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sein, die Werth für sie hatten. ES war jedenfalls nur auf die Beraubung der Gesandten abgesehen, die Tödtung fällt den plumpen Werkzeugen zur Last. Ganz Europa ward von Schauder über dies Verbrechen erfüllt, da» allem Völkerrecht Hohn sprach. 2«. April. Der 2!». April dieses Jahre» ist der SO. Geburtstag eines weltbekannt gewordenen Componisten, Karl Millöckers. Neben der ernsten Muse hat die heitere, liebenswürdige, oft über- müthige auch ihr Recht und einer der besten Vertreter derselben ist Millöcker. Sein „Bettelstudent", dann „GaSparone" und „Don Cesar" sind bekannt und berühmt geworden, besonders der ersteren Operette unerschöpflicher Mclodienreichthum ist derartig bekannt geworden, daß man die Melodien schließlich auf allen Gassen hören konnte. Der rein musikalische Werth der Millöcker'schen Werke ist höher zu veranschlagen, als bei vielen anderen Operetten-Componisten. Die älteren u. neueren Operetten dcS Meisters sind nach wie vor Repertoirstücke der Theater. Doktor Zernowitz. Ein Lebensbild. Preisgekrönte Arbeit von Frau Sutro-Schücking. (15. Fortsetzung.) „Noch schwankte ich; — da dachte ich an unsere Noth, die sich täglich steigerte, dachte an die Stillung deS Ungeheuers Hunger, daS sich eben, ungestüm peinigend, Geltung bei mir verschaffte, dachte an Ottilien und ihren nutzlosen Jammer, wenn ich leer, wie ich auSgcgangen, wieder heimkehren würde. Und «in Schrecken durchfuhr meine Glieder. „Zwar mußte ich Ottilien täuschen, wenn ich in anderer Richtung erfolgreicher sein sollte, als in jener, die ich zuvor verfolgt halte. Aber, beim Himmel, eS blieb mir ja keine andere Wahl. Nackte Noth grinste mich viel weniger abschreckend an, als die ver zweifelnde Muthlosigkeit meines WeibeS. Ich entschloß mich dennoch mit ruhiger Ueberlegung sie zu täuschen. Solche weiße Lüge schien mir nicht mehr sündhaft und eines Mannes unwerth, wenn Liebe sie eingab. „Und so wanderte denn mein müder Fuß zu Ihrer Thür, Doktor Warren. „Als Sie mich wirklich, trotzdem ich der letzte der sich Anbietendcn war, als Kutscher mit einem mir sehr ansehnlich scheinenden Lohn engagirt hatten, glaubte ich zu träumen. In meiner an Mißerfolg und Er niedrigung reichen Karriere genirte es mich nicht, daß ich jetzt hinab bis in die Livree dcS Bedienten ge stiegen war. ES hatte ja sein müssen, — das war mir ausreichend! » „Sie wenigstens war jetzt vor peinlicher Noth geschützt, sie wenigstens nannte wohl meine Anstellung ein großes Glück gar, ohne zu ahnen, worin dieselbe bestand. „Denn auf dem Heimwege gelobte ich mir hoch und theuer, daß ich eS ihr nie eingestehen, sondern mich als Ihren Assistenten und Rechnungsführer aus- geben wollte. ES trieb mich wie auf Windes Flügeln zu ihr, um ihr jubelnd meinen Erfolg mitzutheilen, und doch trugen mich meine müden Glieder nur lang sam heimwärts. Die physische Natur besaß eben nicht die zähe Ausdauer der feilschen Fähigkeiten. „Ich war vor Hunger und Ermattung tödtlich erschöpft, und so kroch ich langsam die schon in Nacht schweigen gehüllten, endlosen Stiegen zu unserer Wohn ung hinan. „ES war dunkel ringsum, nur der volle Mond warf seine Hellen Strahlen durch die Fenster der Treppenabsätze. Und al« ich meinen Weg zurückge- lcgt hatte, hielt ich ermüdet oben an, um mich einen Augenblick auSzuruhen. „Mein Blick streifte die Thür unseres Zimmers ein wenig befremdet. Denn zu welcher Stunde ich auch immer Heimzukommen pflegte, das scharfe Ohr der Blinden erlauschte stets schon meinen Schritt und öffnete mir dann die Thür gastlich weit. Heute aber kam sie nicht. — „War ich wirklich denn so leise heraufgeschlichen in meiner grenzenlosen Müdigkeit, daß sie mich nicht hätte hören können? Und doch stand die Thür nur angelehnt, wie mir ein schmaler Streifen des blassen MondlichteS verrieth, der schräg hindurchfiel und mir einen Einblick in das Zimmer gestattete. „Mich wandelte plötzlich ein eigenthümliches ge- heimnißvolleS Verlangen an, Ottilien einmal bei ihrem Alleinsein zu belauschen, und behutsam schlich ich näher und lugte durch den Spalt. Obschon kein anderes Licht, als da« des Monde«, den Raum beleuchtete, in dem unbeeinflußt vom Morgensonnenschein oder Nachtdunkel, die Blinde ihre traurige Existenz durch lebte, so konnte ich doch genau erkennen. Ottilie sah ich nicht sofort, allein ich hörte sie in dem Schränk chen hinter der Thür herumkramen, und da« Geräusch, welches sie dadurch verursachte, mußte veranlaßt haben, daß mein Kommen ihr entgangen war. „Sie bereitet dir dein Abendbrot», dachte ich be seligt in dem Gedanken, bei aller Armuth doch ein Wesen zu besitzen, do« für mich sorgte, für mich lebte; und schon wollte ich eintreten, da hörte ich leise reden. „Wer war nur da — wer sprach mit Ottilien? „Ich lauschte gespannt. Da vernahm ich sonder bare Töne, halb Schluchzen, halb Worte. Ich ver stand sie nicht, und erst, al« ich schärfer aufhorchte, fing ich abgebrochene Sätze auf, wie: „ES muß sein, Eugen, e» muß sein, sage ich dir! Er soll nicht unlergehen um meinetwillen; diese große edle Natur verzehrt sich in elender Entbehrung. Ja, mein süße« Kind, ich komme wieder zu dir, — um ihn, ihn, den Gefangenen aus Ehre, zu befreien, um ' „Weiter hörte ich nicht! Ich verstand zwar den eigentlichen Sinn dieser Worte noch gar nicht, aber ich wußte doch, daß sie, wie in den ersten Tagen nach de« Kindes Tod, mit ihm redete, als sei e« noch da, neben ihr und nicht sechs Fuß tief unter der Erde gebettet. Ich verstand aus den in leidenschaftlichem Schmerz gebrochenen Worten nur zu klar, daß ihre äußere Beherrschung und Fassung mir gegenüber nur künstlich aufrecht gehalten waren, und daß die eine gewaltige Liebe sich mit dem Tode Eugen« nur in unzählige unsterbliche Leben zerstückelt hatte, die ihr ganze« Sein und Denken noch immer vollständig auS- üllten. „Ich that einen Blick in ihr verwaiste« Innere — einen Blick in jene Welt unausgesprochenen, un begriffenen Weh« deS Mutterherzen«, da» in alle Ewigkeit mit dem ihres Kindes verbunden bleibt, — so daß mir graute vor seinem unausgeweinten Jam mer. Und mittlerweile schritt sie zum Mitteltisch und legte verschiedene Gegenstände vor ihren Sitz hin. ES waren keine Lebensmittel für mich, wie ich zuvor gedacht. O nein; — ich erkannte zwar eine Tasse mit Milch, von welcher die unsichere Hand der Blin den einige Tropfen über ihr schwarzes Gewand ver schüttete — sonst nichts Genießbare« ; dann ein kleine« graues Paketchen. Was wollte sie nur damit? Die Neugier hielt mich von Neuem auf meinem Posten gebannt. Wieder flüsterte sie, sich niederlassend, in leisem Selbstgespräch: „Stundenlang ist er schon fort. Als ob ich nicht wüßte, wa« das bedeutet? O, mich täuscht all seine Liebeslist nicht, ich weiß zu genau, was ihn hindert am kühnen Flug. O, Georg, Georg, du bist der an Felsen gekettete Prometheus, der sich von den Geiern der Noth und der Sorge zerfleischen lassen muß, um meinetwillen allein! Das soll anders werden — das Leben soll enden, so wahr mir Gott helfe!" „Sie schauderte zusammen. Dann riß sie in krampfhafter Heftigkeit und doch mit selbst mir ersicht lichen, bebenden Händen das Paketchen an sich, legte es mit der gesunden Rechten fest unter die kranke Linke, nahm daS Messer und arbeitete damit an ihm herum. „Was that sie nur? Ich konnte es mir nicht enträthseln. „DaS Geräusch, das ihre Arbeit machte, war, ob schon nicht laut, doch wahrhaft zermarternd. Es knirschte und scharrte und rieb jeden Nerv wund in mir. Wiederholt hielt sie dazwischen inne, barg daS Haupt in die Hand, oder lehnte sich weit zurück, als liege Bergeslast auf ihrer Brust und sie könne nicht athmen. „Daß ich bewegungslos stehen blieb unter den Umständen, war wohl begreiflich. Ich mußte ja sehen, was sie eigentlich vor hatte mit ihrem geheimnißvollen Thun und Reden, da« längst wie mit schneidenden Nesseln alle meine vorhin so erschlafften Lebensgeister wach gepeitscht hatte. „DaS Geräusch, tödtend in seiner qualvollen Ein förmigkeit, verstummte plötzlich, und mit wahrem Ent setzen schleuderte sie da« Messer weit von sich, — weit, — bis in die Mitte des Zimmers, als graue ihr davor. „Da mit einem Mal bekam ich eine Ahnung. Mein Gott! Mein Gott! schrie es in mir auf, ist e« möglich? Ist es denn nicht Todsünde, am Heiligsten zu zweifeln — kann denn — „Doch still! Die Gedanken selbst verstummten in mir, sie redete noch einmal: „O, Georg, wie habe ich dich geliebt!" sie schluchzte auf und ließ das Haupt tief auf die Brust nieder sinken, ehe sic kaum hörbar fortfuhr: „Du wirst es nie, niemals erfahren, wie schwer mir diese Trennung von dir geworden ist. Jetzt, in dieser entsetzlichen Minute erst, empfinde ich ganz wie mein Pulsschlag in deinem Herzen seinen eigentlichen Ursprung hatte — wie mein Lebensblut durch deine Nerven floß! Allein mein Leben, was liegt an ihm? — — es war ja nur der Fluch des deinen!" „Und rasch, energisch, als koste eS ihr nicht den ungeheuren Aufwand aller geistigen Anstrengung, der doch in den blassen, bangen Zügen seine schärfsten Linien zog und eS verzerrte, — nahm sie den linken Arm aus der Schlinge, drückte die Tasse in die Hand und hielt sie dicht an den Tisch, so lange, bis sie mit der anderen da», was sie zuvor zubereitet, hinein ge schüttet hatte. „Wie flammender Blitzstrahl durchzuckte Erkennt- niß jetzt meine Seele. „ES war Schwefel, den die Unglückliche von den Hölzern gelöst! „Sie wollte sich vergiften! Vergiften, um mich von sich zu erlösen! „Was ich empfand? „Nun, daS läßt sich nicht in kalte, elende, arme Worte schmieden. „ES war jene Qual, die Dante einst zu schildern anstrebte, und die — ich fühle e« in dieser Minute, wo ihr wirkliche« Leben mich durchraste — doch so schwach nur wiedergegeben wurde, wie Instrumente eine gewaltige Gewitternacht zu repräsentiren vermögen I Es geht über menschliche Kraft de« Ausdrucks, den tiefen Schmerz zu verkörpern, der in der Menschen brust seine Brutstätte hat, e« geht über menschlich« Kraft, jener göttlichen Flamme, welche LiebeSmuth heißt, irdische Farben zu leihen. „Genug davon! „Trotz der entsetzlichen Entdeckung diese« Moment schloß er doch auch eine Himmelswonne in sich. Durch die tiefdunkle Nacht meiner Pein um das arme, ge quälte Weib dämmerte Ostermorgenlicht. Denn wa» diese Märtyrerin ihre« Gefühls in den Tod trieb, war Liebe, die reinste, opfermuthigste Liebe zu mir — ein Theil jene« gewaltigen Hebels, der Christum einst vermochte, sich der Menschheit zu opfern. „Ich fühlte mich ihrer unwerth, ich lag im Bann eigener Mißachtung — denn was hatte ich gethan, um diese Liebe zu verdienen? (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Der Kantschu in Rußland. Unter dieser Ueberschrift berichteten wir kürzlich über das öffentliche AuSpeitschen eines russischen Soldaten in Kalisch, wobei die Offizierdamen sich über die Schmer zensschreie des Unglücklichen köstlich amüsirt haben sollten. Die Geschichte erhält jetzt ein Nachspiel. Auf ausdrücklichen Befehl des Zaren sind über alle Offiziere, welche den betreffenden Soldaten zu 200 Knutenhieben verurtheilten und das Urtheil an der preußischen Grenze bei Ostrowo vollstrecken ließen, strenge Disziplinarstrafen verhängt worden. Der Major der Kalischcr Garnison ist um seine Demission eingekommen. Der Zar erlangte von dem ganzen Vorfall Kenntniß durch eine Adresse, welche die an gesehensten Bürger von Kalisch und einige polnische Großgrundbesitzer an ihn richteten und in welcher er gebeten wurde, die körperlichen Züchtigungen zu verbieten. — Regensburg. Hierselbst fand ein Gast in einem Wirthshause beim Auseinandernehmcn eines ge backenen Fisches im Kopfstück ein 20-Markstück. Diese Doppelkrone trägt das Bildnis des verstorbenen Kaisers Friedrich. — Der Einfluß der Musik auf den mensch lichen Organismus. In einer in St. Peters burg abgehaltenen Vorlesung über das Thema: „Der Einfluß der Musik auf den menschlichen Organismus" stellte Professor Tarchanow die Behauptung auf, daß die Musik in der Medizin von großem 'Nutzen sei und daß, bei verständiger Handhabung derselben, man die Menschen eben so leicht „stimmen" könne, wie man ein Musikinstrument stimmt. Aus der Bibel ist er sichtlich, welch' einen Einfluß die Musik Davids auf Saul ausllbte. Pythagoras empfahl in seinen Werken den Griechen die Musik als vortreffliches Heilmittel. In Italien existiren noch gegenwärtig besondere Heil methoden ausschließlich durch Musik. Nervenkranke (besonders Epileptiker) werden durch Musik beruhigt, doch muß man bei Anwendung dieses Mittels äußerst vorsichtig sein, da sie in manchen Fällen auch eine sehr erregende Wirkung ausüben kann. Es muß da bei berücksichtigt werden, daß das Naturell gewisser Leute überhaupt gar keine Musik erträgt. Die Heil methode durch Musik ist noch wenig verbreitet und ihre Bedeutung wird sich erst in der Zukunft Heraus stellen. Wenn zahlreiche Beobachtungen auf dem Ge biete der Heilkraft der Musik auch ein negatives Re sultat gegeben, manchmal sogar das Gegentheil dessen erzeugt, was man erwartete, so erklärt sich dieser Miß erfolg dadurch, daß man das Mittel nicht rechtzeitig in der erforderlichen Form und ohne genügende Ana lyse der Krankheit angewendet hatte. „Wir sind fest überzeugt," sagte Professor Tarchanow, „daß eine Zeit kommen ivird, wo die Musik in den Händen wissenschaftlich gebildeter Aerzte als ein mächtiges Mittel iin Kampfe mit den Leiden der Menschheit dienen wird. Wie kann es auch anders sein, da eine Reihe von Fällen uns dargethan, daß die Musik — der größte Regulator der menschlichen Stimmung und Gefühle ist, und diese Faktoren beherrschen viele Seiten des psychischen nnd physischen Lebens des Organis mus." Doch hat die Musik auch eine hohe pädago gische Bedeutung. Die Wissenschaft entwickelt die Denkkraft, bereichert den Verstand; doch das ist nicht genügend, nian muß in der Jugend auch das Gefühl erwecken, sie human, sanft und gut zu machen, auf ihren Charakter einwirken. Dieses alles kann durch die Musik erreicht werden; die Musik zerstört die egoisti schen Instinkte, welche in jedem Kinde so stark sind, sie bringt Ordnung in das Chaos der Gefühle, regu- lirt die Triebe der jungen Seele. Die Musik erregt die Menge, erweckt in ihr eine gewisse Stimmung, nähert einander Menschen von ganz verschiedenen Gesinnungen. Wenn die Macht und der Einfluß der Musik so groß auf erwachsene, vollständig reife Men schen ist, so versteht es sich von selbst, daß sie eine um so größere Einwirkung auf das Kind haben muß; wenn man daher oas Kind dem vernünftigen Einflüsse der Musik aussctzt, so kann man ihm einen großen Nutzen erweisen. — Neueste» Geschäft-Manöver. .Wa« trägst Du da for'n Pack?" — „Was werd' ich tragen? E' paar Hunden Socken trag ich, die ick hab einge- kauft svr mein' Ausverkauf!"