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<» verschwand durch einen Zufall, einen ganz gewöhnlichen, alltäglichen Zufall, durch einen zur Unzeit, im Tumult, man weiß nicht von wem und gegen wen abgeseuerten Schuß. Nach dem Verbote des Resormbankettes vergingen die Tage des 22. und 23. Februar ruhig; zwar sammelten sich Menschen, die ihrem Unmuth durch Skandal und Geschrei Luft machten, allein, das war in Paris etwas so gewöhnliches und wenig besorgnißerregendcs, daß schon ein paar Soldaten ge nügten, um die Schreier auseinander zu treiben. Am 23. Fe bruar Abends, nachdem sich die Nachricht von der Entlassung des mißliebigen Ministers Guizot verbreitet hatte, schien jede Gefahr für die Regierung beseitigt, Paris war sogar festlich illuminirt. Da fällt unter die daherströmende Menge, die ihrem Groll gegen den gestürzten Minister vor dessen Hotel Luft macht, ohne indessen zu Thätlichkeiten überzugehen, ein Schuß. Das Militär, das vor dem Gebäude die Wache hat, glaubt sich bedroht und giebt eine Salve von 50 Schüssen aus die Menge ab. Damit war die Revolution im Gange, die Barrikaden wuchsen aus der Erde, die Straßenkämpfe began nen, die indeß wenig Blutvergießen veranlaßten. Am 24. Fe bruar unterzeichnete der König, der den Kopf verloren hatte, ebenso wie die übrigen Mitglieder seines Hauses, die Abdank ungsurkunde und Frankreich wurde wieder einmal eine Zeit lang Republik. 25. Februar. Am 25. Februar 1803 kam endlich die Entscheidung des Ausschusses des deutschen Reichstages, oder der sogenannte Reichstagsdeputations-Hauptschluß zu Stande, nachdem man fast ein Jahr lang über die Frage, wie bei der neuen Ein- theilung des deutschen Reiches die einzelnen Fürsten zu ent schädigen seien, berathen und gestritten hatte. Im Grunde genommen handelte es sich hierbei nur um die bloße Form, denn der ganze Entschädigungsplan war von den beiden sich in die Hände arbeitenden Staaten Frankreich und Rußland längst fest bestimmt worden. Tie schon längst beschlossene Vertheilung der geistlichen Güter in Deutschland wurde aus geführt und letztere zum großen Theil den Fürsten von Bayern und Württemberg, die sich durch ihre seitherige Politik den Dank Frankreichs erworben hatten, zugesprochen. Es war dies die Zeit der größten Erniedrigung Deutschlands, in der sich viele deutsche Fürsten nicht entblödeten, durch Geschenke und Schmeicheleien bei den Gesandten und Geschästsmännern des ersten französischen Konsuls in Paris die besten Güter zu erwerben, wie denn auch die völlige Auflösung des alten deutschen Reiches nicht lange auf sich warten lassen sollte. Waldschmetterling. Erzählung von B. Waldow. (l. Fortsetzung.) ,DaS. sah ich auf den ersten Blick!' ist die in frohbewegtcm Ton gegebene Erwiderung. Und ehe er'S Hintern kann, hat Margarethe, den sie durch strömenden Gefühlen folgend, sich seiner Hand be mächtigt und ihren Mund darauf gedrückt. „Pensionsmanieren!" ruft er in angenommenem Arrger, um seine Rührung zu verbergen. „Das ver bitte ich mir in Zukunft! verstanden, kleine Schmeichel katze? Ohne Strafe aber kommst Du schon diesmal nicht davon." Und die zierliche Gestalt mit starkem Arm umschlingend, trägt er sie über die Schwelle in das Haus. „O weh, das ist sehr leichte Waare, Mütterchen!" klingt es dort scherzhaft spöttisch über seine Lippen. „Herrgott — solch' Püppchen möcht' man sich ja fürchten anzufassen, damit man nichts an ihm zerbricht. Von was lebt denn eigentlich wohl das Mamselchen? Etwa nur von Licht und Luft, oder wird's geruhen, sich an Hausmannskost im Forst haus zu gewöhnen? He?" Das junge Mädchen, dem statt der früheren Be fangenheit jetzt schon der Schelm im Auge blitzt, nickt dem bärtigen Alten zutraulich entgegen. „Und wenn Du im Verein mit Tantchen obenein so menschenfreundlich bist, mir von besagter Haus mannskost bei jeder Mahlzeit eine größere Portion zu gönnen, als die JnstitutSvorsteherin für unseren armen, oft noch nach mehr verlangenden Magen es für gut befand, so will ich's Euch herzlich danken." „Bravo, Grethchen!" stimmt der Waidmann bei. „Da ist ja schon der erste Punkt, in dem wir Har moniken. Siehst Du, Alte, nun werden wir zu Zweien Deiner Kochkunst Ehre machen." Man hat da« freundliche Wohngemach erreicht. „Gott segne Deinen Eingang, Kind!" sagt hier die alte Frau bewegt und drückt die junge Schutzbefohlene, die ihre Liebkosung aufs stürmischste erwidert, aber mals an ihre Brust. „Und nun, Grethchen, mache cs Dir bequem und vergiß nicht einen Augenblick, daß Du bei uns zu Hause bist." „O, wie gut, wie engelsgut Ihr seid!" klingt eS wie Jubel über Margarethens Lippen, indeß ein Strahl unendlicher Glückseligkeit in ihren feucht ge wordenen Augen blitzt. „Was — Thränen?" murrt der Oberförster. „Nun, das fehlte gerade! Merkwürdig, daß das Weibervolk doch jederzeit solch' salzige Tropfen in Bereitschaft hat! Schau' einmal da hinaus, Prinzeß- chen. Ist das nicht wunderhübsch? Ich meine, ein solch' lachend Bild steckt an." „Ah, das ist prächtig, Onkelchen!" ruft Marga rethe, ihren Blick mit sichtlichem Entzücken über farben prächtige Blumenbeete in die Ferne sendend, wo ein im Hintergrund von einer Hügelkette abgegrenztes Thal mit malerisch verstreuten Häuschen angenehm das Auge grüßt. „Und in entgegengesetzter Richtung," läßt der Waidmann folgen, „da präsentirt sich Dir mein Stolz, mein kapitaler Wald. Ja, ja, sollst sehen, ist eS auch still bei uns, hübsch ist es doch." „Mir ist schon jetzt, als sei ich in das Paradies versetzt," erwidert Margarethe träumerisch. „Von meinem Zimmer in dem Institut schaute ich in einen engen, dunklen Hof, wohin sich in dem lieben langen Jahr kein Sonnenstrahl verirrte. Brr -- mich gru selt'-, wenn ich daran denke." „Hm — und in solcher Klause ohne Licht und Luft soll so ein Pflänzchen frisch gedeihen? Unver stand! — Doch warte, Kindchen, sollst Dich für die vermißte Freiheit jetzt gründlich schadlos halten." „Darf ich das, Onkel? Darf ich das wirklich, Tantchen?" jubelt Margarethe und blickt freude strahlend von einem zu dem andern. „Rach Herzenslust!" giebt die freundliche Matrone in gleichem Ton zurück. „Doch nun orientire Dich zunächst in unserem Heim und gönne Deinem Stüb chen, das noch eine weit schönere Aussicht hat, einen Blick." „Eine allerliebste, kleine Hexe, das Stiefkind mei ner Schwester!" sagt Oberförster Kraft, nachdem die Frauen ihn allein gelassen. „Charlotte hätte also doch, wie meine Alte schon gesagt, zu schwarz gemalt, wenn die Krallen an Margarethen- Sammtpfötchen nicht etwa noch zum Vorschein kommen. Ich — v, ich bin für solche Fälle schon gerüstet, allein mein gutes Weib — sollte mich von Herzen dauern. — Wie ihr die Freude aus den Augen sah beim Anblick ihres Schützlings, dem sie von vornherein die HerzenS- thür weit offen hielt! Nun, will's Gott, nimmt'« einen guten Ausgang." Eine geraume Zeit wandert er im Zimmer auf und ab, allmählich aber ungeduldig werdend, faßt er zuweilen an dem Fenster Posto und trommelt in immer schneller werdendem Tempo einen General- marsck» nach dem andern an die Scheiben. „Meine Alte wird doch über den Backfisch unsere Forellen nicht vergessen haben?" murrt er vor sich hin. „Der alte Magen macht sein Recht energisch geltend und wenn das Weibervolk nicht Kalo zum Vorschein kommt, verspeise ich mein Abendessen allein." Bevor er jedoch daran geht, seinen Vorsatz aus zuführen, öffnet die Frau Oberförsterin die Thür. „Welch' herzig Kind ist diese Margarethe, Alter!" ruft sie schon auf der Schwelle. „Hättest ihre Freude sehen sollen über ihr Stübchen oben und den Kranz, den ihr die Kathi über die Thür gehängt, und wie sie mich so innig bat, sie doch ein wenig lieb zu haben! Weißt Du, mir ist, als sei der Sonnenschein mit ihr ins Haus gekommen und recht von Herzen habe ich mich gefreut, daß auch Du — —" „Paperlapap — was ist mit mir?" unterbricht er sie mit komischem Unmuth. „Daß auch Du das einzusehen scheinst, mein wackerer Alter, und Dich herzlicher gezeigt hast, als Du Dich vorher angestellt. Und das war auch Deine Pflicht; hat das Kind doch keinen Vater mehr und — Hugo, sei nicht böse — auch keine Mutter, denn was Deine Schwester ihr sein sollte, ist sie entschieden nicht." „Hat Margarethe über ihre Stiefmutter geklagt?" „Wo denkst Du hin! Jedoch, ich sehe scharf." „Wenn das ist, Mütterchen, dann müßtest Du auch sehen, daß ich bereits ungeduldig nach dem Abendessen Umschau halte." „Natürlich, und ich kam ja eben —" „Um mir eine Lobrede über Deinen Schützling aufzutischen," fällt er ihr lachend in die Rede. „Das nur so nebenbei," vertheidigt sich die Gattin, „in Wahrheit aber, um Deinen Arm zu nehmen und Dich auf den gedeckten Tisch unterm Lindenbaum zu führen, wo Grethchen uns bereits erwartet." * * * „Laßt euch eure Forellen schmecken und seid alle zeit so froh wie heut, ihr guten Menschen!" So mochte Kathi, die alte Haushälterin, wohl denken, welche vom Küchensenster aus den Platz unter der Linde übersehen konnte. Mit dem Zipfel ihrer steifgestärkten Schürze wischt sie sich ein paar Thränen aus dem runzeligen Gesicht und geht dann in das Wohnzimmer hinüber, aus dem Peter die dort zurückgebliebenen Reiseeffekten Margarethens in das Fremdenstübchen bringen soll. Sehr eilig scheint er'S damit nicht zu haben, denn er hat sich vor dem großen Spiegel im verblichenen Rahmen aufgepflanzt und betrachtet dort mit stillem Wohlgefallen sein breites gutmüthiges Gesicht, indessen seine steifen Finger das seinen Hals umgebende bunte Tuch in Ordnung bringen. Erst bei KathiS derben Worten: „Ich glaube gar, der Peter wird auf einmal eitel, nun wir einen Gast im Hause haben!" dreht derselbe sich mit einiger Verlegenheit herum, um gleich darauf unter freund lichem Lachen mit den gedachten Gegenständen abzu trollen. Sie paßten gut ins heimliche ForsthauS, diese beiden schlichten Menschen, die schon gar manches Jahr mit ihrer wackeren Herrschaft Freud und Leid getheilt. Insonderheit war Kathi, die bei etwas strengen, harten Zügen doch ein warmes, treues Herz besaß, nicht das Geringste fremd, was nur mit der Familie in Verbindung stand, und so recht innig batte sie sich heut gefreut, als Peter mit gewissem Stolz vom Bahnhof heimgekehrt, sofort, nachdem er seine vier beinigen Lieblinge befriedigt, sich bei ihr cingefunden hatte, um ihr zu erzählen, wie gut das Fräulein sei, das er geholt. Sie habe, hatte er gemeint, so zu traulich mit ihm geschwatzt, könne sogar kutschiren und habe die Zügel so sicher in den kleinen Patschhänden gehalten, daß eS eine Lust gewesen, dies anzusehen. Den Schluß seiner Lobrede hatte die Versicherung gebildet, daß er dem Fräulein alle-, was sie wünsche, zu Gefallen thun werde und gälte eS, den höchsten Vogelnestern nachzuklettern. Mit dem Klettern, hatte Kathi ihm erwidert, würde eS wohl nicht mehr stattlich gehen, der Imbiß aber, den sie ihm nach seinem Rapport gespendet,, war heut ganz besonders gut und reichlich ausgefallen, so daß Peter mit noch größerer Befriedigung, als er gekommen, das Küchenheiligthum verlassen hatte. Augenblicklich hat Kathi scheinbar ganz vergessen, was sie im Zimmer eigentlich gewollt; sie schaut, nachdem Peter sie allein gelassen, gedankenvoll durch- Fenster und Bilder längstversunkener Zeiten sind'S, die vor ihrem Geist Revue passiven. (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten — Fürst Bismarck als Industrieller. Der ehemalige Reichskanzler hat mit der Stadtverwaltung zu Rom einen Vertrag abgeschlossen betreffs Liefer ung von Eichenklötzer, die zur Pflasterung des Kapi tols und neu angelegter Straßen verwandt werden sollen. Ein Beauftragter der fürstlichen Güterver waltung hat in Rom die Verhandlung persönlich geführt. Wie man sich erinnert, hat der frühere Reichskanzler auch zur Pflasterung in Berlin Holz aus seinen Forsten geliefert. — Durch die Geistesgegenwart eines fünfjährigen Knaben wurde am Freitag Nach mittag in Miersdorf bei Königs-Wusterhausen sein und das Leben seiner beiden jüngeren Geschwister gerettet. Der Knabe ist das aufgeweckte Kind des Kutschers Gnädig dortselbst. Er war mit seinen beiden jüngeren Geschwistern von den Eltern allein in der Wohnstube zurückgclassen worden und vertrieb sich die Zeit mit Murmelspielen. Dabei rollte ihm eine der kleinen Kugeln unter eine Bettstelle und er vermochte sie trotz allen Suchens in der Dunkelheit nicht zu finden. Wie er nun von den Eltern öfter gesehen, nahm der Junge ein Streichholz, welches ihm leider zugänglich war und leuchtete unter das Bett. Hierbei kam er dem Strohsack zu nahe, derselbe fing Feuer und es entwickelte sich gleich ein solcher Qualm, daß der Junge beinahe erstickt und nur mit Mühe hervorkriegen konnte. Sodann nahm er schleunigst die jüngere Schwester, welche dem Brandherde zunächst saß, und trug sie aus dem Hause, eilte gleich darauf wieder in die mit dickem Rauch angefüllte Stube hinein, drang tapfer bis zu einem Kinderwagen hindurch, in welchem sein jüngstes Schwesterchen schlief, und brachte auch dieses in Sicher heit. Dann eilte der kleine tapfere Kerl in den Hof nach Wasser, um womöglich selbst das Feuer zu löschen was ihm freilich nicht gelang. Indessen war nun schon Hilfe von den Nachbarn gekommen und so wurde der Brand gedämpft, ehe er eine weitere Ausdehnung nehmen konnte. — Eine Gespenstergeschichte aus Thü ringen. Ein Weinreisender, der kürzlich in einem thüringischen Landstädtchen übernachtete, wurde gegen Mitternacht durch leises Winseln aus dem Schlafe geweckt. Als er nach der Ursache forschte, sah er vor seinem Bett, im matten Mondenlicht, einen kleinen Hund stehen, der Lust zu haben schien, sich dem Reisenden als Schlafgenosse beizugesellen. Aergerlich stand der Gestörte auf und jagte den Hund zur Thür hinaus. Kaum aber hatte der Reisende die Augen geschlossen, als das Winseln von neuem begann und wieder ein Hund vor dem Bette stand. Wiederholtes Hinauswerfen. Als jedoch zum dritten Male ein Hund vor dem Bette erschien, wurde der Reisende wüthend, versetzte demselben einige Hiebe und steckte ihn, in der Erwartung, nun Ruhe zu haben, eben falls hinaus. Aber, o Schrecken — noch 4 kleine Hunde erschienen nach und nach im Zimmer und jetzt packte den Reisenden Grausen. Das ging nicht mit rechten Dingen zu. Er zog die Decke über die Ohren, schwitzte Angstschweiß und ließ das gespenstige Vieh zeug unbehelligt. Als aber der Morgen graute, be griff er den Spuk. Unten an der Stubenthür befand sich ein Ausschnitt, durch welchen der Haushund her eingekommen war. Der Reisende hatte also einen und denselben Hund sieben Mal zur Thür hinaus geworfen. — Unbedenklich. Aus einer Verhandlung vor dem Bezirksrichter zu Hernals theilt das „N. W. T." folgende kleine Szene mit: Kläger, nach langer Ueber- legung: „Eine nahe Anverwandte — ist das nicht eine bedenkliche Zeugin?" —Angeklagter: „Reden's nit so daher! Meine Schwiegermutter — glauben'- Herr Richter, daß die eine bedenkliche Zeugin ist? JessaS, bis die mir zu Gefallen was aussagt!" — Kläger, sehr eilig: „Ah so, Ihre Schwiegermutter! Na, freilich hab' ich gegen diese Zeugin nichts ein zuwenden . . ." — Vom Kasernenhofe. Lieutenant: „Ein jähriger Kohn!" -- Unteroffizier: „Kuhn, Herr Lieute nant." — Lieutenant: „Kuhn? Ich dachte Kohn ... Nun ja, der Mann hat sich überhaupt in der letzten Zeit sehr gebessert!"