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und hat Verhöre über einen'Geldbrief an gestellt, den Sie am Schalter angenommen haben. Mehr darf ich nun aber ganz gewiß nicht sagen ... das Uebrige wird sich ja wohl, wenn Sie mit zum Posthause gehen wollen, dort aufklären." Dem jungen Beamten siel jetzt auf, daß einige Gegenstände nicht an ihrem alten Platze standen. Richtig! Sein Schreibtisch war auch in Unordnung ... dasselbe war der Fall mit seiner Commode, deni Büchertisch ... kurz, sämmtliche Gegenstände, die einen Versteck boten, schienen durchforscht zu sein. Eine flammende Röthe flog über sein feines Gesicht. Also soweit war man schon gegangen! „Wie?! Eine Haussuchung!" kam cS zornig von seinen Lippen. Doch er besann sich rasch und sprach ruhiger: „Es ist gut, Weise, ich gehe! Der Jrrthum wird sich ja bald aufklären. Ist mein Freund Linde auch noch im Posthause?" „Ach ja, das ganze Personal ist noch im Amte, man hat sogar einen Boten nach B. gesandt, um Sic aufzusuchen, er hat Sie jedoch dort nicht getroffen." „Das wird ja immer mystischer!" murmelte Bäu mer vor sich hin. Beide Männer schickten sich zum Gehen an. Be vor sie die Hausthür erreichten, erblickte Bäumer den Hauswirth. Dieser wartete seine Rede nicht ab, sondern näherte sich ihm und machte ihm ängstlich die Mittheilung, daß im Laufe des Tages sehr oft nach ihm gesragt worden sei, ja gegen sieben Uhr seien sogar einige Polizeibcamtc hier gewesen und hätten die Weisung ihrer Behörde vorgezeigt, sein Zimmer und seine Kammer zu durchsuchen. Was sie gesucht hätten, wußte er nicht; auch schienen sie das Gesuchte nicht gefunden zu haben, denn beide Beamte hätten alsbald kopfschüttelnd das Haus verlassen. Diese Mittheilungen machten den jungen Mann doch stutzig. „Daß gegen Sie, Herr Sekretär", fügte der Haus wirth tröstend hinzu, „nichts vorliegt, vas weiß ich im Voraus. Ich bin der Ueberzeugung, daß Sie nur hinzugehen brauchen, um den Zwischenfall aufzuklären." „Ich bin mir keiner schlechten Handlung bewußt," versicherte der junge Beamte ... „Ich banke für das Vertrauen zu mir, Herr Keller! In kurzer Zeit hoffe ich zurück zu sein. Gute Nacht!" „Gute Nacht!" erscholl es hinter den sich ent fernenden beiden Männern her. Daß cs anders kam, als Bäumer gedacht, wissen wir aus dem Anfänge der Erzählung. VII. Am Morgen nach der Verhaftung des jungen Beamten saß die Familie Droop beim Eaffec und unterhielt sich noch lebhaft über die Fahrt von gestern. Man erwartete in einer halben Stunde Denjenigen, der zur Unterhaltung bei der gestrigen Fahrt den größten Theil beigetragen hatte. Bertha sah heute Morgen reizend aus. Die langen blonden Locken hatte sie unter einem feinen Spitzcnhäubchen ver steckt, was ihr jedoch nicht ganz gelungen war, denn einige widerspenstige guckten neugierig unter derselben hervor. Wie sie so dasaß, war sie die Verkörperung des Glückes und der Schönheit. Armes Kind! Der Ernst, der bittre Ernst des Lebens naht sich Dir mit Sturmesschritteu . . . wirst Du mnthig ihm Trotz bieten können? Die Magd erschien jetzt im Zimmer und meldete, daß Herr Obersekretär Linde den Herrn sogleich zu sprechen wünsche. Etwas verwundert erhob sich Droop von seinem Sitze und begab sich in das zum Em pfang Fremder bestimmte Zimmer, in welchem ihn Linde erwartete. Dieser sah geisterhaft blaß aus. Der Blick seiner tief dunklen Augen schien von einer schlaflosen Stacht zu zeugen, was dem ihn verwundert anschaucnden alten Herrn sofort auffiel. Stach rascher Begrüßung nahm Linde das Wort und berichtete dem alten Herrn über des Freundes Verhaftung. Er schloß mit den Worten: „Das, was ich soeben Ihnen, Herr Droop, schil derte, habe ich nur bruchstückweise aus der geführten Untersuchung des Inspektors erfahren können; die einzelnen Details derselben sind mir noch nicht ganz bekannt. Aus den Reden Bäumcr'S, den ich gestern Abend auf seinem Gange nach dem Gerichtsgcbäudc noch begleitete, habe ich auch nicht klar ersehen können, welcher Art die gegen ihn zeugende» Verdachtsmo mente sind. Wenn Sie ivollen, besuchen wir morgen Vormittag gemeinschaftlich den Richter; er wird gegen uns vielleicht seine Ansicht über die Verhaftung Bäumcr'S aussprechen. Aus den Untersuchungsaktcn, welche sich jedenfalls noch in den Händen des Vor stehers befinden, werde ich wohl nichts erforschen können, da dieser aus übertriebener Aengstlichkcit mich keinen Blick hinein thun lassen wird." „Mein Gott!" sagte Droop, indem er aufsprang, als jener geendet. „Bäumer ein Verbrecher, in Unter suchungshaft! Der Gedanke ist zu entsetzlich! Mein Inneres sträubt sich dagegen, es zu glauben. Wie wird diese Nachricht meine Frau, und wie wird sie meine Tochter erschüttern!" Kopfschüttelnd sank der alte Mann wieder in seinen Sessel, mit der Hand nach der Schläfe fassend. Linde versuchte ihn mit der Erklärung, daß solche Fälle wohl Vorkommen könnten, zu tröste». Daß der Freund unschuldig sei, daran wäre ja gar nicht zu zweifeln. Er wollte noch heute an den Onkel des Verhafteten, Major Bäumer, schreiben und ihn auf fordern, die nöthigen Schritte zu thun, um den Freund aus der Haft zu befreien. Da jener ver mögend sei, so würde sich dies durch Deponirung einer Caution bei Gericht ermöglichen lassen. Droop sprang auf. „Herr Linde", rief er, „ich verdiene den Vorwurf, denn ein solcher liegt für mich in Ihren letzten Worten. Ich schäme mich, an diese Eventualität nicht sogleich gedacht zu haben. Jetzt endlich kann ich dem Man», der mit Todesverachtung mein Kind vom sichern Tod rettete, zeigen, daß ich mich seiner That noch erinnere. Ich gehe sofort zum Richter und will dort jede ver langte Summe deponiren, wenn ich nur hiermit den schwer an seiner Ehre gekränkten Mann der Haft ent ziehen kann." (Fortsetzung folgt.» Vermischte Nachrichten. — Die Regierung der Oberpfalz hat die in den Volksschulen überall übliche Strafe des Tatzen gebens (Schläge mit einem spanischen Röhrchen auf die Innenfläche der Hände) für den Regierungskreis verboten und dies mit folgendem Gutachten des Medi zinalreferenten begründet: „Die Innenfläche der Hand ist ungemein nervenreich und insbesondere sind die Innenflächen der Fingerspitzen wegen der in den selben befindlichen sehr zahlreichen und eigcnthümlich gestalteten Nervenendigungen (Tastkörperchen) als die dein 'Menschen eigenthümlichcn, äußerst feinfühligen Tastorgane zu betrachten, welche zu der ungemein mannigfaltigen Verwendting der menschlichen Hand sehr wesentlich beitragen nnd namentlich auch bei den Beschäftigungen der Schüler eine sehr wichtige Rolle spielen. Es geht schon aus dieser Betrachtung hervor, daß cs vom hygienischen Standpunkte aus nicht gebilligt werden kann, ein so zart organisirtes und für die Schüler so wichtiges Organ durch die erwähnte Strafe, wenn auch nur vorübergehend, zu beschädigen nnd nnbrauchbar zu machen, abgesehen davon, daß im konkreten Falle niemals, besonders wenn das Strafen in zorniger Erregung und daher vielleicht mit größerer Gewalt stattfindet, vorauSzubemessen ist, welche Folgen sonst noch eine Verletzung eines so em pfindlichen und nervenreichen Organes, wie die mensch liche Hand ist, nach sich ziehen kann. — Die Furchtsamkeit von Pferden. Als Mittel gegen dieses Uebcl ist nur eins zu empfehle», es ist aber ein gutes Mittel, von dem man sich Er folg versprechen kann, es heißt sanfte Behandlung. Werden die Pferde von Jugend auf ruhig und sanft behandelt, so bildet sich die Furchtsamkeit überhaupt N'cht ans. Jedoch auch dort, wo sie vorhanden, läßt sich viel thun, um sie zu beseitigen. Es gelang mir, schreibt ein praktischer Perdczüchter, Pferde, die mit dem Besen geprügelt waren und sich schon ängstlich umschauten, wenn man sich nur dem Winkel näherte, in dem dieses falsch angewandte Ding stand, in kurzer Zeit von ihrer Furcht zu befreien, nämlich dadurch, daß ich, wenn ich mich ihnen näherte, den Besen mit nahm, die Thicre streichelte, sic am Besen nagen ließ nnd ihnen die Mähne mit demselben strich. Fürchtet sich ein Thier vor einem feststehenden Gegenstand, so suche man dasselbe durch Zuredungcn und Liebkosungen dazu zu bewegen, sich demselben zu nähern, in den meisten Fällen wird dieses zum Ziel führen, Aus nahmen kommen ja immer vor, Prügeln führt nie zum Ziel, und wird iin großen Gamen viel zu viel angewandt. Ich habe in Rußland Gegenden kennen gelernt, in denen gar keine Peitsche bei den Pferden im Gebrauch ist, trotzdem fahren die Pferdebesitzer dort ebenso scharf und verlangen von ihren Thieren ebensoviel, vielleicht noch mehr wie wir. — Verwendung der in der Haushaltung abfallenden Knochen. Hierüber berichtet der „Bauernfrcund für Nordböhmeu", wie folgt: Vor Jahren kam öfters ein Mann in unsere Haushalt ungen und kaufte die Knochen — das Kilogramm für 2 kr., für etwas Zwirn oder ein Paar Stadeln — zusammen, trug die Knochen aber nicht wie die Leute meinten, in eine Zuckerfabrik, sondern zu einem Gärt ner, der sic in ein Petroleumfaß warf, das an einem abgelegenen Orte stand; es wurde jedesmal kochendes Wasser darüber gegossen und dann das Faß gut zu gedeckt, damit die sich bildenden Gase nicht entweichen konnten. Nach einer Woche wurde etwas Schwefel säure dazu gegossen und der Inhalt mehrere Male umgerührt. Nach mehreren Tagen zerfielen die Knochen zu Brei. Diesen dicken Brei goß der Gärtner auf einen Erdhaufen und hatte dann den besten Dünger. Auch verdünnte er diese» Brei mit sehr viel Wasser und benutzte ihn als flüssigen Dünger zum Begießen seiner Gemüse und der Topfgewächse, welche darnach alle ein üppiges und starkes Wachs- thuin zeigten, während die auf diese Art gedüngten Gurken nnd Zwergobstbäume die geringe Mühe durch reichen Fruchtertrag belohnten. — Drei Freunde. Traue keinem Freunde, wofern du ihn nicht geprüft hast; an der Tafel des Gastmahls giebt cs mehr derselben, als an der Thür des Kerkers. — Ein Mann hatte drei Freunde. Zwei derselben liebte er sehr; der dritte war ihm gleichgültig, obwohl dieser cS am redlichsten meinte. Einst war er vor Gericht gefordert, wo er unschuldig, aber hart verklagt war. „Wer unter Euch," sprach er, „will mit mir gehe» und für mich zeugen? Denn ich bin hart verklagt worden und der König zürnt." Der erste -seiner Freunde entschuldigte sich sogleich, daß er nicht init ihm gehen könnte wegen anderer Geschäfte. Der zweite begleitete ihn bis zur Thür des Rathhauses ; da wandte er sich und ging zurück aus Furcht vor dem zornigen Richter. Der dritte, auf den er am wenigsten gebaut hatte, ging hinein, redete für ihn und zeugte von seiner Unschuld so freudig, daß der Richter ihn losließ und beschenkte. — Drei Freunde hat der Mensch in dieser Welt, — wie betragen sie sich in der Stunde des Todes, wenn ihn Gott vor Gericht fordert? Das Geld, sein erster Freund, verläßt ihn zuerst und geht nicht mit ihm. Seine Verwandten und Freunde begleiten ihn zur Thüre des Grabes und kehren wieder in ihre Häuser. Der dritte, den er im Leben oft am meisten vergaß, sind die Werke der Liebe und Barmherzigkeit. Sie allein folgen ihm nach und begleiteten ihn bis zum Throne des Richters. — Das Geheimniß der alten Mamsel. „Ick bitte doch recht sehr, det die Oeffentlichkeit aus- jeschlossen wird, ick bin noch »ich verheirathet n» kann meine intimsten Jcheimnisse doch nich hier vor alle sichtliche Männeroojen vcroffenbaren." Auf der An klagebank befand)! sich die 52 jährige unverehelichte Wirthschafterin Marianne S . ., der Typus einer alten Jungfer. Vors.: Dazu liegt durchaus keine Veranlassung vor, cs handelt sich um einen einfachen Diebstahl. Sie werden Ihre Schuld doch wohl ein- ränmen? — Angekl.: Ick bin so unschuldig wie det Sonnenlicht un habe die Sachen bloS ini Interesse meiner Herrschaft ufbewahrt. — Vors.: Das wird Ihnen wohl Niemand glauben. — Angekl.: Wenn ick mein Jeheimniß preisjeben wollte, denn würden Sie mir schon jloobcn. — Vors.: Warum wollen Sie denn nicht reden? — Angekl.: Weil et mir zu schar- nirlich is. — Präs.: Nun, ich muß es Ihnen über lassen. Sie waren Haushälterin bei dem pensionirten Major von B.? — Angekl.: Köchin, den Hausstand besorgte det jnädige Freilein. — Vors.: Wie lange waren Sie dort? — Angekl.: Seit den 1. September. — Bors.: Seit längerer Zeit vermißte man dort Messer und Gabeln, bis sich der Verdacht auf Sie lenkte. Kurz vor Weihnachten wurde eine Nachsnchnng in Ihrer Kammer vorgenommen nnd dort fand man in Ihrem Bette, zwischen Unterbett und Matratze versteckt, folgende Gegenstände: 5 Paar Messer und Gabeln, einen silbernen Theelöfscl unv drei Servietten. Nun bitte ich Sie um Alles in der Welt, wie wollen Sie da den Diebstahl leugnen? — Angekl.: Wenn ich sprechen wollte, denn käme die Sache janz anders. — Vors.: Run, denn sprechen Sie meinetwegen nicht, aber Sic werden vcrurtheilt werden. — Angekl.: Ick in't Jefängniß? Det is mein Dodt. — Vors.: Es ist mir zwar unerfindlich, wie Sie sich von dem Ver dachte reinigen wollen, aber ich kann Ihnen nur rathen, so sagen Sie doch, was Sie zu sagen haben. —- Angekl.: Kommt det ooch nich in die Zeitung?. — Vors.: Das glaube ich nicht, so wichtig wird es wohl nicht sein. — Angekl.: Na, denn will ick reden, aber mir is jcrade, als wenn ick dabei sticken soll. — Vors.: Es wird ja wohl keine Unwahrheit sein, die Sie uns auftischen wollen? — Angekl.: Ne, et is die Wahrheit. Sehen Sie, Herr Jerichtshof, in'n September hadde unser Fräulein en halben Scheffel Pflaumen jekooft u» die mußte ick halb süß, halb sauer inkochcn. Der Herr Major aß zu jeriic Pflaumen. 'Nu war mir det schon mehre Male passirt, det die Dinger nach so'n Wochner viere umschlugen un schim melig wurden, un denn hilft allet Wochen nischt. Eene Pflaume, die sich nich von vorne rin halten dhut, die is für den menschlichen Wohljeschmack ver loren. Ebenso is et mit Preißelbeeren. Blos rothe Rüben. — Vors.: Lassen Sie nns mit Ihrer Koch kunst in Ruh, Sic sollen sagen, warum Sie die Sachen in Ihr Bett legten. — Angekl.: Na, denn will ick et Ihnen sajen, aus Sympathie. — Vors.: Merkwür dig. — Angekl.: Ja, mir hat det 'ne olle Frau jcsagt, die mehr weeß, wie sonst eene, sie sagt, sowie die Pflaumen in'n Topp sind un mit 'ne nasse Schweine blase zujebunden, denn muß diejenije, die sie jekocht hat, fünf Messer und fünf vierzinkije Jabeln nehmen un die ieber Kren; in sein Bette unter't Kreuz lejcn, so lange sie da liejen bleiben, wird kecne Pflaume nich an zu schimmeln fangen. — Vors.: DaS ist ja höchst lehrreich. Was hatten denn der Theelöfscl und die Servietten im Bett zu thun, gehörten die auch mit zur Sympathie? — Angekl.: Det muß wohl blos en Versehen sein. — Der Gerichtshof wollte weder an Sympathie noch an ein Versehen glauben, sondern belegte die Angeklagte mit drei Tagen Gefängniß. Druck und Verlag von E. tzannebohn in Eibenstock.