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Beendigung der akademischen Studien in Freiberg, im Sommer 1810, begleitete er seine Elter» nach Karlsbad. Hier entstanden seine „Erinnerungen an Karlsbad", die zu den gelungensten Schöpfungen un seres Dichters gehören. Noch im Oktober desselben Jahres bezog Theodor Körner die Universität Leipzig, um später in sächsische Staatsdienste treten zu können. Hier gab er sich ganz dem freien Stndentenlcben hin. Körners Erscheinen auf der Straße war das eines Burschen von echtem Schrot und Korn, mit Verbi» dungszeichcn, Tabakspfeife und armstarken Ziegen heiner. Sein heißes Blut und sein ausgeprägtes Ehrgefühl führten zu mancher studentischen Schlägerei, weshalb er in Untersuchung genommen und ihm eine sechsmonatliche Einsperrung im Karzer und Ausschluß von der Leipziger Hochschule bevorstand. Körner entzog sich der Bestrafung durch die Flucht nach Berlin, Ostern 1811, wo er seine Studien fort setzen wollte. Alle günstigen Aussichten wurden in Berlin durch seine Krankheit vereitelt. Die Aerzte riethen dringend Luftveränderung und da seine Eltern während des Juni in Karlsbad zu verweilen gedachten, kehrte der Sohn nach Dresden zurück. Er reiste dann mit seinen Eltern nach dem von ihm so geliebten Karlsbad. Völlig wieder hergestellt, war sein Wunsch, eine Reise nach dem Rheine zu unternehmen und seine Studien in Heidelberg wieder zu beginnen. Aber sein Vater hatte begründete Besorgnisse, seinen Sohn aufs Nene den Gefahren des Stndentenlebcns preiszugeben; er empfahl ihm zunächst Wien, später sollte er nach Berlin, Breslau, Göttingen gehen. Der Vater unterließ nicht, immer wieder ernste Mahn nngen an seinen Sohn zu richten. So schreibt er ihm: Bedenke, daß seit Deiner Abreise von Freiberg durch ein Zusammentreffen von Umständen nun mehr über 1 Jahr verflossen ist, in dem Du in Deinen Studien keinen bedeutenden Fortschritt gemacht hast, und daß wir Beide eS vor Gottt und nnserm Ge wissen nicht verantworten können, wenn noch ein Jahr Deiner kostbare» Jugendzeit verschwendet werden würde. Alles ist vergebens, wenn Du nicht Stärke der Seele genug hast, de» Entschluß zu einem ernsten Geschäft streng auszuführen. Diele Mahnung bewirkte es, daß er niit dem festen Entschlüsse von Karlsbad Abschied nahm, nm in Wien ein neues Leben zu beginnen. Und er hat Wort gehalten. Im Januar 1812 kam Theodor Körner nach Wien. Ohne die Gelegenheiten zu geist reichem- Umgang zu meiden, die sich ihm darboten, widmete er einen großen Theil des Tages ernsten Studien und war besonders auch dichterisch thätig. Immer mehr und mehr kam ihm die Ueberzengnng, daß die Poesie es sei, der er durch seinen Lebenslauf dienen sollte. Und wirklich entfaltete Körner eine fruchtbare dichterische Thätigkeit. Er schrieb thatsäch- lich in "/« Jahren nicht weniger als 6 Trauerspiele, Lustspiele und 5 Operntexte. Wenn auch die »leiste» dieser Stücke sehr kurz sind, so ist doch diese seine Schaffenskraft eine erstaunliche, ja fast beispiellose. Sinn stand Theodor Körner auf der Höhe seines Ruhmes und Glückes. Seine Stücke wurden auf dem Hofburgthcater zur Aufführung gebracht und seine Lieder im Palaste der Reichen wie in der Hütte der Armen gesungen. Hohe Staatsmänner suchten seine Gunst. Die Vornehmsten waren bemüht, ihn in ihre Kreise zu ziehen. Hier in Wien war es ihm auch beschieden, eine mit allen Reizen der Jugend, der Schönheit n. Anmnth ausgestattete Jungfrau kennen zu lernen und sich sterblich in sie zu verlieben ; cs war die Schauspielerin des Hofburgtheaters Antonie Adamberger. Dieser Liebe zu Toni hat die deutsche Dichtung einen schönen Kranz herrlicher Liebeslieder zu verdanken. Im August 1812 kamen die Eltern Körners nach Wien, gewannen Toni von Herzen lieb und gaben willig ihren Segen zur Verbindung des Sohnes mit der Künstlerin. Um das Glück Körners voll zu machen, wurde er als 21jähriger Jüngling zum K. K. Hvftheaterdichtcr ernannt. Kaum 2 Monate hat Körner die ihm beneidete Stellung am Kaiserlichen Burgtheater bekleidet. Die gewaltigen Ereignisse auf der großen Weltbühne, die da« Frühjahr 1813 brachte, setzten seiner fruchtbaren Thätigkeit in Wien ein unerwartet frühes Ziel und riefen ihn aus den Armen der geliebten Braut, wie aus seiner friedlichen Arbeit, in den Kampf für die Befreiung des Vaterlandes. Mit gespannter Auf merksamkeit war Theodor Körner schon lange den politischen Ereignissen gefolgt. Mit Sehnsucht der glühenden Vaterlandsliebe und echt deutscher Gesinn ung hatte er nach dem Morgenroth der Freiheit aus geschaut. Er sah es kommen. So schreibt er am 27. Januar 1813 dem Vater: ES rückt ein großer Augenblick des Lebens heran. Sei überzeugt, Ihr findet mich Eurer nicht unwürdig, was auch die Prüf ung gelte. Wie hätte es anders sein können, daß bei dieser Stimmung der am 3. Februar 1813 erschienene Aufruf Friedrich Wilhelm III. einen gar mächtigen Eindruck auf das Herz des hochgemuthen, für Freiheit und Vaterland begeisterten Jünglings hcrvorrief. Sein Aufruf: Frisch auf, mein Volt! Die Flammenzeichcn rauchen, Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht; Du sollst den Stahl in Feindes Herzen tauche»; Frisch aus, mein Volk! — Die Flammen Zeichen rauchen, Die Saat ist reif; ihr Schnitter, zaudert nicht! Das höchste Heil, das letzte, liegt im Schwerte! Drück' Dir den Speer in'« treue Herz hinein! Der Freiheit eine Gasse! — Wasch' die Erde, Dein deutsches Land, mit deinem Blute rein! Es ist kein Krieg :c. war gleichsam die Antwort des deulschen Volkes darauf. Und daß der Dichter des LieveS: Das Volk steht auf, der Sturm bricht los — nicht müssig dem be vorstehenden Kampfe zusehen würde, ließ sich wohl mit Gewißheit erwarten. Das köstlichste Zengniß von Körners hochherziger Gesinnnng ist ein Brief vom 10. März 1813 an seinen Vater. Er lautet im Aus züge: „Liebster Vater, ich schreibe Dir diesmal in einer Angelegenheit, die, da ich das feste Vertrauen zu Dir habe, Dich weder befremden, noch erschrecken wird. Neulich gab ich Dir schon einen Wink über mein Vorhaben, das jetzt zur Reife gediehen ist. Deutschland steht ans; der preußische Adler erweckt in allen treuen Herzen durch seine kühnen Flügel schläge die große Hoffnung einer deutschen, wenigstens norddeutschen Freiheit zu erwerben. Meine Brust seufzt nach ihrem Vaterlande, — laß mich ihr würdiger Jüngling sein. Ja, liebster Vater, ich will Soldat werden, ich will das hier gewonnene glückliche nnd sorgenfreie Leben mit Freuden hinwcrfen, um, sei es auch mit meinem Blute, mir ein Vaterland zu er kämpfen. — Nenn's nicht Nebermnlh, Leichtsinn, Wild heit. Vor 2 Jahren hätte ich cs so nennen lassen; jetzt, da alle Sterne meines Glückes in schöner Milde auf mich herniederlenchten, jetzt ist eS bei Gott ein würdiges Gefühl, das mich treibt, jetzt ist es die mächtige Ueberzengnng, daß kein Opfer zu groß sei für das höchste menschliche Gut, für seiner Volkes Freiheit, — Und weiter heißt es darin: Zum Opfer tode für die Freiheit und für die Ehre seiner Nation ist Keiner zu gut, wohl aber sind Biele zu schlecht dazu. Eine große Zeit will große Herzen, und ich fühle die Kraft in mir, eine Klippe sein zu können in dieser Bölkerbrandung, ich muß hinaus, um dem Wogcnstnrmc die mnthige Brust entgegcnzudrücken. Soll ich in feiger Begeister ung meinen siegenden Brüdern meinen Jubel nach leiern?" Bei dem Vater fand Theodor Körners Entschluß die freudigste Zustimmung. Gehörte dieser doch selbst zu den Männern, die durch ihr entschiedenes und be geisterndes Eintreten für die deutsche Sache die Be freiung des Vaterlandes vorbereiten halfen. Der Abschied von der Braut fiel ihm schwer, sehr schwer. Das Herz wollte ihm brechen, als ihn seine Braut mit ihren schönen Augen thränencrfüllt anblickte und ihn schluchzend umklammerte. Mit Kühnheit und Entschlossenheit riß er sich endlich los und verließ am 1l>. März 1813 Wien. In Breslau angckonnncn, trat er am Nl. März in die Lützow'schc Freischaar ein. Er erwarb sich bald die Achtung u. Liebe seiner Kameraden. In den Mußestunden waren es kriegerische Gesänge, mit denen sich Körner beschäftigte. Seine von glühendster Vaterlandsliebe erfüllten Lieder trugen nicht wenig dazu bei, der Lützow'schc» Frei schaar immer neue 'Mitglieder zu werben und dieser in der Geschichte einen unsterblichen Glanz zu ver leihen. Auch in schlichter Prosa suchte er das Volk zum Kampfe anfzurütteln. So wandte er sich niit einem Aufrufe an seine Landsleute, die Sachsen, um auch diese den Freiheitskämpfern zuznführen. Körner, der inzwischen durch die Wahl seiner Kameraden zum Oberjäger befördert war, wurde der Lützow'schen Freischaar als Marschkommissar vorausgc sandt nnd traf infolgedessen mehrere Tage früher als diese in Dresden ein. So konnte er noch einige Tage im Vaterhanse weilen nnd die Scinigen noch einmal Wiedersehen. Es sollte das letzte Mal sein. Von Dresden hrach Körner am 13. April nach Leipzig auf, wo der Aufenthalt eine ganze Woche danerte. Er benutzte denselben, um den Druck und die Heraus gabe seiner Kriegslieder einznleiten, die aber, da Leip zig bis zum October von den Franzosen besetzt blieb, erst nach seinem Tode erfolgen konnte. Von den Kriegsliedern, die damals Körner herauSzugebcn ge dachte, konnte er bereits 11 seinem Freunde Kunze, der die Herausgabe besorgen sollte, milbringcn. Ein zwölftes, und zwar eines der berühmtesten, „Lütz ow's wilde Jagd", ist während des dortigen Aufenthaltes entstanden. Was Körner, der in Leipzig zum Lcutenant be fördert wurde, hier von den Heldenmüthigen Thatcn der Lützowcr träumte und sang, sollte zu seinem großen Schmerze nicht in dem Umfange, Ivie er sichs beim Eintritt in die Freischaar gedacht hatte, in Erfüllung gehen. Statt, wie er und seine kampseslnstigcn Ka meraden hofften, an den großen Schlachten bei Groß- Görscben nnd Bautzen theilnchmen zu dürfen, erhielt das Lützow'schc Corps den Befehl, hinter dem Rücken der feindlichen HauptarMcc zu opcriren. Uebcr Dessau, Zerbst und Havelberg rückten die Lützowcr in die Gegend von Lenzen, wo sic mit den Truppen des General Grckf von Wallmoden die Elbe überschritte», um de» nordwestlich von Dannenberg stehenden Feind anzugrcifcn. Am 12. Mai bestand der Haupttheil der Freischaar in dem Gefechte bei Göhrde aufs rühmlichste die Feuerprobe. Der kommandirende General fand sich nicht veranlaßt, die erlangten Vor- thcile weiter zn verfolgen, sondern führte seine Truppen am andern Tage wieder über die Elbe zurück. Das Lützow'schc Corps wurde bald hier, bald dort verwendet. So unternahm der 'Major v. Lützow mit einem Theil seiner Schaar einen kühnen Streifzug über Halber stadt, Eisleben, Schleiz nach Plauen, an welchem Körner auf seine Bitten und zwar als Adjutant deö Führers'thcilnahm. Auf die Nachricht von dem ab geschlossenen Waffenstillstand hin beschloß Lützow auf kürzestem Wege sich mit dem jenseit der Elbe stehenden Theile seines Corps zu vereinigen. Ungehindert ge langte er bis Kitzen, einem Dorfe unweit Leipzig, als er sich plötzlich von einer großen Uebermacht um ringt und bedroht sah. Körner wurde abgeschickt, nm Erklärung zu verlangen; der verräthcrischc, wort brüchige, feindliche Führer versetzte statt der Erklärung dem mit eittgestecktem Säbel vor ihm haltenden Ad jntanten mehrere Hiebe über den Kopf und zugleich begann von allen Seiten der Angriff auf die Lützowcr. Ein großer Theil von ihnen wurde getödtct oder ge fangen. Der Führer rettete sich mit dem Nieste. Körner war schwer in den Kopf verwundet, zwei Hiebe hatten ihn getroffen, und seine Geistesgegenwart rettete ihn vom augenblicklichen Tode. Er warf schnell sein Pferd herum, erreichte den Wald nnd suchte seine Wunden nothdürftig zu verbinde». Sich tiefer in den Wald flüchtend, brach er endlich besinnungslos zusam men. Die rührendste Erinnerung an die ihm bei diesem Ueberfall beigcbrachte Wnndc wird für alle Zeiten das schöne Sonett „Abschied vom Leben" bleiben, welches beginnt: Die Wunde brennt; die bleichen Lippen beben. — Ich fühl'« an meine« Herzen« mattem Schlage, Hier steh' ich an den Marken meiner Tage — Gott, wie du willst, dir hab ich mich ergeben. Durch hilfreiche Bauern gerettet, wurde Körner nach Leipzig, dann später nach Karlsbad in Sicherheit gebracht. Hier fand er die beste Pflege bei der Fran von der Recke. Nach 14 Tagen konnte er Karlsbad fast ganz geheilt wieder verlassen. Er ging über Breslau nach Berlin, nm noch vor Beendigung deö Waffenstillstandes bei seinem Corps wieder einzutreffen. Sein Corps stand ans dem rechten Elbnfer unweit Hamburg. Am 17. August begannen die Feindselig keiten von Neuem. Das Lützow'sche Corps war jetzt fast täglich im Gefechte. Am 2l>. August, während der Rast in einem Gehölze, entstand auch Körners letztes Gedicht: „Das Schwcrtlied" wenige Stun den vor seinem Tode. Am 26. August kam es wieder zum Kampfe mit der Bedeckung einer feindlichen Mn- nitionskolonne, auf der Straße von Gadebusch nach Schwerin. Der feindlichen Infanterie gelang es, den Wald zu erreichen und von hier aus ein mörderisches Feuer zu unterhalten. Körner sprengte mit heldcn- müthiger Tapferkeit dem Feinde entgegen, da traf ihn die tödliche Kugel, welche zuerst den Hals seines Schimmels durchbohrte und ihm dann in den Unter leib ging. Körner verlor sogleich Sprache und Be wußtsein und obschon er sich schnell genug in de» Händen eines Wundarztes befand, war doch keine Hilfe möglich. Die Lützow'schen Reiter, erbittert durch den erhaltenen Verlust, warfen sich jetzt mit aller Wnth auf den Feind und rieben ihn beinahe ganz auf. Körner hauchte im Augenblicke des errungenen Sieges seine Heldensecle aus, er fand den schönen Tod, den er so oft geahnet und mit Begeisterung in seinen Liedern gepriesen hatte. Der rasche Tod Theodor Körners erweckte in der Freischaar die tiefste Bestürzung. Seine Freunde und Waffenbrüder bereiteten das Grab unter einer inäch- tichen Eiche bei dem Dorfe Wöbbelin. Gegen Mittag setzte sich der Trauerzug unter dein gedämpften Schalle der Trommeln in Bewegung. Als der Sarg ins Grab gesenkt wurde, sang man Körners Gebet: Vater, ich rufe dich. — 'Nach der Einsenkung schieden die Kameraden mit dem wehmüthigen Abschiedsgruß: Das war Lützow's wilde verwegene Jagd, von der Ruhestätte des Todtcn, nachdem sic zuvor in den Stamm der Eiche Körners Namen eingegrabcn hatten. Die Kunde von dem Heldentode des Sängers, auf den das Vaterland so große Hoffnung gesetzt, verbreitete sich schnell und rief in den weitesten Kreisen die größte Thcilnahme hervor. 1814 wurde ihm auf seiner Ruhestätte ein ein faches Denkmal errichtet, es hat die Gestalt eines Altars, auf dem Leier und Schwert, von einem Eich kranz umwunden, angebracht sind. Die Vorderseite trägt die Inschrift: Hier wurde Theodor Körner von seinen Waffenbrüdern mit Liebe und Achtung zur Erde bestattet. Auf der einen Seitenwand des Altars sind die Worte aus Körners Gedicht an den „preußischen Grenzadler" eingegrabcn: Dem Sänger Heil, erkämpft er mit dem Schwerte Sich nur ein Grab in einer freien Erde. Druck und Verlag von E. Hannebohn i» Eibenstock.