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»Ich wußte genau, daß sie nur de« Worte«: .Komm' her!" harrte, um jede- Elend mit mir zu theilen. .Aber ich sprach e« dennoch nicht. Ich durfte e« ja nicht sprechen. .Hier harrte ihrer ja noch unsichrere« Schicksal wie drüben, wo eine Schwester von mir, die zwar selbst nicht reich war, doch liebevoll und edelsinnig stet« zu helfen willig blieb. An ihr fand Ottilie eine Stütze, während wir ganz vereinsamt, nur auf un« allein angewiesen, in diesem Lande dastehen würden. Ein einzelner Mann konnte besser gegen die Verhält nisse ankämpfen wie eine Familie, und darum ver tröstete ich von Brief zu Brief die Ungeduldige auf eine bessere Zukunft, die aber nie zu dämmern begann. Nachdem wir beide, Simm« und ich, un« getrennt hatten, eilte ich nach Washington. .Dort fand ich Viele von jenen wieder; mit denen ich einst auf dem Felde der Ehre gekämpft, die Einen erfolgreich, die Andern in Lebenslagen, die selbst mir ein Bedauern abnöthigte». Meine Freunde meinten e« gut mit mir, sie gaben sich alle Mühe, mir eine Anstellung bei der letzten Expedition Fremont« nach den Rocky Moutaiu«, wozu einige Hoffnung vorhanden war, zu verschaffen. Trotzdem wurde mir im letzten Momente ein Eingeborener vorgezogen. .Alle« ging wieder fehl, seit mit Simm« mein Glücksstern von Neuem verschwunden war. Alle Mühe, mich in einem der Departement« der Regierung an zustellen, blieb ebenfalls nutzlos und ich dankte Gott, nachdem ich fast meinen letzten Heller verbraucht hatte, im Bureau de« Herrn Siebert einige Wochen lang Karten zeichnen zn dürfen. .Die vielen Bemühungen meiner alten Freunde wurden dann endlich mit Erfolg gekrönt. Man er hielt eine Lehrerstclle in einer großen Damen-Akade- mie im Innern Virginicns für mich. Zwar war da« Gehalt nur spärlich, jedoch die Stelle bot andere Vor- theite und deshalb übernahm ich sie freudig. .Al« Lehrer de« Deutschen, Lateinischen — Spani schen wurde ich angenommen. 'Nun verstand ich zwar vom Spanischen genan ebensoviel, wie damals vom Anstreichen. Ich kaufte einen Leitfaden und lernte, denn ich wußte cs zu gut, nur dem Muthigen gehört die.Welt. Es beunruhigte mich auch nicht einmal mehr, daß ich tags zuvor dieselbe Lektion studirte, die ich später den jungen Damen vonrug. .So schlug ich mich leidlich hinreichend durch, um mich nach Verlauf des erste» Jahres wieder für da« nächstfolgende mit erhöhtem Gehalte engagirt zu sehen. Klein, wie dasselbe war, reichte e« doch aus, einiger maßen den Kampf ums Dasein für Ottilie zu er leichtern, was auch sehr nothwendig zu sein schien, denn ihre Briefe aihmeten Muthlosigkeit und Todes ermattung. Dazu aber erschloß sich am Horizonte der Zukunft ein Helles Licht für mich hier im Innern Virginien«, da« mich veranlaßte, muthig und aus dauernd noch ein Weilchen in der nicht sehr ange nehmen Stellung auszuharren. In dem Orte selbst, an dessen Grenze die Damen-Akademic lag, waren nämlich nur zwei Aerzte, dazu der eine alt und ge brechlich, während die Praxis ausreichend für die Existenz mehrerer war. „Ich sparte aufs Aeußerste, um zu Ende des zweiten Jahres im Stande zu sein, mich im Städt chen als Arzt niederzulassen. „Schon hatte ich, als der Termin heranrückte, eine Wohnung gemiethet, schon an Ottilie geschrieben, sich bis zum Herbste bereit zu halten, im neuen Lande das alte, traute Heim wieder aufzubauen, als ein Er- eigniß, ein bis heute tausendmal verwünschtes Ereig- niß eintrat, das alle unsere holden ZukunftSpläne wieder grausam zertrat. Unter den jungen Damen von 15 bis 20 Jahren, die ich unterrichtete, waren verschiedene jener früh reifen amerikanischen Pflanzen, die, unabhängig, kühl berechnend — ohne Herz, aber mit vielem Verstand begabt, statt des wirklichen Gefühl« eine Art künstlich geborenen und großgczogenen Hang zum Wild-Ro mantischen besitzen, den sie gewöhnlich in irgend einer Weise zur Geltung bringen. Nichts ist ihnen zu toll — nichts unerreichbar und Widerstand stählt nur den Schwung ihrer zügellosen Phantasie, so sehr, daß sie das Undenkbare zu leisten nicht anstehen. Diese Spezies .Weib" kennen wir in Deutschland nicht; allein gerade darum flößt sie un« da« Inter esse der Neuheit ein und wie einen fremdländischen Vogel mit schillerndem Gefieder betrachten wir sie mit Neugierde und Ueberraschung, aber rein objektiv. „Ich weiß nicht", unterbrach sich der Erzähler hier lächelnd, „warum kein Mensch an ein rein objektives Interesse glanben will, wenn der Denker, den jedes Abnorme in der Natur interessiren darf, einmal die Abarten weiblichen Wesen« scharf zu analysiren unter nimmt. Man zuckt die Achseln über ihn, man lächelt und meint boshaft, daß er entweder zu viel geliebt habe, oder zu wenig geliebt sei. Und doch ist e« wahr, daß ihn kein Stein unbewegter läßt, wie ein schöne« Weib, dessen Gemüth verbildet, dessen Herz verun- zirt ist durch unzählige Ecken und Auswüchse, gleich den Korallen de« Meere«! Er möchte nur den Zu fall kennen, der diese unschöne Eigenart erzeugt hat, er möchte wissen, wie ich hier in diesem Falle, in welchem Widerspruche de« nationalen Charakter« diese Erscheinung begründet liegt, daß praktische, ruhig und bedacht urtheilende Mütter, wie die reiferen Ameri kanerinnen sind, solch' schrullenhafte, überspannte, wild verwegenen Phantasicsprüngen hingegcbcne Töchter haben?" (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Sind Regenwürmer schädlich oder nützlich? Allgemein war früher die Meinung ver breitet, daß die Regenwürmer für die Pflanzen nach- thcilig seien. Prof. Wollny in München hat deshalb eingehende Versuche darüber angestellt. Gleich in ihren ersten Entwicklungsstufen zeigten alle jene Pflan zen, welche in wurmhaltiger Erde wuchsen, den an deren Pflanzen gegenüber ein entschieden kräftigere« Wachsihum, und keine einzige unter ihnen hatte irgend welche Beschädigung oder Störung durch die Würmer erlitten. Die wurmhaltige Erde zeigte sich sehr bald mit mehr oder weniger zahlreichen Bohrlöchern ver sehen und auf der Oberfläche theilweise mit erdigen AusschcidungSmassen bedcckt. Al« VersuchSpflanzen dienten Erbse, Ackerbohne, Wicke, Peluschke, Roggen, Hafer, Buchweizen, Raps, Rüpsen, Lein, Leindotter, Kartoffeln und Runkelrübe. Bei allen Pflanzen und in allen Versuchsreihen war das Ernteergebniß auf dem wurmhaltigen Boden ein sehr beträchtlich besseres als auf der wurmfreicii Erde. Der Grund für die erhöhte Fruchtbarkeit des wurmhaltigen Erd reiche« wurde vor allem darin gefunden, daß die Thätigkeit der Würmer wesentlich zur Lockerung und besseren Krümelung de« Boden« beiträgt, was in einer recht bedeutenden Raumzunahme seinen Aus druck findet. In den durch Krümelung hervorge brachten größeren Hohlräumen de« Boden« kann auch da« Wasier viel leichter versinken und gleichzeitig die Luft eher und in größerer Menge eindringen. — Für Briefmarkensammler. Ueber die dem Postmuseum geschenkte Fehldruck-Brief marke wird dem „Leipz. Tgbl." miigelheilt: Unter den Postwerthzeichen der früheren königl. sächsischen Postverwaltung befindet sich eine Freimarke, welche zu den größten Seltenheiten auf dem Gebiete der Frei markenkunde zählt. Es ist die in Sammlerkreisen unter dem Namen „die sächsische Fehldruckmarke von 1851" bekannte, mit Neugroschen bezifferte Freimarke von blauer Farve, ein Curiosum, welches einem Versehen seine Entstehung verdankt. Durch einen Jrrthuin de« Drucker« ist nämlich s. Z. in einem Einzelfalle die betreffende Druckplatte der Ngr.- Marken nicht auf dem für diese Wertysorte vorbe haltenen grauen, sondern auf blauem Papier — wel ches für 2 Nengroscheu-Freimarken bestimmt war — abgezogen worden. Von dem einzigen, auf diese Weise entstandenen Markenbogen (zn 120 Stück) sollen der zeit 46 Stück bei dem Postamte in Leipzig als 2 Neugroschen-Marken verkauft und al« solche zur Frankirung von Postsendungen benutzt worden sein; der Rest ist, nachdem der Jrrthuin zu Tage getreten, au« dem Verkehr zurückgezogen worden. Es ist unter diesen Umständen nicht zu verwundern, daß die wenigen überhaupt noch vorhandenen Exemplare der Fehldruck marke ihrer Seltenheit wegen überaus begehrt sind; nachweislich sind für derartige Stücke in ungebrauchtem Zustande 300 M. und mehr bezahlt worden, während die Verkaufspreise für derartige, mit Ausgabcstempel versehene Marken sich bi« auf 600 — 700 M. für das Stück gesteigert Haven sollen. — Nordhausen. Wenig bekannt dürfte die Thatsache sein, daß zu den Quellen, aus denen der ewig geldbedürftige König Heinrich IV. von Frank reich seine Mittel schöpfte, auch die Reichsstadt Nord hausen zählte. Im Frühjähr 1591 ließ Kurfürst Christian von Sachsen durch seinen Rath I)r. Eber hard v. Weibe den Ralh der Stadt Nvrdhausen auf fordern, dem König Geld vorzustrecken, und wohl oder übel entschloß man sich, hauptsächlich wohl, um dem Kurfürsten zu Willen zu sein, dazu, zu diesem Zweck viertausend Gulden locker zu machen, und zwar zu fünf Prozent und auf drei Jahre. Auf vieles Mahnen zahlte König Heinrich IV. 1613 von seiner Schuld 2500 Gulden ab. Den Rest von 1500 Gul den und sämmtliche Zinsen hat die Stadt Nordhausen noch heute zu fordern. — In einer Wirthschaft in Württemberg hatte ein Gast eine zum allgemeinen Gebrauch auf gelegte Zeitung im Werthe von 10 Pfennigen weg genommen. Der Betreffende wurde deshalb zu ein tägiger Gefängnißstrafe und Tragung der Kosten ver- urtheilt. Der Fall möge allen Zeitungsmardern zur Warnung dienen. — Todesahnung. Der Roßschlächtermeister Heidrich von Bitterfeld machte am Dienstag Nach mittag Geschäft-touren mit Geschirr, wobei er gegen Abend auch nach Roitzsch bei Bitterfeld kam. Hier kippte an einer Ecke da« Geschirr um, und beide In sassen, Heidrich und noch ein anderer Herr, wurden au« dem Wagen geschleudert. Al« man Heidrich auf hob, athmete er nur noch eine kurze Zeit und gab dann seinen Geist auf. Er hatte da« Genick gebro chen. Der andere Herr kam mit einer kleinen Be schädigung davon. Merkwürdig ist, daß Heidrich einige Stunden vor dem Unglück«falle zu einigen Herren in einem Delitzscher Gasthofe äußerte, daß er nur seine Notizen ordnen müsse. Wenn ihm einmal etwa« passire, könnte sich seine Frau in den gemach ten Notizen nicht zurecht finden. — Straßburg i. E. Eine denkwürdige Geschichte au- dem Reiche der Medizin wird der „Straß. Post" „vom Lande" mitgetheilt: Wird da in eine Landge meinde ein Thierarzt gerufen I) zu einem an einem Fußleiden erkrankten Pferde und 2) zu einer an einer inneren Krankheit leidenden Kuh. Er schickt, nach Hause zurückgekehrt, die nöthigen Heilmittel zur Weiter beförderung dem Dorfschmied. Dieser übergiebt sie einem Handelsmann mit der Weisung, die Salbe im Töpfchen dem Pferdebesitzer und die Arznei im Gla dem Besitzer der Kuh aiiSzuhändigen. Die Mittel werden verwechselt; die Kuh muß die Salbe schlucken, während der Pferdefuß mit der Kuhmevizin behandelt wird. Und — die Heilmittel haben trotzdem groß artig gewirkt. — Origineller HeirathSantrag. Bor einigen Tagen wurde in Berliner Zeitungen für einen armen, brustkranken Handwerker, dessen Frau gestorben und der mit seinen 7 Kindern in größtem Elend zurückgeblieben war, gesammelt. Reichliche Gaben erfolgten, und dem Manne ist vorläufig ge holfen. Unter den Wohlthätern befand sich auch eine Wittwe in Strausberg, die ihm 50 Pfennige schickte und zugleich schrieb, cs sei ihr früher selbst schlecht gegangen, und ihr sei jetzt erst durch eine kleine Erb schaft geholfen worden. Dann heißt eS: „Da e« nicht gut ist, daß der Mensch allein sei und Ihnen doch Ihre Frau gestorben ist, so frage ich hierdurch ergebens« an, ob Sie mich heirathen wollen, in welchem Falle ich, da ich alleinstehend bin, sofort nach Berlin ziehen würde." — Der italienische Graf v. K., der über die kirchlichen guten Werke seine besonderen Gedanken hat, besuchte kürzlich, wie italienische Blätter erzählen, den Gottesdienst. Nach Schluß der Predigt machte ein Priester mit einem Sammelteller die Runde und bat für die im Fegefeuer befindlichen Seelen. Der Graf legte ein Goldstück auf den Teller. „Eine Seele ist au« dem Fegefeuer gerettet," sagte der Priester. Der Graf legte noch ein Goldstück hinzu. „Noch eine Seele ist dem Fegefeuer entrissen". — „Sind Sie dessen ganz sicher?" fragte der Grai. „Ganz gewiß, gnädiger Herr!" — „Dann", sagte der Graf und nahm schnell die beiden Goldstücke zurück, „will ich mein Geld nur wieder an mich nehmen. Die Seelen sind ja nun einmal dem Fegefeuer entrissen und also außer Gefahr." Sprach'«, steckte sein Geld in die Tasche und verließ den ihn bestürzt anstarrenden Priester. — Modeplauderei. Die unruhigen Zeiten, so schreiben die „Dr. N.", scheinen auch die Damen welt zu einer ganz besonderen Schutzmaßregel ver anlaßt zu haben, und zwar zu einer sehr eigentbüm- lichen Bewaffnung. Dieselbe besteht nicht etwa in einem Revolver oder Schwert, sondern in einem Pfeil von 25 bis 30 Centimeter Länge, welcher je doch nicht in einem Köcher, sondern in dem griechisch geknoteten Haar des Hinterhauptes getragen wird und an dieser bevorzugten Stelle sehr drohend em porragt. Besagter Pfeil ist meist von Schildpatt gefertigt und sehr derber Art, so daß er zum Ver wunden trefflich geeignet ist. Da er unser ästhetisches Gefühl verwundet hat, so möchten wir die Göttin Mode bitten, diese« Mordiustrumcnt doch etwa« ' kürzer zu gestalten, denn sonst weiß man platterding« nicht mehr, was die Hauptsache ist — der Pfeil oder das Haupt. Im übrigen sind die Zeiten noch lange nicht so gefährlich, daß nun auch die Grazien zu den Waffen greifen müssen, um sich zu schützen. Statt einen solchen Ricsenpfeil zu tragen, überlaste man denselben lieber den freundlichen Schalk Amor, der von demselben aller Wahrscheinlichkeit nach den besten Gebrauch machen wird. — RL thselhaster Vorfall. Dieser Tage hatte in Meinigen die jugendliche Frau de« Spedi teur« Klitzsch mit ihrem Gemahl einen Maskenball besucht. Da« junge Ehepaar war auf dem Balle in lustiger Stimmung. Auf dem Nachhausewege vermißte die Frau ihren Fächer ; der Mann eilte zurück, fand aber kurze Zeit darauf seine Frau weder an dem Platze, wo er sie verlassen, noch zu Hause vor. Erst am Vormittag kam Kunde von dem Verbleib der jungen Frau. In der Nähe von DefertShausen hatte man die Leiche der Unglücklichen, mit dem MaSkcn- anzug bekleidet, im Wasser gefunden. Wie sie dort hineingekommcn, ist noch unaufgeklärt. — Kurz und bündig. Beim CirkuSdirektor hat sich ein junger Bursche gemeldet, der Kunstreiter werden möchte. „Denk' Dir da« nicht so einfach," meint der Direktor, „der Beruf ist der Schwierigste und dornenvollste von der Welt. Wa« bist Du denn von Hause, mein Sohn?" — „Rau«jcschmiffen." — Bosheit. Frau A.: „So wa- von Köchin habe ich noch nie gehabt. Innerhalb acht Tagen hat sie mir zwei Paar feine Kaffeetaffen zerschlagen. Nun stellte ich zwei Paar gewöhnliche Tassen in den Küchenschrank " Frau B.: „Und die hat sie auch zerbrochen?" — Frau A.: „Nein, denken Sie diese Bosheit, die ließ sie heil!"