Volltext Seite (XML)
toeli wen >kähtische^ solidester Mal. US den 18. ier. 1 Uhr an det ein Wl. ontag, al» L68 Bieren, > Kaffer len werde ht freund- piivr. mer. . 4 Uhr an kert. m. 4 Uhr an 's». el freunk- crel». >on 6 Uhr e Sülze ttere ff. ^8. 4 Uhr an stk, LUS. 4 Uhr an »rckt. It als Ex- von Carl Beilage ;u Ar. 123 des „Amts- und Anjeigtblattes". Eibcnstolk, den 17. Oktober Ml. Jrrthümer. Roman von Karl Ed. Klopfer. flv. Fortsetzung.) Endlich schienen sämmtliche Flüchtlinge gerettet. Die letzten Herabspringenden wurden in Sprung tüchern aufgefangcn, im Vestibül hatte sich die Reihe der Herausstürmcnden gelichtet. Da mau ja vou der Anzahl der bereits in wenigen Minuten Geflohe nen keinen auch nur annähernden Begriff haben konnte, mußte man den flüchtigen, im Borbeircnncn hinge- worsenen Worten, daß Alle herans seien, Glauben schenken und aunehmen, daß wirklich „Alle gerettet" waren, wie von der Polizei versichert wurde. Die Zuschauermengc auf der Straße athmete auf ob dieser erfreulichen Nachricht, aber einige Zweifler erinnerten an die Galerien, au die unpraktischen Aus gänge und streuten neue Furcht in die erregten Gcmüther. Ein paar Nachzügler, welche die Treppe herabstürzten, riefen, oben wären Hunderte dem Flammentode prcisgegeben und schrieen Hilfe für die Unglücklichen. Mehrere Beherzte, darnnter eine Abtheilung der inzwischen zu einer kleinen Armee an gewachsenen Feuerwehrleute stürmten hinein, die Reihen des Publikums und der Polizeiwache, die gegen eine unnöthige Beunruhigung protestiren wollte, fast mit Gewalt durchbrechend. Inzwischen stiegen die ersten züngelnden Flammen aus dem Dach des Theatcrgebäudcö empor, dcneu andere in stets sich mindernden Zwischenräumen folgten. Bald flammten ganze Fenergarben auf und ein dichter Funkenregen siel herab. Die Fenster sprangen, aus alle Oeffnungen züngel ten die gierigen Flammen, sich in ihrem alle Farben spielenden Schimmer mit den aus dem Dache empor- sausenden Feuersäulcu zu einem gigantischen, entsetz lichschönen Feuerwerke vereinigend. Während die Menge noch in schaudernder Be wunderung des schrecklichen Schauspiels staud, stürzte ein Maun niit geschwärztem Gesicht, zerfetzten Kleidern, in bloßen Strümpfen ins Vestibül herunter. Wahn sinnig schrill ertönte sein Schreien, mit gerungenen Händen rannte er die Stufen bis zur Straße hinab. Hier wurde er aufgehaltcu, von allen Seiten drängte man sich mit bangen Fragen an ihn. In abgerissenen Sätzen, unterbrochen durch sein eigenes Schluchzen und die Schmerzensrufc seiner ihn fast erdrückenden Zuhörer, stammelte der Ivie durch ein Wunder Gerettete seine Erzählung hervor. Er war einer der Insassen der vierten Galerie. Kurz vor Beginn der Vorstellung, die Musiker sammel ten sich bereits im Orchester und das Audidorium war schon zu fünf Sechsteln vollständig, wurde auf der Bühne eine lärmende Unruhe hörbar. Der Vor hang bauschte sich, wie durch einen mächtigen Sturm herausgcdrückt, nach dem Parterre hinaus. Im selben Moment flog er auch schon als verkohlte Fahne des Todes, weithin seine brennenden Fetzen schleudernd, ins Pnblikum. Ein einziger wilder Aufschrei namenlosesten Ent setzens gellte auf — die Bühne schien ein einziges wogendes Feuermcer, das seine furchtbaren Wellen in den Zuschauerranm ergoß. Im nächsten Moment drängte Alles hinans. Die Rufe zur Ordnung seitens einiger weniger Besonnenen verhallten ungchört in dem allgemeinen wüsten Trubel, wo der rasende Selbsterhaltungstrieb jeden Einzelnen zur heulenden Hyäne machte. Er barmungslos ging cs über die Körper der Gefallenen hinweg, erbarmungslos rissen sich die Hinausdrängcn- dcn gegenseitig zurück. Da galt kein Band der riebe, der Verwandtschaft, der Freundschaft mehr. „'Nur hinaus um jeden Preis!" war die allgemeine Losung, der Jeder ge horchte. Da, als noch kaum die ersten Glücklichen die AnsgangSthürcn erreicht hatten, verlöschte mit einem Mal das Gaslicht. Ein Wuth- und Wehcgeschrci rang sich aus dem Knäuel der Hinausstrebcndcu, die stockdunkle Nacht umgab, welche nur dann und wann aufgchcllt wurde, wenn die gierig fressenden Flammen um und über sic hüpftcn. Jetzt schic» Allcs vcrlorcn; dic plötzlich hercin- brcchende Fmstcrniß hattc Jcdcm schwarze Verzweif lung ins Herz gesenkt. Mau gehorcht nur noch dem thicrischcn Triebe, der Jeden vorwärts stieß. Daö Treiben trug jetzt daö Gepräge eines allgemein ge wordenen Wahnsinnes. Die Wenigen, die sich von der vierten Galerie retten konnten, tappten in der sic umgebenden tröst losen Dunkelheit die Treppe hinab. Aber schon im unteren Stockwerke, wo sic mit den Leuten der dritten Galerie znsammcntrafen, trat eine beängstigende Stock ung ein. Dies wiederholte sich in jeder Etage, die zu passircn war, wobei sich der Umstand, daß stimmt - licht Galerien in ein Stiegenhaus mündeten und sogar das Parterre nach der Bauart des Theaters eigentlich im ersten Stockwerk lag, als eilt sehr ver- hängnißvoller erwies. Die Hintcndrängenden, die durch die Augst, dic Finsteruiß, den ohren- und herzzerreißenden Lärm be täubt, die unaufhörlichen Stockungen in dem Menschen strom nicht begreifen konnten, preßten nach vorwärts. Im 'Nu hatte sich die Masse vorgeschoben. Umsonst waren die Warnungsschreie der in den ersten Reihen Stehenden, die sich in dem Labyrinth des Treppenhauses nur mit Aufwand aller Vorsicht zurechtfinden konnten. Die nachdrängcude Menge konnte nicht zurückge- haltcn werden, und als vollends die Streichhölzer und Wachszündhölzcheu, dic Einige angcsteckt hatten, in der drückenden Atmosphäre erloschen, war der Unter gang der Unglücklichen besiegelt. Von den Hintermännern vorgestoßcn, stürzten die Vorderen auf die Treppe, und nun war daö Loos derjenigen, die oben auf der Galerie zurückgeblieben waren, noch bencidenswerth gegen das der hier Ucber- einanderstürzenden und -kollernden, denn jene fanden wenigstens, wenn sie nicht an der Thürc zerquetscht wurde», durch deu erstickenden Rauch eineu mehr oder minder raschen Tod, aber die Unglückseligen auf der Treppe, sie sollten unter den Tritten und den fallenden Leibern der über sic Hinwegstrebcnden einen Tod finden, dessen Qnalen auszumalen keine Phantasie raffinirt genug sein kann. Der Mann, fast der Einzige, der, als der Letzte in der Reihe der über die Treppen Flüchtenden, daö Glück gehabt, sich zu retten, versicherte, daß die Leichen, über die er hinwcgsticg, so hoch aufgeschichtct lagen, daß er sich bücken mußte, um nicht an die Decke anzustoßcn. Sormann, der sich mit Anderen an den Erzähler dieser furchtbaren Thatsachcn hcrangcdrängt hatte, erkannte in ihm einen aus jener gemischten Gesell schaft, die noch vor kaum mehr als einer Stunde dicht neben ihm in dem Kaffcehause gezecht und ge lärmt hatte. Er wußte, daß Robert gerade mit diesem angelegentlich gesprochen habe. Fiebernden Antlitzes beugte er sich zu dem halb ohnmächtig Znrückgesnnkencn nieder und rüttelte ihn am Arme. . „Kennen Sie Herrn Reinert, den Elaqueur? Der Andere stierte ihn an und nickte mit dem Kopfe. „Ist er gerettet?" kam es fast heulend ans Sor- manns Brust. „Er war auf der letzten Galerie? Ja, ja, ich hab' ihn ja selbst noch dort oben begrüßt. Run, Sic können gewiß sein, der lebt nicht mehr!" Sormann fühlte einen brennenden Stich in der Brust. Ein solch' entsetzliches Ende hatte der Sohn seines Wohlthätcrs, der Freund, den er verrathcn wollte, gefnndcn! Er war so erschüttert, er hatte gnte Lust, seine eigenen Vergehen, seinen Frevel an dem Jugcndgcnosscn laut hinauszuschreien und sich selbst anznklagcu. Aber aus seiner Kehle rang sich nur das Schluchzen, das auch rings um ihn her laut wurde. Im Vestibül erschienen jetzt einige Männer, die zwei Feuerwehrleute die Treppe herab trugen. Brachten sie da schon die ersten Leichen? Nein, es waren nur ohnmächtige Löschmänner, die der Anblick des am Eingänge zur vierten Galerie sich ihnen darbietcnden Schauspiels besinnungslos gemacht hatte. Andere, standhaftere stürmten todtcnblcich herab und schrien nach Trägern und Bahren. Was sie von oben berichteten, machte das Blut in jeder Ader ge rinnen. Eine Viertelstunde später wurden die ersten Leichen herausgcschaft, denen bald mit erschrecklicher Schnellig keit andere nachfolgten. Die meisten dieser Tobten waren verkohlt und bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Im Hofe der zwei Häuser neben dem Ringtheater gelegenen Volizcidirektion, wo die Leichen für dic erste 'Nacht nntergebracht oder vielmehr wie Holz auf einan der geschichtet wurden, war eine besondere Ecke für Un masse von abgerissenen Gliedmaßen und buchstäblich abgcquetschtcu Rumpfthcilcn der Verunglückten rcscrvirt. Indessen herrschte in der Menge auf der Straße ein herzzerreißendes Wehklagen. Hier sammelten sich dic Geretteten, die ihre Angehörigen noch im Theater wußten. Einige unternahmen das verzweifelte Wagniß, in die Brandstätte zurückzukehrcn, um diesen oder jenen ihnen Thcuren zu suchen — und kehrten gewöhnlich sannnt dem Vermißten nicht mehr zurück. Sormann sühltc seine Knicc wanken, sein Körper zitterte mit jedem Nerv. Er konnte sich kaum noch aufrecht erhalten. Halb bewußtlos drängte er sich durch die Menge. Er lenkte in das Thor des unmittelbar neben dem Ringtheater liegenden Hotel de France ein. Mühsam schleppte er sich bis zur Portierloge. Nachdem ihn ein Trunk erfrischt, bestellte er ein Zimmer, in das er sich augenblicklich zurückzog. Zum Glück für ihn dachte weder der Portier, noch der Zimmerkellner oder sonst wer an diesem Abend daran, dem Gast das Fremdenbuch vorzulegen. Sor mann würde unter dem Eindruck des Entsetzlichen sicher nicht an seinen Fluchtplan und an das, was dieser erforderte, gedacht haben. Von einer Art Betäubung überwältigt, warf er sich mit allen Kleidern, ohne auch nur Licht zu machen, auf das Bett des ihm angewiesene» Zinimcrs und verfiel sofort in einen dumpfen Schlaf. So endete für Sormann der 8. Dezember 1881, jener Tag, der in der Chronik Wiens für ewig mit unauslöschlichen Lettern vermerkt ist. Als Sormann am nächsten Morgen das Hotel verließ, hatte dic gcstrige Aufregung wieder seiner ruhigen Ueberlegung Platz gemacht. Wie lächerlich erschien ihm jetzt das Gefühl, das ihn gestern ange sichts der furchtbaren Katastrophe überwältigt und beinahe alle seine so raffinirt zusammengezimmerten Projekte über de» Haufen geworfen hatte. Ganz im Gegensätze zu seinen gestrigen selbstan- klägerischcn Anwandlungen war ihm heute Morgen eine Idee gereift, die ihm großartig erschien und alle die Hoffnungen zu halten versprach, die er darauf setzte. Auf der Straße angelangt, lenkte er seine Schritte nach der nächstbesten Barbierstube, wo er sich seinen Bart abnehmen ließ. Jetzt paßte das Signalement des Passes aufs Genaueste. 'Nachdem dies geschehen, bestieg er einen Fiaker, dein er die kurze Weisung gab: „Polizeidirektion — Schottenring!" Auf den Treppen der Polizei-Zentralstation drängten sich die Menschen, dic nach den Amtsstnben wollten, wo sie ihre Angehörigen und Freunde, dic seit gestern vermißt wurden, anmclden konnten. In einer ganzen Flucht von Kanzleien war seit dem frühesten Morgen eine Anzahl Beamter thätig, die nicht enden wollenden Verlustanzeigen zu Protokoll zu bringen. Von hier aus holten sich die Reporter der Tagcsblätter das Material zu den Verlustlisten, die in Extrablättern publizirt wurden und massenhaften Absatz fanden. In den ersten Morgenstunden sprachen diese Flugschriften von nahezu einhundert Todten; nm zehn Uhr war dic Zahl bereits auf das dreifache an gewachsen; Mittags hieß cs, mehr als sechshundert Menschen hätten ihren Tod in dem schrecklichen Flannnenhcrde gefunden, und Abends verzeichneten diese Listen schon nahe an — dreitausend Todte, obgleich das Theater überhaupt nur höchstens zwei tausend Zuschauer fassen konnte. Die Ursache zu diesen übertreibenden Ziffern war die, daß die thatsächlich Umgekommencn — ungefähr vierhundert — eben zu verschiedenen Stunden und vou verschiedenen Personen so oft angemeldet wurden, als sic just Verwandte oder Freunde besaßen, die davon gewußt hatten, daß der Betreffende im Ringthcater gewesen und nicht wieder hcrauSgekommen sei. — In der nahezu endlosen Reihe, die vor den Tischen der eifrig notirendcn Beamten vorüberzog, drängte sich auch ein hübscher, eleganter junger Aknin vor wärts. Sein Gesicht war bleich und verstört, wie das Aller, die sich hier in diesen Sälen zu einer so traurigen Aufgabe zusammcnfanden. Nervös mit dem kleinen Schnurrbart spielend, verwandte er keinen Blick von dem Beamten, dem er immer näher rückte, sonne ein Vordermann seine kurze Anzeige abgegeben hatte. Der junge Mann hörte mit einer in seiner Um gebung ungewöhnlichen Aufmerksamkeit auf jeden Namen, auf jede Aussage, die an dem Pult des Kommissars gemacht wurde. In seinem Schmerze um den Vermißte», den auch er zu mcldcu haben mußte, schien er doch auch noch ein mitfühlendes Herz für das Unglück der Anderen zu bewahren, welche die schreckliche Katastrophe vom Vorabend hier vereinigte. Endlich kam auch er an die Reihe. „Wen melden Sie?" fragte der Beamte. „Heinrich Sormann." „Stand, Alter, Geburtsort?" „Kaufmann, ncunundzwanzig Jahre alt, ledig, aus Leipzig." „In welchen Beziehungen standen" Sie zu dem Vermißten und wie ist Ihr 'Name?" fragte der Beamte weiter. „Ich heiße Robert Marfcld, gleichfalls Kaufmann, ledig, geboren den b. März 1851 zu Leipzig. Der Verunglückte war mein Freund und Jugendgenosse, den ich erst gestern nach langjähriger Trennung wiedersah." „Hat er Verwandte?" „So viel ich weiß, nein. Indessen nannte er mir die Firma, in deren Auftrag er die Geschäftsreise nach Wien unternommen haben wollte. Ich denke, cS wäre nöthig, diese Firina offiziell über das Schick sal des Verunglückten zu verständigen."