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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 28.02.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190502289
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19050228
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19050228
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-02
- Tag 1905-02-28
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Monat
1905-02
-
Jahr
1905
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Weh, Xettenttirren dröhnt vom fernen Belt , Im Elsaß herrscht noch heut Franzosenthum! Dahin der theure bluterlaufte Ruhm? Doch lauscht! Auch heute tönt ein mahnend Wort? In West und Osten klingt -, in Süd und Nord! ES klingt am Rhein und an der Eider Strand Der Dichtung Mahnruf: „Auf, mein Baterland!" ES schallt ein Lied, da- hat par wilden Klang , ES wachen auf die Völker berm Gesang ES tönt am Fuß der Alpen, an dem Meere DaS Lied von der zertretnen deutschen Ehre! Noch klingt vereinzelt jene Melodei Doch glaubr'S! DaS Lied, eS wird ein Racheschrei Und klinylS erst hell von allen deutschen Zungen, Dann wird der Schmach das Todtenlied gesungen, Und wenn's die Welt mit Sturmeöflug durchrauscht. Dann wird die Leier mit der Schwert vertauscht! Nicht träumend in des Friedens weichem Schoos, Im Kampf Wird Deutschland einig, frei und groß! Ich seh's im Geist! — Ich hör das Feldgeschrei! DaS Streitroß stampft der Lerche Nest entzwei, Haubitzen singen ihren Donnerpsalm ; Auf zu den Wolken steigt der Vulverqualm. Mit der Gefallnen letztem Stoßgebet, Mit dem Hurra der Schaar, die fechtend steht. Das rote Blut dampft aus des AckerS Schollen. Ich seh' die Tage, die da kommen wollen! Seh' die Kanonen, seh' die stolzen Heere! Wir waschen rein den Schild der deutschen Ehre! Doch schau' ich mehr noch! — Ueber Tod und Blut Auf strahlt es licht Wie rote Morgenglut! Im Westen, fern auf der Vogesen Spitzen Seh' ich der Freudenfeuer Flammen blitzen! Ich seh' der neuen Lorbeern grüne Zier: Auf Straßburgs Münster weht ein deutsch Panier! Die Glocke ruft zum Lobgesang vom Dom Und Deutschland nennt ihn sein den deutschen Strom; Und dort am Meerstrand! Wie cs lustig kracht! Doch ist's nicht mehr der Donner blut'ger Schlacht; In seiner Scheide darf der Degen schlafen: Die deutsche Flotte segelt aus dem Hafen! Und an dem Strand der Eider hallen wider Aus freier Brust die trauten deutschen Lieder. Germania drückt, o süße HimmelSlust, Die langentbehrten Kinder an die Brust! Und dann ein Siegesmarsch, Trompetenton Und Trommelwirbel! Seinem besten Sohn Drückt auf die Stirn die deutsche Kaiserkron! Das deutsche Land, reicht ihm das Scepter dar! Das ist das echte, rechte, neue Jahr! Das ist der Zukunft großer Ostertag! Tönt, ihr Trompeten! Klinge Trommelschlag? O Tag des Siegs, wann bist du endlich da? Gott sei mit dir! Heil dir, Germania! ObigeS Gedicht trug Herr Bürgermeister Hesse gelegent lich des Festmahls zur Feier Sr. Majestät des deutschen Kaisers Geburtstages vor und bemerkte hierzu folgende-: In vergilbten Krankenhausakten des Stadtrats hier fand ich ein Amts» und Anzeigeblatt für den Gerichtsbezirk Eibenstock und Umgebung vom 27. Februar 1861, und darin den poetischen Erguß eines Unbe kannten mit der Ueberschrift: „Deutschlands Neujahr und Ostern." Was der unbekannte Sänger schon im Jahre 1861 im Geiste vor Augen sah, was aus seiner Seele tiefster Sehmucht sich prophetisch Bahn brach, was sein Herz in begeisterter Verzückung höher schlagen ließ, alles das haben wir fast alle selbst erleben dürfen , wir durften uns Decennien schon daran begeistern! An der Eider Strand hallen traute deutsche Lieder wieder, von Straß burgs Münster weht ein deutsch Panier, eine deutsche Flotte segelt aus dem Hafen, und unsere Huldigung heute (27. Januar) gilt ja dem Enkel jenes Wilhelm, dem als seinem besten Sohne das deutsche Volk die deutsche Kaiser krone auf die Stirn drückte. Welche Fülle herrlicher Errungenschaften innerhalb 44 Jahren! Weißt du sie, Deutschland, nach langem FriedenSgenufse noch immer recht zu würdigen? Würdigst du, Deutschland, jenes Wilhelm großen Enkel, von dem dermaleinst die Geschichte berichten mag: „Sein weiter Blick bahnte seinem Volke den rechten Weg mit einer starken Flotte !" auch in seinem vollen Werte? Möchten wir uns an der begeisterten Sehnsucht solcher Vaterlands sänger wie jenes unbekannten Verfassers von „Deutschlands Neujahr und Ostern" verjüngen im dankbaren Erfassen all der uns geschenkten Reiches- herrlichkeit. dann werden wir im Geiste den deutschen Kaiserthron umdrängen, dem deutschen Kaiser im rechten Vaterlandsstolze zujauchzen, ein von wahrem idealen Patriotismus durchglühtes Herz als Geburtstagsgeschenk darbringen und ihn zu seinem 46. Geburtstage beglückwünschen in der Hoffnung, daß der rege Geist dieses vielbegabten, pflichtgetreuen und edeldenkenden Herr schers ein reiches Menschenalter in einem ebenso ungebrochenen Körper wohnen möge! — Ein Hoch auf den Kaiser beschloß die Rede. Vielleicht kann ein oder der andere Bürger unserer Stadt sich in das Jahr 1861 zurückversetzen und uns darauf bringen, wer der Verfasser obigen Gedichte» gewesen sein könnte, damit wir Nachforschungen an stellen können. Wir wollen uns aber eine Ähre au» dem Ge dichte ziehen. Vor 44 Jahren sah jener Vaterlandssänger eine Reihe Errungenschaften voraus, die demnach nach seiner Ansicht unzweifelhaft zum unabweisbaren Bestände Le« deutschen Reiche« gehören. Zu diesen Errungenschaften gehört eine deutsche Flotte. Einem Urteile aber, welche» 44 Jahre so scharf und richtig be urteilte, können wir wohl trauen. In wenigen Tagen wird uns Gelegenheit geboten, allerhand Schiffsmodelle, Waffen, Munition und sonstige« Zubehör der deutschen Flotte kennen zu lernen in der Marine-Ausstellung de« Flottenverein« in unserer Turnhalle. Betätigen wir unser Interesse durch Besuch der Ausstellung, dann aber auch durch Beitritt zum Flottenverein, soweit er noch nicht erfolgt ist, und schließlich durch Ausklärung unserer Um gebung darüber, daß eine Flotte, die dim Ernstfall de» Kriege nicht Stand hält, Verschwendung ist, während eine starke Flotte un» die Errungenschaften im Handel und Verkehr erst sichert! — Eibenstock. Die Kriegsmarine-Ausstellung, die augenblicklich iir Reichenbach sich befindet, ist jüngst durch sehr interessante Gegenstände von hohem historischen Werte an der historischen Sammlung der Marine-Akademie in Kiel ergänzt worden al«: l Deutsche KriegSflagge, welche die Sehmour-Expedition 1900 gegen die Boxer mitmachte (Wert >000 Mk.); I Drachenflagge, die bei der Erstürmung der Taku- sort« von den Deutschen erobert wurde; 10 Boxcrfahnen, chinesische Pfeile, Bogen, Posaunen, Trommeln, Boxersäbel, chinesische Mitrailleuse, Walldüchse, Bajonette, Säbel de» Li-Hung-Schang rc., sämtlich im Boxeraufstande erobert. Ferner sind hinzugc- kommen: Modell: Sr. Majestät Panzerkreuzer .Prinz Heinrich' (Wert 6000 Mk.), Seiner Majestät Kanonenboot .Meteor', Kamerun-Kanoe, Südseeboot usw. — Eibenstock. Da« letzte Konzert der Stadt kapelle am Donnerstag im Saale de» Feldschlößchen« bot Interessante« und Neue«. Zunächst lernten wir Herrn Musik direktor al« Komponist kennen (Marsch: Gruß an die Hummels burg), und wir können diese kleine Arbeit al« recht geschickt und wohlgelungen bezeichnen. Ganz neu waren Ouvertüre z. Op. .Griseldis" von Bär und .Jugendfeuer", Walzer von Heintz. Wenngleich diese neuen Kompositionen nicht ganz nach dem Ge schmack eine» jeden sein mögen, so sind sie doch ihrer schönen Eigenartigkeit wegen allein schon beachten«wer«, und al» Neuheit find sie un« interessant; da« Großstadlorchefter bietet bei ähnlichen leichtverständlichen Konzerten ebensall« solche Sachen, und wir dürfen sagen, daß man bei un« auch in dieser Hinsicht auf der Höhe der Zeit steht. Wunderbar machte sich .Phantasie über: da« treue deutsche Herz' von I. Otto. Da« Programm »ine« Konzerte« mag noch so hoch und groß sein, da« deutsch« Volk«- lied wird immer in seiner eigenen Art durchschlagen — und da ist ein gute« Zeichen der Richtung de« Geschmackes unsere« Volke«. Die Ouvertüre .Ein Morgen, ein Mittag, ein Abend in Wien' von Suppö, eine schwungvolle, leichtverständliche, lockere Musik läßt den Komponisten von «Dichter und Bauer" sofort wieder erkennen. Wa« die Soli« anbclangt, so können wir in der Hauptsache allen unsere volle Anerkennung zujprechen; die Ver treter der Flöte und de« Oboe haben ihre Aufgaben besonder gut gelöst, Fertigkeit war mit guter Abtönung vereint. Die Gesamtwirkung blieb nicht hinter der srüherer Konzerte zurück: sie war recht gut. — Pirna, 23. Februar. Ein entsetzlicher Vor gang ereignete sich auf dem hiesigen Personenbahnhöfe. Die 22jährige Fabrikarbeiterin Wulff, welche den Zug von Mügeln au«, wo sie in Arbeit stand, benutzt hatte, stieg au« dem Wagen 4. Klasse aus, noch ehe der Zug zum Stillstand gelangt war, da der Absprung außerdem in verkehrter Richtung erfolgte, kam da» Mädchen rückwärts zu Falle; die Kleider der Unglücklichen wurden von den noch rollenden Rädern de» Wagen» erfaßt und sie selbst auf die Schienen gezogen, sodaß die nachkommenden Räder ihr über den Kopf, Hal« und Schulter gingen. Der Kopf wurde fast vom Körper getrennt, sodaß der Tod de» Mädchen« auf der Stelle eintrat. Da« Gesicht war bis zur Unkenntlich keit zermalmt. — Zittau, 23. Februar. Ein gräßlicher Unglücks fall, dem zwei Menschenleben zum Opfer fielen, ereignete sich gestern vormittag '/«>2 Uhr in dem der Stadt Zittau gehören den Jonsdorfer Mühlsleinbruch. In dem Steindruche war ein Schuß stecken geblieben, in dessen Nähe um die angegebene Zeit ein zweites Loch gebohrt wurde. Bei der Anbringung de» zweiten Bohrloches ist nun vermutlich der alte, nicht losgegangene Schuß erschüttert und zur Entladung gebracht worden. Die Steinbrecher Gustav Rudolph au« Jonsdorf und Kettner au» Lichtcnwalde waren sofort tot. Rudolph war durch die loSgesprengten Stein massen gräßlich verstümmelt worden. Die Eingeweide lagen bloß, ein Bein war vom Rumpfe getrennt. Kellner war durch die Gewalt de« Schüsse« rückwärts geschleudert worden und hatte am Kopse schwere Verletzungen erlitten. Da» Gesicht war völlig zerfleischt. Die beiden Verunglückten sind verheiratet. Rudolph war 3k> Jahre alt und Vater von 5 Kindern. Kettner stand ebenfalls in den dreißiger Jahren. Er war erst seit kurzem ver heiratet, der Ehe ist ein Kind entsprossen. — Thum, 23. Februar. In der Weihnachtsnacht de« Jahre» 1904 hatte im benachbarten Auerbach der Strumpf wirker Drummer seinen Arbeitskollegen Otto Kunz nach einem kurzen Wortwechsel mit einem Fleischcrmesser die Halsschlagader durchschnitten, wodurch der Tod auf der Stelle eintrat. Diese in einer Zeit, wo aller Menschen Herzen voll Liebe und Freude auf die Botschaft der ewigen Heil« gerichtet sind, begangene und darum doppelt verdammenswerte Tat fand heute vor dem Schwur gericht Chemnitz ihre Sühne: Bon der Anklage de» Totschlages wurde Drummer durch d-n Wahrspruch der Geschworenen freigc- sprochen, dagegen wegen Körperverletzung mit tödlichem Ausgang unter Bewilligung mildernder Umstände zu drei Jahren Ge fängnis verurteilt. — Remse, 24. Februar. Wegen schweren Sittlich- keilSverbrechen», wiederholt begangen an zweien feiner Töchter, von denen die eine noch nicht einmal l5 Jahre alt ist, wurde heute der hier wohnende 47 Jahre alle Papierfabrik arbeiter Gumprecht in Haft genommen und an da« Königliche Amtsgericht zu Glauchau abgeliefer:. G. ist seit einigen Monaten Witwer und Vater von 1l Kindern. — Plauen i. V., 24. Februar. Die beiden Mörder de» Gut«besitzer» Forner aus Thoßsell sind gestern von Herrn Staatsanwalt Rebcntrost einer Frau aus Möschwitz gegenüber gestellt woroen, welche die Verbrecher auf der von Chrieschwitz nach Plauen führenden alten Poststraße gesehen hatte, al» diese, vom Mordplatze kommend, aus dem Wege nach Plauen sich be fanden. Die alte Poststraße führt oberhalb der Eisenbahn hin. Die Zeugin hat beide Verbrecher erkannt. Der geständige Hermann Neumann gibt zu, der Frau begegnet zu sein; Eduard Reumann leugnet dagegen auch diese Tatsache, er will am Tage de» Morde» über Reusa nach Plauen gegangen sein. — Plauen i. V., 24. Februar. Ein heftiger Erdstoß ist in der vergangnen Nacht 1 Uhr 20 Minuten in der Gegend von Gutenfürst wahrgenommcn worden. Wie mitgeteilt wird, folgte dem Stoß eine starke wellenartige Erschütterung, die man im Bette deutlich spürte. Die Fenster klirrten wie nach einem heftigen Donnerschlag. Die Bewegung dauerte etwa 4 bi» 5 Sekunden und schien die Richtung von Süd-Ost nach Nord-West zu haben. — O e l« n i tz i. V, 24. Februar. Der seit 24 Stunden da« obere Vogtland durchbraujende Sturm erreichte heute, Freitag, früh kurz nach '/<2 den Höhepunkt durch einen heftigen, rollenden, von Süden nach Westen sich fortsetzenden, wohl 30 Sekunden dauernden Erdstoß. Al« dieser vorüber war, verlor auch der Sturm seine Heftigkeit. — Auerbach, 24. Februar. In vergangener Nacht zwischen '/» und '/,2 Uhr ist hier wieder ein Erdbeben wahr genommen worden. Da«selbe äußerte sich in einem dumpfen Rollen. — Im Telephon-Fernverkehr sind Abonnement» gespräche gegen die dafür festgesetzten ermäßigten Gebühren künftig während de« ganzen Jahre» auch in der Stunde von 7 bi« 8 Uhr morgen« zulässig. — Vom böhmischen Grenzgebiet, 24. Februar. Im Grenzorte Rothau bei Gra«litz belustigte sich dieser Tage ein Schulknabc, indem er mit einem kleinen Ruschelschlitten einen Bergabhang herabfuhr. Dabei kam er auf eine Windwehe, au» der ein Zaunstecken hervorragte. Dem Knaben war c« nicht möglich, dem Zaunstecken au«,uweichen und dieser drang ihm, da der Knabe liegend die Fahrt ausführte, sodaß der Kopf nach vorn gerichtet war, in den Kehlkopf und Hal«. Der Knabe ver schied bald darauf an der fürchterlichen Verletzung. Gin modernes Weltwunder. (Ein Gedenkblatt zur fünfundzwanzigjährigen Durchbohrung des St. Gotthard'TunnelS.) 1880 — 28. Februar — 1905. Bon Vr. Robert PrieS k. Wer jemal» mit der Bahn vom Vierwaldstättersee nach den italienischen Seen gefahren, der wird gewiß die allgemeine Spannung nicht vergessen, die sich der Zuginfassen bemächtigte, wenn der Train di« Station Toeschenen erreichte. Soeschenen, die Eingangrstation zum Gotthardttunnel, ist noch ganz nordisch. Nach zwanzig Minuten langer Fahr« im Dunklen kommt dann da« Land de« Frühling«, dessen erste Station Airolo heißt. Etwa« Große« und Unheimliche« zugleich birgt eine solche Fahrt durch den Tunnel. Der Mensch steht einem der größten Produkte menschlichen Geiste» und menschlicher Kunstfertigkeit staunend gegenüber. Der Geschichte de« St. Gotthard-Tunnel« sei hier eine kurze Skizze über die geschichtliche Entwicklung der Sotthardbahn vorau-geschickt. Die Anfänge dieser Gebirgitrace find auf da« Jahr 1869 zurückzuführen. Vereinbarungen zwischen der Schweiz und Italien, den beiden interessiertesten Ländern, ebneten den Boden, zumal auch andere nur indirekt interessierte Staaten für eine genügende finanzielle Unterstützung garantiert hatten. Mit Kapital von nahezu 300 Millionen Franc» ging man an den Bau der projektierten Trace. Erst der, von den Ingenieuren Favre und Bösst geleitete Durchstich de« Gotthardselsen», der heute vor fünfundzwanzig Jahren erfolgte, ermöglichte die endliche Vollendung de« Projekte«, Am 22. Mai >882 wurde denn auch die neue Bergbahn dem Betrieb übergeben. Da» Netz dieser neuen Bahn umfaßte offiziell die Linien: Bellinzona—Lugano—Ehiasso. Luzern—Küßnacht—Jmmensee- Goldau. Zug-St. Adrian—Goldau. » Goldau- Flüelen—BiaSka—Bellinzona. Bellinzona—Luino—Locomo. Wohl kaum eine Bahn de« europäischen Kontinent« ist an und für sich reicher, an Tunnel« al» die Gollhardbahn, deren längster eben der St. Gotthardtunnel ist. Um einen kleinen Ueberblick über die Länge der größeren Felsendurchbohrungen dieser Trace zu geben, seien folgende Zahlen hier angegeben. E« haben Gotthardtunnel 14,ss« km Tunnel bei Stssikon 1.SSS Monte Canari-Tunnel 1,873 Freggio Kehrtunnel 1,ÜV8 Raxberg-Tunnel 1,S«3 Prato-Kehrtunnel I^SS Travi-Kehrtunnel 1^47 Piano Tondo-Kehrtunnel 1^08 Pfaffensprung-Tunnel 1,47» Axenberg Tunnel 1,»»S Leggistein-Tunnel 1,VSL Wattinger-Kehrtunnel 1,09" Schon der Gedanke einer Fcl«durchbohrung von der ge nannten Länge wird bei Jedermann Staunen Hervorrufen. Bedenken wir aber nun noch, daß der Gotthard selbst ein Berg jene« Urgebirg«stocke« ist, da» den Kern, mithin also die höchste Erhebung de« gesamten Alpenzuge» bildet, so ist da« Verdienst, gerade hier Zeugnis von der gewaltigen Größe de« Menschen geiste« abgelegt zu haben, ein entschieden bedeutendere«. Gneis, Granit und Hornblendeschiefer bilden die Haupt bestandteile diese« Bergriesen, Kalke, Dolomite und Sediment ablagerungen sind den genannten Gesteinsmassen beigefügt. Ein halber Hundert kleiner Seeen lagert in den Felrsenkungen. Rauhheit der Witterung und Unzugänglichkeit werden dem Berg da« ganze Mittelaller hindurch nachgerühmt; namentlich erregten die furchtbaren Schneestürme auf der Paßhöhe, die zwei Drittel dc« Jahre« hindurch wüten, berechtigte Befürchtungen. Diesem Riesen energisch zu Leibe zu gehen, galt e« nun beim Bau der Gotthardbahn. Man begann die Durchbohrung de« Felsen« von beiden Seiten, sowohl von der südlichen, wie von der nördlichen. Diese Durchbohrung war nun freilich keine einfache. Die Luftlinie allein, die möglichst innegehalten werden sollte, bedurfte häufig der Korrektur. Quellen und Wassernester machten mehr denn einmal getane Arbeit illusorisch. Die Ge- sleinSmassen mußten auf eine paffende Art und Weise fortge schafft werden usw. Wie gewöhnlich beim Tunnelbau begann man auch hier mit der Anlage von Richlstollen, die sowohl eine gute Entwässerung wie auch eine zweckmäßige Materialbesörderung gestalteten. Der Abbau erfolgte mittel« sogenannter Firststollen, d. h. die Gesteins massen wurden zuerst in der Richtung von oben nach unten, und dann erst seitlich entfernt. Nun hatte man aber gerade beim Gotthardtunnel noch daraus zu achten, daß in der Nähe von Airolo eine 145 Meter lange Kurve mit einem Radius von 300 Meter auSzusühren war. Außerdem aber fiel der Tunnel nach Nord und Süd ab. Der in der Mitte de« Tunnel« ge legene Scheitelpunkt liegt 1154 Meter über dem Meere. Die Steigerung beträgt nach Göschenen zu 0,°«-"/^, nach Airolo 0,-"/„. Alle diese Forverungen wurden in geeigneter und zufrieden stellender Weise gelöst, und der zweigleisige Tunnel konnte nach zehnjähriger Bauzeit dem Betrieb übergeben werden. Die Bohrmaschinen (System Ferroux), die beim Tunnel bau zur Verwendung kamen, arbeiteten durchweg mit komprimierter Lust. Dergleichen auch die Lokomotiven, die da« gesprengte Ge stein au« dem Tunnel herau«zubefördern hatten. 3400 Arbeiter waren zeitweise bei diesem Riesenbau beschäftigt, dessen Kosten nach erfolgter Fertigstellung sich schließlich auf über 56 Millionen Frank« bezifferten. Diesen Zahlen und diesen Leistungen gegenüber, die von keinem Zeitalter zuvor geleistet worden sind, kommt man wohl kaum au« der Verwunderung herau«, und man denkt unwill kürlich an die Mythen und Heroen der alten klassischen Götter welt. Und doch hat dieser weltberühmte Tunnel schon einen Vorläufer gehabt. Folgen wir der Geschichte, dann sehen wir, daß zuerst im Jahre 569 die nach Süden vordringenden Longo- barden die Felrschiucht der Reuß im Urseuertale überbrückten, eine Vorrichtung, die Jahrhunderte hindurch dem Verkehr genügte. Dann aber — anno 1707 — gingen die Bewohner de« ge nannten Tale« daran, durch einen den Weg versperrenden Felsen einen Durchgang zu schaffen. Der Mehenthaler Baumeister Pietro Moretini wurde mit der Ausführung diese« Vorhaben« beauftragt. Am 10. Oktober 1707 wurde dann auch mit den DurchschlazSarbeiten begonnen, die am 10. August 1808 fertiggestellt waren, so daß nun jeder gegen ein Wegegeld .bi« die Unkosten wieder bezahlet' da« .Urner Loch' passieren konnte. Der Baumeister wurde mit 8149 Münzgulden für seine Ar beiten entlohnt. Der Tunnel erfreute sich bald einer großen Beliebtheit. Seine Länge wurde mit 42 Klafter und 4 Schuh angegeben, seine Höhe soll 8 Schuh, seine Breite 7 Schuh betragen haben. In feiner Mitte befand sich eine vergitterte Oeffnung, die «ine schöne Aulstcht auf die wildschäumende Reuß gewährte. Die kriegerischen Ereignisse an der Wende de« achtzehnten Jahr- hundert« machten da» Urner Loch oft zu einem strategisch wichtigen Punkt. Man vergrößerte den Tunnel, und 1827 wird seine Länge auf 210 Fuß, seine Höhe und Breite aus 12 und 18 Fuß angegeben. Eine Statistik au« dieser Zeit erzählt, daß da» Urner Loch jährlich von 16000 Menschen und 9000 Tieren passiert worden sei. Nicht nur Fußgänger und Reiter nahmen ihren Weg durch diese künstliche Felsenhöhlung, sondern auch die Postrouten mit ihren Kutschen waren auf diesen Weg, wenn sie von Deuschland nach Italien wollten, oder umgekehrt, angewiesen. Heute ist der Gotthardtunnel nicht der einzige Weg dieser Art, der die Fel»mauer der Alpen durchzieht. Der Simplon- tunnel geht seiner Vollendung noch in diesem Jahr« entgegen. Der Karawaukentunnel ist im »origen Jahre durchschlagen worden.
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