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schnell entgezengearbeitet wurde. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt in ihrer Ausgabe vom Freitag Abend: „Die in Charlottenburg als amtliches Organ der Stadt Charlottenburg erscheinende „Neue Zeit' weiß an der Spitze ihrer heutigen Nummer mit auffälliger Schrift zu melden, eS sei „neuerdings gelungen, eine Kronanleihe von 40 Millionen Mark abzuschließcn", welche durch Eintragung auf der Krone gehörige Güter sichcrgestellt sein solle, und durch welche „finan zielle Schwierigkeiten, die seit längerer Zeit bestanden" hätten, behoben wären. Die „Freisinnige Zeitung" de« Abg. Eugen Richter brachte schon gestern Abend mit dem gestrigen Kronrath Pläne „einer neuen abermaligen Erhöhung der Krondotation" in Ver bindung. Dasselbe Blatt brachte auch vor einigen Tagen die unsererseits mit allem Vorbehalt erwähnten Gerüchte in Umlauf, nach welchen eine Umgestaltung reS Schießplatzes (in Berlin) durch eine Lotterie ermöglicht werden sollte. Wir sind von maßgebender Stelle aus in den Stand gesetzt, auf da« Bestimm teste zu erklären, daß keine dieser Nachrichten auf die mindeste Glaubwürdigkeit Anspruch zu machen hat, daß sie vielmehr sämmtlich nebst den dazu in Umlauf gesetzten Details au« der Luft gegriffen sind. Man würde indessen fehlgehen, wenn man durch diese offiziöse Aeußerung die Gerückte für verflogen hielte. Mehrere Morgenblätter vom 19. d. haben wieder neue Lesarten, u. a. daß der Voranschlag des königlichen Haushalts einen einmaligen Zuschuß zur Civilliste erheische, daß Herrn Herrfurths Stell ung erschüttert sei, weil dieser Minister durchaus gegen die Schloßplatz-VerschönerungSlottcrie sei und dergleichen mehr. Um indessen von diesen Gerüchten zu Thatsachen überzugehen, so bleibt das Entlassungsgesuch des Grafen Zedlitz bestehen und beherrscht augenblicklich die politische Lage so stark, daß die „Kreuz-Ztg." am Freitag ihren Lesern melden konnte, auch Graf Caprivi habe um seine Entlassung gebeten, eine Meldung, die weder anderweitig bestätigt ist, noch einen formellen Widerspruch gefunden hat. Was das Entlassungsgcsuch des Grafen Zedlitz betrifft, so soll dasselbe in einer gelegentlichen Aeußerung deS Kaisers seinen Grund haben, die am Donnerstag nach stattgehabtcm Kronrath gefallen wäre. Der Monarch soll gesagt haben, angesichts der starken Bewegung gegen das Volksschulgesetz werde er letz terem seine Sanktion nicht geben, wenn es nur von den Conscrvativcn und der CentrumSpartei ange nommen würde. Hiernach stellt sich die Sachlage folgendermaßen: DaS Volksschulgesetz ist schon eine Verheißung seit Beginn des constitutionellen Regiments, deren Er füllung an der Schwierigkeit der zu behandelnden Materie bisher stets gescheitert war. Der vorjährige Entwurf des Herrn v. Goßler war ein erster Versuch der Verständigung mit dem Landtage; er mißglückte bekanntlich. Der Kaiser wählte nun zur Ausführung einen Mann, der bisher noch nickt im Parteien kampfe gestanden hatte und der cs sich zur Aufgabe machte, das Schulgesetz so einzurichten, wie es die Praxis der letzten Jahrzehnte ergab; dabei sollte aber der confessionelle Charactcr der Volksschule als einer Staatseinrichtung starker als bisher betont werden. Die Regierung, die diesem Entwürfe schließlich die Zustimmung ertheilte, wie er auch des Kaisers Zustimmung fand, war der Meinung, daß sich auf solcher Grundlage alle Parteien des Hauses zusam menfinden würden. Graf Zedlitz bezeichnete aus drücklich keinen einzigen Paragraphen als unantastbar; er war über jeden einzelnen Punkt zur Verständigung bereit. Trotzdem hatte er sich über die Stimmung der Parteien getäuscht; nicht nur die Freisinnigen und Nationalliberalen, sondern auch die freiconser- vative Partei, ja in einigen Punkten auch einige Conservative nehmen gegen den Entwurf Stellung und wenn auch in der Commission sowohl wie im Plenum die Annahme durch Conservative und Centrum sicher war, so genügte das dem Kaiser doch nicht, der für ein so wichtiges Gesetz eine möglichst große Majorität haben wollte. DaS ist die Ursache der gegenwärtigen Krisis, auf deren AuSgang die ganze civilisirte Welt mit Spannung sieht. In parlamentarischen Kreisen verlautet zuverlässig, der Kaiser habe das Rücktrittsgesuch Caprivi's abge lehnt. Ueber das Demissionsgesuck deS Grafen Zedlitz sei eine Entscheidung noch nicht erfolgt, doch soll Graf Zedlitz, der nächster Tage zur Kur nach KarlSbald reist, entschlossen sein, das Amt nicht bci- zubehalten. Eine Meldung von Wolff's Bureau besagt: In Betreff der augenblicklich bestehenden Krise ist sestzuhalten, daß es sich bis jetzt nur um eine Krise deS Kultusministeriums handele. DaS Ent lassungsgesuch des KuliuSmiilisterS ist bisher nicht angenommen, da Se. Majestät der Kaiser während deS Erholungsaufenthalts in HubertuSstock mit schwie rigen Entscheidungen nicht behelligt werden darf. In Betreff des Reichskanzlers glaubt Niemand, daß sein EnilassungSgesuch, wenn solches an den Kaiser ge langt ist, angenommen werde, und ebensowenig, daß der Reichskanzler darauf bestehen würde. Die Mittheilung Berliner Blätter, der Kaiser würde am Dienstag bereits von HubertuSstock nach Berlin zurückkehren, ist irrthümlich. An maßgebender Stelle ist über die Rückkehr des Monarchen nichts bekannt. — Der Reichskanzler ist auf telegraphische Berufung deS Kaiser» nach HubertuSstock abgereist. Tagesgeschichle. — Deutschland. Zum 20. März, al« dem Jahrestage des Rücktritts des Fürsten Bis marck von den Geschäften der ReichSverwaliung schreiben die „Dr. N.": Heute sind zwei Jahre ver gangen seit dem denkwürdigen Tage, an dem die Kunde durch alle Welten flog, Fürst Bismarck, des ersten Kaisers weisheitsvoller Berather, sei nicht mehr Kanz ler deS ncugeeinten Reiches, Fürst Bismarck, der eiserne Held, habe das Schwert aus der Hand gelegt, das er so tapfer geschwungen znr Ehre und für die Größe unseres Volkes. Wo immer der nationale Gedanke lebendig war, da wurden die Herzen be kümmert, und sorgenvoll ging es von Mund zu Mnnd: Was soll das werden? Die Tage sind vergangen, und die Frage, die sich damals aus die Lippen drängte, ist noch nicht gelöst. Wohl freuten wir uns, daß ein junger Held, des Kaiser« Wilhelm fürstlicher Enkel, mit jugendlich freudigem Willen die Führung des Volkes übernahm, wohl glaubten wir, daß der Mann, den er sich zum ersten Berather gewählt, be seelt sei vom redlichsten Wollen, festzuhalten am Kurse der Alten, aber nicht ohne manch schwere Zuckung, nicht ohne manch ernstlichen Kampf wollte der feurige deutsche Renner den neuen Lenkern gehorchen. In manchem Herzen tauchte der Wunsch empor, daß der Rath des Weisen vom Sachsenwalde nicht ungehört verhalle, solange der Gott von Roßbach und Denne- witz ihn dem Hause der Hohenzollern erhält. Nicht Alles hat sich gefügt, wie man gehofft. Und gerade heute, wo das Erinnern an den letzten Paladin aus unserer großen Zeit sich doppelt stark cmpordrängt, kommen aus der ReichShauptstadt aufregende und ver wirrende Nachrichten in reicher Fülle, gerade heute fühlen wir cS, daß wir zu „kritischen Tagen erster Ordnung" gelangt sind. — Berlin. Wieder eine Schloßlotterie. Bereits liegt im Ministerium des Innern der Plan zur Genehmigung vor, nochmals eine große Lotterie zu veranstalten zum Zweck der Verbesserung der Aus sichten des Berliner Königlichen Schlosses. Diesmal handelt es sich, wie die „Freis. Ztg." miitheilt, um die Niederlegung der Häuser am Schloßplatz zwischen dem Marstallgebäudc und der Spree, beziehungsweise um den Umbau des Marstalls. Bekanntlich findet demnächst die Niederlcgung der Häuser an der Schloß- sreiheit statt, wozu die Mittel aus der vorjährigen Lotterie beschafft worden sind. Da außerdem im kommenden Etatsjahr die Niederlegung des alten Domes beabsichtigt wird, so dürften demnächst große Ruinen und Schutthaufen aus drei Seiten deS König lichen Schlosses (nur die Wasserseite kommt nicht in Betracht) Kunde geben von der neuen Bau-Aera, in welche wir, wie das zitirte Blatt meint, lediglich zu Verschönerungszwecken eingetrelen sind. Bezüglich der Ausführung der Lotterie weiß der „B.-C." zu melden, daß man beabsichtige, Loose im Betrage von 8 Milli onen Mark auSzugebcn. Daran sollen die Bankiers für die Finanzirung 2 Millionen Mark verdienen. Zu Gewinnen sollen 4 Millionen Mark bestimmt sein, während 2 Millionen übrig bleiben, welche zur Niederlcgung der Häuser am Schloßplatz zwischen der Breitenstraßc und der Spree sowie zu einer Abrundung des Rolhen Schlosses (An der Stechbahn l —4) er forderlich sind. Geplant ist, wie wir schon meldeten, die Anlage einer großen Terrasse auf der Südseite des Königlichen Schlosses. Dock kann dieses Projekt nur dann auSgeführt werden, wenn die städtischen Behörden das entsprechende Straßenterrain abtretcn. Schon vor einiger Zeit sind den städtischen Behörden hierauf bezügliche Andeutungen gemacht worden. Man hat es aber im Verkehrs-Interesse als absolut un möglich bezeichnet, den Schloßplatz in solcher Weise zu verengern. — In Berlin eingegangenc Consularberichte aus den Vereinigten Staaten warnen wiederholt vor der Auswanderung nach Chicago. Chicago übt alS nächste WeltauSstellungSstadt eine ganz gewaltige An ziehungskraft auf arbeitsuchende Personen aus aller Herren Länder aus. In erster Linie werden indessen naturgemäß die amerikanischen Arbeiter berücksichtigt, in zweiter die anderen der englischen Sprache kundigen Bittsteller. Für Auswandernde dürfte sich deshalb die Hoffnung, in Chicago sofort eine lohnende Be schäftigung zu finden, in den meisten Fällen als trügerisch erweisen. — Amberg. In der hiesigen Gefangencnanstalt ist am 16. d. Mt«. der Bismarck-Attentäter Karl Kullmann im Alter von 38 Jahren an tuberkulöser Gehirnhautentzündung gestorben. Die neulich durch die Blätter gegangene Nachricht war verfrüht. Kull mann war, so berichtet die „Amberger VolkSztg.", ein überspannter, wenn auch nicht gerade ungeschickter Böttchergcselle, der die Lektüre aller möglichen Werke, zu welcher ihn sein Wissensdrang trieb, halb verdaut hatte. Im Jahre 1874 beging bekanntlich Kullmann in Kissingen auf der Promenade da» Attentat, wegen dessen er zu 14 Jahren Zuchthaus verurtheilt wurde. Kullmann, der sich dem Vernehmen nach in den letzten Jahren ruhig benommen hat, ließ sich in seinem früheren JnternirungSorte Exzesse gegen Gesängniß- wärter zu Sckulden kommen, die ihm aufs Neue eine achtjährige Gesängnißstrafe einbrackten. Als Kuriosuni fügt das genannte Blatt bei, wie Kullmann vor zwei Jahren die Entlassung de» Fürsten Bismarck ausge nommen haben soll. Al» er die Nachricht erfuhr, soll er mit rem Kopfe genickt und sofort in theatra lischer Pose gesagt haben: „WaS vor 16 Jahren eine Revolverkugel nicht fertig brachte, geschieht heut zutage mit einem Federstriche!" — Dem neugewählten sozialdcmokrat. Vertreter deS 22. ReichStagSwahlkrciseS, Herrn Hofsmann, wird cs nickt ganz leicht werden, seine „Stimme" abzugeben. Er verdankte ihr früher große Erfolge und hatte alle Ursache, sie zu bewahren und sorgsam zu pflegen, denn er war Jahrzehnte lang ein wirk sames Glied der bekannten Leipziger Couplets- und Quartetksänger-Gesellschaft. Während dieser Thätig- kcit trug er den Künstlernamen Locke. Wie eS ge kommen, daß er die Tribüne der Bühne vorgezogen, daß ihm der Beifall einer Partei plötzlich noch „lock ender" ersckicn, als der Applau« großer Massen aus alle» Schichten der Bevölkerung, weshalb er das Conzertplogranun mit dem Erfurter Programm ver tauscht hak, darüber haben seine Kandiratenreden keinerlei Aufschluß gegeben. — Rußland. In den letzten Tagen sind wiederum mancherlei Gerüchte über die Heran ziehung neuer russischer Truppen an die deutsche und österreichische Grenze durch die Presse gegangen. Der „Pester Llohd" schreibt hierzu: So viel wir wahrzunehmen vermögen, haben die Gerüchte keinen besonderen Eindruck gemacht, da die öffentliche Meinung an derartige Meldungen seit Jahresfrist gewöhnt und für die Schrecken derselben bereits einiger maßen abgestumpft ist. Von mancher Seite ist be hauptet werden, die neu herangczogenen Truppen hätten die Bestimmung, im Innern Polens ihre Ver wendung zu finden, wo die Gemüther sehr erregt sein sollen und der Ausbruch eines Ausstandes nicht außer dem Bereiche der Möglichkeit einer nahen Zukunft sei. In besser informirtcn Kreisen findet diese Version jedoch wenig Glauben. Die Prämisse derselben, daß nämlich die nationale Bewegung in Polen einen be drohlichen Charakter angenommen oder etwa gar den Ausbruch einer Insurrektion befurchten lasse, wird als absolut irrig bezeicknct. Was die Gerüchte über neue Truppendislokationen an der russischen Westgrenze betrifft, so wird uns von gutunterrichteter Seite ver sichert, daß die Informationen, die man in Wien und Berlin über diesen Punkt besitzt, von der Heran ziehung neuer Truppen nichts wissen und die in der jüngste» Zeit stattgehabten Bewegungen nur als Ver schiebungen zwischen den einzelnen Garnisonen be zeichnen, die aus rein lokalen Gründen veranlaßt wurden. Auch von der Heranziehung der Truppen division aus dem Kaukasus, deren Erscheinen in Polen im Laufe der letzten Jahre wiederholt schon angckündigt worden, ist in den erwähnten Kreisen nichts bekannt. Es stünde auch mit der ganzen Lage und den Verhältnissen Rußlands im Widerspruck, wenn die Petersburger Regierung gerade jetzt, wo all ihre Sorge, all ihre Kräfte, all ihre Geldmittel und ihr Eiscnbahnmaterial zur Bewältigung des Nvth- standcs in zahlreichen Distrikten des Reiches uner läßlich sind, an die Vermehrung deS ohnehin schon übermäßigen Truppenstandes an der Wcstgrenze denken würde. Locale und sächstschc Nachrichten. - Leipzig. Die am Donnerstag hicrselbst ab gehaltene Versammlung der Arbeitslosen war von ca. 1200 Leuten besucht. Als Referent trat Herr Flöther auf. Er erklärte sich mit den Maßnahmen, die der Rath der Stadt Leipzig ergriffen, um der herrschenden Arbeitslosigkeit zu steuern, keineswegs einverstanden. Referent will gar nicht die Samm lungen, die veranstaltet würden, will nicht die paar Centner Reis, die ein Kaufmann, weil er sie sonst nicht los würde, den Arbeitern gebe, er will für die Arbeitslosen Arbeit und zwar Arbeit, bei welcher etwas verdient wird. Die vom Rathe gebotene Arbeit sei unzulänglich. Im Uebrigen waren die Ausführungen deS Redner» ziemlich konfus. — Zwickau. Zweite Strafkammer. Während der Verhandlung am 16. d. Mts. erschien unter An dern auch als Angeklagte die Haudarbeitersehefrau Selma Louise Bauer aus S o sa. Die Bauer ist wegen Betrugs rückfällig. Man erkannte wider die selbe auf eine Gesängnißstrafe von 9 Monaten und b Jahre Ehrenrechtsverlust. — Donnerstag Mittag ging das große, zum Fa- brikrahon der Firma Heinrich Hempel in Reichen bach gehörige, für Spinnereizwecke eingerichtet ge wesene Fabrikgebäude an der äußeren Reichsstraße in Flammen auf. Dasselbe befand sich seit einer langen Reihe von Jahren bereit« in Pacht der Firma F. A. Neidhardt, welche Streichgarnspinnerei darin betrieb. DaS am Fabrikthor noch sich aufhaltende Personal wollte eben an die Arbeit gehen, als man au» dem Spitzboden Rauch hervorquellcn sah, u. in kurzer Zeit