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drüben gedruckt wurde, an Bord der Kaiserlichen Jacht „Hohenzollern" von London nach Deutschland gepascht wurde. Dann hörte auch von Loudon au» die Möglichkeit auf, den »Sozialdemokrat" herüber zu schaffen. So entschloß man sich denn kurz, den Druck de» verbotenen Blatte» in Deutschland zu wagen und drei Jahre lang, bis zum Fall de» So zialistengesetze», ist der „Sozialdemokrat" in einer deutschen Druckerei hergestellt worden, ohne daß die Polizei dahintergekommen wäre. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock. Aus Anlaß der eintretcnden Aenderungen im Gange der Züge werden die Bahn hof»- Omnibuswagen vom I. October ab zu folgen den Zeiten vom Kaiserlichen Postamte abfahren: 6r» Borin., 10 Vorm., 11<o Borin., 2;, Nachm., 5» Nachm., 8i» Abends, 9n Abends. Besonders sei auch an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß der Omnibus zu dem 3 Uhr-Zuge künftig 18 Minuten zeitiger als jetzt abgeht. — Dresden. Der Stadtrath in Zwickau erläßt eine Bekanntmachung, die auch hier, wie allerorten am Platze wäre. Es heißt da: „Das zum Backen bestimmte Mehl wird in Bäckereien und Mehl handlungen nicht selten in Säcken auf Hausfluren, Gängen und Treppen, auch wohl in unsauberen Hof räumen ausgestellt. Da derartig aufbewahrtes Mehl der Gefahr ausgesetzt ist, durch Staub oder auf andere Weise verunreinigt zu werden, und der Genuß der von so verunreinigtem Mehle hergestclllen Back- waaren unter Umständen gesundheitsschädlich wirken kann, so wird die gedachte Aufbewahrungsart des Backmchles verboten, es hat vielmehr in Bäckereien und Mehlhandlungen die Aufbewahrung des Back- mehles fernerhin in nur sauber gehaltenen, gut ver schließbaren Räumlichkeiten zu geschehen. Zuwider handlungen werden mit Geldstrafe bis zu ISO DU. oder Haft geahndet." — Auch hier in Dresden hat man öfter Gelegenheit, namentlich in kleineren Bäcker eien, Mehl solchen Orts und solcher Art, wie oben beschrieben, untergebracht zu sehen. In dumpfigen Hausfluren sieht man hier und da Mehlsäcke stehen, selbst in der Rühe von Gruben. Mehl zieht de» Geruch leicht an, wie auch die Feuchtigkeit. Der eigenthümliche, oft ganz undefinirbare, jedenfalls aber nicht angenehme Geschmack des Weißbrotes mancher Bäcker, der hier und da so bedenklich ist, daß viele Leute eS verziehen, ihr Frühstück re. einige Straßen weiter zu holen, hat wohl meist seine Ursache in so unrichtiger Aufbewahrung oder Verschmutzung des Mehles durch den betreffenden Bäcker selbst. — Leipzig. Die sächsische Staatsanwaltschaft hatte in Buenos Aires die Auslieferung des früheren Direktors der Leipziger Diskonto- und Wechslerbank Adolf Winkelmann wegen Betrugs und Urkunden fälschung seitens der argentinischen Regierung durch die deutsche Gesandtschaft verlangt. Wegen des Fch'cns eines Dokuments war die Forderung früher abgelehnt worden. Nach der „Buenos AireS-Handelszeitung" vom ö. September sind die fehlenden Papiere seitdem beigebracht und die Identität des p. Winkelmann ge nügend festgestellt worden; der argentinische Richter hat daher auf Auslieferung des Winkelmann erkannt, unter der Boraussetzung, daß die deutschen Gerichte in analogen Fällen ebenso verfahren werden, und die Bedingung, daß der p. Winkelmann wegen keines an deren außer dem in dem Auslieferunzsantrage be- zichtcten Verbrechens zur Verantwortung gezogen und zu keiner höheren Strafe, als welche das argentinische Gesetz für dieses festsctzt, verurtheilt wird. Adolf Winkelmann ist zur Verfügung des deutschen Gesand ten gestellt worben. — Zwickau. Am Sonnabend Abend zwischen 7 und 8 Uhr wurde ein junger Mann aus Lichten stein auf dem Rückwege von Mülsen auf der Straße in der Nähe des Burgwaldes von einem Strolch, welcher aus dem Seitengraben gesprungen kam, mit den Worten: „Geld oder Leben" angefallen, am Genick gefaßt und niedergeworfen. Der Angreifer, in dessen linker Hand ein Messer blinkte, wurde jedoch vom Angcsallenen, welcher Kraft und Geistesgegenwart besaß, verhindert, vom Messer Gebrauch zu machen. -Nach längerem heftigen Kampfe, in welchem der An gegriffene die Oberhand gewann, gelang cs letzterem, nachdem er den Strolch noch gehörig durchgebläut, zu entkommen. Dem angefallenen jungen Mann wurden die ArbeitSlasche, Uhrkette und Kleidungsstücke zerrissen. Der Wegelagerer hat starken Schnurrbart, Kinnbart Und trägt eine Mütze mit langem Dach. Hoffentlich gelingt eS bald, dieses gemeingefährlichen Menschen habhaft zu werden. — Leisnig. Ein lebhafter Wunsch der Be völkerung, einen Schlachtviehhof zu Haden, ist nunmehr erfüllt worecn. Die hiesige Fleischerinnung, hat einen solchen auf der Mulvcnwiese, mit allen durch die Erfahrung anderwärts gewonnenen Neuer ungen versehen, errichtet. Die Einweihung desselben findet Dienstag den 6. October mit einem Vormittags ", 10 Uhr beginnenden Festzuge vom Marktplatze aus statt. — Auch der neue Kirchthurmaufdau an der Stadlkirche schreitet rasch vorwärts und geht seiner Vollendung entgegen. — Die neue Ausgabe von Fritzsche's CourS buch ist wieder erschienen. Dieselbe enthält die Wintcrfabrpläne sämmtlicher sächsischen, thüringischen, ter wichtigsten böhmischen und bayerischen, sowie der preußischen Anschlußlinien; ferner da« Lerzeichniß der sächsischen Fahrposten, den Dampfschifffahrplan der Elbschifffahr», ein übersichtliches Verzeichniß der direkten Verbindungen zwischen Dresden, Chemnitz, Leipzig, Zwickau und größeren Städten und Badeorten, eine ganz neu gestaltete und erweiterte Uebersicht der Anschlußverbindungen in Berlin, welche dem Reisen den das Orteniiren ungemein erleichtert und ein größeres CourSbuch ersparen hilft; ein Verzeichniß der auf den sächsischen Linien verkehrenden Durch- gangswagen; endlich Preisverzeichnisse für Fahrkarten aller Art und zahllose Hinweise auf Vergünstigungen localer Art, die kennen zu lernen für jeden Reisenden von größtem Interesse ist. Das mit einem Stations- verzeichniß und zwei Karten auSgestattete Coursbuch, welches durchaus zuverlässige, auf ossiciellcn Grund lagen beruhende Angaben enthält, ist zum alten Preise von 40 Pfennigen in allen Buchhandlungen und an den Billetschaltern der Eisenbahnen rc. zu erhalten. Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. Am I. Oktober I81S ging es nut der Herrlichkeit des Königreichs Westfalen zu Ende. A» diesem Tage erschien ganz unvermuthet der russische General Tschernitscheff in Kassel und König Jerome, diesmal nicht mehr „immer lustik" nahm eiligst Reißaus. Daraus erklärte der russische General im Namen des Kaisers von Rußland das Königreich Westfalen für auf gelöst. L. Oktober. Am 2. Oktober 1815 begannen die Friedenspräliminarien zu Paris. Damit war endlich der große Völkerkrieg zu Ende, in den Napoleon ganz Europa gestürzt hatte. Frankreich wurde auf die Grenzen von 1790 beschränkt, alle geraubten Schätze der Kunst und Wissenschaft wurden den früheren Eigenlhümern zurückerstattet, außerdem mußte Frankreich 700 Millionen Francs Kriegsentschädigung zahlen und in 17 Grenzfestungen fünf Jahr« lang ein Bundesheer von 150,000 Mann unterhal ten. Der Antrag Preußens, dem sich die Niederlande und Württemberg anschlossen, die ehemals deutschen Provinzen Lothringen und Elsaß nebst Straßburg wieder mit Deutschland zu vereinigen, ein Antrag, der init gewichtigsten Gründen von deutschen Staatsmännern und Feldherren unterstützt wurde, scheiterte an dem Widerstand Rußlands und Englands, die zur Ruhe Europas und zu einem dauernden Frieden ein starkes Frankreich für nothwendig hielten. Erna. Novelle von L. Haid heim. (25. Fortsetzung.) Es kam ihm nicht einen Augenblick die Furcht, daß er für schuldig erklärt werden würde, darüber war er im Gegentheil völlig ruhig, aber — welche Lage für ihn, hier wie ein Verbrecher zurückgehalten zu werden und von einem Geschworenengericht sein Nrtheil zu erwarten. Ein brennendes Weh um Erna erfüllte sein Herz und brennende Tropfen feuchteten ihm die heißen Augenlider, wenn er bedachte, daß sie ihm nun hoffnungslos verloren sei. Ein beklemmendes Grauen überschlich ihn. Wie batte das harte Schicksal Fangball mit ihm gespielt — mit und ohne seine Schuld, und was konnte noch kommen. Ein willenloses Nichts war er in der Hand dieses Schicksals, und mit gebundenen Händen mußte er geschehen lassen, was es ihm brachte. Der Beamte hatte sich rücksichtsvoll und höflich gegen ihn gezeigt; eS fehlte ihm nicht an den Be quemlichkeiten, die man ihm gestalten konnte, aber eine Kaution, eine Entlassung auf Ehrenwort war ihm rundweg abgeschlagen; der einzige Trost, der ihm an diesem Tage leuchtete, war die Mittheilung des Untersuchungsrichters, daß Rochlitz und Kaland sich für ihn, wenn auch vergeblich, bemüht hätten. Kaland, ihr Vater, den er so unfreundlich und abweisend behandelt hatte! Freilich, sie durften ihn nach dem gestrigen Abend nicht gleich fallen lassen. Wie mochten ihre Empfindungen für ihn aber heute sein? Und Erna? Er hatte sich Schreibmaterialien bringen lassen, aber wenn er auch versuchte, seinem Onkel zu schreiben, so vermochte er doch nichts auf Papier zu bringen, als das ChaoS, welches in seinem Herzen auf und ab wogte. Und wie sollte er diese Nacht hinbringen? An Schlaf war kein Gedanke! — Erna Kaland hatte sich in den Park geschlichen — die Qual, thatlos zum Abwarten gezwungen zu sein, überstieg ihre Selbstbeherrschung, sie fühlte sich ver sucht, laut zu schreien, irgend etwas Gewaltsames zu thun, und erschrak vor der dämonischen Leidenschaft, die in ihr tobte, denn noch hatte sie diese« Maßhalten, welches die Harmonie ihrer Natur auSmachte, nicht verloren. Allerlei tolle thörichte Gedanken fuhren durch ihren fiebernden Kopf — sie hätte am liebsten hinausspringen mögen aus den offenen Markt, die Leute zur Befreiung Erichs aufzurufcn. Für solch' thörichte Phantasterei hatte sie dann selbst ein trauriges Spottlachen. Gleich darauf wallte die bittere Em pörung wieder in ihr auf über diese Menschen, die, wie sie jetzt erst erkannte, seit Monaten nichts andere» gethan, al- Trugschluß aus Trugschluß zu bauen und mit ihrem Neid, ihrer Sensationsbedürftigkeit den Namen de« schönen, stolzen, ehrlichen Willwart hinab zuziehen in den Schmutz des Verbrechen«. Durch die erhellten offenen Fenster in ihre» Vater- Stube sah sie, von fern vorüberslreifend, ihn sorgen voll auf- und abgehen — sie erkannte Rochlitz. Die Anwesenheit eines Fremden, Kyburg», beunruhigte sie noch mehr; brachte es Gutes oder Schlimme« für Erich? Für sie stand Alles nur im Zusammenhang mit ihm. Ohne zu beachten, wohin sie ging, nur die Angst des Herzens durch starke Bewegung zu betäuben suchen», war sie in die Nähe des Küchengartens ge- rathen. Eine breite Lindenallee und ein dichtes Gebüsch trennten denselben vom Parke. — Hier war sie auch sicher, von Tante Luisens spähenden Augen nicht ent deckt zu werden, falls diese sie vermißte. Endlich setzte sie sich erschöpft aus eine Bank un ter den Linden. Die Abendstille that ihr gut — eS kam wie ein Träumen über sie. Die Angst um Erich, jedes empörte Gefühl schwieg. Vor ihr stiegen die wenigen, aber glücklichen Erinnerungen an ihn auf, alle sonnenhell, und ihr Herz rief dazu: „ES wird noch Alles gut, er liebt mich ja, er hat mich sehr lieb!" Es wurde wieder Heller, der Mond war aufge gangen. Da hörte sie jenseits des Gebüsches hinter ihrery Bank plötzlich ein lautes, krampfhaftes Weinen. WaS hieß das? War das Kathrins Stimme? Da« Mäd chen hatte den ganzen Tag schon so verweint und aufgeregt ausgesehen — in ihrer eigenen Sorge hatte sie aber die einstige Spielkameradin nicht, wie sonst jedenfalls geschehen wäre, gefragt: „Kathrin, was fehlt?" Richtig, eS war Kathrin! Sie wußte es jetzt ge wiß, denn eine Männerstimme bat unruhig: „Weine doch nicht so, Thrinchen, nimm doch Vernunft an; er ist ein vornehmer Herr, dem thun sie nicht». Un sereiner aber, der wird eingesteckt, und sie machen kurzen Prozeß, ob man's gethan hat oder nicht!" Was war das? Was redeten die Beiden? Ein Schauer überlief Erna, alles Blut drängte sich ihr zum Herzen. Hochaufgerichtet, sich auf die Lehne der Bank mit zitternder Hand stützend, stand sie da; jeder Nerv gespannt, lautlos horchend. „O, Fritz, hätten wir es doch gleich bekannt! Hätten wir doch an demselben Abend noch bekannt: Wir sind dabei gewesen, wir haben die ganze Geschichte mit angesehen," schluchzte das Mädchen. „Ich komme mein Lebtag nicht darüber weg, daß wir nicht auf richtig gewesen sind. Und nun sitzt er im Gefängniß und unser Fräulein hat den Tod davon!" Ernas Herz klopfte wie ein Hammer. DaS Blut schoß ihr brausend und zischend durchs Hirn. „Ja, wenn Du's willst, so gehe ich und sage, wie es war; aber Du kannst nur fest darauf rechnen, sie stecken mich gleich ein und mit unserer Hochzeit zu Michaeli ist cs nichts, denn ich komme natürlich vors Schwurgericht, und wie manchem Unschuldigen haben sie den Kopf schon abgehackt!" ES war Fritz — er sprach sehr kleinlaut und bedrückt. Das Mädchen weinte wieder. „O Gott, was sollen wir thun, was sollen wir thun?" Auf einmal schrie Kathrin gellend auf, denn neben ihr brach eS gewaltsam durch die Büsche und ein weißes Gesicht — eine weiße Gestalt — „Heiliger Gott!" schrie das Mädchen in wahn sinnigem Entsetzen unv auch der stramme Bursche stieß, die Braut heftig in seine Arme reißend, einen Schrcckensruf aus und wäre geflohen, hätte Thrin chen nicht gekeucht: „Unser Fräulein, das gnädige Fräulein!" „Seid still! seid still! — Bekennt auf der Stelle, was Ihr wißt von dem — von dem Morde!" rief Erna Kalanv herrisch, mit rauher Stimme und glühen den Augen. Lautloö vor Entsetzen und Staunen blickten die beiden Liebesleute auf ihre jungt Herrin, die in dem falben Monvlicht so bleich wie eine Leiche aussah. Der Bursche faßte sich zuerst. „Wenn'S denn sein muß!" sagte er halb zu Kathrin gewandt. Diese aber rief: „Wir haben ja nichts gethan, Fritz, sie schlagen ja keinem den Kopf ab, der nichts gethan hat. Wir brauchen doch nur zu bezeugen, waS wir gesehen haben!" „So redet schnell, was wißt Ihr, wie war es mit dem Tode des Herrn von Froysberg?" drängte Erna. „Ja, sehen Sie, gnädiges Fräulein, der Fritz war vom Sonncnstein heimlich herüber gekommen und wir sahen uns den Abend im Park, weil der Fritz mit mir verabreven wollte, daß ich den Dienst kündigen müßte und — daß Sie mich gewiß aufnehmen würden." (Schluß folgt.) Vermischte Nachrichten. — Wittenberg. Die Kossäthenfrau Riebe in Meuro hatte am 20. April d. I. drei ihrer sieben Kinder, die an einem Blasenausschlag litten, in einen gelind geheizten Backofen gesteckt, aus dem die jüngeren