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anonym und an einen Wiener angesehenen Kaufmann, den in der Joscphstädterstraße Nr. 20 etablirten In haber einer Tuchwaaren-Niederlage, Herrn Emil John, gerichtet. Der Inhalt des Schreibens lautet in der Uebcrsetzung etwa folgendermaßen: «Ich fordere Sic auf, den Brief sofort Sr. Majestät dem Kaiser zu übergeben, damit er ja nicht nach Prag gehe. Auch der Frau Kaiserin habe ich schon zwei Briefe ge schrieben, jedoch keine Antwort erhalte». Ls gehen hier schreckliche Dinge vor." — Der Brief trug das Datum vom 2. August und wurde damals von dem genannten Enipfänger ohne Säumen dem Polizei- Kommissariat Josephstadt zur Bersiigung gestellt. Herr John hat keine Ahnung, wer der gcheimnißvolle Brief schreiber sein mag. Dieser wendete sich offenbar nur deshalb an Herrn John, weil er die Adresse des Kaufmannes, der mit Böhmen rege Geschäftsverbin dungen unterhält und regelmäßig auch in einem czechischen Blatte annoncirt, gelesen bat. Thatsächlich lautete auch auf dem Kouvcrt die Adresse genau so, wie dieselbe unter der Annonce angezeigt ist. Die Orthographie des Briefschreibers ist eine sehr mangel hafte. Enthielt der Brief eine aufrichtige Warnung oder war er auch nur ein Bubenstück? — Rußland. Das offizielle Blatt des russi schen Kriegsministeriums, der „Russische Invalide", theilt mit, in Anbetracht des beträchtlichen Zeitver lustes, den bei einer Mobilisation des Heeres da« Schleifen der durch das Tragen und den Gebranch in Fricdenszeiten slumpfge werde »en Waffen verursache, sei angeordnet worven, daß in jedem Jahre bei sämmtlichen Truppenthcilen nach Schluß der Winterbcschäftigungen eine erneute Schärfung der Waffen vorgenommen werde» soll. Locale und sächsische Nachrichten. — Dresden. Spitzbuben verfallen mitunter auf sonderbare Dinge. So wurde am Freitag Abend einem Zahnkünstler in der WilSvruffer Borstadt der Schaukasten gestohlen, in dem sich 9 Stück Metallgebisse mit ca. 250 Lmaillezähnen, verschiedene MetaUstücke, Metallhalter und dergl. im Gesammt- werth von ca. LOO M. befanden. Heute früh wurde der ausgeplünderte Kasten im kleinen Gehege auf einer Wiese gefunden. Einige Metallstücke, sowie mehrere Zähne lagen noch darin. Was wird der Dieb wohl mit den Gebissen anfangen? — Leipzig. Der bekannte sozialdemokratische Agitator, der von der hiesigen Universität relcgirte Student Walter May, ist so jugendlichen Alters, daß. er seiner Militärdienstpflicht »och zu genügen hat. May gedachte, mit Unterstützung der sozialdemokrat ischen Parteikasse, beim hiesigen Regiment Nr. 107 als Einjährig-Freiwilliger einzutreten und ist auch beim Regiment angenommen, aber nicht eingestellt worden; cs erfolgte vielmehr die Rückgabe des An meldescheines. — Am Sonnabend waren cs 25 Jahre, daß die Chemnitzer ständige Feuerwehr besteht. Von den bei der Gründung eingetretenen Mannschaften sind heute nur noch zwei vorhanden, der Brandmeister Kluge und der Oberfeuermann Trautncr; diese Bei den empfingen von ihren Vorgesetzten und ihren Kameraden Geschenke und sonstige Auszeichnungen. Herr Branddirektor Weigand versammelte Abends die gesammte Feuerwchrmannschaft um sich und be- wirthete sie. — Plauen i. V. An der hies. Kgl. Industrie schule, früheren städtischen kunstgewerblichen Fach- zcichenschule, welche am 2. Mai 1877 vom hiesigen Stadtrathe ins Leben gerufen wurde, wirken zur Zeit außer dem Direktor 16 Lehrer und 5 Lehrerinnen. Von denjenigen Schüler», welche ihre Ausbildung an der Schule genossen haben, arbeiten in Plauen als Lehrer 4, für Stickerei 16, für Gardinenfabrika tion 9, in Auerbach für Gardinenfabrikation 3 und in Falkenstein 4, in Oelsnitz für Teppichweberei 2, in Gera für Kleiderstoffe 9 und in Greiz 2, in Eiben stock für Lockerstichgardinen 12, in Frankenbcrg für Teppiche 1, in Chemnitz für Möbelstoffe 6, in Leip zig für Chromolithographie 5, in Dresden für Ta pisserie 2 und für Weberei gleichfalls 2, in Schnee berg 1, in Annaberg (Buchholz) für Papierpresserei bezw. Spitzen 2, in Berlin für Chromolithographie 1 und für Tapisserie 3, in Wien für Tapeten und Möbelstoffe 1, in Nürnberg für Chromolithographie 3, in München für Dekorationsmalerei 1, in Han nover als Lehrer an der Kunstgcwerbcschule I, in Rorschach für Stickerei I, in Nottingham für Gar dinen 1, in Freiwaldau (Schlesien) für Weberei 1 und in Belfast für Stickerei 2. — Zwickau. In diesem Jahre hat sich ein halbes Jahrhundert erfüllt, daß Zwickau in die Reihe der Bergstädte eingetreten ist. Im Jahre 1837 wurde die Gründung des Zwickauer Steinkohlenbau vereins, des ersten Kohlenactienverein« hiesiger Gegend überhaupt, angeregt, im Jahre 1839 dieser Verein konstiluirt und der „BcrcinSglückschacht" getauft, am 28. Januar >841 in einer Tiefe von nur 160 in daS erste Steinkohlenflötz angesahren und am 14. März 1841 aus genanntem Schachte der erste Karren ver- werthbare Kohle auf Zwickauer Flur gefördert. Die se» Ereigniß wurde damals von der Stadt, die bei den 2500 BohrversuchSactien mit einer großen Zahl betheiligt ist, durch Abhaltung eines Bergfestes gefeiert. — Zwickau. Das aus Anlaß des fünfzigjähr igen Jubiläums deS Zwickauer StcinkohlenbauvereinS am II. Oktober hier stattfindende Bergfest besteht in einer Bergparadc, BerggotieSdienst, bei welchem Superintendent Meyer die Predigt hält, und Festmahl. Die Bergparade, an der 80 nnifvrmirte Musiker und gegen 10(10 Arbeiter und Beamte, darunter 600 in Uniform, theilnehme», rückt um 12 Uhr Mittags vom Vereinsglückschacht ab, trifft gegen 1 Uhr in der Ma rienkirche ein und rückt nach beendetem Gottesdienste nach dem Hotel „Deutscher Kaiser", „Schwanenschlöß chen" und „Deutschen Haus", woselbst je ein Drit- > tcl zum Festmahl und Ball Unterkommen findet. — Das Ministerium des Innern bringt zur öffentlichen Kenntniß, daß die bedingungsweise gestat tete Einfuhr lebenden Rindviehes aus Oesterreich- Ungarn nach dem Schlachthofe in Schneeberg von jetzt ab bis zur Ausführung eines für das Vieh der erwähnten Herkunft erforderlichen Stallbaues verbo ten ist. — Netzschkau. Die für den Abend des 7. Ok tober angesetzt gewesene erstmalige Ingebrauchnahme der neueingerichteten hiesigen öffentlichen Gas be leucht ungseinrich tu ng hat mit nicht unbeträcht lichen Schwierigkeiten und Uebelständen zu käinpfen gehabt. In den meisten Fällen ist man gezwungen gewesen, die kaum angebrannten Laternen wieder aus zulöschen. In den Restaurationen wollte daS aus den Brennern strömende Gas, weil cS noch stark mit atmosphärischer Luft vermengt war, keine Leucht kraft zeigen. An vielen Stellen hat sich die Leitung sowohl überirdisch als unterirdisch als noch nicht völlig luftdicht erwiesen, so daß man vorerst noch mancherlei Uebelstände wird zu beseitigen haben, be vor die Gasbeleuchtungsanlage in gutem Zustande sein wird. Amtliche MMHrilungcn ans -er kathssitzung vom 8. October 1891. Der Stadtrath nimmt 1) Kenntniß von den Beschlüssen der Stadtverordneten in der Sitzung am I. October, tritt 2) den Abänderungsvorschlägen derselben zu dem Bier steuerregulativ allenthalben bei, nimmt Wester 3) Kenntniß von den Kassenabschlüssen der Stadt- und Sparkasse sür September 1891, genehmigt 4) die Schul- und Strafbestimmungen sür die Fortbildungs schule nach den Vorschlägen des Schulausschusses, beschließt 3) für die Ausstellung von Ursprungszeugnissen ohne Unterschied der zu cxportircnden Maaren in Zukunst eine Ge bühr von 30 Pf. zu erheben, ertheilt K) eine Baucrlaudniß bedingungsweise, saßt auf mehrere Anlagen- und Straserlaßgesuche Entschließung und giebt end lich Namens der Sparkasse eine Pfandcntlassungserklärung ab. Lus vergangener Zeit — sür unsere Zeit. Am 13. October dieses Jahres feiert Rudolf Virchow seinen 70. Geburtstag. Die Weltgeschichte hat es nicht mit dem Mitglied« einer Partei zu thun, sondern mit dem Menschen, der in irgend welcher Weise der Allgemeinheit von Nutzen ge wesen, der sein Wollen, Wissen und Können, sür die Mensch heit eingesetzt hat. Und das gilt von Virchow in hohem Maße. Unter den berühniten Aerzten und Forschern einer der berühm testen Pathologen und Anatomen ist er unermüdlich thätig im Dienste der Wissenschaft, gilt er mit Recht als Zierde derselben, wird ihm heute von Anhängern aller Parteien, — denn die Wissenschaft steht über den Parteien, — der Glückwunsch dar gebracht. Virchow ist zu Schivelbein in Pommern geboren, er wurde 1847 Privatdozent in Berlin, 1849 Professor in Würzburg und 1833 in Berlin. Auch als Alterthumssorscher (Pfahlbauten) hat er sich einen Namen gemacht. Politisch ge hört er der deutsch-freisinnigen Partei an und zwar als her vorragendstes Mitglied derselben. 14. October. Vor 30. Jahren wurde über Polen, das russische Provinz geworden, eine Maßregel verhängt, die den Anfang vom Ende der sowieso nur noch geringen polnischen Selbstständigkeit be deutete. Am 14. October 1881 erklärte ein Manifest des russischen Statthalters Graf Lambert das gesammte Königreich Polen in Kriegszustand. Das Lusammenstchen von mehr als 3 Personen, das Tragen aller Abzeichen und Nationalkostüme, das Absingen des nationalen Klag- und Bittliedes, das Ver theilen von Plakaten und Bildern und jede Art politischer und nationaler Manifestation war verboten. Diese Maßregeln reizten natürlich und wenn nach den bereits früher vorgesalle- nen Demonstrationen noch aus die allmähliche Beruhigung der erhitzten Gemüther zu rechnen gewesen wäre, so forderte jetzt der russische Statthalter die Revolution geradezu heraus. So kam es denn wieder und diesmal zur letzten polnischen Insur rektion, in der das alte Polen sür immer verloren ging. Wohlgemeinte Rathschläge zur Beherzigung in Brandfällen. Wenn wir die Berichte über die seit den letzten Wochen wieder zahlreich vorkommenden Brände lesen und dabei erfahren müssen, wie überaus vieles und oft werthvolles Eigenthum zum Opfer gefallen, so wird dies angesichts der heutzutage so vortrefflichen Feuerlöschcinrichtungcn und der bi« zu einem hohen Grave von Vollkommenheit geschulten Feuerwehren immerhin Erstaunen erregen. Wir müssen dabei jedoch gleichzeitig eingestehen, daß mit jenen guten Einricht ungen und mit den vorzüglichen Feuerwehren keines wegs alle« gethan ist, daß es vielmehr noch an einer allgemeinen Schulung de« Volke« gebricht, durch welche viel Schaden bei Brandfällen abgewendet, manche« Menschenleben gerettet werden könnte. Vor allem ist die ungeheure Kopflosigkeit der meisten Menschen zu beklagen, in deren Hause oder in deren Nähe ein Brand ausbricht, da gerade durch sie die zweckmäßigsten Anordnungen versäumt und auf diese Weise Verluste n. Gefahren berbeigeführt werben. ES sollte daher von Zeit zu Zeit seitens der Be hörden und Gemeindevorstänve in großen und kleinen Städten eine öffentliche Belehrung und Ermahnung, neben der Uebung in Handhabung der Löschvorricht ungen und Geräthschaften, erfolgen, und insbesondere sollte jeder Hausvater zum öfteren im Kreise seiner Familie den möglichen Fall eines Brandunglücks und die Art und Weise besprechen, wie am schnellsten und praktischsten ein Feuer kurz nacb der Entstehung unter drückt oder doch sein Umsichgreifen verhindert werden kann. In erster Linie sollte jeder erwachsene Mensch und selbst jedes Kind die nächste Feuermeldestelle kennen, um diese sofort benachrichtigen zn können. Bei Nacht Halle man Licht und Feuerzeug stets be reit, ebenso die Kleidungsstücke derart in Ordnung, daß das Ankleiden schnell erfolgen kann. In jeder Wohnung sei, falls Wasserleitung nicht vorhanden, eine größere Menge Wasser bereit, ebenso Scheuer lappen, welche, an Stangen befestigt, in Wasser ge taucht und zum Ersticken eines eben entstandenen Feuers verwendet werden können. — Hat ein Brand schon größere Dimensionen angenommen und starken Rauch erzeugt, so nehme der in Gefahr Gerathene einen nassen Schwamm oder Lappen in den Mund, um Weiler athmen zu können, er suche ein Fenster zu erreichen, welches er öffnet oder einschlägt, um frische Luft zu schöpfen und die Feuerwehr oder sonstige Retter auf sich aufmerksam zu machen. In jedem Falle ist Zugluft möglichst zu verhüten, welche das Umsichgreifen des Feuers befördert. — In keiner Wohnung sollte es an einer hinreichend langen Leine sehlen, durch welche im Nothfalle Menschen aus den Fenstern herabgclassen werden können. Ist eine Leine oder wohl auch ein Rettungssack, der bis auf die Straße reicht, nicht bei der Hand, muß man die Rettung durch fest zusammengcknüpste Bett- oder Hand tücher versuchen, doch ist hierbei Ruhe und Besonnen heit nöthig unv alles unnütze Hin- und Herrennen, ebenso alles Schreien zu vermeiden, um nicht die Verwirrung zu vergrößern. Durch ruhiges Handeln ist schon viel erzielt nnd namentlich der rettenden Feuerwehr die Arbeit erleichtert worden. Eine öftere Besprechung von Rettungsversuchen wird die einzelnen Familienglieder am besten auf einen möglicherweise cintretenden Nothfall vorbereiten und über das Ver fahren dabei belehren. Jeder Hausvater achte aber von vornherein namentlich darauf, 1) daß Kinder nicht in den Besitz von Streichhölzern gelangen können, nicht am Feuer im Ofen spielen, 2) daß zum Feuer anzünden nie Petroleum oder Oel, Spiritus rc. ver wendet werde, 3) daß Petroleumlampen nicht bei offenem Lichte zurechtgemacht und gefüllt werden, 4) daß die etwa vorhandenen GaShähne Abends nicht unverschlossen bleiben, 5) daß Niemand in der Wohn ung beim Schlafengehen das Licht vom Bett au« verlösche, denn hierdurch ist schon manches Schaden feuer verursacht worden, 6) daß im Augenblicke der Gefahr den Anordnungen der Feuerwehr Folge ge leistet werde, statt sich ihr wohl gar zu widersetzen. Wir sind überzeugt, daß unsere Feuerversicherungs gesellschaften manchen Schaden weniger zu bezahlen haben würden und daß mancher Verlust an Menschen leben weniger zu beklagen sein würde, wenn es im Augenblicke der Gefahr nicht an der nöthigen Be sonnenheit fehlte, wenn die Menschen im engeren Kreise der Familie, wie im allgemeinen öffentlichen Leben durch geeignete Belehrung auf die Gefahr und wie dabei zu verfahren, vorbereitet worden wären. Bis ans schlimme Ziel. Kriminal-Novelle von K. Reichner. (1. Fortsetzung.) „Herr Dorwall," sagte er ruhig und ernst, „ich will Ihre Worte nicht gehört haben, darf sie nicht gehört haben! Daß ich nicht darauf hören darf, und warum, wird Ihnen bei einiger ruhigerer Ueberlcgung, und sobald der erste heftige Schmerz gerechterem Denken gewichen, wohl selbst klar werden müssen. Es wird, so hoffe ich selbst, eine unglückliche Fahr lässigkeit, begangen von der Tobten, oder wem immer sonst, zu Grunde liegen — nichts weiter — ich wie derhole meine Ansicht. Meine Pflicht jedoch muß ich erfüllen, und ich müßte eS auch, selbst wenn meine persönliche Ueberzeugung eine andere wäre als die soeben geäußerte. Mein Inneres sträubt sick gegen solche Schritte, Recht aber muß Recht bleiben, treffe eS wen immer!" Dorwall war vernichtet in sich zusammengesunken. Sein Schmerz um den Verlust der Gattin war offen bar dem vernichtenden Schlage gewichen, den man so eben auf die Ehre seine» Hause« geführt, oder war wenigstens vor diesem neuen ihm drohenden Unheil zeitweilig in den Hintergrund getreten. Zuviel auf einmal hatte den Mann, welcher den Frieden fast bi« zur Schwäche liebte, plötzlich bestürmt: der Tod, strafbare Fahrlässigkeit oder gar ein Verbrechen! — Wirre, ungeordnete Bilder von Gericht, Schuld, Läster zungen, Unehre stiegen in seinem Hirn auf, kalter Schweiß trat auf seine Stirn, und er ächzte leise auf. Der Arzt betrachtete ihn mit mitleidiger Theilnahmc, aber er konnte, durfte keine Rücksicht walten lassen.