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Deutschlands Berhältniß zu Frankreich ist durch den Besuch der Kaiserin Friedrich in Pari nicht verbessert worden. Wie die Erlösung von einem Alpdruck kam di« Nachricht, daß die Abreise der Kai serin nach London „ohne Zwischenfall" staltgefunden habe. Allerdings hatte man die Vorsicht gebraucht, die Zeit der Abfahrt von Pari» offiziell nm etwa 1*/, Stunden später anzugeben, so daß die Neu gierigen, welche zum Bahnhof kamen, daselbst zu spät eintrafen. Der Aufenthalt der hohen Frau in Pari» hat in Deutschland ein Gefühl de» Unbehagens erzeugt. Man erinnert sich, wie seiner Zeit dem nun ver storbenen Könige AlfonS von Spanien von dem feineren Pöbel in Paris begegnet worden war und die Wiederholung ähnlicher AnstandSszenen schien nicht ausgeschlossen, besonders da die hohe Frau auch Versailles und St. Cloud besuchte, welche bei den Namen in enger Verbindung mit der Belagerung von Paris stehen. Die französischen Chauvinisten, der famose Döroulöde an der Spitze haben die Sache genau so weit getrieben, als sie sich nur treiben ließ, um noch zur äußersten Noth als Produkt harmloser Schwärmer erscheinen zu können. Al» die .Köln. Ztg." die Kaiserin für beschimpft erklärte, erhob sich in der gesammten französischen Presse ein Sturm des Unwillen». Nach der Auffassung der im Punkte der Ritterlichkeit besonders feinfühligen Franzosen hatte eS also anscheinend „noch dicker" kommen müssen, ehe sich der Vorwurf der Beschimpfung konstruiren ließ. Von Berlin aus ist übrigens wieder so eine Art „kalten Wasserstrahls" nach Paris gesandt worden, um die erhitzten Gemüther der Chauvins au die Realität der Dinge zu mahnen. Der Reichskanzler hat den Statthalter der Reichslande ersucht, von jeder ferneren Milderung in der Handhabung des PaßzwaugeS abzusehen. Auch ist der nachträglichen hähmische» Ausbeutung des Besuchs der Kaiserin in Pari» durch eine zweifellos offiziöse Notiz der „Nordd. Allg. Ztg." ein Riegel vorgeschoben worden, wonach eS durchaus nur Privatangelegenheiten waren, welche die hohe Frau nach Paris führten. Dieser Betbeurung ist der allerdings sehr deutungsfähige Zusatz angehängt, daß die Botschafter Herbette und Münster erst „in letzter Stunde" von der Absicht des Besuchs erfuhren. Wenn man sich in Berlin davon überzeugen kann, daß die Regierung der Republik wirklich keiner lei Mitverantwortung für das groteske Auftreten des vielbelächelten Bänkelsängers deS BoulangiSmus, Deroulede, trifft, kann und wird der unangenehme Zwischenfall ohne jede Wirkung bleiben. Auf den Klatsch verschiedener angeblich eingeweihter Zeitungs berichterstatter ist dabei absolut nichts zu geben. Derselbe kann vielleicht zeitweise die öffentliche Mein ung verwirren, einen Einfluß auf die Haltung der Regierungen zu einander aber gewiß nicht erlangen. Festzuhalten ist nur, daß das Inkognito der Kaiserin als „Gräfin Lingen" ein nur nominelles war und den Zweck hatte, offizielle und nicht ge wünschte Berührungen zu vermeiden. Die Kaiserin trat, wenn auch nicht mit den vollen Attributen ihrer Stellung, so doch in einer Weise in Paris auf, welche die volle Beachtung der öffentlichen Meinung finden mußte. Sie veranstaltete Empfänge des diplo matischen Korps und beehrte Festlichkeiten dieser Kreise mit ihrer Gegenwart. Sie besuchte zahlreiche Kunstateliers und spazierte auf den Boulevards und im Bois de Boulogne. Bei den früheren Besuchen der hohen Frau in Paris (als Kronprinzessin) ist das Inkognito strenge bewahrt worden und die Pariser Presse kam damals nicht in die Lage, von dem Gaste Notiz zu nehmen. War der Zweck des Besuchs wirklich nur ein privater, so hätte das Inkognito ebenso strenge inne gehalten werden müssen wie früher. Waren mit dem privaten Zwecke noch andere Ziele verknüpft — Ziele im Sinne der nationalen Versöhnung — so sind dieselben leider vollständig verfehlt. Das Wie deraufflammen der Revanchestimmung bei den Fran zosen darf nicht überschätzt werden, wenn uns die selbe auch nicht gleichgültig sein kann. Deutschland muß eben abwarten, bis cs die Franzosen fertig bringen, den unnatürlichen Einfluß einer vermuthlich nur kleinen Zahl chauvinistischer Schreier zu brechen. Im Interesse deS Völkerfriedens und des Kultur fortschrittes, gleichfalls aber auch um der Würde Frankreichs willen, ist zu wünschen, daß dieser Zeit punkt möglichst bald eintrete. Schwerlich wird bis dahin und nach der letzten Probe von Deutschland aus noch ein Schritt ge schehen, der sich als ein einseitiger Annäherungs- Versuch charakterisiren ließe. Hagesgeschichte. — Deutschland. Die vereinzelt auftretende Lesart, daß das Auswärtige Amt in Berlin an der Reise der Kaiserin Friedrich nach Paris unbe teiligt sei, resp. daß dieselbe gegen Vorwissen dieser amtlichen Stelle stattgefundcn habe, ist unzutreffend. Erst als der diesseitige Botschafter in Paris Graf Münster die positive Erklärung abgegeben hatte, daß die Kaiserin sicher sein dürfe, mit Ihren Plänen in Pari» eine günstige Ausnahme zu finden, wurde ein definitiver Beschluß gefaßt. Der Optimismus, dem sich Graf Münster in seiner Bcurtheilung der fran zösischen Verhältnisse hingegeben hat, dürfte da» Aus scheiden de« Botschafters aus dem aktiven Dienst zur Folge haben. — Ein neue» Geschoß, da», im Gegensatz zu der bisherigen, au» Hartblei und Nickel-Kupferblech zusammengesetzten Patrone nur au» einem einzigen Stoffe bestehen soll, ist für da» deutsche Gewehr nach sehr sorgfältigen Prüfungen cingeführt worden. Die vom Kaiser persönlich überwachten Versuche in der Spandancr Schießschule sollen glänzende Ergebnisse geliefert haben. — Für da» zweite bayerische Armeekorps war an geordnet worden, daß sowohl katholische, als auch pro testantische Militärgcistliche den Soldaten ge schichtliche Vorträge halten sollen. Zn Bamberg, wo der erste Vortrag von einem protestantischen Geist lichen gehalten wurde, hat das erzbischöfliche Ordina riat dem katholischen Militärgeistlichen die Abhaltung der ihm aufgetragenen Vorträge dem „Rhein. Kur." zufolge verboten. — Rußland. Ein neues, in die kommerziellen Verhältnisse tief einschneidendes VerkebrS-Hinder- niß soll die russische Regierung neuerdings wieder aufgerichtet haben. ES ist, wie man hört, ein Reskript an die russischen Konsuln im Auslande erlassen worden, wonach jüdischen Geschäftsleuten, welche nach Ruß land reisen wollen, kein Paß-Visum mehr von den Konsulaten crtheilt werden darf. Sie sollen sich, falls sic russische Gebiete betreten wollen, direkt an die russische Regierung nach Petersburg wenden. Nur drei große Finanzfirmen, darunter Rothschild und Blcichröder, sind von der Maßregel ausgeschlossen. Wir brauchen nicht näher auSzumalen, welche schweren Nachthcile dieselbe für die mit russischen Staatsge bieten in regem Geschäftsverkehr stehenden Grenzge biete herbeiführt, insbesondere für den Holz- und Ge treidehandel. Ein Kaufmann, der in Geschäfts-Ange legenheiten nach Rußland zu reisen hat, kann nicht erst den weitschweifigen Weg des Gesuchs an die russische Regierung einschlagcu und Wochen, vielleicht Monate lang auf den Bescheid von dort warten. Ein solches Hilfsmittel ist für ihn, der schnell handeln, den Augenblick benützen muß, völlig illusorisch. — Frankreich. Bei der Abreise der Kaiserin Friedrich von Paris am Freitag Vormittag wurde, wie ein Telegramm des Depcschcnburcau „Herold" meldet, auf dem Nordbahnhof öffentlich keine Polizei macht entwickelt, aber in den »inliegenden öffentlichen Gebäuden standen 500 Mann bereit, auf das erste Signal auSzurücken. — Gegen I I Uhr strömte das Publikum massenhaft zum Bahnhof, da es hieß, daß die Kaiserin um 11^ Uhr abreisen wolle. Enttäuscht zog sich die Menge zurück, denn die Abreise der Kaiserin hatte bereits um 10 Uhr stattgefunden, und um 11'/„ Uhr fuhr nur die Dienerschaft ab. Eine Gruppe von Elsaß-Lothringer» war, trotz der Abmahnung der Patriotenliga, auf dem Nord-Bahnhof erschienen, um die Kaiserin auszupseifeu. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 2. März. Am vergangenen Sonn abend hielt der hiesige Erzgebirgsverein seine Generalversammlung ab. Dem Geschäftsberichte ist unter anderem zu entnehmen, daß der Verein vermöge eingetretencr Besserung seiner finanziellen Lage im Stande gewesen ist, weitere 6 Ruhebänke anzuschaffen. Dieselben werden beim Beginn des Frühjahres an geeigneten, der Stadt am nächsten gelegenen Punkten ausgestellt werden. Von Antheilscheinen der Bühlhalle wurden auSgcloost die Nummern: 40, 59, 201, 213, 254, 293, 299, 308, 309 und 384, von deren In habern die auf sie entfallenden Werthc mit je 3 Mk. gegen Abgabe der betreffenden Scheine beim Vercins- kassirer von jetzt ab erhoben werden können. Wie'oer- bez. neugewählt wurden als: Vorsitzender: Hr. Kauf mann Schlegel, stellv. Vorsitzender: Herr Amtsrichter Kautzsch, Cassirer: Herr Hauptzollamtskontroleur Keil, Schriftführer: Herr Gerichtsschreiber Gruhle. Mitglieder des Ausschusses: Herr Oberförster Bret- schncider, Herr Kaufmann Ludwig Gläß sen., Herr Buchdruckereibes. Hannebohn, Herr Zeichner Charles Houlmans, Herr Kaufmann Richard Rau und Herr Kaufmann Gustav Emil Tittel, sämmtlich in Eiben stock. Dem Verein selbst wünschen wir weiteres Wachsen und Gedeihen und thatkräftige Unterstützung seiner Bestrebungen. —e. — Eibenstock. Am I.MLrz feierte ein pflicht treuer StaatSdiener, der Rendant beim Königlichen Amtsgericht Hierselbst, Herr Gustav Jugelt sein 25 jähriges Dienstjubiläum. Aus diesem Anlaß wurde er an diesem Tage im Sitzungssaale des Kgl. Amtsgerichts vor versammeltem Beamtenpersonal durch den Gerichtsvorstand Herrn Amtsrichter Kautzsch be glückwünscht und ihn als ein äußeres Zeichen der Werthschätzung eine geschmackvolle, mit entsprechen der Widmung versehene silberne Schnupftabaksdose überreicht. Der Gefeierte, sichtlich ergriffen, dankte in bewegten Worten. Möge dem allgemein geachte ten Jubilar beschieden sein, noch viele Jahre seine» Amte» walten zu können. — Dresden. Ihre Majestät die Königin ist Sonnabend Vormittag 10 Uhr 56 Minuten, von Baden Baden über Leipzig kommend, hier wieder ciugetroffen. Zum Empfange waren auf dem Leip ziger Bahnhofe anwesend: Se. Majestät der König, die Prinz Georg'schen Herrschaften, sowie Se. Excellenz Oberhofmeister von Watzdorf und Kammerherr von Minckwitz. — Dresden. Verschiedene Anzeichen lassen da rauf schließen, daß der am Mittwoch früh in einem hiesigen Hotel wegen Diebstabl» eines Porte monnaies mit 150 M. verhaftete Fremde ein der Sicherheit des EigcnthumS von Reisenden besonders gefährlicher Mensch ist; denn nicht allein, daß er oft in Gesellschaft Anderer Geschichten über internationale Gaunerbanden, sowie über hervorragende Diebstähle während der Weltausstellung in Paris erzählt und dabei Einzelheiten vorgebracht hat, die eine Betheilig ung sehr wahrscheinlich machen, führt der Verhaftete auch Ringe und Uhrhaken, wie sie von reisenden Taschendieben zum Zwecke der Unkenutlichmachung gestohlener Ketten benutzt werden, bei sich. Dian fand unter seinen Sachen u. A. eine goldene Uhr kette, die offenbar durch Anhängung eines Medaillons und einer anderen Kette verändert worden war, vcr- muthlich aber auch gestohlen ist. Er hatte noch eine silberne Uhr mit Kette und Kompaß, einen soge nannten Schrittmesser mit goldener Kette und Me daillon, einen Stein aus einem Ringe und mehrere Theile von schwachen goldenen Ketten bei sich. Der Festgcnommene scheint sich auch nicht ständig des Namens Howard bedient zu haben, in Hamburg viel mehr unter dem Namen „Hegcrström" ausgetreten zu sein. Er spricht deutsch, französisch, italienisch, etwas englisch und spanisch. In Loudon ist früher einmal — vor 5 Jahren — ein Oesterreicher „Eward Howard" als durchtriebener Gauner zu einmonatlicher Polizeistrafe verurtheilt worden. Derselbe war gleich falls wie der jetzt Ungehaltene, im Jahre 1833 ge boren, hatte schon Kerkerstrafe verbüßt und wurde noch vom Landgerichte zu Linz steckbrieflich verfolgt. Wie alles andere gegen ihn Vorgebrachte leugnete der Verhaftete auch, mit diesem Menschen identisch zu sein. — Leipzig, 27. Februar. Von der letzten Generalversammlung der Vertreter der hiesigen Orts krankenkasse wurde gestern gegen zehn Stimmen der Beschluß gefaßt, in Zukunft auch unter ärztlicher Eontrole stehende Naturheilkundige zur ärztlichen Behandlung der Kassenmitglieder zuzulassen. Was die Kassenärzte, von denen übrigens sonderbarer Weise keiner in der Versammlung anwesend war, anbetrifft, so werden voraussichtlich auch diese bei den von ihnen gefaßten Beschlüssen beharren, obwohl, wie sich nach dem Ergcbniß jener Versammlung vermuthen läßt, die Mehrheit des Publikums nicht auf ihrer Seite steht. — Leipzig,- 28. Febr. Gestern Abend 9 Uhr erhängte sich der 53 Jahre alte, aus Eibenstock ge bürtige Hausknecht S. in einem hier sehr bekannten, in der Carlstaße gelegenen Vergnügungslokal, wo er bedienstet war. Sein Leichnam wurde polizeilich aufgehoben. — Zwickau. Die Erneuerung des Innern der Marienkirche ist nunmehr vollendet. Vom 28. Febr. ab erfolgt die Reinigung derselben und ist der Zutritt zur Kirche bis zu deren Einweihung für Jedermann verboten. Vom 9. Mär; an wird die selbe täglich zum Besuche während der Zeit von 11 bis 1 Uhr Mittags geöffnet sein. — In Schandau wurde am 26. Febr. in der auf dem Schloßberge befindlichen „Schillergrotte" der Polizeidiener, Promenadenwärter und Armenhausver walter A. stark blutend und in ziemlich bewußtlosem Zustande aufgefunden. Derselbe wurde nach dem Krankenhause geschafft. ES ergab sich, daß der Ver letzte sich mit einem Taschenmesser die Pulsader bei der Arme zu durchschneiden versucht hatte, was ihm jedoch nur zum Theil gelungen war. Aus einem bei ihm vorgefundenen Zettel geht hervor, daß ihn ein über ihn verbreitetes Gerücht, wonach er sich in der Richtung des § 174 Abs. 3 deS R.-Str.-G.-B. ver gangen haben soll, zu der unseligen That getrieben hat. Amtliche Mittheilungen ans der 3. öffentlichen Atadt- verordnctkn-Aitznml am 19. Februar 1891. Anwesend: 19 Mitglieder. Entschuldigt fehlen die Herren Stadtverordneten Meichsner und Dörffcl. Seiten des Stadt raths anwesend: Herr Bürgermeister Löscher. Die Sitzung wird vom Vorsteher, Herrn Richard Hertel um 8 Uhr eröffnet und beschließt das Collegium 1) die Rechnung der Stadt-Anlagen auf das Jahr 1889 an den Rechnungsausschuß abzugeben, 2) die Rechnung der Pensionskaffe auf das Jahr 1890 an denselben Ausschuß abzugeben, 3) den Vorsteher zur Mitvollziehung de- Haushaltplanes für das Jahr 1891 zu beauftragen, 4) den Stadtrath auf Antrag des Stadt«. Brandt zu ersuchen, wegen Erlangung der Gelder der neuen Anleihe bei verschiedenen Bankhäusern anzufragen. Schluß der öffentlichen Sitzung '/,9 Uhr. Hierauf gedenkt Herr Vorsteher Hertel der Verdienste und ersprießlichen Thätigkeit de- in dieser Sitzung zum letzten Male anwesenden Herrn Bürgermeister Löscher und bringt das Collegium diesem den Dank hierfür durch Erheben von den Plätzen dar. Herr Bürgermeister Löscher erwidert, daß ihm