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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 17.11.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190411173
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19041117
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19041117
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-11
- Tag 1904-11-17
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Monat
1904-11
-
Jahr
1904
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Der Rücktritt General» Antrö ist turchau« natürlich. Mag auch die ganze gegenwärtige Regierung für da« aufgedeckte De- nunzierung«shstem, welche« die Offiziere in ganz ungehöriger Weise unter die Kontrolle parteipolitiicher Freimaurerlogen stellte, und da« Offiziere schon deswegen beseitigte, weil sie kirchlichen Sinn betätigen, mit verantwortlich sein; die Hauptschuld fällt dem Kricg«minister zu, wennschon versucht ward, sie aus seine Untergebenen abzulaten. Nur der brutale Angriff de« Natio nalisten Shveton rettete da» Kabinett bei der Besprechung jener kompromittierenden Zustände vor wenig rühmlichem Sturz. E» ist begreiflich, daß Combe« und Genossen nunmehr gern den doch etwa» anrüchig gewordenen General Andre- auSschifften. Dabei wirkt vielleicht da« Gefühl in der sich immer noch al» besonder« ritterlich ansehenden französischen Nation mit, daß ein im Parlament geohrscigtcr Kriegsminister, der keine ritterliche Genugtuung gefordert hat, fürderhin schon nach gesellschaftlichen Anschauungen und Bräuchen eine zweifelhafte Rolle spielen würde. — Südafrika. 130 Buren au« Johannesburg reisten nach Kapstadt und begeben sich von dort nach Damaraland, um al« Freiwillige in die deutsche Schutztruppe einzutreten. — Johannesburg, 15. November. Die 130 Buren, die vor gestern von hier aufbrachen, um über Kapstadt nach Damaraland zu reise» und die deutschen Truppen gegen die Herero» zu unterstützen, weiden nur al« Transporteure fungieren; e» heißt, sic seien auf sechs Monate angeworben. — Born russisch-japanischen Krieg. Bon den Resten de« Wladiwostok-Geschwader« hat man seit langen Wochen nicht« gehört. Jetzt kommt die Meldung, daß der große Kreuzer .Gromvboi" nach Beendigung einer Probefahrt aus einen Felsen gestoßen und schwer beschädigt nach dem Hasen ein gelaufen sei; denn .im sinkenden Zustande kehrte da« Schiff nach seinem Ankerplatz zurück, umgeben von einer Flottille kleinerer Fahrzeuge, die ihn über Wasser hielten". In dieser Fassung lautet die Meldung mehr wie unwahrscheinlich; ein Kreuzer von fast 13 000 Ton« Wasserverdrängung läßt sich nicht von einer Flottille kleinerer Fahrzeuge über Wasser hallen. Im übrigen wäre e« seit dem Ausbruch de« Kriege« nicht da« erste Mal, daß die russischen Seeoffiziere de« Wladiwostok-Geschwader« ihre eigenen Schisse in den engeren russischen Gewässern ernstlich be schädigen; denn gleich zu Beginn de« Kriege» wurde der große Kreuzer „Bogathr" gleichfalls aus die Felsen de« Wladiwostoker Hasen« gesetzt und dabei bedeutend havariert. Die russische Marineleitnng hat aber allen Grund, mit den Resten de« Wladiwostok-Geschwader« recht vorsichtig umzugehen — der schöne »Rurik" von diesem Geschwader kam bekanntlich im August durch die Japaner zum Sinken —; denn die noch brauchbaren großen Kreuzer diese« Flottenteil« könnten eine recht willkommene Verstärkung für die auSsahrende Baltischen Flotte abgcben — wenn letztere ihr Reiseziel erreichen sollte. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 1b. November. Bei den gestrigen Urwahlen zur Handels-und Gewerbckammer wur den die Herren Stadtrat Alfred Mcichßncr und Fabrikbesitzer Hermann Rudolph als Wahlmänner für die HandclSkammerwahl und die Herren Schneidcrobermeister Hermann Pfefferkorn al« Handwerkerwahlmann und Stickmaschinenbesitzer Paul Krauß al« Nichthandwerkerwahlmann für die Gewerbckammerwahl gewählt. In Eibenstock wurden abgegeben zur Handelskammerurwahl 40 Stimmen, zur Gewerbekammerurwahl 118 Stimmen, von den letzteren 70 für den Handwerkerwahlmann und 49 für den Nicht handwerkerwahlmann. In Schönheide wählten zur HandelS- kammerurwahl 81 Handels- und Gewerbetreibende. Zur Ge- werbckammerurwahl wurden daselbst 62 Stimmen für den Hand- wcrkerwahlmann und 31 Stimmen für den 'Nichthandwerker wahlmann abgegeben. — Eibenstock. Dienstag, den 22. November L. I. hält der Flottenvcrein einen VereinSabcnd ab, zu dem Damen und Herren, welche sich für unsere Flotte und ihre Zu kunft interessieren, freundlichst eingeladen werden. E« spricht ein Herr, welcher sich durch seine Kenntnisse in Marineangclegenheiten ebenso wie durch seine Beredsamkeit und seinen Patriotismus her vorgetan hat. Sein Thema lautet: »Die Kriegsflotten fremder Seemächte" mit 12b Lichtbildern (Oesterreich, Italien, Amerika, England, Frankreich, Rußland und Japan). Wir geben über den Redner zugleich einige interessante Notizen: Hofrezitator Wolf gang Neander, Hannover, Jungfernplan 6L, geb. 1863 in Hannover, studierte zuerst auf der Technischen Hochschule daselbst Elektrotechnik, ging dann zur Bühne über und gehörte dem König!. Hoftheater zu Hannover als Mitglied an. Im Jahre 1889 wandte er sich dem RezitationSberusc zu, gab veischicdene Werke geistlichen, wissenschaftlichen und vaterländisch-patriotischen Inhalt« herau«. Bi« Ende Juni 1904 hielt er in 670 verschiedenen deutschen Städten 1983 Borträge. Sein Vortrag«verzeichni« umsaßt nicht weniger al« 2ö verschiedene Themen, davon 12 mit Lichtbildern. Text wie auch die Bilder sind von Neander selbst gefertigt. Besonder« beliebt sind die Vorträge mit Lichtbildern über vaterländisch-deutsche Themata. Der Vortrag über: »Der glorreiche Krieg von 1870/71" mit 7b Schlachten - Lichtbildern wurde 392 mal gehalten. Große Verdienste erwarb sich Neander durch seine Tätigkeit sür Vermehrung unserer Kriegsflotte. Seit 1897 bi« Ende Juni 1904 sprach er 441 mal über: »Deutsch land« Macht zur See", die Entwickelung unserer Handels- und Kriegsmarine, verbunden mit der Darstellung von 100 Lichtbildern. In der Vortragssaison 1903/1904 hielt er für den Deutschen Flotten-Berein 118 Vorträge, gewann über 3000 neue Mitglieder und gründete 35 neue Ortsgruppen. — Zwickau, 14. November. Straskammer I. Aufgehoben wurde in Beachtung der Berufung der Staatsanwaltschaft ein sreisprcchende» Urteil de« K. Schöffengericht« zu Eibenstock gegen den Sticker P. F. in HundS bübel; derselbe wurde vielmehr zu 30 Mk. Geldstrase, event. 6 Tagen Haft wegen ungebührlichen Betragen« im Möckelschen Gasthofe in HundShübel bei der An wesenheit eine« Untersuchungsrichter« au» Zwickau belegt. — Reichenbach. Da» seltene Fest der eisernen Hoch zeit feierten hier Herr AlierSrenlner Knaulhe und dessen Ehe frau. Der Jubelbräutigam ist 9l Jahre, die Jubelbraut 89 Jahre alt. Knauthe ist einer der ältesten sächsischen Soldaten, er diente in den Jahren 1833—39 beim Bautzener Regimen«. — Mittweida. Ein schwerer Unglück« fall ereignete sich dieser Tage in einem Restaurant. Der Gutsbesitzer Hammer au« dem Ort«Ieil Rößgen, der von einem Iagdau«fluge zurückgekehrt war, wollte sich von einem ihm bekannten Techniker verabschieden, al« beide strauchelten und zu Boden fielen. Plötz lich krachten zwei Schüsse, da» Gewehr Hammer« hatte sich ent laden. Die Ladung Iras drei in der Türfüllung stehende Tech niker. Am schwersten kam der Techniker Potgießer davon; ihm drangen etwa 100 4 mm - Schrotkugeln in da« Bein und durch löcherten e« wie ein Sieb. Zwei andere Techniker wurden leichter verwundet. Der Schwerverletzte wurde noch in der Nacht nach einer Chemnitzer Klinik gebracht. — Potschappel. Einen Zusammenstoß mit einem Wilde rer hatte in vorvcrgangcner Nacht der im Dienste de« Baron« v. Burgk stehende Reviersörster Schellig. Er hörte a» der Joch höhe bei Burgk zwei Schüsse fallen, ging sofort den Schüssen nach und traf dort im Walde mit einem Wilddiebe zusammen. Er stellte ihn, der sich sofort zur Wehr setzte. E« kam zu einem heftigen Handgemenge auf Tod und Leben, bei dem der Förster stürzte und sich die Schulter ausfiel; der Wilddieb benutzte diesen günstigen Umstand und die Verletzung de« Gegner«, um diesen zu mißhandeln. Später flüchtete er und suchte seine in Pesterwitz gelegene Wohnung auf. Förster Schellig halte den Wilderer er kannt, machte trotz feiner Verletzung noch in derselben Nacht beim Obergendarmen zu Potschappel von dem nächtlichen Zusammen stöße Meldung, so daß die Verhaftung de« gefährlichen Wilderer« bereit« um 2 Uhr nacht» erfolgen konnte. Unter starker Bedeck ung wurde er in da« Untersuchungsgefängnis adgesührt. Der Verhaftete ist der Schlosser August Kaden, der schon im Januar in eine Wilddiebsaffäre verwickelt war. Er hatte in der Nacht zu gestern auf dem Burgkcr Revier auf Fasanen gefahndet. Bei seiner Verhaftung fand man ein von ihm selbst gefertigte« Jagd gewehr und Patronen vor. — Kirchberg, 14. November. Gestern in frühester Morgenstunde ereignete sich in einem Haufe an der alten Zwickauer Straße ein gräßlicher Unfall. Im Parterrezimmer de« betr. Hinterhauses, in dem die 84 jährige Frau Christiane vcrw. Wischrob wohnte, war auf unaufgeklärte Weise ein Slubenbrand entstanden, der jedoch weitere Verbreitung nicht gefunden hat. Gegen morgen wurden die Angehörigen der Frau Wischrob auf den Brandgeruch aufmerksam und wollten nach der Ursache sorschen, fanden aber leider die alte Frau schon tot in ihrem Zimmer auf der Diele liegend. Die Frau ist jedenfalls durch den entstandenen Qualm erstickt und am Körper schrecklich verbrannt. Die Leiche ist polizestich aufgehoben und in die Leichenhalle überführt worben. Der übrige Brandschaden ist unbedeutend. — Au« dem Erzgebirge, 14. November. Vereinzelte schöne Tage bringen hier jedesmal trockene Kälte und starken Reif, sodaß die Vegetation, namentlich da« Winterkorn, gefährdet ist. Infolge der reichlichen Niederschläge der ersten November woche, die bi« zu 26 über da« Mittel stiegen, ist jetzt in den crzgebirgischen Wasserläufen reichlich Wasser vorhanden, doch würde noch weiterer Regen gern gesehen. — Au« dem Vogtlande. Daß viele kleine und größere Bäche de« Vogtland« und besonder« auch der Flußlauf der Göltzich früher Goldsand mit sich führten, ist eine ost erwähnte Tatsache. Sowohl zwei in Falkenstein weit in die umliegenden Berge hineinführenden wie weiter talwärts un mittelbar am Göltzschbelte heute noch vorhandenen Höhleneingänge bringt man — ob begründet oder nicht, sei dahingestellt — mit den ehemaligen Goldseisen in Verbindung. In den 1840er Jahren war bei Weißenianv noch eine Schuttstellc an der Göltzsch zu sehen, wo eine Goldwäsche bestanden haben soll. 1756 wurden u. a. auf bcrgatinlichc Veranlassung Wäschen zur Goldgewinnung in der Göltzich unternommen. Die Versuche wurden bi« zum Jahre 1764 fortgesetzt, die Proben, die jedoch nur im kleinen gemacht wurden, ergaben in 21 Zentnern Sand nur 4 Lot Silber und in diesen nur 1 Lot Gold. War hiernach der Erfolg auch ein ungünstiger, so war doch anderseits erwiesen, daß die Läufe der Göltzsch in gewissem >>rade goldführend sind. E« erging da her im Jahre 1764 die Verordnung, daß einige Fuhren diese« Sandes zur näheren Untersuchung im großen nach Freiberg ge liefert werden sollen. Die Verordnung kam jedoch infolge der Wirren de» Siebenjährigen Kriege» nicht zur Ausführung. Heute, wenn man die farbigen Tinten, die der Göltzsch besonder« im unterei. Lauf zuflicßen, sieht, liegt der Gedanke fern, daß diese Gewässer der Göltzich goldführend gewesen sein sollen. — Au« dem oberen Bogt lande, l4. Novbr. Da« »gelobte Land" de« billigen Fleische», soweit da« Schöpsen fleisch in Frage kommt, ist zur Zeit wieder einmal da» obere Vogtland. Weil mit dem Eintritt von Schneefall und Kälte da« Weiden der Schafherden plötzlich aushören muß und e« den Tieren dann an Futter mangeln würde, so weiden jetzt die Schafe in größeren Mengen geschlachtet und da« reichliche An gebot drückt den Preis de« Schöpsenfleische«. Im Klingenthaler Lokalblatte wurde dieser Tage da« Pfund zu 45 Pf., in OelSnitz sogar zu 25 Pf. angeboten. Natürlich werden solche Preise nur ausnahmsweise gestellt. Amtliche Mitteilungen ans der Sitzung des Sladtrates am 8. November 1904. Anwesend: 4 Ratsmitglieder. Vorsitzender: Herr Bürgermeister Hess«. — Ohne Gewähr für daraus abgeleitete Rechte. — I) Auf Vorschlag des BauauSschusscS wird beschlossen: a. den CarlSfeldersteig aus eine Länge von LOO in 3 m breit mit Packlager herzustellen, die Arbeit möglichst noch in diesem Jahre auszusühren und ein Gesuch um Staatsbeihilfe einzureichen; i>. als Fuschodenbelag für den Schulanbau Linol zu wählen und Herrn Stadtdaumeister zur Besichtigung derartiger Fubbodenbeläge in Zwickau, Crossen und Niederhaßlau zu veranlassen; c. die Ausführung der Blitzableiteranlage am Schulanbau Herrn Schlofsermeister Porst zu übertragen. Li Vom Stadtverordnetenbrschluß über die Fußwegherstellung auf der Karls, baderstraße wird Kenntnis genommen und über die weiteren Schritte Beschluß gefaßt. 3) Für die Jnvalidcn-Bersicherung wählt man a. als Vertreter der Arbeitgeber: Herrn Stadtrat Justizrat Landrock, Ritter ic., „ „ Kommerzienrat W. Dörffel, „ Kaufmann Richard Hertel, „ Holzschleifereibesitzer Wilhelm Unger, l>. als Vertreter der Versicherten: Herrn Schiffchensticker Hermann Lorenz, „ „ Alban Strobe». „ Schriftsetzer Ernst Strobelt, „ Schiffchensticker Otto Unger. 4) Zu der Kommission zur Beratung der Anleihefache wählt man Herrn Stadtrat Kommerzienrat Wilhelm Dörffel, der die Wahl annimmt. 3) Die Abänderung der SchutzmannfchaftS - Uniform wird in der borge, schlagenen Weise genehmigt. 3) Kenntnis nimmt man a. von der Sparkaffenübersicht und b. von dem Fleiscbbrschaubericht« auf den Monat Oktober 1904 und c. von der Ernennung de« Slempelfiskals, Herrn Finanzrat Gäbler al« Kreisfteuerrat im III. Steuerkreise. Zur Beschlußfassung gelangten ferner 10 Bau-, 2 Steuer- und 4 ver- schieden« andere Angelegenheiten, di« allgemeine» Interesse nicht haben. Kedin auf dem Wege nach Osten. Aus: Hedin, Abenteuer in libet. Reich illustriert, eleg. geb. 3 M. Verlag von F. A. Brockhau« in Leipzig. Schön und freundlich strahlle der Johannistag de« Jahre» 1899, al« ich auf lange von meinem Heim Abschied nahm, um über die Ostsee nach Finnland und Petersburg zu fahren. Wer je den heimatlichen Herd und seine Lieben verlassen hat, um jahrelang keine Aursicht auf Nachricht von ihnen zu haben, ja ohne zu wissen, ob er sie jemal» Wiedersehen wird, der kann leicht begreifen, mit welchen Gefühlen ich den Meinigen noch einmal tief in« Auge iah, um darin einen Schimmer von Hoffnung aus ein fröhliche« Wiedersehen zu suchen. Ja, der Johannistag war hell und freundlich, aber meine Gedanken waren viel zu trübe, um sich in Tränen au«sprechen zu können. In den 1001 Nächten gedachte ich diese« letzten Anblicke« von Stockholm und ich sah meine Angehörigen noch auf dem Kai stehen, unruhig über mein Schicksal und darüber nachgrübelnd, ob ich wohl wicderkehren werde. Jetzt ertönt die Dampfpseife, und nun kreuze ich in schwin delnder Fahrt da« heilige Rußland über Moskau und über den majestätischen Don, dessen trübe Waffermassen sich nach dem Schwarzen Meere wälzen. Wie Sternschnuppen verschwindet ein Dorf nach dem andern — ebensoviele Brennpunkte für Freude und Leid, Verirrungen, Hoffnungen, Glück und Elend. Die zwiebelsörmigen Kuppeln der Kirchen werden größer, sie ziehen vorbei, werden wieder kleiner und versinken unter dem Horizont, während der Schnellzug auf den blanken Schienen vorwärtSstürmt. Jetzt lassen wir Wladikawkas hinter un«, die kleine Stadt, in deren staubigen Straßen ich 1885 al« neugebackener Student umhcrgestreist war. Die Nacht ist mild und dunkel, während wir nach dem giößten Binnensee der Erde, dem Kaspischen Meere, hinabrollen. Da« Schnauben de« Dampfrosse« unter bricht die stille Ruhe der Steppe; ab und zu stört auch da schrille Lied einer Grille da« Schweigen. Gewaltige Blitze zucken grell über dem Kamme de« Kaukasus — man könnte glauben, daß diese Bergkette eine Welt von Vulkanen enthalte, die noch nicht erloschen seien. In Petrowsk, wo eine Doppelmole den Hasen wie eine Riescnkreb«schcre einschließt, besteigen wir einen eleganten Rad dampfer, der un« über da« salzige klare Meer trägt und un« nach KrasnowodSk, dem Ausgangspunkte der Transkaspischen Eisenbahn, bringt. Die blaugrünen Wellen de» Kaspischen Meere« sind tückisch und falsch. Ost erhebt sich ein Sturm au« Asien« Wüsten oder von den Bergen de« Kaukasus bei eben noch klarem, ruhigem Himmel und peitscht die Wellen zu beängstigender Höhe auf. Kürzlich ging ein Dampfer von der einen Küste ab, erreichte aber die andere nie, und über seinen letzten Kamps mit Wind und Wellen weiß man nicht« Bestimmte«; der Dampfer war und blieb spurlo« verschwunden. Vielleicht glaubt der Leser, daß man da« Gefühl de« Wohl behagen« verspüre, wenn man nach einer glücklichen, aber an strengenden Fahrt über da» Meer seinen Fuß auf Asien« Küste setzt und bei KrasnowodSk, den »roten Wassern", an Land geht? Nein, durchaus nicht; diese Stadt ist ungefähr da« Gegenteil eine« irdischen Paradiese«. Man denke sich ein kleine« Nest mit weißen, einstöckigen Häusern und platten Dächern, ein paar ärmliche Kirchen, umgürtct von einem Ringe unfruchtbarer, ver witterter Berge und gelber Sanddünen. Kein Baum, kein Grashalm ist zu sehen, ja nicht einmal ein Tropsen süßen Wasser«! Diese« wird in großen Holzsässern mit der Bahn au« dem Innern de« Lande« hierher gebracht. E« käme einer Verbannung gleich, an diesem traurigen Orte, der in glühender Sonnenhitze briet, leben zu müssen. General Kuropatkin, der russische Kriegsminister, der jetzt im äußersten Osten gegen Japan kämpft und auf den die Blicke der weißen und der gelben Rasse gerichtet sind, war so freundlich gewesen, telegraphisch den Befehl nach KrasnowodSk zu senden, daß mir sür die Reise nach Andifchan, der Endstation der Bahn linie, ein ganzer Eisenbahnwagen zur Verfügung gestellt werden solle. Aus diese Weise fuhr c« sich lustig, wie man sich denken kann. Keine Menschenstele durfte in mein rollende« Heim hinein gucken; ein Schaffner versah mich mit kaltem Wasser für die Dusche — ein herrliche« Ding in dieser Hitze, die bi« auf 41'/.^ 6. im Schatten stieg. Mein Salon war mit Diwanen, Stühlen und Schreibtisch auSgestattet; mein Wagen war der letzte im Zuge, um sofort abgekuppelt zu werden, wenn c« mir einfielc, in einer Stadt einen Zug überschlagen zu wollen. Unter dem Schutzdache der Hinteren Plattform konnte ich sitzen und dabei meinen Gedanken nachhängen und meine Blicke dem Zuge folgen lassen. Ich musterte die Landschaft, die sich vor mir allmählich ausrollle und hinter mir in der Ferne verschwand, wo die Schienen in einem Punkte zusammen zu laufen schienen. Immer weiter sausen wir nach Osten. Die Luft zittert über den glühendheisen Dünen, und glühendheiß ist auch der Luftzug, den man verspürt, wenn man zum Wagen hinausschaut ; e» ist, al« stecke man den Kopf in einen Backofen. Keine Oasen zeigen sich beim Vorbei fahren, kein Blumendust erreicht un«, wir hören keine Quellen rauschen, nur bei den Stationen sieht man eine spärliche Vege tation, die aber in der Sonnenglut vertrocknet ist. Donnernd rollt der Zug mit aller Vorsicht über die ge waltige Pfahlbrücke de« Amu-darja, die bald darauf durch eine eiserne ersetzt wurde. Man möchte sich in diese trüben, aber frischen Wellen stürzen, die von so hoher Herkunft sind, stammen sie doch vom »Dache der Well", von Pamir, da« ich im Jahre 1894 kennen gelernt hatte. Sie sind au» blauschimmcrndcn Gletschern entsprungen und bringen der Wüste mit ihrer erstickenden Hitze einen letzten Rest der Frische ihrer ursprünglichen Heimat. Mit unbeschreiblicher Sehnsucht sieht man die Sonne den Horizont hinabstnkcn, und mit einem Seufzer der Erleichterung sängt der Blick ihr letztes Gold aus, da» noch einen Augenblick auf einem Dünenkammc blinkt. Die Dämmerung ist kurz; bald schließen die nächtlichen Schatten die Wüste in ihre Arme, und c« wird sehr dunkel. Die Temperatur fällt nur um einige Grade, aber man glaubt doch eine angenehme Kühle zu empfinden. Ich erwache wie au« einer Betäubung; ich schließe meinen Wage» und gehe durch den Zug nach dem Speisewagen, um ein späte« Mittagessen zu verzehren. Nachdem ich wieder in meinen Salon zurückgekchrt bin, ziehe ich mich fplitterjascnnackt au«, lege mich auf einen Diwan und lese Duma«' »Drei Musketiere", nicht um mich aus kommende Abenteuer und auf Räuberlebcn vorzu bereiten, sondern weil diese» Buch mir gerade in die Hand fiel. Endlich find wir in Samarkand und damit aus dem Boden weltgeschichtlicher Erinnerungen. Während wir kurze Zeit den Anblick seiner herrlichen Moscheen au« der Zeit Timur« genießen können, zwischen denen ich vor vierzehn Jahren ein Paar Wochen mit dem Zeichenstiste in der Hand zubrachte, möchte ich nur einige Worte sagen, die den Leser überzeugen werden, daß Samarkand wirklich die Königin der Städte Zentralasien« ist. Der örtlichen Neberlieserung zusolge wurde die Stadt von dem Helden Afrasiab gegründet, im Lichte der Geschichte taucht sie aber zuerst unter dem Namen Marakanda (Strabo XI: II) al« die Hauptstadt von Sogdiana auf, al« Alexander der Große diese« Land eroberte. Nachdem Alexander einen Teil de« Heere« zur Bewachung de« Lande« in Baktra zurückgelassen halte, brach er (nach Arrianu«, IV: Id) über den Oxu« nach Sogdiana aus. Seine Streitmacht teilte er in fünf Haufen ein: »an die Spitze de« fünften stellte er sich selbst und rückte damit durch da« Land nach Marakanda". Alexander« Ruhm lebt in der zentralasialischen Tradition noch heule unau«löschlich fort, und viel« Häuptlinge an den Ufern de« Amu-darja behaupten, ihre Ahnen bi« aus seinen mächtigen Thron zurückführen zu können. Ein kleiner See in der Nähe von Samarkand trägt seit 2200 Jahren seinen Namen: Jtkender-kul. Wie seltsam ist e» doch,
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