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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 07.07.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190407074
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19040707
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19040707
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1904
-
Monat
1904-07
- Tag 1904-07-07
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Monat
1904-07
-
Jahr
1904
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Vorsitzende de» Jubelverein», Herr Pastor Scheibe, nannte in seiner Festansprache die dem Verein vor 25 Jahren beigetrelenen, noch lebenden, sowie die inzwischen verstorbenen Herren, welch letzterer Andenken man durch Erheben von den Plätzen ehrte. Au» dem Arbeitsgebiete de« Verein« siihrlc er u. a. die Veran staltung von Vorträgen, die Schaffung de« König Albert-Turme« und der Borberganlagen, die Errichtung zahlreicher Bänke, die Anbringung von Wegweisern, Markierungen, sowie al« neueste Arbeiten die Erbauung der Königin Carola-Warte aus der BurkerSdorser Höhe, die Herausgabe eine« Führer« durch Kirch berg und Umgegend an. Er schloß mit einem dreisachen Hoch aus den erlauchten Schutzherrn de« ErzgebirgSvcreineS, Se. Mas. König Georg. An letzteren, sowie an die Königin-Witwe wurden Begrüßungstelegramme abgesandt. Unter lebhafter Anerkennung de« gemeinnützigen Wirken« de« Verein« beglückwünschten die Herren Bürgermeister Ur. Reichardt und Seminaroberlehrer Möckel den Verein namens de« Rate« bezw. namen« de« Gesamt verein«. Seinem verdienten Vorsitzenden, Herrn Pastor Scheibe, ließ der Jubelverein durch seinen zweiten Vorsitzenden ein silberne« Schreibzeug überreichen. Nach dem Feslaktu« wurde am gleichen Orte ein Festmahl veranstaltet. Al«dann unternahm man einen gemeinsamen Spaziergang nach dem Borberge, besichtigte die dortigen Anlagen und traf sich im Bergreslaurant zu einem zwanglosen Beisammensein. Da« Fremdenbuch de» Borbcrge» trägt aus der ersten Seite den Namen König Albert«, den derselbe am 3. Juli 1883 bei einem Besuche Kirchberg«, de« Vordergr und de« aus ihm sich erhebenden König Albert-Turme» eigen händig eingetragen. — Zur bevorstehenden Erntezeit seien die Landwirte wiederum gemahnt: Versichert! Brände au« Unachtsamkeit oder Rachsucht, sowie Blitz- und Hagclschlag können Euer Hab und Gut in wenigen Augenblicken vernichten und Euch an den Bettelstab bringen. Die kleine Summe dagegen, die Ihr sür die Versicherung zahlt, kann Euch vor großem Schaden sichern. Amtliche Mitteilungen ans der 7. öffentliche»! Sitzung des Stadtverordnetenkollegiums vom 24. Juni IRl-t. — Ohne Gewähr für daraus abgeleitete Rechte. — Anwesend: 18 Stadtverordnete. Entschuldigt fehlen 3 Stadtverordnete. Den Vorsitz führt Herr Stadtverordneten-Vorsteher Diersch. Der Rat ist vertreten durch Herrn Stadtrat Justizrat Landrock, Ritter rc. 1) Der vorliegende Schleusenplan für die Breite- und Theaterstraße wird einstimmig genehmigt. 2) Für bessere Herstellung des Platzes vor der Kirche bewilligt man ein stimmig den Betrag von 150 Marl. Man setzt aber voraus, daß dieser Platz ebenso wie die anderen Plätze der Stadt mit noch mehr Sorgfalt als bisher gepflegt werden. Herr Stadtverordneter Hirschberg bringt hierbei zur Sprache, daß lassung besserer Pflege gedachter Anlage ersucht. 3) Das Stadtverordneten-Kollegium erteilt hierauf einstimmig Genehmigung, daß die bei Herstellung von Pflasterübergängen über Staatsstraßen von der Kgl. Straßenbauverwaltung gestellten Bedingungen der Unter haltung und Reinigung der Uebergänge als bleibende Verbindlichkeiten auf die Stadt übernommen werden. 4) Zur Schuttablagerung hat die Firma Ficker u. Liebscher ihr Grundstück unterhalb ihrer Zementwarenfabrik zur Verfügung gestellt. Das Stadt verordneten-Kollegium erklärt sich damit einverstanden, daß das Angebot von der Firma angenommen wird. Dadurch erledigen sich die vom Stadtrat mit dem Oekonomen Gottlieb Becher getroffenen Ver einbarungen. 5) «. Der Stadtrat hat die Einrichtung einer Havsmannswohnung in den Schulanbauten abgelehnt, da er ein Bedürfnis für diese Wohnung nicht anzuerkennen vermag und auch sonst verschiedene Bedenken gegen die Einrichtung geltend zu machen hat. korridor auf der einen Seite mi? einer Wand ^schließe und so ein Wohnzimmer schaffe. Die Herren Ludwig, Schlegel und Porst sprechen sich gleichfalls für den Einbau der Hausmannswohnung aus. Der Herr Vorsitzende und Herr Stadtrat Justizrat Landrock erteilen erläuternde Auskünfte. Darnach wird abgestimmt und der Antrag des Herrn Wagner mit Majorität angenommen. I). Der Herr Ratsvertreter Justizrat Landrock gibt darnach bekannt, daß Herr Pastor Rudolph die Genehmigung zur Benutzung eines Zimmers im Diakonate als Unterrichtszimmer der Volksschule er teilt habe. Die gestellten Mietbedingungen und namentlich auch der Miet» preis von 80 Mark werden genehmigt. 6) Zur Sache, Abhaltung eines Spieltages für die Volksschüler als Ersatz für Schulfest betreffend, sprechen namentlich die Herren Stadtverordneten Bach, P. Zeuner, Porst und Herklotz. Das Stadtverordneten-Kollegium erklärt sich darnach für Abhaltung eines allgemeinen Spieltages an Stelle eines Schulfestes. DaS Kolle gium setzt aber dabei voraus, daß die Schulausflüge dadurch nicht Wegfällen. 7) Kenntnis nimm? man, zu a und tr mit Dank, u. von der Verwilligung einer Staatsbeihilfe von 400 Mark für die Kochschule, l». von Wiedergewährung einer Staatsbeihilfe von 1000 Mark für die kunstgewerbliche Bibliothek und Vorbildersammlung, e. vom Dankschreiben des Goldschmieds Herrn Theodor Troll für Beglückwünschung anläßlich seines 50jährigen Bürgerjubiläums. 8) Folgende städtische Rechnungen vorn Jahre 1003 spricht man für richtig: n) der Feuerlösch-, I») der Jndustrieschul-, e) der gewerblichen Zeichen- schul-, ä) der Pensions-, s) der Biersteuer-, k) der Armen-, e) der Schuldentilgungs-, k) der Dienstbotenkrankenkassen und i) der Schul geldkasse auf die Jahre 1000/1002. Vorsteher Diersch, die Rechnung unter i von Herrn Stadtverordneten Maennel nachgeprüft und für richtig befunden worden. 8) Dem Ratsbeschlusse über die Erbauung einer städtischen Hauptschleuse in der Winklerstraße tritt man einstimmig bei. 10) Den Erlaß einer Vorschrift, die das Betasten der Backwaren durch das Publikum verbietet, hält das Stadtverordneten-Kollegium für recht wünschenswert. 11) Endlich bewilligt man den durch den Etat nicht gedeckten Betrag von 80 Mark für Beschaffung von Krankenhausinventarien (Operations und Jnstrumententisch mit Flaschenständer). Sitzung des Hemeinderats Schönheide vom Juni lLV4. Oderverwaltungsgerichts, d. den mit den Interessenten des Fuchswinkelwegs gepflogenen, bisher ergebnislosen Verhandlungen wegen Ausbau und sodannige Uebernahme jenes Weges in öffentliche Unterhaltung. 2) Ucber die Eigentumsverhältnisse der im Grundbuche noch nicht einge tragenen Flurstücke Nr. 74 und 1580 sind Meinungsverschiedenheiten entstanden. Dem in einer diesbezüglich stattgefundenen gerichtlichen Ver handlung zwischen dem Vorsitzenden und dem bisherigen Nutznießer jener Flurstücke abgeschlossenen Vergleiche, nach welchem der Anspruch der Gemeinde nur hinsichtlich deS Flurstücks Nr. 74 aufrecht erhalten wird, tritt der Gemeinderat bei. a. 2 hm vom Wege Nr. 853 zu einen» Wohnhausanbau, d. 3 hw „ „ „ 543 „ „ Fabrikneubau, e. 20 hin „ Marktplatz 825 zum Sakristeianbau. ES wird zu diesen Bebauungen nachträglich Zustimmung erteilt unter der Voraussetzung, daß in dem Falle unter n eine jährliche Rente zur Gemeindekasse bezahlt, zu k aber Austausch mit anderem Areal be wirkt wird. 4) Die Vergebung der Steinzeugrobrlieserungen zur Beschlcusung eine- Teiles der oberen Straße erfolgt an den Mindeslfordernden, ebenso die Uebertragung der Abfärbung der Außenwände deS Schulgebäudes im Oberdorfe. 5) Wegen Vornahme einiger Baulichkeiten in Gemekndegebäuden wird der BauauSschuß mit Auftrag versehen. 8) Der BauauSschuß soll auch die von der Betriebsleitung deS Elektrizitäts werks angeregte Frage wegen Ersetzung einer Anzahl Leitung-masten einer nochmaligen Untersuchung unterziehen. 7) Bezüglich deS Gesuch- deS Herrn Schankwirt- Kätscher um Ausdehnung der Schankbefugnis auf seinen Garten wird daS Bedürfnis anerkannt. 8) Es wird beschlossen, Herrn Schuldirektor Grohmann, als Leiter der vor trefflichen Veranstaltungen deS am 27. d. M. stattgefundenen Schulfeste-, besondere Anerkennung zu Teil werden, auch den übrigen Mitgliedern des Lehrerkollegiums für ihre anläßlich des erwähnten Feste- in bereit- williger und aufopfernder Weise dargedrachten Bemühungen den Dank der Gemeindevertretung übermitteln zu lassen. Z)ie Kaiserin und die Jirauenfrage. Die Audienz, die die Kaiserin neulich dem Vorstände de« in Berlin versammellen Frauen - Kongresse« gewährt hat, wird vielfach so gedeutet, al« ob Ihre Majestät mit allen Bestrebungen der internationalen Frauenbewegung einverstanden sei. Wer die Gemahlin unsere« Kaiser« kennt, der weiß von vornherein, daß diese Annahme weit über da« Ziel hinau«schießt. Die Stellung der Kaiserin zur Fraucnfrage ist vor einiger Zeit von einer Aristokratin, die mit dem Hole intime Beziehungen unterhält, geschildert worden. Wir wollen die Mitteilung auszugsweise wiedergeben. Wie ihre erlauchten Vorgängerinnen aus dem preußischen König«- und dem deutschen Kaijerthrone hat auch Kaiserin Auguste Viktoria ein Herz sür die Armen und Bedrückten, und e« ist selbstverständlich, daß sie al« Frau mit den vom Schicksal heim gesuchten Schwestern besonder« warme Teilnahme empfindet. Rückhaltlos erkennt die Kaiserin die Berechtigung einer Agitation an, welche die Stellung der Frau wirtschastlich und geistig, sittlich und rechtlich zu heben trachtet. In der nächsten Umgebung der Kaiserin sind genügend Beispiele bekannt, wo die hohe Frau ihr nahestehende Damen in ihrem Vorsatz, Töchtern oder Anverwandten einen Erwerbszweig zu erschließen, bestärkt hat. Die allgemeinen Bestrebungen dieser Art haben von der kaiserlichen Frau manche Förderung crsahren und dürsten auch noch viel zu hoffen haben. Aber von diesen rein persönlichen Gcfühlsbewegungen und ihrer Betätigung bi« zur Anerkennung einer da« moderne Fühlen und Denken gänzlich umgeslaltcnden Bewegung, als welche sich die Frauensrage in vielen radikalen Köpsen darstellt, ist noch ein weiter Sprung. Die Kaiserin steht, wie die Aristokratin versichert, auf dem Standpunkte, daß ihr Berus die Frau in« Hau«, nicht hinaus in die Welt verweise. Die Natur habe e« so gewollt. Der heutige Zustand, daß unverhältnismäßig viele Frauen und Mädchen ihrem wahren Berufe entzogen werden, sei eine vorübergehende Erscheinung, und die Bestrebungen, die Frau wirtschastlich unabhängig zu machen, hätten al« AugenblickS- mittel einen unbestrittenen Wert, wenn auch die Heilung der gesellschaftlichen Krankheit von ihnen nicht erwartet werden könne. Wichtiger sei schon, daß die Frauen geistig im allgemeinen aus eine höhere Stufe gerückt würden, da der moderne Daseinskampf tiefere Bildung, reichere«, gründlichere« Wissen erheische und da« Weib als die Erzieherin eine« kommenden Geschlecht« dieser Forderung unserer Zeit Rechnung tragen müsse. Allein da» Schwergewicht sei auf die sittliche Hebung der breiten Massen zu legen. Der Unglaube habe die Sittlichkeit gelockert und Männer wie Mädchen zu einer rreiern Auffassung in sittlicher Beziehung geführt, au« welcher heraus ihnen die Ehe häufig al« Zwang erscheine, nicht al« eine von Golt gewollte Lebensgemeinschaft. Daher bleibe die vor nehmste Auffassung der Frauenfrage immer die Sorge, da« Weib, wenn c« Gefahr läuft, sich von seiner natürlichen Bestimmung zu entfernen, auf den Weg der Sitte und Sittlichkeit zurück zuführen. Da» Bud der Monarchin, wie es uns au« diesen Aeußer- ungen.entgcgenstrahlt, atmet Zug um Zug jene Reinheit und HerzenSgüle, die da» deutsche Volk an seiner Herrscherin zu ver ehren gewohnt ist. Gleich aus den ersten Blick zeigt sich die tiefe Kluft, die unsere Kaiserin von den extremen Frauenrecht lerinnen trennt. Die Kaiserin will nicht« wissen von der vollen Gleichberechtigung oer Frau mit dem Manne, von all den uner füllbaren Forderungen, die in der Gewährung de« politischen Stimmrecht« an die Frauen gipfeln. Die radikalen Vorkämpfer der internationalen Frauenbewegung sollten c« also unterlassen, die Gemahlin unser« Kaiser« al« eine der ihrigen in Anspruch zu nehmen. ZSewäyrle Lieke. Novelle von Maximilian Morgen n. Der Helle Sonnenschein, dem die Vögel au« dem frischen Grün eine« großen Garten« der Tiergartenstraße entgegenjubelten, fiel al« maile« Dämmerlicht durch die Vorhänge eine« stillen Zimmers. Draußen hielt der Lenz in ungeschwächter Kraft seinen Einzug — überall wonnige« Frühling-weben; drinnen jene unheimliche Stille, die dem Tod voraus geht — ein Scheiden in der Blütezeit. Am Bette seiner schwerkranken Frau saß der Baumeister Werner und blickte traumverloren aus da« bleiche Antlitz, in die halbgeschlossencn Augen, die schon wie zur ewigen Ruhe geschlossen schienen. Unzählige Gedanken jagten durch seinen Kopf, den er sorgen schwer aus ein Tischchen gestützt hatte, da« mit Flaschen und Gläsern reich bestellt war. Sein Sinnen galt der Vergangen heit, den glücklichsten Tagen seine» Leben«, die bald sür alle Zeit vorüber schienen. Und nun — wie schmerzlich berührte ihn der Gedanke — sollte die Schlummernde da« neue Landhaus am Kursürslendamm, dessen Bau sic bi« in die kleinsten Einzel heiten miteinander besprochen, wo sie die erwünschte Ruhe zu finden hoffte in der Frühlingspracht unter den immergrünen Tannen, die den lauschigen Garten romantisch umsäumten, nicht mehr erblicken. Nur wenig Hoffnung hatte ihm der Arzt gemacht und auch diese wohl nur zur allgemeinen Beruhigung. Aber konnte sich der Arzt nicht irren? so fragte er sich täg lich; konnte e« — sollte e« dennoch nicht möglich sein, sie der Welt wiederzugebcn wie vordem in Frohsinn und Glück? — Wieder starrte er in die Leere, und sah im Geiste ein Hau«, da« fern vom Getriebe de« Städtchen«, da wo die langgestreckten Gärten der Dammstraße enden, wie weltvergessen au« seiner grünen Umgebung blickte. Schon al» Knabe weilte er gern im Hause de« freundlichen Rentmeister«, der oftmals sein Töchterchen mit dem blonden Kraurkops de« befreundeten Arzte« vereint in der Hängematte schaukelte oder beim Spiel erfreute. Welch selige Stunden waren die» in sroher Jugendlust und Sonnenschein! Und später, al» er die Ferien im Elternhaus« verbrachte, da zog e« ihn zu jenem Häu«chen mit tausend unsichtbaren Färcn, dann — dann kamen Jahre, wo ihn da« Studium fern hielt, wo eine andere Welt vor seinen Blicken sich entrollte; aber immer, und in all' den Stunden diese« freien ungebundenen Leben« wohnte ihr Bild mit einer Kraft, die keinen Vergleich aufkommen ließ, in seiner Seele. Und dann al« sie erblüht in voller Schönheit vor ihm stand, da war e« beiden vollend« klar, wa« sie in stiller Sehn sucht sür einander fühlten. Dann kam die selige Zeit — glück liche Jahre — und jetzt — o Golt, nach einmal diese« Glück! Ein tiefer Seufzer begleitete diesen sehnlichsten Wunsch, während die Kranke die sterben-müden Augen langsam öffnete. »Wa« ist dir, Friedrich?' flüsterte sie voll banger Sorge. ,O Golt, ich störte dich im Schlafe, mein Lieb,' war feine vorwurfsvolle Antwort, während er, über sie gebeugt, behutsam über ihre Stirn strich. »Nein — nein, ich schlief nicht — ich träumte mit klaren Sinnen — von der Zukunft,' entgegnete sie, mühsam nach Worten ringend. »ES war ein schöner Traum — der un« wieder vereinte — nach dieser Zeit; darum bang dich nicht — und wenn ein neuer Lenz kommt — dann mach' die Helene glücklich — mein Friedrich — wie du mich glücklich gemacht — sie ist gut — und immer lieb zu — unseren — Kindern.' Friedrich, der ties ergriffen ihre Hand hielt, wollte ent schieden verneinen; allein ein Blick gebot ihm Schweigen, denn die unheimlichen Schatten de« Tode« huschten immer deutlicher über ihr bleiche« Gesicht. Es waren ihre letzten verständlichen Worte; und al« die scheidende Sonne ihre Abschiedsstrahlen an die Fenster warf, da war c», al» riefen sie mitzukommen in die finstere, schattenlose Nacht, um weilerzuträumen den seligen Traum der Zukunft von Liebe, Glück und Sonnenschein ohne Ende. Werner empfand eine tiefe Trauer; öd' und leer erschien ihm alle«, wa« er sah und hörte. »Die Liebe ist zu groß und de« Glücke« zu viel, al« daß e« von langer Dauer sein kann,' hatte sie oft in ihren seligsten Stunden ahnungsvoll gesagt, al« fürchtete sie den Neid de« Geschicke«. Und nun, da die Erfüllung ihre« bangen Ahnen« in Wirklichkeit vor ihm stand, da bemächtigte sich seiner eine Teil- nahmlosigkeit, wie er sie nie erwartete und früher nie verstanden; und nur die Kinder, die er über alle« liebte, die nun allein sein Herz erfüllten, brachten ihn allmählich wieder aus andere Wege, ließen ihn erkennen, baß geschehene Dinge nicht zu ändern sind, daß Unabänderliches keine Macht der Welt auszuhalten vermag. Er suchte wieder sein Baubureau aus, um lange Zeit seine Arbeiten mechanisch zu verrichten. Helene Altenkirch, die intimste Freundin Werner'«, kam nun täglich, widmete sich in liebender Fürsorge den Kleinen, und hochbeglückt sühlte sie die herzliche Zuneigung de« vierjährigen Waller und der dreijährigen Frieda. Meist in Werner'« Ab wesenheit kam Helene, obschon ihr jeder triftige Grund für diese Handlungsweise fehlte und Werner stet» eine ausrichtige Dank barkeit gegen sie empfand. Verlassen, wie von einem Bauherrn, der nicht Wester konnte, stand ein halbseitige« Landhaus am Kursürslendamm. Niemand verriel ein Interesse daran. Wie bei Ruinen sang der Wind feine Klagelieder durch die Fensterhöhlen. — Seil jenem Tage, der Werner sein Liebste« nahm, sind bald zwei Jahre vergangen. Herbst war aus dem Plane, der seine« Vorgänger» segensreiche« Wirken mit wahrem Ungestüm vernichtete, der lobend im tollen Wirbel welke Blätter an die Fenster einer Gartenzimmers warf, al» gälte es dort die Ruhe zu stören, mit der der Baumeister emsig an einem Konkurrenz-Entwurf arbeitete. Drüben am Fenster erblickte er ost die Gesellschafterin der Frau eine» Finanzfürsten, die in tausend Dingen eine unverkenn bare Aehnlichkeit mit seinem verlorenen Glücke finden ließ. Ihr stilles, bescheidenes Wesen erschien ihm bald wie ein Ideal, da« läglich mehr und mehr sein Inneres belebte. Sollte er noch einmal sein Glück versuchen, konnte er noch einmal jene Seligkeit empfinden, die kein Dichter auSgesungen? so fragte er sich. Aber je ernster er daran dachte, je mehr wurde ihm die Gewißheit, was seinem Herzen unersetzlich sei. Was wir bergen in dm Särgen, Ist das Erdenlleid. Was wir lieben, ist geblieben. Bleibt in Ewigkeit. So stand es eingegraben am Fuße de» Kreuzes an einem stillen Hügel, so stand e» eingegraben mit unauslöschlicher Schrift in seiner HerzenSiiefe. — 'Nach einiger Zeit ließ Werner die Arbeiten an seinem Land hause wieder aufnehmen. Und wieder war der Lenz, dieser muntere Knabe, dem un- zähiize Herzen warm entgegen schlugen, der e» wohl verstand, durch tausend schöne Eigenschaften seinem grimmen Vorgänger die Regierung abzunehmen, in» Land gekommen, und alle Welk begrüßte sein milde», freundliche« Auftreten. Sich von allem überzeugend, wa« in seinem Reiche vorgeht, blickte er auch neu gierig durch die hohen Fenster einer stattlichen Villa, deren traute« Heim ohne innere« Leben ihm ein große« Fragezeichen schien. Und dem Baumeister schien c« auch nicht ander«. Bi» jetzt hatte c« wohl die alte Wirtschafterin, die ihn schon als Kind in ihren Armen wiegte, verstanden, die Zügel der Wirtschaft zu führen; aber nun, in dem neuen Heim mit zwei Etagen, da« nur für Werner und die Seinen eingerichtet war, mußte entschieden eine Aenderung cintreten. Diese« Provisorium auch nur der Kleine wegen zu ändern, war nunmehr eine Notwendigkeit, die dem Baumeister vollkommen einleuchtete. Oftmals halte er schon nach jenem Fenster geschaut, und bald schien e» ihm, al« wollte sein Arbeiten nicht recht von statten gehen, wenn nicht Fräulein Hclldors'S liebliche» Gesicht am Fenster erschien. Er erinnerte sich nicht, jemals ihre Sprache vernommen, noch früher ihr je begegnet zu sein, und dennoch wollte e« ihm scheinen, al« kenne er sie schon viele Jahre, al» vernehme er täglich ihre Sprache, die ungerusen den Weg zum Herzen fand, und wie unendlich wohltuend berührte e» ihn, al» sie am Geburtriage seiner seligen Marie mit einem Kranz am Arme errötend und betroffen keinen Gruß erwiderte. Sollte sie c« sein, die Marie » Grab beständig mit frischen Blumen schmückt? so fragte er sich, al» er bei seiner Arbeit saß, und wiederum gingen tausend Gedanken durch seinen Kops und malten ihm in bescheidenen, harmonischen Farben eine liebliche Zukunft. Plötzlich sprang er auf und durchmaß, mit einer Welt von Plänen in Gedanken, die nun endlich zur Vollendung führen sollten, sein Arbeitszimmer. Drüben am offenen Fenster erblickte er jetzt Fräulein Helldorf, die dem Gesang der Vögel, die Lieder von LicbeSschnsucht hinauSschmettcrten, zu lauschen schien. Ein schwerer Atemzug entrang sich seiner Brust; sein Ent schluß schien gefaßt. Schon nach einigen Tagen sandle er jenem Fräulein ein Logenbillct zum Schauspielhaus« mit der ergebensten Bitte, e» gütigst anzunehmen und gleichzeitig eine Unterredung ihm ge statten zu wollen.
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