormittag auf dem hiesigen Bahnhof. Der 8 Uhr 45 Min. von Dresden abgegangene Schnell zug war eben angelangt und es wurden noch einige Wagen angeschoben. Hierbei glitt der Rangirer Pöhl von einem Wagen ab und kam unter die Räder. Dem Unglücklichen wurden beide Beine abgefahren und zwar so radikal, daß der Körper innerhalb des Geleises lag, die Beine aber außerhalb desselben. Der erst seil einem Jahre verheirathete Mann lebte noch. — Reichenbach. Als eine Merkwürdigkeit und wohl selten vorkommende Erscheinung ist der in einem Hause der inneren Stadt Hierselbst beobachtete Fall zu bezeichnen, daß während all seine Genossen und Genossinnen längst nach dem wärmeren Süden davon gezogen sind und die weite Reise über die Meere bereits hinter sich haben, ein trautes Schwal benpaar hier zurückgeblieben ist und Winterquartier hier halten will. Die Thierchen haben sich in den Wohnräumen ihres gastfreundlichen HauswirthS hei misch niedergelassen und nehmen dort mit seltener Zutraulichkeit das ihnen gereichte Futter an. Die Liebe zur Geburtsstätte scheint alle Bedenken und auch den Wandertrieb in ihnen überwunden zu haben. Da Aussicht ist, diese Thiere glücklich durchzuwintern, so werden sie, „wenn die Schwalben wieder kommen über'S Jahr", ihren Genossen gar Manches erzählen können von Gastfreundschaft und von den Unbilden des nordischen Winter«. — Riesa. Aus dem Transport nach Hamburg kam dieser Tage auf dem Elbstrom die erste dies jährige Karpfenprahme hier durch. Die Karpfen stammen au« Böhmen und werden in großen durch löcherten Holzkästen nach Hamburg befördert. Die Holzkästen sind sämmtlich aus neuen Brettern zu- sammengcnagelt und hängen unter dem Langholz, das Langholz ist mit Brettern bedeckt und mit Tritt leisten versehen. Wenn man nun nach Hamburg kommt, dann bringt inan gleich dreierlei zum Ver kauf, nämlich die Fische, die Bretter und die aus Langholz bestehende Prahme. Die aus der Prahme befindlichen Leute sind oft 8 bis 10 Tage unterwegs und schlafen des Nachts in einer Holzbude auf dem Floße. — Wurzen. Ein eigenartiger Streik dürfte in unserer Stadt eintreten. Die hiesigen Wirlhe, bezw. Saalinhabcr haben sich bei einer Strafe von 500 M. für jeden ZuwiderhandlungSsall durch einen notariellen Vertrag gegenseitig verpflichtet, da- Bier in den Sälen von jetzt ab anstatt in Gläsern von z/,g Liter nur in solcben von Liter zu ver abfolgen, und zwar zu rem bisherigen Preise. Die Vereine unserer Stadt wollen sich dies nicht bieten lassen und sind gegen da« Vorgehen ter betreffenden Wirthe aufgebracht. Am 18. Oktober waren die Vorsteher der hiesigen Vereine beisammen und be schlossen einstimmig, die Wirthe zu ersuchen, das ge schlossene Kartell aufzuheben, widrigenfalls die Vereins vergnügungen dis auf Weiteres sämmtlich eingestellt werden würden. -- Lichtenwal.de. Vor etwa 8 Tagen wurde dem hiesigen Restaurateur u. Fleischermeister Fischer au« der Ladenkaffe ein Zehnmarkstück gestohlen. Ob wohl derselbe das Fehlen de« Geldes bemerkt hatte, vermutheie er doch nicht, daß dieses entwendet worden war, bi« er in diesen Tagen eine Einzahlung von 9 Mark 70 Pf. aus Frankenberg erhielt. In einem gleichzeitig eingetroffenen Briefe gestand ein Unge nannter reumllthig, er habe das Geldstück wegge nommen, sende den entwendeten Betrag nacb Abzug des Porto jedoch wieder zurück, da sein Gewissen ihm keine Ruhe lasse. — Zschorlau, 20. Oktbr. Gestern Abend ist hier ein beklagenSwerthes Unglück vorgekommen. Kur; vor 7 Uhr kam das Geschirr dcS Hrn. Baumeisters Wild aus Aue die Straße von Albcrnau herein gefahren, als plötzlich das Pferd durch irgend einen Gegenstand scheu gemacht, in rasendem Galopp durch ging. Bei der Scheune des Schmidt'schen Gasthofes stürzte der Wagen nm, und wurden die Trümmer desselben von dem Pferde noch etwa 100 Schritte weiter geschleift. Die Insassen waren bei dem An prall sämmtlich herausgeschleudert worden. Hr. Fa brikant Hutschenreuker erhielt nur leichte Verletzungen. Hr. Schnittwaarenhändler Buchwalv wurde schwer verletzt in den Gasthof getragen, wäbrend Hr. Bau meister Wild leider tovt aufgehobeu wurde. — In der Nacht zum Montag brannte in Hart mannsdorf das dem Schankwirth und Tauben händler Paul gehörige Haus nieder. Dasselbe ge hörte noch zu jenen alten immer seltener werdenden Gebäude», welche sogenannte Bohlenwände haben. Aus vergangener Zeit — kür unsere Zeit. 22. October. olaLdruck r--rdorei>. Der 22. October dieses Jahres ist der 80. Geburtstag des vor 5 Jahren verstorbenen berühmtesten Klavier-Virtuosen und Componisten Franz Liszt, des begeisterten Anhängers und Vorkämpfers Richard Wagners, der eine Tochter Liszts, die noch lebende Frau Cofina, zur Frau hatte. Die Konzerte Liszts in Paris, Italien, Oesterreich, Rußland, Schweden, Spanien, Ungarn und Deutschland glichen einem Siegeszuge. Die Compositionen Liszts gehören, soweit sie seine erste Schafscnsperiode anlangen, zu den Perlen der Klaviermusik, setzen meist ein sehr bedeutendes Können voraus, da er dies Instrument in orchestraler Weise vcrwerthet und werden nach wie vor stark gespielt. Die Programmmusik des Meisters wird heute noch nicht genügend gewürdigt; diese imposanten Orchester- und Chorwerke werden sich erst im Laufe der Jahre, vielleicht erst der Jahrzehnte, Bahn brechen. 23. October. Am 23. October 1862 erklärte eine provisorische Regierung in Griechenland den König Otto von Griechenland für abgesetzt. Selten ist Wohl eine Revolution unblutiger in's Werk gesetzt, selten eine Neuordnung der Dinge mit weniger Gewalt durch- gcsührt worden. König Otto, aus dem bayrischen Königshause stammend und seit 30 Jahren König von Griechenland, war von Natur viel zu gutmüthig veranlagt, als daß er mit Strenge hätte vorgehen mögen, obwohl das bei orientalischen Zuständen oft recht nöthig gewesen wäre. Auch hatte der allen Aben teuern abholde Fürst keine Neigung sür die griechischen Pläne eines Weltreiches im Orient und das Volk wußte eine fried liebende Regierung nicht so zu würdigen, als kriegerische, selbst nutzlose Thaten, die der König verschmähte. So kam es denn, während der König auf einer Rundreise im Pelopponnes war, zu einem Ausstande und die Thronentsetzung Ottos ward aus gesprochen. Der König gab auf den Rath der Gesandten den Gedanken eines Widerstandes auf, er richtete in Salamis eine Proklamation an das Volk und bestieg ein englisches Schiff, um nicht wieder zu kehren. Diese Lösung des Confliktes war jedenfalls für alle Theile die beste und wurde die geschehene Umwälzung auch von den europäischen Mächten als vollendete Thatsache hingenommen. Bis ans schlimme Ziel. Kriminal-Novelle von K. Reichner. (4. Fortsetzung.) Als man ihn vernehmen wollte, suchte man ihn vergeblich: er war verschwunden, ohne Spur, so schnell als er gekommen. Und gerade dieses heimliche Er scheinen und diese heimliche Entfernung sprachen als ernste Zeugen gegen ihn. Der alte Gärtner hatte ihn am Abend vor dem Tode der Frau Dorwall in der Dunkelheit beim Hause hcrumschleichen gesehen, die Wärterin hatte, als sie aus der Küche, wo sie et was zum Bedarf der Kranken holte, zurückgekehrt, einen ihr fremden Mann das Krankenzimmer verlassen gesehen, welcher sein Gesicht vor ihr im Schatten zu bergen trachtete. Sogar Edgar schien den Bruder gesehen zu haben; wenigstens war es bemerkenswerth, wie er dem Thema auswich, offenbar um nichts Gra- virendeS hervorzubringen. Dunkel waren zwar die Fäden und verworren, aber dennoch alle auf einen Punkt zulaufend. DaS Schlimmste aber, außer der geheimnißvollen Ankunft und eben solchen Flucht war ein Beweisstück, da« in des Assessors Hände gelangte, ohne daß man wußte, wie er eS erhalten, durch wessen Eingriff oder Uebermittelung: cS war ein Brief in drohendem Tone von Robert Dorwall an seine Mutter gerichtet, in